Anspruch auf Verletztenrente aus gesetzlichen Unfallversicherung; Unfall bei der Bewirtschaftung des eigenen landwirtschaftlichen
Betriebes oder bei der Ausübung einer Tätigkeit als Besamungstechniker bei nicht feststehendem Vollbeweis
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Verletztenrente nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß dem
Siebten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII). Dieser Anspruch hängt im vorliegenden Fall maßgebend davon ab, ob der Unfall bei der Bewirtschaftung des eigenen landwirtschaftlichen
Betriebes des Klägers oder bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Besamungstechniker aufgetreten ist.
Der 1954 geborene Kläger ist landwirtschaftlicher Unternehmer mit knapp 20 ha Grünland und Hoffläche sowie 2,87 ha forstwirtschaftlichen
Flächen. Er besitzt ca. 30 Stück Rindvieh. Daneben ist er als Besamungstechniker bei der B.-G. beschäftigt. Für beides ist
die Beklagte zuständiger Unfallversicherungsträger.
Bereits vor dem hier streitgegenständlichen Arbeitsunfall hatte der Kläger in Ausübung seiner Tätigkeit als Besamungstechniker
einen ersten - hier nicht streitgegenständlichen - Arbeitsunfall am 06.02.2008 erlitten. Als er gerade eine Kuh besamen wollte,
war die "Nachbarkuh" auf ihn losgegangen und hatte ihn von rechts gestoßen und mit Kopf und Füßen verletzt. Der Kläger war
dabei mit der linken Körperhälfte in eine betonierte Bucht gefallen und litt seitdem unter Schmerzen im linken Ellenbogen
und in den Fingern. Diesen Vorfall hatte die Beklagte mit Bescheid vom 26.03.2009 als Arbeitsunfall anerkannt und als Unfallfolgen
festgestellt: Prellung des linken Ellengelenks mit vorübergehender Schädigung des Nervus ulnaris, welche folgenlos abgeheilt
ist. Nicht waren als Folgen des Arbeitsunfalls anerkannt worden die noch weiter bestehenden Beschwerden, die auf ein Karpaltunnelsyndrom
links zurückzuführen sind. Ein Anspruch auf Rente war abgelehnt worden. Den dagegen eingelegten Widerspruch hatte die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen war der Kläger nicht weiter vorgegangen.
Der vorliegend streitgegenständliche Arbeitsunfall ereignete sich am 04.06.2009. Im D-Arzt-Bericht des Krankenhauses C-Stadt
vom Unfalltag wird der Unfallhergang wie folgt beschrieben: "Bei Arbeiten im Stall ist der Patient über eine Mauer gestiegen
und ausgerutscht. Er klagt über Schmerzen im linken Fuß." Der D-Arzt hat als Erstdiagnose eine Weber-C-Luxationsfraktur im
linken oberen Sprunggelenk festgestellt und die stationäre Aufnahme in die Klinik veranlasst. Als Uhrzeit des Unfalls wird
im D-Arzt-Bericht 17:00 Uhr und als Zeitpunkt des Eintreffens beim D-Arzt 18:43 Uhr angegeben. Als Unfallbetrieb ist die Landwirtschaft
des Klägers angegeben. Der Kläger schrieb eigenhändig in seiner Anzeige vom 14.06.2009: "Beim Ausmisten des Mutterkuhstalles
rutschte ich auf der betonierten Lauffläche des Stalles aus und brach mir am linken Fuß das Wadenbein und das Knöchelgelenk."
Die Uhrzeit des Unfalls gab der Kläger in seiner eigenen Unfallanzeige mit 16:30 Uhr an. Unter der Frage "Zum Unfallzeitpunkt
beschäftigt/tätig als" gab der Kläger "Landwirt" an. Auf die Frage "In welchem Teil des Unternehmens ist der Versicherte ständig
tätig?" gab der Kläger "Landwirtschaft" an.
Die Weber-C-Luxationsfraktur wurde noch am Unfalltag im Krankenhaus C-Stadt operativ mittels Osteosynthese versorgt (siehe
Zwischenbericht des Krankenhauses vom 15. Juni 2009,7 BA und Operationsberichte vom 5. Juni 2009). Im Juli 2009 erfolgte dann
ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus C-Stadt zum Zwecke der Materialentfernung. In der Folgezeit litt der Kläger weiter
an anhaltenden Schmerzen insbesondere im Bereich des medialen oberen Sprunggelenks und über dem Innenbandapparat. Die Schmerzen
waren beim Tragen von festem Schuhwerk oder in einem Gummistiefel erheblich ausgeprägt, ansonsten hatte er deutliche Schmerzen
beim Treppabgehen oder beim Abrollen des Fußes (vgl. Darstellung im Zwischenbericht des Krankenhauses C-Stadt vom 28. September
2009). Wegen der anhaltenden Schmerzen veranlasste das Krankenhaus C-Stadt am 22.09.2009 eine Kernspintomographie bei Dr.
K. in D-Stadt. Es ergab sich ein Verdacht auf einen Knorpelschaden dritten Grades medialseitig im Bereich der Talus-Gelenkfläche.
