Arbeitsunfall
Antrag auf Hinterbliebenenleistungen
Suizid
Versicherte Tätigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen hat, weil ihr Ehemann infolge eines
Arbeitsunfalls verstorben ist.
Der 1958 geborene Ehemann der Klägerin G. N. (im Folgenden G.N.) war Mitglied und zweiter Vorsitzender der Wasserwacht des
Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) Ortsgruppe A-Stadt. Die Ortsgruppe betreut in der Badesaison von Mai bis September an den
Wochenenden und Feiertagen die Wasserwachtstation am K-See, einem Badesee im Naturschutzgebiet E. (Länge ca. 1.500 m, Breite
ca. 500 m).
Am Donnerstag, den 16.07.2009 wurde G.N. gegen 19.20 bzw. 19.30 Uhr von einem Badegast im K-See in A-Stadt leblos treibend
gefunden. G.N. wurde mit dem Rettungshubschrauber geborgen. Reanimationsversuche durch den Notarzt Dr. L. blieben erfolglos.
Bereits bei Einlieferung in die A. Stadtklinik Bad T. gegen 20.50 Uhr war kompletter Herzstillstand eingetreten. Die Wiederbelebungsmaßnahmen
wurden erfolglos fortgeführt und um 21:36 Uhr wurde der Tod festgestellt. G.N. war bekleidet mit Badeshorts. In seinen Shorts,
zwischen Netz und Haut, fanden die Ärzte ein Teppichmesser.
G.N. hatte sich am 16.07.2009 um 15.30 Uhr in das Wasserwachtbuch eingetragen.
Mit der Unfallanzeige vom 27.07.2009 meldete das BRK der Beklagten den tödlichen Unfall. G.N. sei Wasserwachtmitglied und
im Wachbuch der Wasserachtstation eingetragen gewesen, als er um ca. 19.00 Uhr nochmals zum Dienstschluss alleine auf den
See hinausgeschwommen sei. Auf Nachfrage der Beklagten - u.a. zum dienstlichen Auftrag von G.N., zu Üblichkeit und Zweck des
Hinausschwimmens auf den See, zur Einteilung weiterer Mitglieder und zu Beobachtungen anderer Personen - hat Herr V. A. vom
BRK mit Schreiben vom 04.12.2009 mitgeteilt, dass G.N. als stellvertretender Ortsgruppenleiter die Dienststelle jederzeit
betreten konnte. In Absprache mit dem Ortsgruppenleiter (mündlicher Auftrag) habe G.N. an diesem Tag weiter die Küche in der
Wasserwachtstation eingebaut. An diesem Tag hätten hochsommerliche Temperaturen mit über 30° im Schatten geherrscht. Vermutlich
sei es G.N. beim Einbau der Küche zu heiß geworden, weshalb er Abkühlung im See gesucht habe. Weitere Personen seien nicht
zum Dienst eingeteilt gewesen und niemand habe beobachtet, wie G.N. hinausgeschwommen sei.
Die Kriminalpolizei Bad T. ging nach Abschluss ihrer Ermittlungen im Schlussvermerk vom 25.12.2009 mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit von einem Suizid aus.
Folgende Vorgeschichte lässt sich den polizeilichen Ermittlungen, ergänzt durch Angaben der Klägerin im Gerichtsverfahren,
entnehmen: Einige Jahre vor seinem Tod war G.N. als Abteilungsleiter der Firma S. ausgestellt worden. Diese Ausstellung bzw.
dieser Karriereknick machten ihm psychisch sehr zu schaffen. Ca. 2001 wollte er sich in der Hütte der Wasserwacht am K-See
in A-Stadt erhängen. Nach Aussage der Klägerin im Erörterungstermin vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG) hatte sich
G.N. damals telefonisch von ihr verabschieden wollen. Sie habe im Rahmen eines ca. dreistündigen Telefonats schließlich seinen
Aufenthaltsort von ihm erfahren können und ihn noch rechtzeitig von dem geplanten Suizid abhalten können. Anschließend befand
sich G.N. in psychotherapeutischer Behandlung, seit Juli 2006 bei Dr. W ... Die seit ca. 2007 u.a. gemeinsam mit seinem ältesten
Sohn M. betriebene Software-Firma lief nach eigenen Angaben gegenüber Dr. W. eher schlecht. Im Oktober 2008 verunglückten
die beiden jüngsten seiner drei Söhne im Alter von 18 und 19 Jahren bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zur Schule tödlich.
Die Obduktion durch Prof. Dr. G., Dr. F. und PD Dr. P. vom 28.07.2009 ergab keine Hinweise auf eine todesursächliche mechanische
Gewalteinwirkung wie von dritter Hand oder für eine todesursächliche innere Erkrankung. Angesichts längerzeitiger Reanimation
mit Veränderungen der Lungenbefunde konnte ein Ertrinkungsbefund nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit beurteilt werden.
Im Magen, Zwölffingerdarm und Dünndarm wurden flüssige Inhaltsstoffe mit auffälligem aromatisch-stechendem Geruch gefunden,
die am ehesten an Lösungsmittel denken ließen. Auch der in Speiseröhre und Luftröhre befindliche rot-braune Schleim wies entsprechenden
aromatischen bis stechenden Geruch auf. Zu diskutieren sei eine Vergiftung, möglicherweise in Kombination mit einem finalen
Ertrinkungsvorgang als Todesursache.
Die daraufhin veranlasste toxikologische Zusatzuntersuchung ergab Chlorbenzol und Hexanal im Mageninhalt, Chlorbenzol, Hexanol,
Heptanol und Coffein im Blut sowie Chlorbenzol und Hexanal im Lungengewebe. Dagegen wurden keine Hinweise auf Benzodiazepine,
Morphin-Derivate, trizyklische Antidepressiva oder illegale Substanzen gefunden. Die Untersuchung der Blutalkoholkonzentration
ergab für den Zeitpunkt der Blutentnahme am 17.07.2009 einen Mittelwert von 1,34 Promille.
