Anerkennung eines Wegeunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Unterbrechung des Arbeitsweges zum Kauf einer
Brotzeit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei dem Wegeunfall des Klägers vom 29.11.2011 um einen Arbeitsunfall handelt
und zu welchem Zeitpunkt eine Unterbrechung des Arbeitsweges zum Kauf einer Brotzeit endete.
Der 1963 geborene Kläger fuhr am Morgen des 29.11.2011 von seiner Wohnung in der L-Straße 18 in A-Stadt über die G-Straße
in die A-Straße. Kurz vor der Kreuzung A-/T-Straße parkte der Kläger auf der rechten Straßenseite (stadtauswärts), um sich
in einer Bäckerei auf der anderen Straßenseite belegte Semmeln für seine Brotzeit zu kaufen. Er überquerte hierzu die Straße
und als er vor der Bäckerei eine lange Schlange sah, kehrte er um. Beim Umdrehen stolperte er, verlor das Gleichgewicht, stürzte
und verletzte sich an der linken Schulter.
Mit Bescheid vom 14.03.2012 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung aus dem Unfall vom 29.11.2011 ab. Ein Arbeitsunfall
habe nicht vorgelegen. Der Arbeitsweg sei aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen worden, es sei nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auf die finale Handlungstendenz abzustellen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 30.05.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der direkte Arbeitsweg aus eigenwirtschaftlichen
Gründen unterbrochen worden sei und das Zurücklegen des Fußweges zwischen Fahrzeug und Bäckerei allein der eigenwirtschaftlichen
Verrichtung des Einkaufens diente. Dies gelte auch für den Einkauf zum Verzehr in der Frühstückspause; es handle sich um eine
unversicherte Vorbereitungshandlung. Es sei auf die finale Handlungstendenz abzustellen. Bei Benutzung eines Fahrzeugs werde
die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nicht erst mit Verlassen des öffentlichen Verkehrsraumes ersichtlich, sondern präge
das Verhalten bereits beim Verlassen des Fahrzeugs. Ein Fortbestehen des Versicherungsschutzes über die Rechtsfigur der sog.
kurzfristigen Unterbrechung könne nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) gerade nicht angenommen werden. Als geringfügige Unterbrechungen gelten Tätigkeiten, die im Vorbeigehen erledigt werden,
z.B. Einwerfen eines Briefes.
Mit seiner am 28.06.2012 zum Sozialgericht München erhobenen Klage verfolgt der Kläger die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall
weiter. Mit Urteil des Sozialgerichts München vom 21.08.2013 wurde die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht führte insoweit
aus, dass der Versicherungsschutz mit dem Verlassen des Fahrzeugs unterbrochen wurde. Es habe sich auch nicht um eine kurze
und geringfügige Unterbrechung des Weges gehandelt.
Hiergegen hat der Kläger am 07.10.2013 Berufung erheben lassen. Zur Begründung hat der Klägerbevollmächtigte ausgeführt, nach
der Rechtsprechung des BSG vom 02.07.1996 bestehe Versicherungsschutz, wenn der Versicherte seinen PKW verlasse, auf der anderen Straßenseite einen
Verkaufskiosk aufsuche und auf dem Rückweg zum Wagen verunglücke. Im Übrigen bestehe Versicherungsschutz, da der Kläger eine
Semmel für die Frühstückspause in der Firma kaufen wollte, um sich für die Arbeit zu kräftigen. Im übrigen habe er den Straßenraum
nicht verlassen. Mit Schreiben vom 17.06.2015 hat der Berichterstatter auf die Rechtsprechung des BSG insbesondere vom 04.07.2013, B 2 U 12/12 R (Tankstellenfall) hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2015 hat der Kläger ausgeführt, dass er nach dem Umdrehen vor der Bäckerei nicht zu
einer anderen Bäckerei habe gehen wollen. Es sei ihm wichtig gewesen, pünktlich um 7:00 Uhr seine Arbeitstätigkeit aufzunehmen.
Er hätte sich daher erst später in der Pause eine Brotzeit besorgt. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit wollte er unmittelbar
mit dem Wagen zur Arbeitsstelle in der S-Straße weiterfahren. Er sei wohl am Randstein gestolpert, sei jedoch kurz vor dem
Wagen auf der Straße zum Liegen gekommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.08.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30.05.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 29.11.2011 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zusammenfassend hat die Beklagte vorgetragen, dass durch das Aussteigen und Gehen in Richtung der Bäckerei eine Unterbrechung
des unmittelbaren Arbeitsweges eingetreten sei. Diese wäre erst beendet, wenn der Kläger sich wieder im Wagen befunden hätte.