Auch der Verdacht auf einen tibialen Knochenmarkinfarkt wurde geäußert. Der Kläger wurde dann vom Krankenhaus C-Stadt an die
BG-Klinik in Landshut verwiesen, wo er sich am 07.10.2009 ambulant bei Professor B. vorstellte. Dieser berichtete am 07.10.2009,
dass das linke Sprunggelenk am Innenknöchel verdickt und die Beweglichkeit hinsichtlich der Extension und Flexion um jeweils
10-20° eingeschränkt sei. Es handle sich um eine Tendinitis der Tibialis-posterior-Sehne. Empfohlen wurde die Anfertigung
von bestimmten orthopädischen Einlagen. Am 30.12.2009 berichtete das Krankenhaus C-Stadt, dass der Kläger durch die Einlagenversorgung
keine Besserung verspüre. Er klage über anhaltende Schmerzen insbesondere unter Belastung im Bereich des Innenbandes. Die
Beweglichkeit im Bereich der Extension und Flexion sei weiterhin um etwa 10-20° eingeschränkt. Am 20.01.2010 berichtete das
Krankenhaus C-Stadt, dass der Kläger weiterhin arbeitsfähig bleibe, nachdem er innerbetrieblich entlastet worden sei, so dass
er leidlich zurecht komme. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege um die 30 vom Hundert.
Die Beklagte holte das Rentengutachten des Facharztes für Chirurgie P. vom 19.04.2010 ein, der die wesentlichen Unfallfolgen
wie folgt beschrieb: deutliche Funktions- und Bewegungseinschränkung des linken oberen und unteren Sprunggelenks nach operativ
versorgter Weber-C-Luxationsfraktur, Muskelminderung linkes Bein, hinkender Gang, gestörte Abrollbewegung, glaubhaftes Schmerzsyndrom.
Die MdE habe bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit am 03.01.2010 40 vom Hundert betragen und belaufe sich auf 25 vom Hundert
seit dem 04.01.2010.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 21.05.2010 den Unfall vom 04.06.2009 als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch einen Anspruch
auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die MdE ab dem Ende des Verletztengeldanspruchs,
das sei ab dem 03.01.2010, nicht wenigstens 30 vom Hundert betrage. Der Arbeitsunfall habe zu folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen
geführt: Bruch des Wadenbeins im mittleren Drittel mit Verrenkungsbruch des linken Sprunggelenks, Riss der knöchernen Bandhaft
(Syndesmose) und des linken Innenbandes (Maisonneuve-Fraktur).
Dagegen hat der Kläger am 26.05.2010 Widerspruch eingelegt, den er wie folgt begründete: Bereits am 06.02.2008 habe er einen
anderen Arbeitsunfall erlitten, der zu einer Schädigung des Nervus ulnaris geführt habe. Diese Schädigung des Nervus ulnaris
sei ursächlich für den weiteren Arbeitsunfall vom 04.06.2009 geworden. Da er nämlich im linken Arm kein ausreichendes Gefühl
mehr habe, habe er den Sturz im Kuhstall am 04.06.2009 nicht verhindern können. Die unfallbedingten Schmerzen könne er nur
durch die ständige Einnahme von starken Schmerzmitteln aushalten. Die Einnahme dieser Schmerzmittel sei wiederum die Ursache
für einen Hörsturz mit Tinnitus, den er Mitte Februar 2010 erlitten habe und der vom 23.02.2010 bis zum 02.03.2010 mit Cortison-Infusionen
im Krankenhaus B-Stadt behandelt worden sei. Trotzdem seien die Ohrgeräusche nicht vergangen.
Zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs mit den Ohrgeräuschen hat die Beklagte ihren Beratungsarzt Dr. F. befragt, der in
seiner Stellungnahme vom 23.06.2010 ausgeführt hat, Ohrgeräusche seien laut Beipackzettel nur eine sehr seltene Nebenwirkung
von Ibuprofen. Die Ursache von Ohrgeräuschen sei so vielfältig, dass sich kein sicherer Zusammenhang mit den Unfallfolgen
herstellen lasse.
Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2010 den Widerspruch als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 19.07.2010 beim Sozialgericht (SG) Landshut Klage erhoben.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger erneut geltend gemacht, dass der Unfall vom 04.06.2009 ursächlich auf die Folgen
des Arbeitsunfalls vom 06.02.2008 zurückgehe, da er aufgrund der unfallbedingten Gefühlsstörungen im linken Arm den Sturz
nicht verhindern habe können. Weiter macht er den im Februar 2010 erlittenen Hörsturz mit Tinnitus als mittelbare Unfallfolge,
vermittelt über die Einnahme von Ibuprofen als Schmerzmittel, geltend.
