Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Forderung der von der Beklagten mit Bescheid vom 05.06.2009 geltend gemachten Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge für den Versicherten H. F. für den Zeitraum vom 22.02.2006 bis 31.08.2006 in der Gesamthöhe von
2.520,80 EUR.
Der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte H. F. bezog zunächst Krankengeld von der Beklagten bis 21.02.2006 und anschließend
in der Zeit vom 22.02.2006 bis 31.08.2006 Arbeitslosengeld von der Klägerin. Mit Rentenbescheid der deutschen Rentenversicherung
Westfalen vom 29.08.2006 wurde ihm befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend ab 01.07.2005 und befristet bis
31.12.2006 bewilligt. Der Versicherte wurde mit Schreiben der Klägerin vom 29.08.2006 dazu angehört, dass das Arbeitslosengeld
ab 22.02.2006 zu Unrecht gezahlt wurde. Der Versicherte hat dazu Stellung genommen und mitgeteilt, er sei seiner Mitteilungspflicht
nachgekommen und habe am 11.01.2006 der Agentur für Arbeit mitgeteilt, dass er seit dem 01.02.2006 rückwirkend eine Rente
wegen voller Erwerbsminderung beziehe, dabei sei dort eine Kopie des Rentenbescheids gemacht worden. Von der Klägerin wurde
daraufhin die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 22.02.2006 aufgehoben und die Leistung vom Versicherten zurückgefordert.
In der Akte der Klägerin findet sich eine Kassenanordnung zur Absetzung von KV/PV-Beiträgen vom 06.09.2006 sowie eine Beendigungsmitteilung
vom 10.10.2006, dass die Forderung getilgt sei.
Die Beklagte hat im Rahmen der Beitragsüberwachung nach §
251 Abs.
5 SGB V im März 2009 eine Prüfung durchgeführt und aufgrund dieser Prüfung der Bundesagentur mitgeteilt, dass für den Versicherten
H. F. Beiträge in Höhe von 2.520,80 EUR zu Unrecht im maschinellen Verfahren abgesetzt worden seien. Nach §
5 Abs.
1 Nr.
2 SGB V i.V.m. §
20 Abs.
1 Nr.
2 SGB XI seien Personen, die in der Zeit diese Leistungen nach dem
SGB III beziehen, versicherungspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung. Dies gelte auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug
der Leistung geführt habe, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Wenn einem
nach §
5 Abs.
1 Nr.
2 SGB V versicherten Leistungsbezieher Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugebilligt werde, habe die Bundesagentur für
Arbeit gegen den Rentenversicherungsträger nach §
335 Abs.
2 SGB III Ersatzanspruch auch bezüglich der Beiträge, wenn und soweit wegen der Gewährung von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder
Unterhaltsgeld ein Erstattungsanspruch der Bundesagentur gegen den Rentenversicherungsträger besteht. Nach Auffassung der
AOK handle es sich bei §
335 Abs.
2 i.V.m. Abs.
5 SGB III um eine Regelung, die ausschließlich die Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aufgrund des Leistungsbezugs
nach dem
SGB III bei der rückwirkenden Zubilligung von Rente oder Übergangsgeld regelt. Eine Verrechnung der Beiträge nach §
335 Abs.
1 S. 1 i.V.m. Abs.
5 SGB III komme nicht in Frage, da die Versicherungspflicht der Bezieher einer Leistung nach dem
SGB III vorrangig vor der Versicherungspflicht als Bezieher einer Rente (§
5 Abs.
8 SGB V) bzw. dem Fortbestehen der Versicherung wegen Bezugs von Übergangsgeld (§
192 Abs.
1 Nr.
3 SGB V) ist. Damit fehle es an dem geforderten weiteren Krankenversicherungsverhältnis. In einer Entscheidung zur früheren Bestimmung
des § 157 Abs. 4 AFG (BSG Urteil vom 31.10.1991 Az.: 7 RAr 46/90) sei das BSG zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bundesagentur sich hinsichtlich ihres Anspruchs auf Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge
ausschließlich an den Rentenversicherungsträger und nicht auch an den Leistungsbezieher zu halten hat. Die Bestimmung des