Die Polizei stellte am 17.07.2009 in der Hütte der Wasserwacht eine Dose Imlar - einen synthetischen Verdünner der Marke Dupont
- und eine Flasche Spiritus, beide fast leer, sowie zwei zu ca. 1/5 geleerte Flaschen Lampenöl sicher.
Prof. Dr. von M. und Prof. Dr. G. führten in ihrer abschließenden Begutachtung am 04.12.2009 aus, dass der toxikologische
Befund die Aufnahme flüchtiger Substanzen belege. Die Substanzen Hexanal und Heptanol fänden sich in Farben und Lacken; Chlorbenzol
werde als Lösungsmittel für Öle, Fette, Harz, Kautschuk, Ethylzellulose und Bacalit verwendet. Die Dämpfe von Chlorbenzol
würden betäubend wirken. Es sei nicht auszuschließen, dass die nachgewiesene Aufnahme von Chlorbenzol, Hexanal und Heptanol
zum Eintritt des Todes beigetragen habe.
Aus den polizeilichen Ermittlungen ergibt sich ferner, dass persönliche Gegenstände des Verstorbenen in der Wasserwachthütte
lagen (u.a. Brille, I-Phone, Piepser, Autoschlüssel, ein leerer Rucksack, Armbanduhr). Die Polizei befragte die Ehefrau, die
Eltern, den Hausarzt Dr. P., den Notarzt Dr. L., Dr. W. und Herrn C. von der Wassserwacht A-Stadt.
Die Befragung der Ärzte Dr. H. und Dr. L. ergaben, dass Einstiche in der Ellenbeuge und linkem Handgelenk von G.N. von Injektionsversuchen
im Rahmen der Reanimation stammten.
Nach Angaben der Ehefrau am 17.07.2009 hatte sie ihren Mann am Todestag zuletzt gegen 9.20 Uhr beim gemeinsamen Frühstück
gesehen. Ihr Mann habe nach B-Stadt fahren wollen, um einen Fernseher abzuholen, um sich zu erkundigen, ob er eine Betriebsrente
erhalten könne, und um Angelegenheiten mit der Krankenkasse erledigen. Um 14.00 Uhr habe er seine Frau angerufen und gesagt,
dass er sich in B-Stadt befinde und noch den Fernseher abholen wollte. Sie habe ihn gebeten, um 18.00 Uhr zu Hause zu sein
wegen Vorbereitungen für das abendliche Grillen ab 18.30 Uhr, wozu eine Freundin eingeladen war. In den letzten Wochen sei
der Gesundheitszustand ihres Mannes nicht sehr gut gewesen, auch bei kleinen körperlichen Belastungen habe er stark geschwitzt.
Im Urlaub, aus dem sie ca. 2 Wochen zuvor zurückgekehrt seien, habe er sich wohlgefühlt und sei psychisch wieder voll belastbar
gewesen. Das Teppichmesser in der Badehose könne sie sich nur so erklären, dass ihr Mann in der letzten Woche in der Wasserwachthütte
eine Küche eingebaut, dabei u.U. das Messer gebraucht und in die Shorts gesteckt habe. Sie könne sich nicht vorstellen, dass
er sich habe umbringen wollen. Ihr Mann sei nicht anders gewesen als sonst. Seine Stimme sei normal gewesen; bei depressiver
Stimmung in der letzten Zeit habe sie das auch an seiner Stimme hören können. Bei schönen Tagen sei durchaus möglich, dass
er zur Wasserwacht fahre, um am K-See zu baden.
Gegenüber der Beklagten teilte die Klägerin zudem am 05.08.2009 mit, dass ihr Ehemann am Unfalltag die alte Küche der Familie
im Wasserwachthäuschen einbauen wollte. Für den Abend und für das Wochenende seien Gäste eingeladen gewesen. Sie legte ein
Attest des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. vom 15.09.2009 vor. Darin nannte Dr. W. als Diagnosen von G.N. Angst und
depressive Reaktion gemischt (F 43. 22) sowie eine remittierte rezidivierende depressive Störung (F 33. 4). Bei Beginn der
Behandlung (Juli 2006) hätten eine Mischung aus Angst, Besorgnis, tiefer Trauer, aber nicht das Vollbild einer Depression
und keine Suizidalität bestanden. Im Verlauf der Behandlung mit klärenden und stützenden Gesprächen und antidepressiver Behandlung
mit Venlafaxin seien zunehmende Besserung auch der Vitalität und Abklingen vom Besorgnis und Ängsten mit adäquater Zukunftsorientierung
eingetreten.
Der Hausarzt Dr. P., der auch der Arbeitgeber der Klägerin war, berichtete am 17.07.2009 über psychische Probleme von G.N.
und seinen Suizidversuch. Am 28.04.2008 - also noch vor dem Unfall der Söhne - habe G.N. bei damaliger psychischer Labilität
und Depressionen auf konkrete Frage Suizidabsichten verneint. Beim letzten Besuch in der Praxis am 03.07.2009 habe er eine
Bemerkung fallenlasen im Sinne von "wozu das alles noch". Sein Bluthochdruck sei gut eingestellt gewesen. Dr. W. teilte am
10.08.2009 mit, dass G.N. zuletzt am 14.07.2009 bei ihm in der Praxis gewesen sei und keine Hinweise auf Selbstmordabsicht
bestanden hätten. Es sei ihm wieder besser gegangen und er habe sich wieder besser konzentrieren können. Den Tod der Söhne,
der ihn stark aus der Bahn geworfen habe, habe er bereits gut aufgearbeitet gehabt. Er sei medikamentös gut eingestellt gewesen
und habe u.a. Tavor und Venlafaxin genommen.