Das SG hat Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. M. vom 13.01.2011 und vom Orthopäden Dr. C. vom 07.11.2011 sowie eine Leistungsübersicht
der T. Krankenkasse vom 22.03.2011 eingeholt. Sodann hat es den Unfallchirurgen Dr. L. zum Sachverständigen ernannt. Dieser
ist in seinem Gutachten vom 28.12.2011 zu dem Ergebnis gekommen, dass die durch den Unfall vom 04.06.2009 verursachte Arbeitsunfähigkeit
bis zum 03.01.2010 gedauert habe. Bis zu diesem Tag habe eine MdE von 40 vom Hundert vorgelegen. Ab dem 04.01.2010 betrage
die MdE 25 vom Hundert. Die MdE von 25 vom Hundert hat der Sachverständige auf Seite 9 seines Gutachtens damit begründet,
dass der Kläger damit dem Fall einer vollständigen Versteifung von oberem und unterem Sprunggelenk gleichgestellt werde. Bezüglich
des Unfalls vom 06.02.2008 hat Dr. L. auf Seite 10 seines Gutachtens ausgeführt, dass dessen Folgen mit einer MdE von unter
10 vom Hundert befundadäquat bewertet worden seien. Die verbleibenden Beschwerden des Klägers seien auf ein unfallunabhängiges
Carpaltunnel-Syndrom links zurückzuführen.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2012 hat der Kläger erstmals erklärt, er habe am Unfalltag in seiner Tätigkeit als
Besamungstechniker in seinem eigenen Mutterkuhstall eine der Kühe auf Brünftigkeit kontrolliert. Hierzu habe er eine circa
50 cm hohe Absperrung übersteigen wollen und sei dabei von der Begrenzungsmauer zwischen Gang und Laufstall circa 1 m tief
abgestürzt. Seiner Meinung nach sei die Unfall bringende Tätigkeit seiner Beschäftigung als Besamungstechniker zuzurechnen,
so dass für diesen Unfall Verletztenrente ab einer MdE von 20 vom Hundert zu leisten sei. Er sei nicht als landwirtschaftlicher
Unternehmer tätig geworden. Das Ausmisten - wie in der Unfallanzeige angegeben war - sei hierbei eine Vorbereitungshandlung
gewesen. Diese übernehme er auch bei der Besamung in fremden Unternehmen. Daraufhin hat das SG die mündliche Verhandlung vertagt.
Sodann hat das SG vom Arbeitgeber des Klägers bezüglich seiner Beschäftigung als Besamungstechniker, der B.-G. GmbH, einen Tagesbericht für
dessen Arbeitstag am 04.06.2009 eingeholt. Darin waren der Arbeitsbeginn um 7:37 Uhr und das Arbeitsende um 18:28 Uhr vermerkt.
Weiter hat das SG die B.-G. GmbH um Mitteilung der jeweiligen Einsatzorte und des jeweiligen zeitlichen Umfangs der Dienstgeschäfte des Klägers
am Unfalltag gebeten. Dazu übersandte die B.-G. GmbH dem Gericht eine Liste mit den Namen der Landwirte, bei denen der Kläger
am 04.06.2009 Befragungen vorgenommen hatte. Der Name des Klägers erschien nicht in der Liste. Unterhalb der Liste fand sich
jedoch der Hinweis, dass nach Aussage des Klägers am 04.06.2009 um 18:00 Uhr eine Besamung im eigenen Betrieb des Klägers
angestanden habe. Diese sei jedoch nicht mehr durchgeführt und deshalb nicht mehr dokumentiert worden, da sich der Kläger
vor der abschließenden Durchführung der Besamung verletzt habe.
Mit Schriftsatz vom 22.06.2012 hat der Kläger mitgeteilt: "Mein Arbeitstag am 04.06.2009 begann um 7:37 Uhr. Ich besamte 17
Kühe und Rinder und fuhr mit dem Dienstauto 180 km. Eine 18. Besamung stand um circa 18:00 Uhr im eigenen Betrieb an. (Um
18:00 Uhr kommen die Kühe von der Weide in den Stall.) Diese Besamung wurde jedoch nicht mehr durchgeführt und damit per Erfassung
dokumentiert, da ich mich unmittelbar vor der abschließenden Durchführung der Besamung verletzte. Der Arbeitstag endete im
Krankenhaus um 18:28 Uhr."
In der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2012 hat der Kläger die Gebührenordnung der B.-G. GmbH übergeben. Darin findet sich
folgender Satz: "Die zur Besamung anstehenden Tiere sind vom Landwirt fachgerecht zu fixieren. Das Fixieren der Tiere ist
nicht Aufgabe des Besamungsbeauftragten. Bei nicht angebundenen Tieren kann die Besamung verweigert werden, wenn nach pflichtgemäßem
Ermessen erkennbar dabei eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Besamenden besteht."
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2012 beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 21.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2010 die Beklagte zu verpflichten,
den Unfall vom 04.06.2009 als landwirtschaftlichen Arbeitsunfall im Beschäftigungsverhältnis als Besamungstechniker festzustellen
und dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 25 vom Hundert zu gewähren,
hilfsweise
Verletztenrente nach einer MdE von 30 vom Hundert aus der Versicherung als landwirtschaftlicher Unternehmer.
Das SG hat mit Urteil vom 25.10.2012 Az. S 8 U 5032/10 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, das erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2012 gestellte
Begehren, festzustellen, der Kläger habe seinen Arbeitsunfall vom 04.06.2009 in Ausübung seiner Tätigkeit als Besamungstechniker
erlitten, stelle eine zulässige Klageerweiterung dar. Insoweit sei die Klage jedoch unbegründet, denn die Beklagte habe in
dem angefochtenen Bescheid den Unfall vom 04.06.2009 zu Recht dem Betrieb des landwirtschaftlichen Unternehmens des Klägers
zugeordnet. Die Kammer habe aufgrund der in sich widersprüchlichen Angaben des Klägers und des sonstigen Akteninhalts nicht
die notwendige Überzeugung bilden können, dass die unfallbringende Tätigkeit vom 04.06.2009 der Beschäftigung als Besamungstechniker
bei der B.-G. GmbH zuzuordnen ist. Die hierzu durchgeführten Ermittlungen hätten keine Erkenntnisse erbracht, die zweifelsfrei
diese Feststellung rechtfertigten. Der Kläger habe in seiner eigenen Unfallanzeige vom 14.06.2009 angegeben, dass der Unfall
beim Ausmisten des Mutterkuhstalls in Ausübung seiner Tätigkeit als Landwirt in der eigenen Landwirtschaft geschehen sei.