Die Beklagte beruft sich weiter auf den Grundsatz der Einheit des Weges. So habe auch das LSG Saarland in seinem Urteil vom
18.11.2014 (L 2 U 48/12) entschieden, dass beim Zurücklegen des Arbeitsweges mit dem Auto bei einer privatwirtschaftlichen Unterbrechung der Versicherungsschutz
erst mit dem Wiedereinstieg in das Auto die objektive Handlungstendenz darauf gerichtet sei, den unmittelbaren Weg zur Arbeitsstätte
fortzusetzen. Der Fußweg vom Auto zur Bäckerei und zurück lasse sich eindeutig von dem Weg zur Arbeit mit dem Auto abgrenzen.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Verfahrensakten des Sozialgerichts München beigezogen. Deren Inhalt
war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger befand sich mit dem Umdrehen vor der Bäckerei in der A-Straße
in A-Stadt wieder auf einem versicherten Arbeitsweg. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung sind erfüllt, da insbesondere
die Voraussetzungen der §§
144 und
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beachtet worden sind. Die Klage ist in Form einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§
54 Abs.
1,
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG) statthaft.
Nach §
8 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall
ist nach der Legaldefinition des §
8 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen
ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden
Ereignis (dem Unfallereignis) geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod
des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund
des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls
(BSG vom 17.02.2009, B 2 U 18/07 R, Rz.: 9, zitiert nach [...]). Im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität ist zu prüfen, inwieweit neben dem Gesundheitserstschaden
noch weitere Unfallfolgen letztlich wesentlich durch das Unfallereignis verursacht wurden.
Es wird festgestellt, dass der Kläger am 29.11.2011 gegen 6:45 Uhr auf dem Weg von zuhause zu einer Endmontage in der S-Straße
14 in A-Stadt im Rahmen einer versicherten Tätigkeit im Sinne von §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII bei der W. GmbH unterwegs war. Der Kläger parkte sein Fahrzeug gegenüber einer Bäckerei in der A-Straße kurz vor der Kreuzung
A-/T-Straße. Er überquerte die Straße und stellte vor der Bäckerei fest, dass sich darin viele Kunden aufhielten. Der Kläger
wollte umdrehen, stolperte dabei, verlor sein Gleichgewicht und ist auf dem Straßenkörper kurz vor seinem Wagen auf die linke
Schulter gefallen. Er zog sich dabei Trauma der Schulter links zu. Zutreffend hat das Sozialgericht München festgestellt,
dass die Fahrt bis zum Abparken des Kfz eine versicherte Fahrt nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII darstellte und durch das Abstellen des Wagens am rechten Fahrbahnrand eine Unterbrechung des versicherten Arbeitsweges eingetreten
ist.
Zwischen der versicherten Tätigkeit (hier Zurücklegen des Arbeitswegs) und der konkreten Tätigkeit im Zeitpunkt des Unfalls
(Umdrehen vor Bäckerei) muss ein innerer sachlicher Zusammenhang bestehen. Wird eine versicherte Tätigkeit mehr als geringfügig
unterbrochen, besteht während der Unterbrechung der Versicherungsschutz nur dann weiter, wenn die eingeschobene Verrichtung
ihrerseits im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht (BSG Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 RdNr 7 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3 RdNr 6). Bei diesem Einkauf handelte es sich nicht um eine nur geringfügige Unterbrechung,
während der der Versicherungsschutz nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII fortbestehen kann. Eine Unterbrechung ist als geringfügig anzusehen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die ohne nennenswerte
zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" zu erledigen ist (BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr 28, Rn. 18; BSG Urteile vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 RdNr 8 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3 RdNr 7 und vom 12. 04.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14 jeweils RdNr 12). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da das Fahrzeug verlassen wurde und die Straße
überquert werden musste.
Bis zum Urteil des BSG vom 09.12.2003 (B 2 U 23/03 R) erstreckte sich der Wegeunfallschutz in vergleichbaren Fällen auf den gesamten Bereich des öffentlichen Verkehrsraumes.