Der Vater von G.N. teilte am 28.08.2009 mit, dass sein Sohn den Verlust seiner Söhne nicht verkraftet habe. Eine Woche vor
seinem Tod habe er bei einem Essen geäußert, dass er im Fall seines Todes seine Eltern nicht bei seiner Beerdigung haben wolle.
Die Mutter von G.N. nahm an, dass es um die Ehe nicht mehr so gut gestanden habe. So habe die Klägerin im Mai oder Juni 2008
im Zusammenhang mit der Psyche von G.N. geäußert, sie sei seit Jahren mit einem kranken Mann zusammen. Im Februar 2009 habe
sie der Schwiegermutter gesagt, sie wäre weggegangen, wenn sie damals Geld gehabt hätte.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24.11.2010 gegenüber der Klägerin die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und Leistungen
aus der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) ab. Ein Unfallereignis sei nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad festzustellen.
Fraglich sei, ob G.N. eine versicherte Tätigkeit für die Wasserwacht zum Zeitpunkt der zum Tode führenden Ereignisse ausgeübt
habe oder ob er sich selbst habe töten wollen. Nach den Gesamtumständen sei davon auszugehen, dass keine aus der Wasserwachtstätigkeit
herrührenden betrieblichen Gründe dafür vorlagen, dass ihr Ehemann auf den See hinausschwamm. Aus den Gesamtumständen und
der Krankheitsvorgeschichte sei vielmehr eine Selbsttötung nicht auszuschließen. Diese werde von den polizeilichen Ermittlungsbehörden
sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen.
Mit Schreiben vom 22.11.2010 beantragte die damalige Klägerbevollmächtigte eine Hinterbliebenenrente der Klägerin und legte
am 21.12.2010 Widerspruch ein. Eine Selbsttötung durch Ertrinken sei nicht möglich. Das Messer in der Badehose sei nicht zum
Einsatz gekommen. G.N. habe noch für denselben Abend eine Verabredung getroffen und am Mittag des 16.07.2009 für den nächsten
Tag Termine bestätigt. Am Tag zuvor habe der Verstorbene, der in der evangelischen Kirche aktiv gewesen sei, Dekan S. getroffen
und mit ihm über Zukunftspläne der Gemeinde gesprochen. Die Ablehnung stütze sich auf vage Vermutungen. Das Ertrinken sei
durch einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt oder etwas Ähnliches ausgelöst worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2011, zur Post gegeben am 24.02.2011, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es fehle
am Nachweis einer versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt. Hinweise darauf (z.B. Rettung einer anderen Person etc.) lägen
nicht vor. Die Obduktion habe im Übrigen keine Hinweise für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erbracht.
Zur Begründung der am 25.03.2011 beim Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat die damalige Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen vorgetragen, dass der Aufenthalt wegen Dienstes im
Wasserwachthäuschen mit einer Trainingseinheit für den diensthabenden Wasserwachtsleiter verbunden sei, um die körperliche
Einsatzfähigkeit zu erhalten. Dafür sind Zeugen (u.a. C.) benannt worden. Der Verstorbene habe am Nachmittag des 16.07.2009
gegenüber einer Kundin einen Termin zur Installation einer neuen Software am Firmensitz in S. (Österreich) für den Folgetag
um 8.00 Uhr bestätigt. Am Todestag habe er eine Einladung zum abendlichen Grillen ausgesprochen und er habe Termine mit Dekan
S. für die Woche vereinbart gehabt. G.N. habe keinesfalls Selbstmordabsichten gehabt. Er habe an seinem Todestag keinen offiziellen
Dienst in der Wasserwacht gehabt, sondern sich wegen des Kücheneinbaus in der Hütte aufgehalten. Diesen Aufenthalt habe er
wie immer genutzt, um im K-See eine Trainingseinheit zu absolvieren. Deshalb habe er sich auch in das Wachbuch eingetragen.
In der mündlichen Verhandlung am 28.09.2015 hat die Klägerin Antrag auf Hinterbliebenenleistungen gestellt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.09.2015 abgewiesen, denn es liege keine versicherte Tätigkeit vor. Das SG hat auf die Widerspruchsbegründung gemäß §
136 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) verwiesen. Ein Anscheinsbeweis sei dafür nicht möglich. Es gebe keine Zeugen, die Rückschluss auf die Handlungstendenz des
Verstorbenen beim Schwimmen geben könnten. Offenbleiben könne, ob die Beklagte den Indizienbeweis eines Suizids geführt habe,
wofür sie die objektive Beweislast treffe.
Gegen das am 12.10.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.11.2015 Berufung eingelegt. Das SG habe die neuere BSG-Rechtsprechung zur Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw. mit gemischter Motivationslage nicht beachtet. Eine
private Motivation für das Schwimmen werde nicht dargelegt. Betrieblicher Zweck einer Trainingseinheit sei die Erhaltung der
körperlichen Einsatzfähigkeit als betriebliche Nebenpflicht eines jeden Rettungsschwimmers. Ferner hat sich der Klägerbevollmächtigte
auf das BSG-Urteil vom 04.08.2007 (B 2 U 28/06) berufen. Denn der Verstorbene habe sich am Unfalltag im räumlichen Arbeitsbereich befunden, der den gesamten K-See umfasst
habe, und habe diesen Bereich, in dem er den ganzen Tag verschiedene betriebsbezogene Tätigkeit verrichtet habe, nicht verlassen.