Eine Verständigung des Arbeitgebers, der B.-G. GmbH, sei nicht erfolgt, so dass von dort auch keine Unfallanzeige erstattet
worden sei. Ebenso sei bei der Erstbehandlung im Krankenhaus C-Stadt vom Kläger als Betrieb die eigene Landwirtschaft angegeben
worden. Der erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2012 vom Kläger geschilderte Sachverhalt, er habe am Abend
des Unfalltages nach Abschluss einer Tagestour noch in der eigenen Landwirtschaft eine Besamung vornehmen wollen, stelle sich
aus Sicht der Kammer als verfahrensangepasste Einlassung dar. Dieser Sachverhalt sei vom Kläger erst in das Verfahren eingeführt
worden, nachdem ihm erläutert worden war, dass im Falle der landwirtschaftlichen Unternehmerversicherung eine Verletztenrente
gemäß §
80a SGB VII erst ab einer MdE von 30 vom Hundert zu zahlen sei, während in der Beschäftigtenversicherung eine MdE von 20 vom Hundert
ausreichen würde. Die Ermittlungen des SG beim Arbeitgeber hätten zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt. Dem Kläger sei auch die Differenzierung zwischen seiner Tätigkeit
als Landwirt und seiner abhängigen Beschäftigung als Besamungstechniker geläufig gewesen, weil er sowohl in der Begründung
seines Widerspruchs als auch der Klage darauf verwiesen habe, dass er den Unfall im Februar 2008 "als Arbeitnehmer bei der
NBG" (N.B. A-Stadt) erlitten habe. Auch aus der vom Kläger übergebenen Gebührenordnung der B.-G. GmbH ergebe sich, dass die Aufgabe
des Besamungstechnikers allein in der Besamung der Tiere bestehe, während die Vorbereitungshandlungen vom jeweiligen Landwirt
vorzunehmen seien. Gemäß §
80 a Abs.
1 SGB VII werde deshalb Verletztenrente erst ab einer MdE von 30 vom Hundert gezahlt. Die Feststellung des Sachverständigen Dr. L.,
dass eine höhere MdE als 25 vom Hundert nicht zu rechtfertigen sei, sei jedoch nicht zu beanstanden. Der Kläger leide unter
Arthralgien des linken oberen und unteren Sprunggelenkes bei mittelgradigem Funktionsdefizit. Mit einer MdE von 25 vom Hundert
sei der Kläger dem Zustand einer Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks gleichgestellt. Wenngleich die Gewährung
einer "Stützrente" nicht beantragt worden und damit auch nicht Gegenstand des Verfahrens sei, sei nach Überprüfung der Folgen
des Unfalls vom 06.02.2008 eine Stützrente mit Blick auf die von Dr. L. erhobenen Befunde nicht zu begründen. Denn für die
Folgen des Unfalls vom 06.02.2008 lasse sich eine MdE von wenigstens 10 vom Hundert nicht rechtfertigen.
Der Kläger hat gegen das Urteil des SG, das ihm am 03.01.2013 zugestellt worden war, am 01.02.2013 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.
Er hat vorgebracht, die ungenauen Erstangaben bezüglich seiner Tätigkeit beruhten darauf, dass ihm die Darlegung eines Unfalls
bei der Besamung einer Kuh peinlich gewesen sei. Weiter sei zu berücksichtigen, dass es einem juristischen Laien nahezu unmöglich
sei, die Besamung einer Kuh im eigenen Betrieb rechtlich korrekt zuzuordnen. Bei dem Unfall im Februar 2008, welcher von vornherein
als Unfall im Rahmen der Tätigkeit als Besamer gemeldet worden war, habe die Zuordnung außer Frage gestanden, da sich jener
Unfall nicht im eigenen Betrieb des Klägers ereignet hatte. Auch wenn die Gebührenordnung davon ausgehe, dass die Landwirte
selbst für das vorbereitende Ausmisten zuständig seien, entspreche es doch der Praxis, dass diese Vorbereitungsmaßnahmen vom
Besamer selbst durchgeführt würden. Der Kläger wendet sich auch dagegen, dass das SG die Stützrente aus dem Unfall vom 06.02.2008 als nicht streitgegenständlich angesehen habe. Der Kläger habe von Beginn des
Verfahrens an stets auf den Stützrententatbestand aus dem Unfall 06.02.2008 Bezug genommen, und auch das SG habe in den Beweisfragen an den Sachverständigen Dr. L. nach einer MdE für diesen Unfall gefragt. Aus dem Urteil des BSG vom 20.03.2007 Az. B 2 U 21/06 R ergebe sich, dass die Klärung des Vorliegens eines Stützrententatbestandes üblicherweise im Verfahren des zweiten Versicherungsfalls
erfolge, wenn für den ersten Versicherungsfall mangels rentenberechtigender MdE noch keine verbindliche Feststellung der Höhe
der MdE getroffen werden konnte.