Danach wurde für den Weg zu oder von der Arbeitsstätte die benutzte Straße in ihrer gesamten Breite als versicherungsrechtlich
geschützter Weg angesehen, so dass, wenn sich der Unfall innerhalb des Verkehrsraums ereignet hatte, nicht geprüft wurde,
aus welchen Gründen sich der Versicherte zum Unfallzeitpunkt gerade an dieser Stelle befunden hatte (BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr 3, BSGE 91, 293-301, Rn. 17; zur alten Rechtsprechung: BSGE 20, 219, 221 = SozR Nr 49 zu § 543
RVO aF; BSGE 22, 7, 9 = SozR Nr. 53 zu § 543
RVO aF; BSGE 49, 16, 18 = SozR 2200 § 550 Nr. 41 S 101; BSG SozR 2200 § 550 Nr. 69 S 177; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 14 S 50 f; ausführliche Nachweise bei Brackmann/Krasney, aaO, § 8 RdNr 237, 238). Diese Auffassung stützte sich auf die
Judikatur des Reichsversicherungsamtes (vgl. EuM 30, 321, 322) und wurde damit begründet, dass dem Versicherten nicht vorgeschrieben
werden könne, welche Straßenseite er für den Arbeitsweg zu benutzen habe, es ihm vielmehr überlassen bleiben müsse, in welchem
Bereich des öffentlichen Verkehrsraums er sich bewege.
Seit dem Urteil vom 09.12.2003 (BSG, Az.: B 2 U 23/03 R) stellt das BSG für den Versicherungsschutz auf Arbeitswegen auf die erkennbare objektivierte Handlungstendenz des Versicherten ab. Der Versicherungsschutz
auf einem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstelle wird danach unterbrochen, sobald der Versicherte seine Absicht - sich auf
dem versicherten Weg (vielleicht auch nur vorläufig) nicht weiter fortbewegen zu wollen - nach außen sichtbar (objektiv) dokumentiert
(vgl. Schur/Spellbrink, Unfallversicherungsschutz auf dem Weg von und nach der Arbeitsstelle, SGb 2014, 589 ff (590)).
Dabei dauert die Unterbrechung bis zu dem Zeitpunkt an, bis zu dem der Versicherte wiederum nach außen dokumentiert, dass
er sich wieder in Richtung seines ursprünglichen Ziels bewegen will und er den öffentlichen Straßenraum wieder erreicht hat
(BSG vom 02.12.2008, Az.: B 2 U 17/07 R; Schur/Spellbrink, a.a.O.). Danach steht es dem Versicherten frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen,
wenn die Fortbewegung nach seiner Handlungstendenz der Zurücklegung des Weges von oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt
ist. Bei der Benutzung eines Fahrzeugs wird diese eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen
Verkehrsraumes zu Fuß ersichtlich. Sie prägt das Verhalten des Versicherten, sobald er z.B. mit dem Ziel des Besuchs eines
Geschäftes sein Fahrzeug abbremst, den Blinker setzt, das Fahrzeug parkt oder verlässt, also dokumentiert, dass er sich vorläufig
auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kläger das Fahrzeug in unmittelbarer
Nähe des Geschäfts abstellt oder es in relativ größerer Entfernung - vor oder hinter dem Geschäft - parken kann. Der Kauf
von Semmeln ist grundsätzlich als privatwirtschaftliche und unversicherte Tätigkeit einzustufen. Der Kläger befand sich auf
dem unmittelbaren Weg zu seiner Arbeitsstätte. Er hat allerdings, indem er mit seinem Pkw gegenüber der Bäckerei parkte, um
sich Lebensmittel zu besorgen, den Weg zur Arbeit aus einer rein eigenwirtschaftlichen Motivation heraus unterbrochen. Der
Kauf von Lebensmitteln gehört zu der rein eigenwirtschaftlichen Risikosphäre des Versicherten (vergleiche auch BSG vom 11.08.1998, B 2 U 29/97 R). Bereits mit dem Abbremsen des Kraftfahrzeugs setzte der Kläger diese eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nach außen objektivierbar
in Gang. Damit trat eine Unterbrechung ein.
Vorliegend ist jedoch fraglich, wann die Unterbrechung endete. Nach einer Entscheidung des BSG vom 02.12.2008 endete die Unterbrechung eines Einkaufs in einem Supermarkt noch nicht mit Aufnahme der Rückfahrt auf dem
Parkplatz des Supermarktes (BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr 28, Rn. 22). Wörtlich führt das BSG aus: "Die durch den Einkauf der Äpfel bedingte Unterbrechung ist daher mit dem Verlassen der unmittelbar zur Arbeitsstätte
führenden Straße durch Einbiegen auf den Parkplatz des Supermarktes in Gang gesetzt worden und wäre erst mit dem Wiedererreichen
dieser Straße und der Fortsetzung des Weges zur Arbeitsstätte beendet gewesen. Der Unfall hat sich indes auf dem Parkplatz
und damit außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes der zunächst genutzten Straße in einem Bereich ereignet, den der Kläger
ohne den Einkauf der Äpfel auf dem Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte weder betreten noch befahren hätte" (vgl BSG Urteil vom 12.06.1990 - 2 RU 31/89 - SozR 3-2200 § 550 Nr 2 S 7).