§ 157 Abs. 4 AFG unterscheide sich von §
335 Abs.
2 SGB III im Wesentlichen dadurch, dass die Leistungsbewilligung wegen der Gewährung der Rente beziehungsweise des Übergangsgeldes
rückwirkend aufgehoben worden sein musste. Nicht geteilt werde die Auffassung, dass wegen der Nichtanwendbarkeit des §
335 Abs.
2 SGB III eine Erstattungspflicht der Krankenkasse nach §
335 Abs.
1 SGB III gegeben sei. Voraussetzung hierfür wäre das Bestehen eines weiteren Krankenversicherungsverhältnisses und dies fehle in den
betroffenen Fällen. Die Zahlung von Beiträgen habe der Gesetzgeber dadurch ausschließen wollen, dass der Bundesagentur für
Arbeit ein Erstattungsanspruch auf die Beiträge aus dem nachrangigen Versicherungsverhältnis eingeräumt wurde. Da in der Praxis
diese Beiträge nur durch den Rentenversicherungsträger bzw. Rehabilitationsträger beziffert werden können, sei die Abwicklung
zwischen diesen und der Bundesagentur in §
335 Abs.
2 SGB III normiert worden. Entsprechend habe der Gesetzgeber die Renten- bzw. Rehabilitationsträger von der Verpflichtung zur Beitragsentrichtung
freigestellt.
Die Beklagte gab der Klägerin Gelegenheit, sich zum Sachverhalt der nachgeforderten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
zu äußern.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 05.06.2009 machte die Beklagte, da eine Stellungnahme zur Anhörung nicht eingegangen
ist, Beiträge für den Versicherten F. in Höhe von 2.520,80 EUR geltend sowie Säumniszuschläge von insgesamt 1.853,50 EUR.
Nach den Feststellungen des Senats sind die geforderten Beiträge für die Versicherten B., B. und T. durch Rücknahme der Verfahren
vor dem Sozialgericht Nürnberg zwischenzeitlich erledigt (S 7 KR 263/09, S 7 KR 262/09 und S 7 KR 265/09).
Mit der Klage vom 24.06.2009 wandte sich die Bundesagentur für Arbeit gegen den Bescheid der beklagten AOK vom 05.06.2009
in Sachen des Versicherten H. F. und beantragte, den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2009 aufzuheben und festzustellen, dass
die Klägerin nicht verpflichtet sei, die im Bescheid vom 05.06.2009 geforderten Beiträge zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung
und die Säumniszuschläge für den Versicherten H. F. zu bezahlen. Die aufgrund des Bescheides vom 05.06.2009 von der Klägerin
an die Beklagte gezahlten Beiträge seien der Klägerin wieder auszuzahlen, außerdem wurde beantragt, diese gemäß §
27 SGB IV ab Klageerhebung zu verzinsen und der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, dass gemäß §
142 Abs.
1 Nr.
2,
4 SGB III der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe, wenn ein Anspruch auf Rente zuerkannt wird. Eine rückwirkende Zuerkennung führe zum
rückwirkenden Ruhen des Arbeitslosengeldes. Das rückwirkend einsetzende Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs begründe grundsätzlich
einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger nach § 103 SGB X. Bestehe ein Erstattungsanspruch seien der Bundesagentur für Arbeit die auf das Arbeitslosengeld entrichteten Beiträge zur
Kranken- und Pflegeversicherung zu ersetzen (§
335 Absatz
2 SGB III). Der Erstattungsanspruch bestehe jedoch nur, soweit der andere Träger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der
Arbeitslosengeldgewährung Kenntnis erhalten hat. Habe dieser in Unkenntnis seine Leistung erbracht, bestehe kein Erstattungsanspruch,
in diesem Fall komme eine Aufhebung der Bewilligung und Erstattung des Arbeitslosengeldes durch den Leistungsbezieher in Betracht.