Weiter hat der Kläger den Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 28.01.2013 vorgelegt, in dem von einer Operation
des Carpaltunnel-Syndroms an der linken Hand im Mai 2012 berichtet wird, die jedoch für den Kläger zu keiner wirklichen Besserung
geführt habe.
Mit Schreiben vom 11.06.2013 hat der Kläger vorgebracht, er habe am Morgen des Unfalltages seine Ehefrau beauftragt, die Mutterkühe
am Nachmittag in den Stall zu sperren, da er am Abend eine eigene Mutterkuh zu besamen habe. Seine Frau könne auch bezeugen,
dass sie die Besamungspistole mit gefüllter Samenpaillette im Stall aufgefunden habe, nachdem er mit dem Sanka ins Krankenhaus
gebracht worden sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2014 hat der Kläger nähere Einzelheiten der Besamung erläutert. Der Unfall sei geschehen,
als er von dem betonierten Futtertrog in den Stall zu der Kuh, die er besamen wollte, hinunterstieg. Er habe die Besamungspistole
bereits in der Hand gehalten. Beim Hinabsteigen sei er auf einem Kothaufen, den er mit dem Stiefel zur Seite schieben wollte,
ausgerutscht. Das Gericht hat die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Diese hat ausgesagt, die Besamungspistole nach
dem Unfall am Unfallort gefunden zu haben. Den Dienstwagen ihres Mannes habe sie noch am Unfallabend zu einem Kollegen ihres
Mannes gebracht. Auf die Sitzungsniederschrift vom 20.02.2014 wird verwiesen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25.10.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.05.2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2010 zu verurteilen, ihm aufgrund des Arbeitsunfalls vom 04.06.2009 eine
Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 vom Hundert,
hilfsweise
von mindestens 20 vom Hundert, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Berufung bedarf gemäß §
144 SGG keiner Zulassung.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet.
Nach §
8 Abs.
1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse,
die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die
Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher oder innerer Zusammenhang),
diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis - das Unfallereignis
- verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten
verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen ist keine Voraussetzung
für die Anerkennung als Arbeitsunfall, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 31.01.2012 Az. B 2 U 2/11 R; Urteil vom 27.04.2010 Az. B 2 U 11/09 R).
Anspruch auf Verletztenrente haben Versicherte nach §
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens
20 v.H. gemindert ist. Gemäß §
56 Abs.
2 SGB VII richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen
und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Weiter
regelt §
56 Abs.
3 SGB VII, dass bei Verlust der Erwerbsfähigkeit Vollrente und bei einer MdE Teilrente geleistet wird, die in der Höhe des Vomhundertsatzes
der Vollrente festgesetzt wird, der dem Grad der MdE entspricht.
Der Hauptantrag des Klägers, die Beklagte zur Leistung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 vom Hundert
zu verurteilen, ist unbegründet, da sich eine MdE von 30 vom Hundert als Folge des Arbeitsunfalls vom 04.06.2009 nicht begründen
lässt. Die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls vom 04.06.2009 rechtfertigen keine höhere MdE als 25 vom Hundert. Der
Sachverständige Dr. L. hat in seinem Gutachten vom 28.12.2011 diese Bewertung damit gerechtfertigt, dass der Kläger hinsichtlich
der Beweglichkeit des Sprunggelenks nur eingeschränkt sei, die vollständige Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks
in Funktionsstellung jedoch nur eine MdE von 25 vom Hundert rechtfertige. Diese Feststellung entspricht der gängigen Begutachtungsliteratur
(Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seite 678 f.) und wurde zuletzt auch vom
Kläger nicht mehr mit Argumenten angegriffen.
Der Hörsturz und Tinnitus können nicht als Unfallfolge anerkannt werden. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. F. hat in seiner
Stellungnahme vom 23.06.2010 ausgeführt, dass Ohrgeräusche nur eine sehr seltene Nebenwirkung von Ibuprofen darstellen und
dass die Ursachen für Ohrgeräusche so vielfältig seien, dass kein Zusammenhang mit der Einnahme von Ibuprofen ersichtlich
sei. Die Richtigkeit dieser Aussage des Beratungsarztes ist so überzeugend und naheliegend, dass es nicht erforderlich erschien,
insoweit ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Auch der Hilfsantrag, die Beklagte zur Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vom Hundert zu verurteilen,
ist unbegründet. Zwar hat - wie ausgeführt - der Arbeitsunfall vom 04.06.2009 zu einer MdE von 25 vom Hundert geführt, jedoch
wird dadurch der für die Bewilligung einer Verletztenrente gemäß §
80a Abs.
1 Satz 1
SGB VII erforderliche Mindestwert von 30 vom Hundert nicht erreicht. Gemäß §
80a Abs.