Nach der neuesten Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 12/12 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr 49 ) endete die Unterbrechung nach eigenwirtschaftlichem Auftanken eines Fahrzeugs, in dem Zeitpunkt
als sich der Kläger wieder auf die öffentliche Fahrbahn in Richtung seiner Arbeitsstätte zurück bewegte. Nach der vorgenannten
Entscheidung des BSG setzt der Versicherungsschutz nicht voraus, dass der Versicherte wieder die Stelle des Beginns der Unterbrechung erreicht
hatte. Allerdings führt das BSG in einem Nebensatz aus: "wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig
unterbrochen, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz; dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche
Tätigkeit beendet ist und der ursprüngliche Weg wieder aufgenommen wird" (BSG vom 04.07.2013, B 2 U 12/12 R, Rn. 18 am Ende). Im entschiedenen Fall stellte das BSG jedoch nicht auf das Erreichen der ursprünglichen Spur des Straßenkörpers (rechte Spur) ab. Der Versicherte musste nicht
wieder an den konkreten Ort des Beginns der Unterbrechung (rechte Fahrspur) zurückkehren. Maßgebend war nach dem Grundsatz
der objektivierten Handlungstendenz, dass der Kläger den Tankvorgang beendet hatte, durch Anfahren des Fahrzeugs das Tankstellengelände
in Richtung auf seine Arbeitsstätte verlassen und wieder mit seinem Fahrzeug auf die Fahrbahn der Straße in Richtung seiner
ursprünglichen Fahrtrichtung unterwegs war. Maßgeblich war für die Beendigung der Unterbrechung die nach außen hin kundgegebene
Handlungstendenz, wieder zur Arbeit zu fahren. Die rein privatwirtschaftliche Verrichtung war damit beendet.
Nach Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts München sollte die Unterbrechung erst mit dem Einsteigen in das Fahrzeug
enden. So hat das LSG Saarland in einem ähnlich gelagerten Fall ausgeführt, dass erst mit dem Wiedereinstieg in das Auto,
um den ursprünglichen Weg zur Arbeit fortzusetzen, der unterbrochene Versicherungsschutz wieder auflebe (LSG Saarland, Urteil
vom 18.11.2014 - L 2 U 48/12 -, Rn. 24, [...]). Denn erst von diesem Zeitpunkt an wäre der aus eigenwirtschaftlichen Zwecken eingeschobene zusätzliche
Weg beendet und die objektive Handlungstendenz wieder auf das Zurücklegen des versicherten unmittelbaren Weges nach dem Ort
der Tätigkeit gerichtet gewesen. Das Zurückgehen zum Auto diene der Beendigung des eigenwirtschaftlichen zusätzlichen Weges
und erst mit dem Wiedereinstieg in das Auto wäre die objektive Handlungstendenz wieder darauf gerichtet gewesen, den unmittelbaren
Weg zur Arbeitsstätte fortzusetzen.