Nach Auffassung der Klägerin entspreche die Rechtsauffassung der Beklagten, dass ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis
im Sinne des §
335 Abs.
1 S. 3
SGB III in den Fällen der rückwirkenden Rentengewährung nicht bestehe, nicht der Intention des Gesetzgebers. Folge dieser Auffassung
wäre nämlich, dass die Bundesagentur für Arbeit letztlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge anstelle des vorrangig
zur Leistung verpflichteten Trägers zu tragen hätte. Intention des Gesetzgebers sei es hingegen gewesen, grundsätzlich den
Leistungsträger mit den Krankenversicherungsbeiträgen zu belasten, der für die Hauptleistung vorrangig zuständig sei; sofern
ein Ausgleich zwischen dem vorab- und nachrangigen Leistungsträger nicht möglich sei, solle der Ausgleich über die doppelte
Beiträge empfangende Krankenkasse erfolgen. Die frühere Regelung des § 157 Abs. 3 a AFG sei inhaltlich unverändert in §
335 Abs.
1 S. 2
SGB III übernommen worden. Der Gesetzgeber habe dabei erkannt, dass dieser Zielsetzung eventuell die Konkurrenzregelungen im
SGB V entgegen stehen können, weil sie die für die Erstattung durch die Krankenkassen erforderliche Versicherung ausschließen.
Er habe deshalb ausdrücklich geregelt, dass die Konkurrenzregelungen im
SGB V einem Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Krankenkasse nicht entgegenstehen. Nach ihrer Auffassung
bestimme die frühere Regelung des AFG, beziehungsweise des
SGB V, dass eine rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung nichts an der zwischenzeitlich bestandenen Versicherungspflicht
ändere. Daraus folge andererseits: Gelte diese Regelung nicht, so werde durch eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung
auch die Versicherungspflicht rückwirkend beseitigt. Werde aber die Versicherungspflicht aufgrund des Arbeitslosengeldbezugs
rückwirkend beseitigt, gehe auch die darauf aufbauende Konkurrenzregelung in §
5 Abs.
8 SGB V ins Leere. Es bleibe festzustellen, dass im Streitzeitraum zwei Krankenversicherungsverhältnisse bestanden haben und deshalb
unter Berücksichtigung der Regelung in §
335 Abs.
1 S. 2 3. Halbsatz
SGB III die Rechtsauffassung der Beklagten nicht haltbar sei. Da die Beklagte die geltend gemachten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
ohne Rechtsgrundlage gefordert habe, sei die Klägerin auch nicht zur Erstattung der geforderten Säumniszuschläge verpflichtet.
Die Pflicht zur Verzinsung ergebe sich aus §
27 Abs.
1 SGB IV.
Die Beklagte legte hingegen nochmals ihre bereits im Bescheid niedergelegte Rechtsauffassung dar und wies vor allem darauf
hin, dass die Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V gemäß §
5 Abs.
8 SGB V nachrangig sei und die Versicherungspflicht als Leistungsbezieher nach dem
SGB III bei der Rückforderung der Leistung nicht beseitigt werde. Daher bestehe aufgrund der Zubilligung einer Rente kein weiteres
Versicherungsverhältnis im Sinne des §
335 Abs.
1 SGB III. Das BSG habe im Urteil vom 10.08.2000 (B 11 AL 119/98 R) zum Nichtbestehen einer Versicherung Stellung genommen. Eine andere Bewertung könne auch hier nicht erfolgen. Würde man
der Auffassung der Klägerin folgen, wäre der Regelungsgehalt des §
335 Abs.
2 SGB III ad absurdum geführt und überflüssig. Die Intention des Gesetzgebers Doppelleistungen auszuschließen, sei dadurch gewährleistet,
dass er eben mit dem §
335 Abs.
2 i.V.m. Abs.
5 SGB III eine speziell auf diesen Sachverhalt zugeschnittene Norm geschaffen habe und die Bundesagentur für Arbeit dadurch einen Erstattungsanspruch
auf die von ihr zu Unrecht gezahlten Beiträge gegenüber dem Renten- bzw. Rehabilitationsträger erhalte. Die Durchsetzung dieses
Anspruchs sei der Klägerin ohne weiteres möglich. Sofern sie allerdings wegen Verjährung oder aufgrund von ihr getroffener
Vereinbarung mit den Rententrägern diese nicht mehr durchsetzen könne, liege dies in ihrem Verantwortungsbereich. Entgegen
der Auffassung der Klägerin werde allein der Träger der Rentenversicherung nach §
335 Abs.
2 S. 4
SGB III von der Verpflichtung, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten, freigestellt. Dementsprechend richte sich
die Höhe der vom Rentenversicherungsträger an die Klägerin zu erstattenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach
der Leistungspflicht des Trägers der Rentenversicherung und nicht nach den von der Klägerin nach §
232a Abs.