1 Satz 1
SGB VII haben Versicherte im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
5 Buchst. a und b abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit um wenigstens 30 vom
Hundert gemindert ist. Der Kläger handelte, als er den Arbeitsunfall vom 04.06.2009 erlitt, als Unternehmer eines landwirtschaftlichen
Unternehmens und war deshalb versichert gemäß §
2 Abs.
1 Nr.
5 Buchst. a
SGB VII. Dies gilt unabhängig davon, ob er in dem Moment, als er über den betonierten Futtertrog in den Laufstall der Kuh hinab stieg
und sich dabei verletzte, beabsichtigte, die Kuh zu besamen oder nicht. Maßgeblich für die Zurechnung der unfallbringenden
Verrichtung zu einer versicherten Tätigkeit ist die finale Handlungstendenz des Versicherten, soweit diese anhand objektiver
Anhaltspunkte nachvollziehbar ist (BSG, SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Selbst wenn die Tätigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls mit der Besamung der Kuh im Zusammenhang stand, war
seine objektivierte Handlungstendenz jedenfalls auch darauf gerichtet, im Interesse seines eigenen landwirtschaftlichen Betriebs
zu handeln, da die Kuh ja zu seinem eigenen Betrieb gehörte. Selbst wenn also der Kläger tatsächlich die Kuh - wie er angibt
- besamen wollte und damit möglicherweise auch im Rahmen eines gemäß §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII versicherten Beschäftigungsverhältnisses handelte, handelte er gleichzeitig als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs,
da er die Besamung nicht nur im Interesse seines Arbeitgebers, der B.-G. GmbH, sondern gleichzeitig auch im Interesse seines
eigenen Betriebs vorgenommen hätte, die so genannte objektivierte Handlungstendenz also beide Versicherungsverhältnisse getragen
hätte. Der Schwerpunkt der Tätigkeit lag nach Ansicht des Senats bei der Tätigkeit als eigener Landwirt, was auch durch die
folgenden Ausführungen bekräftigt wird.
Die Versicherung nach §
2 Abs.
1 Nr.
5 Buchst. a
SGB VII war nämlich nicht aus dem Grunde ausgeschlossen, weil der Kläger gleichzeitig als Besamungstechniker handelte und deshalb
der Beschäftigtenversicherung nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII unterlag und diese gemäß §
135 Abs.
6 SGB VII gegenüber der Unternehmerversicherung der Landwirte vorrangig war. Denn eine Beschäftigtenversicherung nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII lässt sich nicht zur vollen richterlichen Überzeugung nachweisen. Da sich trotz Ausschöpfung aller zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten
das Vorliegen einer Beschäftigtenversicherung nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII nicht mit dem gebotenen Vollbeweis nachweisen lässt, muss nach den allgemeinen Regeln der Beweislast das Vorliegen einer
solchen Versicherung im Rahmen der Prüfung, ob gemäß §
135 Abs.
6 SGB VII eine andere Versicherung gegenüber der auf jeden Fall vorliegenden landwirtschaftlichen Unternehmerversicherung nach §
2 Abs.
1 Nr.
5 Buchst. a
SGB VII Vorrang hat, verneint werden.
Auch unter Ausschöpfung aller gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten, insbesondere nach der vom Kläger beantragten Vernehmung
seiner Ehefrau als Zeugin, war es dem Senat nicht möglich, vernünftige Zweifel an der Darstellung des Klägers, er habe den
Unfall erlitten, als er zum Zwecke der Besamung einer Kuh deren Laufstall betreten wollte, auszuschließen. Diese nicht auszuräumenden
Zweifel gründen sich darauf, dass der Kläger sowohl gegenüber dem Durchgangsarzt als auch in der von ihm eigenhändig am 14.06.2009
- also 10 Tage nach dem Unfall - verfassten Unfallanzeige angegeben hatte, dass der Unfall im eigenen landwirtschaftlichen
Betrieb beim Ausmisten geschehen sei, und einen Bezug zu seiner Tätigkeit als Besamungstechniker mit keinem Wort hergestellt
hatte. Zwar ist nicht ohne Weiteres den Erstangaben der Vorrang zu geben, da diesen kein höherer Beweiswert zukommt als späteren
Angaben (BSG, Urteil vom 11.11.2003, Az.: B 2 U 41/02 R). Der Kläger hatte aber auch die Unfallanzeige selbst verfasst und nicht den Unfall seinem Arbeitgeber, der B.-G. GmbH, gemeldet,
so dass diese nicht die Unfallanzeige gegenüber der Beklagten übernommen hat. Der Senat ist auch - ebenso wie bereits das
Gericht erster Instanz - der Überzeugung, dass dem Kläger die Unterscheidung zwischen einem Unfall als Besamungstechniker
und einem Unfall im eigenen Betrieb bekannt war, weil der vorausgegangene Arbeitsunfall vom 06.02.2008 als Unfall im Rahmen
der Beschäftigtenversicherung abgewickelt worden war und der Kläger insoweit eine eindeutige Terminologie in dem von ihm erhobenen
Widerspruch verwendet hatte. Soweit der Kläger dagegen mit der Berufung eingewandt hat, bei dem vorausgegangenen Unfall sei
ihm die Einordnung von vornherein klar gewesen, weil es sich um einen Unfall bei einer Besamung in einem fremden Betrieb gehandelt