Daher sei nicht relevant, dass unklar bleibe, was er zum Unfallzeitpunkt genau gewollt habe, als er auf den zu überwachenden
See hinausschwamm.
Im Erörterungstermin vom 06.07.2016 ist der erste Vorsitzende der Wasserwacht-Ortsgruppe A-Stadt / K-See C. als Zeuge vernommen
worden. Dieser hat dargelegt, dass die Rettungsstation am K-See an den Wochenenden und Feiertagen besetzt sei und ein Dienstplan
vorliege. Eine Wachmannschaft bestehe regelmäßig aus fünf Personen, wovon mindestens drei anwesend sein sollten; notwendig
seien ein Wachleiter, ein Bootsführer und ein Rettungsschwimmer. Dann werde die Besetzung an die Rettungsleitstelle gemeldet.
Nicht ausgeschlossen sei, dass jemand unter der Woche zur Rettungsstation komme und sich dort eintrage. Dann sei er auch verpflichtet,
ggf. Hilfe zu leisten; eine Meldung an die Leitstelle erfolge dann aber nicht. Zu den Aufgaben der Wasserwacht gehörten die
komplette Sicherung des K-Sees, die Versorgung von kleinen Verletzungen am Seeufer sowie die Rettung von Menschen bis zur
Reanimation. Im Jahr 2009 habe ein Mitglied der Wasserwacht, wenn es als Rettungsschwimmer tätig sei, das deutsche Rettungsschwimmerabzeichen
in Silber jährlich wiederholen sollen. Pflichtstunden oder eine Mindestanzahl von Stunden für das Schwimmen seien nicht verbindlich
vorgeschrieben gewesen. G.N. sei Wachleiter und 2. Vorsitzender gewesen und habe einen Bootsführerschein gehabt. Er sei etwa
alle drei Wochen in der Rettungsstation eingesetzt gewesen. Zum üblichen Ablauf, wenn jemand im See in Not ist und man selbst
alleine in der Rettungsstation ist, hat der Zeuge mitgeteilt, dass immer erst ein Notruf bei der Rettungsleitstelle abgesetzt
werde mit dem Hinweis, wo sich die Person ungefähr befindet. Neben dem Rettungsboot stünden zwei Rettungsbretter und Wurfsäcke
zur Verfügung. Der Zeuge hat erklärt, er gehe davon aus, dass G.N. nicht wegen eines Einsatzes ins Wasser gegangen sei, sondern
zum Schwimmtraining. Unter Schwimmtraining verstehe er, dass Mitglieder der Wasserwacht schwimmen, um fit zu bleiben. Es sei
durchaus üblich, die Strecke vom Steg aus zum Gegenufer und zurück zu schwimmen. Nach seiner Erinnerung sei der Verstorbene
etwa 50 Meter vom Steg entfernt aus dem Wasser geborgen worden. Es handle sich durchaus um eine Stelle auf dieser Schwimmstrecke
zum anderen Ufer. Einmal in der Woche finde ein regelmäßiges Training für die Mitglieder statt, im Sommer auch am See. Ob
G.N. regelmäßig daran teilgenommen habe, könne er nicht sagen. Der Zeuge hat angegeben, dass Alkoholkonsum nicht üblich sei
in der Zeit, in der man in der Rettungsstation Dienst mache. Der Verstorbene, der bei sich zu Hause eine neue Küche habe einbauen
lassen, habe angeboten, seine alte Küche in der Rettungsstation einzubauen. Der Vorstand habe zugestimmt. Genaue Absprachen,
wann das erfolgen sollte, habe es nicht gegeben. Ob der Verstorbene am Tag seines Todes an der Küche gearbeitet habe bzw.
welche Arbeiten er verrichten wollte oder verrichtet hat, hat der Zeuge nicht mitteilen können. Er gehe von solchen Arbeiten
am Unfalltag aus, weil noch Abschlussleisten bzw. Zierleisten anzubringen gewesen seien und der Verstorbene ein Teppichmesser
in seinen Badeshorts mit sich geführt habe. Den unleserlichen Eintrag im Wachbuch unter der Rubrik "bis" (Angabe des Ende
eines Einsatzes) habe der Zeuge vorgenommen, weil der Einsatz beendet gewesen sei.
Die Klägerin hat erklärt, dass die Wasserwachtmitglieder neben dem eher technischen Training am Montag auch sonst die Strecke
im See schwimmen würden, um Kondition aufzubauen. Auf Nachfrage hat die Klägerin die Umstände des Selbstmordversuchs ihres
Mannes im Jahr 2001 geschildert. Damals sei für ihren Mann der Mittelpunkt seines Lebens weggebrochen und es sei ihm psychisch
sehr schlecht gegangen. Mit Hilfe von Therapien habe er sich stabilisiert. Nach dem Tod ihrer zwei jüngeren Söhne 2008 habe
er ihr in die Hand versprochen, dass er sie und den Sohn M. nicht allein lasse. Sie sei sicher, dass es kein Selbstmordversuch
gewesen sei. So habe die Sicherung der (Computer-) Systeme einen Zugriff des Sohns als Geschäftspartner verhindert; bei Selbstmordabsicht
hätte ihr Mann die Sicherung nicht so stehen lassen. Außerdem habe er am Todestag noch Termine ausgemacht bzw. bestätigt und
eine Freundin abends zum Grillen eingeladen. Am Todestag habe ihr Mann gegen 14 Uhr mit ihr telefoniert, von dem Gespräch
wegen der betrieblichen Zusatzversicherung berichtet und gesagt, dass er noch zum See fahren und die Küche aufbauen werde.
Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass ihr Ehemann die Angewohnheit hatte, sich immer wieder Werkzeuge hinten in den Bund
bei Hosen wie auch in die Badeshorts zu stecken. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Niederschrift verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 25.10.2016 hat der Klägerbevollmächtigte bekräftigt, dass G.N. versicherte Küchenarbeiten erledigt und
anschließend eine versicherte Trainingseinheit absolviert habe, denn er sei auf einer üblichen Trainings-Schwimmstrecke geborgen
worden. Er hat sich auf ein Urteil des BSG vom 05.09.2006 (Az. B 2 U 24/05 R) berufen.
Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 26.10.2016 wird verwiesen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.09.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.11.2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2011 zu verurteilen, der Klägerin aus Anlass des Todes des Versicherten
G. A. am 16.07.2009 Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts
verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
A) Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet.
Die Beklagte hat mit dem angegriffen Bescheid Ansprüche der Klägerin auf Leistungen aus der GUV und damit auf Hinterbliebenenleistungen
wie Sterbegeld, Überführungskosten und Hinterbliebenenrente (§
63 Abs.
1 Nr.
1, Nr.
2 und Nr.
3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) i.V.m. §§
64,
65 SGB VII) abgelehnt. Nach durchgeführter Beweisaufnahme gelangt auch der Senat zu der Überzeugung, dass die Klägerin keinen Anspruch
auf diese Hinterbliebenenleistungen hat, weil ein Arbeitsunfall ihres Ehemanns am 16.07.2009 im Sinne von §
8 SGB VII nicht nachgewiesen ist und sein Tod nicht infolge eines Versicherungsfalls gemäß §
63 Abs.
1 Satz 2
SGB VII eingetreten ist.
Nach §
8 Abs.
1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte
durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt
hat und deshalb "Versicherter" ist (vgl. BSG Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - [...] RdNr. 10). Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch
einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (vgl. BSG Urteil vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - [...] RdNr. 12). Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu
Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu Selbstschädigungen; nicht geschützt sollen Unfälle sein, die auf
Ereignissen beruhen, die aus dem Menschen selbst kommen (vgl. BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - [...] RdNr. 16). Besteht die Einwirkung auf den Versicherten in einer von seinem Willen getragenen und gesteuerten Eigenbewegung,
kommt diese nicht von außen. Ein Unfall ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich
durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird. Solange ein Versicherter in seiner von ihm gewollt herbeigeführten Einwirkung
und damit in seiner Eigenbewegung nicht beeinträchtigt ist, wirkt kein äußeres Ereignis auf seinen Körper ein (vgl. BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - [...] RdNr. 16).
Der verstorbene G.N. war zwar unentgeltlich und ehrenamtlich tätiges Mitglied der Wasserwacht des BRK und damit eines Unternehmens,
das zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig ist. Gemäß §
2 Abs.
1 Nr.
12 SGB VII sind Personen kraft Gesetzes in der GUV versichert, die in solchen Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz
unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen teilnehmen.
Es ist aber weder nachgewiesen noch nachweisbar, dass G.N. vor seinem Auffinden im K-See eine Verrichtung vorgenommen hatte,
die im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit Aufgaben der Wasserwacht stand. Versichert ist eine Verrichtung, wenn sie
nach der objektivierten Handlungstendenz auf die Erfüllung eines versicherten Tatbestandes gerichtet ist (vgl. BSG vom 23.04.2015 - B 2 U 5/14 R - [...] RdNr. 12).
Zu den versicherten Tätigkeiten i.S.v. §
2 Abs.
1 Nr.
12 SGB VII zählen neben allen Hilfen bei Unglücksfällen oder bei Unfällen, bei der Bergung von Toten und bei der Beseitigung von Unfallfolgen
auch Verwaltungsarbeiten, Vorbereitungshandlungen oder sonstige Verrichtungen, die dem Unternehmen wesentlich zu dienen bestimmt
sind (vgl. Bieresborn in Schlegel/Voelzke, [...]PK
SGB VII, Stand 13.05.2016, zu § 2 RdNr. 245; BSG Urteil vom 29.11.1990 - 2 RU 27/90 - [...] RdNr. 25 bis 27 zur Vorgängervorschrift § 539 Abs. 1 Nr. 8
SGB VII) und damit letztlich der Erfüllung der satzungsgemäßen Aufgaben des Unternehmens dienen. Neben der Erfüllung der in der Satzung
festgelegten Aufgaben des Unternehmens i.S.v. §
2 Abs.
1 Nr.
12 SGB VII sind damit Verrichtungen versichert, die der Betroffene nach objektivierter Handlungstendenz im Interesse des Unternehmens
vornimmt und von denen er aufgrund der objektiven Verhältnisse annehmen durfte, dass diese dem Interesse des Unternehmens
wesentlich dienen (vgl. hierzu BSG Urteil vom 04.08.1992 - 2 RU 39/91 [...] RdNr. 23).
Im vorliegenden Fall lässt sich nicht mehr aufklären, welche konkrete Verrichtung der Verstorbene zuletzt ausgeübt hatte,
bevor er leblos im K-See trieb, bzw. welche Verrichtungen er nach seiner Ankunft am K-See im Verlauf der folgenden Stunden
im Einzelnen verrichtet hat.