Diese Auffassung widerspricht nach Meinung des erkennenden Senats der vom BSG entwickelten Rechtsprechung zur objektivierten Handlungstendenz. Soweit sich das LSG Saarland in seiner Entscheidung auf
eine Entscheidung des BSG vom 02.12.2008 bezieht (B 2 U 15/07 R, Rdnr. 23), sieht der erkennende Senat erhebliche Unterschiede, da in dem vom BSG am 02.12.2008 entschiedenen Fall sich der Unfall nicht im öffentlichen Verkehrsraum ereignete. Ausdrücklich hat das BSG in seiner Entscheidung vom 02.12.2008 ausgeführt, dass die Unterbrechung mit dem Erreichen des öffentlichen Verkehrsraums
sowie der Wiederaufnahme der Fortbewegung in Richtung des ursprünglichen Ziels ende (BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 15/07 R -, Rn. 22, [...]). Da vorliegend der Unfall des Klägers im öffentlichen Verkehrsraum stattfand, sieht der Senat keinen Widerspruch
zur Entscheidung des BSG vom 02.12.2008. Vielmehr hat das BSG (in einem zwar auch nicht vergleichbaren Fall) aber dennoch in einem abstrakt formulierten Leitsatz ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass der Rückweg eines Arbeitsweges nicht der rechtlichen Qualität des Hinweges folgen muss (BSG vom 14.11.2013, B 2 U 27/12 R, Leitsatz nach [...]). Auch der Verweis der Beklagten auf Ricke vermochte den Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Unterbrechung
erst mit dem Einsteigen in das geparkte Fahrzeug beendet ist (Ricke in Kasseler Kommentar, SGB Rn. 197 b). Zunächst ist festzuhalten,
dass auch nach Ricke die Unterbrechung, sofern durch ihre Dauer keine Lösung vom Weg eingetreten ist, grundsätzlich sobald
die Fortbewegung zum versicherten Ziel wieder aufgenommen wird, endet (Ricke in Kasseler Kommentar, SGB Rn. 197 b). Soweit
Ricke weiter ausführt, dass jedoch nicht (gleich auf welcher Straßenseite) die Wegstrecken wieder versichert seien, die erst
noch zurückgelegt werden müssen, um zum Punkt der Wegefortsetzung zu kommen (z.B. Parken eines Fahrzeugs mit anschließendem
Weg zurück zu einem Geschäft der umgekehrte Weg zurück zum Fahrzeug), fehlt eine überzeugende Begründung. Insbesondere setzt
sich der Verfasser nicht mit der Entscheidung des BSG vom 04.07.2013 ("Tankstelle", B 2 U 12/12 R) und dem insoweit entgegenstehenden Grundsatz der objektivierten Handlungstendenz auseinander.
Zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger durch das Umdrehen auf dem Fußweg wieder in Richtung auf seine
Arbeitsstätte und zu seinem Fahrzeug unterwegs war. Er versicherte glaubhaft, dass er nicht noch in ein anderes Lebensmittelgeschäft
habe gehen wollen, da ihm das pünktliche Erscheinen an der Arbeitsstelle besonders wichtig war. Sein äußeres Handeln stimmt
mit seiner inneren Tendenz - zur Arbeit zu gelangen - überein. Unter Heranziehung des Grundsatzes der objektivierten Handlungstendenz
endete mit dem Umdrehen auf dem Randstein die privatwirtschaftliche Unterbrechung des Arbeitsweges.
Nähme man vorliegend eine Unterbrechung bis zum Einsteigen in den Wagen an, so käme es zu unterschiedlichen Lösungen abhängig
davon, ob jemand zu Fuß unterwegs ist oder wie im vorliegenden Fall mit dem Wagen parkt und dann zu Fuß zum Laden geht. Eine
solche Ungleichbehandlung ist für den Senat nicht mit dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung vereinbar, da Versicherte
grundsätzlich frei in der Wahl ihres Verkehrsmittels sind. So führen Schur/Spellbrink unter Bezugnahme auf die neuere Rechtsprechung
des BSG aus, dass eine Unterbrechung bis zu dem Zeitpunkt andauert, bis zu dem der Versicherte wiederum nach außen dokumentiert,
dass er sich wieder in Richtung seines ursprünglichen Ziels bewegen will und er den öffentlichen Straßenraum wieder erreicht
hat (Schur/Spellbrink, Unfallversicherungsschutz auf dem Weg von und nach der Arbeitsstelle, SGB 2014, 589 ff, 590). Nach
Überzeugung des Senats finden diese Grundsätze auch im vorliegenden Fall Anwendung. Nach der neueren Rechtsprechung des BSG ist seit der grundlegenden Entscheidung vom 09.12.2003 (B 2 U 23/03) jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall lediglich auf die objektivierte Handlungstendenz des Klägers abzustellen.
Nach Auffassung des Senats besteht jedenfalls für diese Fallgruppe kein Bedürfnis, wiederum einzelfallbezogene Ausnahmen zu
begründen. Danach endete die Unterbrechung des versicherten Arbeitsweges mit dem Umdrehen des Klägers und der damit beabsichtigten
Fortsetzung des Arbeitsweges. Es lag daher ein Arbeitsunfall im Sinne der von §§
7,8 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
1 SGB VII vor.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
183,193
SGG.
Die Revision wird nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen, da durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts noch nicht im Detail geklärt wurde, in welchem Zeitpunkt
eine Unterbrechung eines versicherten Arbeitsweges aufgrund eines privatwirtschaftlichen Einkaufs endet.