habe, während der hier streitgegenständliche Arbeitsunfall in seinem eigenen Betrieb stattgefunden habe, so dass es für ihn
als juristischen Laien nicht möglich gewesen sei, bei der Unfallanzeige die richtige Zuordnung zu treffen, ist dieser Einwand
nach Auffassung des Senats nicht glaubhaft. Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2014 ausführlich dazu
befragt, wie seine Arbeit als Besamungstechniker im eigenen Betrieb abgerechnet wird. Der Kläger hat hierzu umfangreiche Erklärungen
abgegeben, die eindeutig erkennen lassen, dass sich der Kläger vollkommen darüber im Klaren ist, ob und wann er bei der Arbeit
im eigenen Betrieb als Besamungstechniker im Rahmen seiner Beschäftigung bei der B.-G. GmbH tätig ist und wann er als selbstständiger
Landwirt handelt. Denn jede Besamung im eigenen Betrieb wird über die B.-G. GmbH dem Kläger in Rechnung gestellt. Auch im
Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 28.12.2011 wird ausgeführt (S. 2), dass der Kläger die Schilderung des Unfallherganges
in den D-Arzt-Berichten bestätigt habe. Erst in der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2012, als dem Kläger die Auswirkungen
der Unterscheidung zwischen den Versicherungsverhältnissen bezüglich des erforderlichen Mindest-Vomhundertsatzes bei der MdE
für die Verletztenrente klar wurden, hat er plötzlich die Version präsentiert, er sei beim Übersteigen einer Absperrung gestürzt,
als er gerade eine der Kühe auf Brünftigkeit kontrollieren wollte. Aber auch dann waren die Auskünfte des Klägers noch nicht
klar und in sich nicht kohärent, was gegen seine Glaubwürdigkeit spricht: So wurde wiederholt auf das Ausmisten hingewiesen,
und dass er dies auch in Fremdbetrieben für den Kunden übernommen hätte, auch wenn er dazu nicht verpflichtet gewesen sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2014 hat der Kläger dann zunächst versucht, dieses "Ausmisten", das auch für die Kunden
übernommen werde, mit dem notwendigen Abkoten jeder Kuh vor dem Besamen zu erklären. Später wurde dann deutlich, dass der
Unfall - seiner Version nach - gar nicht bei der Beseitigung des durch das Abkoten erzeugten Mistes geschehen war, sondern
dass der Kläger angeblich beim Einsteigen in den Stall über den Futtertrog hinweg gestürzt war, weil auf der Stelle, an der
er in den Stall steigen wollte, rein zufällig Kot gelegen habe - der allerdings nichts mit dem vor der Besamung notwendigen
Abkoten zu tun gehabt habe. Auch ist es unglaubwürdig, dass er das "Ausmisten des Stalles", das er ursprünglich als unfallbringende
Tätigkeit angegeben hat, nunmehr damit beschreibt, dass er den Kot, der an der Einstiegsstelle des Stalles lag, mit dem Stiefel
wegschieben wollte. Ein solches Wegschieben mit dem Stiefel zum Zwecke des Einstiegs kann wohl schwerlich als "Ausmisten des
Stalles" bezeichnet werden.
Soweit der Kläger die ursprüngliche Angabe, als landwirtschaftlicher Unternehmer gehandelt zu haben, damit erklärt, dass ihm
die Darlegung eines Unfalls bei der Besamung einer Kuh im Krankenhaus peinlich gewesen sei und er seine ursprüngliche Aussage
später nicht mehr habe korrigieren wollen, weil er auch gedacht habe, dass es für die Frage, ob der Unfall bei einer Tätigkeit
als Besamungstechniker oder als Landwirt geschehen wäre, rechtlich nicht ankomme, so erscheint diese Darstellung wenig wahrscheinlich
angesichts der Tatsache, dass der Kläger bereits seit vielen Jahren als Besamer tätig gewesen war und erst im Jahr zuvor einen
Arbeitsunfall als Besamer erlitten hatte, der auch als solcher abgewickelt worden war. Zu einem anderen Ergebnis hätte der
Senat allenfalls dann gelangen können, wenn sich diese eher unwahrscheinliche Darstellung durch Beweismittel hätte erhärten
lassen, die objektiv relativ sicher wären. Hierzu genügt jedoch nicht allein die Aussage des Klägers in Verbindung mit der
Zeugenaussage seiner Ehefrau, da beide ein hohes gleich gerichtetes Interesse haben, in der Streitsache zu obsiegen. Ein möglicherweise
ausreichend objektiv sicheres Beweismittel hätte sich daraus ergeben können, wenn sich aus den Unterlagen der B.-G. GmbH eindeutig
hätte ablesen lassen können, dass am Unfalltag die Besamung im eigenen Betrieb des Klägers geplant war oder fehlgeschlagen
ist. Die Bemühungen der Gerichte sowohl in der Vorinstanz als auch im Berufungsverfahren, hierzu eindeutige Auskünfte von
der B.-G. GmbH zu erhalten, haben jedoch nicht zu einem zu Gunsten des Klägers eindeutigen Ergebnis geführt. Im Tagesbericht
der B.-G. GmbH für den Unfalltag war der Name des Klägers als Kunde gerade nicht vermerkt. Allein der Hinweis unterhalb der
Liste, dass nach Aussage des Klägers am 04.06.2009 um 18:00 Uhr eine Besamung im eigenen Betrieb des Klägers angestanden hätte,
ist in diesem Zusammenhang ohne Aussagewert, weil sich nicht aufklären lässt, wann vom Kläger dieser Hinweis gegeben wurde.