Offenbar hat sich G.N. um 15.30 Uhr in das Wachbuch der Wasserwacht eingetragen. Dieser Eintrag spricht dafür, dass er an
diesem Nachmittag Aufgaben für die Wasserwacht übernehmen wollte und ggf. auch für einen Rettungseinsatz zur Verfügung stehen
wollte, obwohl er nicht zum Dienst eingeteilt war, an einem Donnerstag die Station üblicherweise nicht besetzt ist und für
eine vollständige Besetzung eine Person allein nicht ausreicht. Allerdings begründet der Eintrag in das Wachbuch keinen Versicherungsschutz
für alle Tätigkeiten von G.N., die er anschließend im Bereich des K-Sees vorgenommen hat. Die GUV kennt mit Ausnahme der Erweiterung
in §
10 SGB VII im Bereich der See- und Binnenschiffahrt keinen Betriebsbann. Versicherter i.S. von §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt
(vgl. BSG vom 04.12.2014 - B 2 U 14/13 R - [...] RdNr. 12). Dabei müssen die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit" und "Verrichtung zur Zeit
des Unfalls" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - für das Gericht
feststehen (vgl. BSG vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - [...] RdNr. 17). Die objektive Beweislast für eine versicherte Verrichtung als anspruchsbegründende Tatsache trifft dabei
denjenigen, der daraus Ansprüche ableitet und damit hier die Klägerin (vgl. hierzu BSG vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - [...] RdNr. 28; vgl. BSG vom 07.09.2004 - B 2 U 25/03 R - [...] RdNr. 17).
Die von G.N. gegenüber seiner Frau erwähnten beabsichtigten Einbau- bzw. Anpassungsarbeiten an der Küche in der Wasserwachthütte
können nach Ansicht des Senats zwar versicherte Verrichtungen sein, da der Einbau nach Absprache mit dem Vorstand erfolgte
und aufgrund der besseren Ausstattung der Wasserwachtstation den dort als Rettungsschwimmer tätigen Wasserwachtmitgliedern
zu Gute kam, so dass diese Arbeiten dem Unternehmen der Wasserwacht wesentlich dienten. Unklar bleibt allerdings, ob G.N.
entsprechend seiner telefonischen Ankündigung gegenüber der Kläger am Unfalltag tatsächlich entsprechende Arbeiten ausgeführt
hat und wann er diese beendet hatte. Die wesentlichen Einbauarbeiten waren nach übereinstimmenden Angaben der Klägerin und
des Zeugen C. vor dem Unfalltag bereits erfolgt und es standen lediglich Abschlussarbeiten aus, wie das Anbringen von (Zier-)
Leisten. G.N. wurde nicht in der Hütte der Wasserwacht und damit im räumlichen Bereich der Küche, sondern im K-See treibend
aufgefunden. Dabei trug er Badeshorts, während u.a. seine Armbanduhr in der Hütte lag. Der Senat geht daher davon aus, dass
sich G.N. im Laufe des Nachmittags oder Abends in den See begeben hat.
Dass ein Mitglied der Wasserwacht an einem heißen Sommertag in einem Badesee badet oder schwimmt, genügt allein nicht, um
einen inneren Zusammenhang zwischen dem Schwimmen und einer versicherten Tätigkeit für die Wasserwacht zu belegen, zumal Schwimmen
bei heißem Wetter in einem Badesee eine durchaus übliche Freizeitbeschäftigung darstellt, unabhängig von einer Betätigung
für die Wasserwacht. Vielmehr ist das Schwimmen eines Wasserwachtmitglieds nur versichert, wenn das Schwimmen nach der objektivierten
Handlungstendenz dem Unternehmen Wasserwacht wesentlich dient, insbesondere beim Einsatz zur Rettung von Personen.
Anhaltspunkte dafür, dass G.N. Aufgaben der Wasserwacht im Sinne der Hilfeleistung oder des Gewässerschutzes etc. (vgl. §
3 der Ordnung für die Wasserwacht des BRK) erfüllen wollte, als er sich in den See begab, sind nicht ersichtlich. Der Zeuge
C. hat dargelegt, dass vor einem Rettungseinsatz immer die Rettungsleitstelle informiert wird. Ein entsprechender Notruf von
G.N. ist aber nicht erfolgt. Irgendwelche für die Rettung verwendeten und üblichen Hilfsmittel (z.B. Rettungsbrett) sind nicht
in seiner Nähe aufgefunden worden.
Eigene Aussagen von G.N. darüber, zu welchem Zweck er sich am Unfalltag in den See begeben wollte, sind nicht bekannt. Auch
im Telefonat mit seiner Ehefrau hat er sich dazu nicht geäußert. Zu prüfen ist daher, ob aus den vorliegenden objektiven Umständen
Rückschlüsse auf seine Handlungstendenz gezogen werden können.
Nach den objektiven Umständen der konkreten Verrichtung begab sich G.N., nachdem er sich um 15.30 Uhr in das Wachbuch eingetragen
hatte, zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt am Nachmittag oder am Abend in den See, bekleidet mit Badeshorts, in denen
sich ein Teppichmesser befand, mit einer Blutalkoholkonzentration von über 1,3 Promille sowie mit Lösungsmitteln in Magen,
Blut und Lunge. Diese objektiven Anhaltspunkte der konkreten Verrichtung sprechen trotz des eigenen Eintrags in das Wachbuch
in ihrer Gesamtschau nach Überzeugung des Senats deutlich dagegen, dass sich G.N. an seinem Todestag in den See begeben hatte,
um eine Trainingseinheit zu absolvieren, die seinem Konditionsaufbau und damit mittelbar seiner Tätigkeit als Mitglied der
Wasserwacht wesentlich dienen sollte. Eine übliche Trainingsstrecke vom Steg der Wasserwacht aus zum Gegenufer und zurück
hatte der Zeuge C. mit ca. 400 bis 500 m geschätzt. Nach Entfernungsmessungen mit Hilfe von google maps beträgt die Strecke
einfach bereits ca. 315 m und damit die Gesamtstrecke hin und zurück über 600 m. Mit einem ernsthaften Schwimmtraining sind
aber der vorherige Alkoholkonsum am Unfalltag in einer Menge, wie es eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille voraussetzt,
und die vorherige Einnahme von Lösungsmitteln nicht vereinbar. Der Zeuge C. hatte Alkoholkonsum während des Dienstes in der
Wasserwachtstation als nicht üblich bezeichnet und die Klägerin hat ihren Mann als pflichtbewussten Menschen geschildert.