Allenfalls einen groben Hinweis, der die Darstellung des Klägers stützen könnte, stellt die Tatsache dar, dass für den Unfalltag
das Arbeitsende um 18:28 Uhr vermerkt war. Dies allein ist jedoch nicht ausreichend, um angesichts der gegen den Kläger sprechenden
Umstände den Vollbeweis seiner Darstellung zu erbringen. Insgesamt ist festzustellen, dass aus der Dokumentation der B.-G.
GmbH nicht sicher hervorgeht, dass der Kläger am Unfalltag im Eigenbetrieb eine Besamung vornehmen wollte. Auch indirekte
Hinweise, die für den Besamungsversuch sprechen würden, ergeben sich nicht. So hat die Ehefrau des Klägers angegeben, das
Dienstauto noch am Abend zu ihrem Nachbarn gebracht zu haben, der ebenfalls als Besamer ein Arbeitskollege ihres Mannes war
und diesen in Krankheitszeiten vertrat. Auf Frage des Gerichts, ob sie diesen nicht gebeten habe, die fehlgeschlagene Besamung
nachzuholen - was nahe gelegen hätte -, konnte die Ehefrau keine befriedigende Antwort geben, sondern verwies nur allgemein
auf ihre Überforderung am Ende des Unfalltages. Nach alledem konnte der Senat keine objektivierbaren Tatsachen feststellen,
die die ohnehin eher unwahrscheinliche Darstellung des Klägers, er habe den Unfall bei der Besamung einer Kuh erlitten, erhärtet
hätten.
Es liegt auch kein Stützrententatbestand vor, der zusammen mit der aus dem Unfall vom 04.06.2009 resultierenden MdE von 25
vom Hundert den Mindest-Vomhundertsatz von 30 erreichen würde (§
56 Abs.
1 in Satz 2 in Verbindung mit §
80a Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Der einzige hierfür in Betracht kommende Tatbestand - wie das Gericht durch Rückfrage bei den Parteien in der mündlichen
Verhandlung vom 20.02.2014 ausdrücklich hat klarstellen lassen - stellt der vorausgegangene Arbeitsunfall vom 06.02.2008 dar.
Die als Folge dieses Unfalls verbliebene MdE liegt jedoch kleiner als 10 vom Hundert und ist deshalb gemäß §
56 Abs.
1 Satz 3
SGB VII nicht zu berücksichtigen. Dem Kläger ist darin zuzustimmen, dass die aus jenem Unfall resultierende MdE als Vorfrage im vorliegenden
Verfahren inzidenter zu klären ist, da eine Bestimmung der MdE durch den den Unfall vom 06.02.2008 betreffenden Bescheid vom
26.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2009 gerade nicht erfolgt ist, da Verletztenrente abgelehnt worden
war (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007 Az. B 2 U 21/06 R). Der Sachverständige Dr. L. hat überzeugend ausgeführt, dass insoweit keine Unfallfolgen verblieben sind, die eine MdE von
wenigstens 10 vom Hundert erreichen würden. Die Beschwerden, über die der Kläger im linken Arm noch klagt, sind vielmehr mit
dem unfallunabhängigen Carpaltunnel-Syndrom zu erklären. Im Übrigen wurde auch durch Bescheid vom 26.03.2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 09.06.2009 bestandskräftig festgestellt, dass die beim Unfall vom 06.02.2008 erlittene Prellung
des linken Ellengelenks mit vorübergehender Schädigung des Nervus ulnaris folgenlos ausgeheilt ist und die jetzt noch bestehenden
Beschwerden nicht als Unfallfolgen anerkannt werden können, weil sie auf ein Carpaltunnel-Syndrom links zurückzuführen sind.
Diese Feststellung ist gemäß §
77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend. Wo aber keine Unfallfolgen mehr verblieben sind, kann auch keine unfallbedingte
MdE mehr vorliegen.
Da die Klage abzuweisen war, brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob das Zu-Stande-Kommen des streitgegenständlichen Unfall
vom 04.06.2009 dadurch gefördert wurde, dass der Kläger unter Gefühlstörungen im linken Arm litt, die auf den vorausgegangenen
Unfall vom 06.02.2008 zurückzuführen waren, wie der Kläger geltend gemacht hat. Denn wenn diese Frage zu bejahen wäre, wäre
die Klage von vornherein unbegründet, da die Verletzungsfolgen dann nicht dem Unfall vom 04.06.2009, sondern dem Unfall vom
06.02.2008 zuzurechnen wären, der jedoch vorliegend nicht Streitgegenstand ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 37). Im Übrigen wird rein vorsorglich darauf hingewiesen, dass für das Gericht
auch feststeht, dass der Unfall vom 04.06.2009 nicht auf die Folgen des Unfalls vom 06.02.2008 zurückzuführen ist. Denn durch
den bestandskräftigen Bescheid vom 26.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2009 ist verbindlich festgestellt,
dass Folgen des Unfalls vom 06.02.2008 nicht verblieben sind, sondern dass vielmehr die jetzt noch bestehenden Beschwerden
auf ein unfallunabhängiges Carpaltunnel-Syndrom links zurückzuführen sind. Unabhängig von der Bestandskraft dieser Bescheide
ist der Senat auch von der Richtigkeit dieser Feststellung überzeugt, da der Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten vom
28.12.2011 dieses Ergebnis bestätigt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung
des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).