Soweit der Zeuge mitgeteilt hat, der Auffindeort des Verstorbenen, ca. 50 m vom Steg entfernt, habe sich durchaus auf einer
Strecke befunden, die üblicherweise von Mitgliedern der Wasserwacht beim Konditionstraining zurückgelegt wird, nämlich vom
Steg zum gegenüberliegenden Ufer und zurück, handelt es sich nicht um ein aussagekräftiges Indiz. Beim Einsteigen in das Wasser
vom Steg aus dürfte eine ca. 50 m entfernte Stelle häufig auch dann erreicht werden, wenn nur zum Vergnügen ein wenig geschwommen
wird, ohne Trainingsabsicht, zumal der K-See nur von bestimmten Stellen aus zugänglich ist. Vor allem aber ist unbekannt,
wie lange der Verstorbene bereits bewusstlos und damit ziellos im Wasser getrieben hatte. Schon deswegen können aus der Auffindestelle
keine hinreichend verlässlichen Rückschlüsse auf eine am Unfalltag anvisierte Schwimmroute gezogen werden. Die konkrete Schwimmstrecke
lässt sich weder nach Ziel noch Umfang bestimmen.
Die Einschätzung, dass dem Bad bzw. einem Schwimmen im See keine versicherungsbezogene Handlungstendenz zu Grunde lag, wird
nach Überzeugung des Senats bei Einbeziehung weiterer objektiver Umstände im Ergebnis noch gestützt statt widerlegt. So hat
der Verstorbene den See an diesem Tag nicht wegen eines zeitlich bestimmten dienstlichen Auftrags aufgesucht, sondern im Wesentlichen
aufgrund eigenen, freien Entschlusses. Er war am Unfalltag weder für den Wachdienst eingeteilt, zumal an Wochentagen gar kein
Wachdienst vorgesehen war, noch unterlag er hinsichtlich der noch vorzunehmenden Abschlussarbeiten an der Küche irgendwelchen
Vorgaben (z.B. Terminvorgaben). Aus den Schilderungen der Klägerin über das am Nachmittag gegen 14.00 Uhr mit ihrem Ehemann
geführte Telefonat lässt sich entnehmen, dass dieser aufgrund des in B-Stadt geführten Gesprächs, bei dem er sich nochmals
erfolglos um einen Betriebsrentenanspruch bemüht hatte, aufgebracht war, und dass sein Aufenthalt am See von vornherein vorrangig
durch persönliche Gründen motiviert war, nämlich der Erholung, Entspannung bzw. Beruhigung. Diese insgesamt eher private Prägung
für seinen Aufenthalt in der Wasserwachthütte könnte auch erklären, dass G.N. trotz Eintragung in das Wachbuch an diesem Nachmittag
erhebliche Mengen Alkohol konsumiert hat.
In Übereinstimmung mit den Ausführungen der Kriminalpolizei ist festzuhalten, dass die objektiven Gesamtumstände eine Selbsttötungsabsicht
von G.N. nahelegen. Zwar sprechen Verabredungen von Terminen noch am Todestag oder das Bestehenlassen von Sicherungen geschäftlicher
Daten gegen einen lang geplanten konkreten Entschluss zur Selbsttötung für diesen Tag. Allerdings lassen sich objektive Umstände,
die anders kaum zu erklären sind, schlüssig mit einem spontan gefassten Selbsttötungsentschluss, ggf. beeinflusst durch den
Alkoholkonsum, erklären. Das gilt insbesondere für die Einnahme von Lösungsmitteln, die sich u.a. im Magen befunden haben.
Auch das Mitführen eines Teppichmessers in den Shorts ließe sich mit einer Selbstmordabsicht schlüssig erklären, nämlich um
bei unzureichender Wirkung der eingenommenen Lösungsmittel ggf. mittels Schnittverletzungen das Leben zu beenden. Bereits
einige Jahre zuvor hatte G.N. genau in dieser Wasserwachthütte wegen beruflicher Probleme versucht, sich das Leben durch Erhängen
zu nehmen. Er hatte neun Monate zuvor durch einen tragischen Unfall zwei seiner Söhne verloren und war in der Zeit vor seinem
Todestag, abgesehen von seinem Urlaub, immer wieder depressiv verstimmt gewesen, wie die Aussage seiner Ehefrau gegenüber
der Polizei erkennen lässt. Ergänzend zu erwähnen sind gewisse Lebensüberdrussgedanken, geäußert gegenüber dem Hausarzt am
03.07.2009, bzw. die gedankliche Beschäftigung mit dem eigenen Tod in der Woche zuvor gegenüber seinen Eltern mit der Äußerung,
seine Eltern sollten nicht bei seiner Beerdigung dabei sein. Andererseits hatte der Psychiater Dr. W. mitgeteilt, dass es
G.N. wieder besser gegangen sei und dass bei seiner Behandlung am 14.07.2009 - zwei Tage zuvor - keine Hinweise auf einen
Suizid bestanden hätten.
Letztlich kann der Senat offenlassen, ob eine Selbsttötung angesichts dieser Indizien im Vollbeweis nachgewiesen ist. Denn
es fehlt schon an einer nachgewiesenen versicherten Verrichtung bzw. an einer auf eine versicherte Verrichtung nach den objektiven
Umständen gerichteten Handlungstendenz. Daher kann das Schwimmen bzw. Baden von G.N. im K-See auch nicht als Verrichtung mit
gemischter Motivationslage bzw. mit gespaltener Handlungstendenz beurteilt werden, wie der Klägerbevollmächtigte angeregt
hat. Denn eine solche Verrichtung mit gemischter Motivationslage bzw. gespaltener Handlungstendenz liegt nur dann vor, wenn
eine Verrichtung sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch mit versicherungsbezogener Handlungstendenz erfolgt (vgl. BSG vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R -[...] RdNr. 23; BSG vom 12.05.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 33 RdNr. 15). Hier sprechen die objektiven Umstände aber gegen eine versicherungsbezogene Handlungstendenz;
eine solche versicherungsbezogene Handlungstendenz des Schwimmens ist nicht nachgewiesen.
Das vom Klägerbevollmächtigten zitierte BSG-Urteil vom 05.09.2006 (B 2 U 24/05 R - [...]) vermag ebenfalls keine andere rechtliche Einschätzung zu begründen. In dieser Entscheidung hatte das BSG im Wesentlichen dargelegt, dass der Versicherungsschutz in der GUV bei einer Verrichtung, die ausschließlich versicherten
Zwecken dient, nur im Falle eines alkoholbedingten Leistungsausfalls entfällt. Hier fehlt es aber gerade an dem Nachweis,
dass sich G.N. ausschließlich zu versicherten Zwecken in den See begeben hat.
Soweit der Klägerbevollmächtigte auf Entscheidungen des BSG bei nicht nachweisbarer Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung hingewiesen hat (vgl. BSG Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R; Urteil vom 04.09.2007 - B 2 U 28/06 R, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R; alle veröffentlicht bei [...]), lässt sich auch nach den dort entwickelten Grundsätzen kein Versicherungsschutz des G.N.
begründen. Dabei kann der Senat offenlassen, ob die Ausführungen zur Beweislastverteilung hinsichtlich einer versicherten
Verrichtung von abhängig Beschäftigten während der Arbeitszeit und im räumlichen Arbeitsbereich aufgrund Arbeitsvertrags ohne
Weiteres auf versicherte Verrichtungen nach §
2 Abs.
1 Nr.
12 SGB VII übertragbar sind, bei denen "Arbeits"-Zeit, Einsatzort und Tätigkeiten häufig deutlich weniger konturiert sind als im Rahmen
eines Beschäftigungsverhältnisses. In diesen Urteilen hat das BSG herausgearbeitet, dass der Unfallversicherungsträger in bestimmten Konstellationen die objektive Beweislast für die Unterbrechung
einer versicherten abhängigen Beschäftigung trägt. Das gilt für Fallkonstellationen, in denen die Ausführung einer versicherten
Verrichtung nachgewiesen ist, in engem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zu dieser nachgewiesenen versicherten Verrichtung
ein Unfallereignis eingetreten ist und weder eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit noch konkrete Hilfstatsachen
für eine solche Unterbrechung feststellbar sind (vgl. BSG Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - [...] RdNr. 28). Maßgeblich war insbesondere, dass die Beschäftigten in diesen Konstellationen ihren räumlichen Arbeitsbereich,
wo sie zuletzt und kurz vor dem Unfall nachgewiesen versicherte Arbeiten verrichtet hatten, nicht verlassen hatten. Im vorliegenden
Fall ist für einen Zeitraum von mehreren Stunden aber gänzlich unbekannt, ob und ggf. in welchem zeitlichen Umfang bzw. wann
G.N. Verrichtungen für die Wasserwacht tatsächlich ausgeübt hatte. Feststellbar ist nur, dass er sich um 15:30 Uhr in das
Wachbuch eingetragen hat und dass er ca. 3 1/2 bzw. 4 Stunden später aufgefunden wurde. Selbst wenn davon ausgegangen wird,
dass er an diesem Nachmittag auch an der Küche gearbeitet und damit eine versicherte Verrichtung vorgenommen hatte, hatte
er diese Verrichtung eindeutig unterbrochen bzw. beendet, weil er sich aus der Hütte heraus und in den See begeben hat. Er
ist - im Gegensatz zu den vom BSG entschiedenen Fällen unter den Az. B 2 U 24/03 R und B 2 U 28/06 R - gerade nicht im räumlichen Arbeitsbereich seiner kurz zuvor ausgeübten, vorangegangenen versicherten Verrichtung verblieben.
Völlig offen ist zudem, ob das Einsteigen in den See in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einer vorangegangenen versicherten
Verrichtung stand oder ob G.N. zwischenzeitlich bzw. zuvor bereits private Verrichtungen vorgenommen hatte und in welchem
zeitlichen Umfang, ob er also z.B. eine längere Arbeitspause eingelegt oder die Arbeiten an der Küche für diesen Tag abgeschlossen
hatte. Es ist schon nicht nachweisbar, dass G.N. sein gegenüber seiner Ehefrau angekündigtes Vorhaben tatsächlich verwirklicht
hat, weitere Abschlussarbeiten an der Küche in der Wasserwacht vorzunehmen, geschweige denn deren Umfang und Dauer. Letztlich
ist unbekannt und nicht mehr aufklärbar, welche versicherten und unversicherten Verrichtungen G.N. an diesem Nachmittag und
Abend ausgeübt hatte, in welcher Reihenfolge und in welchem zeitlichen Umfang.
Da eine versicherte Verrichtung von G.N. am Unfalltag nicht nachweisbar ist, die zu einem Unfallereignis und damit zu Gesundheitsschäden
bzw. seinen Tod geführt haben könnte, liegt kein Arbeitsunfall von G.N. vor. Ansprüche der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen
bestehen daher nicht.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
C) Gründe gemäß §
160 Abs.
2 SGG zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.