1 SGB V gezahlten Beiträgen.
Mit Urteil vom 21.07.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt und
die Berufung zugelassen.
Das Sozialgericht kam zum Ergebnis, dass die Beklagte zu Recht die im angefochtenen Prüfbescheid genannte Beitragsforderung
erhoben habe und die Klägerin ihre IT-Ab-setzung bezogen auf die streitigen Beitragsforderungen nicht auf §
335 Abs.
1 S. 2
SGB III stützen kann. Das in §
335 Abs.
1 S. 2
SGB III geforderte weitere Krankenversicherungsverhältnis bestehe nicht. Mit §
335 Abs.
1 S. 2
SGB III, wonach nicht der Arbeitslose, sondern die Krankenkasse die Erstatterin sein solle, wenn bei ihr neben der Versicherung nach
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden hat, sollten Fallgestaltungen erfasst werden, bei denen
aus einem Nebeneinander von Leistungsbezug und einem anderen zur Krankenversicherungspflicht führenden Sachverhalt, insbesondere
einem Beschäftigungsverhältnis, eine zweifache Versicherung begründet würde. Anwendbar wäre die Regelung nur, wenn dann aus
jedem der Tatbestände die Pflicht zur Zahlung der Beiträge erwachse und bei rückwirkender Aufhebung der Leistungsbewilligung
durch die Klägerin ein Ausgleich durch die Rückzahlung der Beiträge durch die begünstigte Krankenkasse erfolgen soll. Im vorliegenden
Fall der rückwirkenden Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger für den Zeitraum,
in dem Leistungen des Arbeitslosengeldes nach §
117 ff
SGB III gewährt wurden, habe der Gesetzgeber jedoch eine Beitragszahlung durch den Rentenversicherungsträger überhaupt nicht vorgesehen.
Nach §
335 Abs.
2 S. 4
SGB III seien die Träger der Rentenversicherung gerade nicht verpflichtet, Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten. Die fehlende
Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Zahlung von Beiträgen an die Krankenkasse führe dazu, dass es bei der Leistung
der Beiträge der Klägerin an die Krankenkasse verbleibe und, falls die Voraussetzungen hierfür vorliegen, ein Erstattungsanspruch
nach § 335 Abs. 2 S. 1 zustehe, der aber gemäß §
335 Abs.
2 S. 3
SGB III der Höhe nach beschränkt sei. Es sei entgegen der Rechtspraxis der Klägerin nicht möglich, anstelle des Ersatzanspruches
nach §
335 Abs.
2 S. 1
SGB III auf den Ersatzanspruch nach §
335 Abs.
1 S. 2
SGB III zurückzugreifen, weil der in §
335 Abs.
2 SGB III vorgesehene Ausgleich der Annahme eines weiteren Krankenversicherungsverhältnisses im Sinne des §
335 Abs.
1 S. 3
SGB III entgegenstehe. Ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis nach §
335 Abs.
1 S. 2
SGB III bestehe nur, wenn neben der Versicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
2 SGB V eine Zweitversicherung bestand. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedeute die Regelung in §
335 Abs.
1 S. 2 Halbsatz 3
SGB III und die darin enthaltene Bezugnahme auf §
5 Abs.
1 Nr.
2 SGB V nicht, dass die Aufhebung der Leistungsbewilligung rückwirkend die Versicherungspflicht nach §
5 Abs. 1 Nr.
2 entfallen lasse. An der Versicherungspflicht aus §
5 Abs.
1 Nr.
2 SGB V habe sich daher nichts geändert, es sei insbesondere keine weitere Versicherung in der hier streitbefangenen Zeit hinzugetreten,
was sich aus §
335 Abs.
2 SGB III ergebe. Darüber hinaus bestehe gemäß §
5 Abs.
8 SGB V auch ein Nachrang der Versicherung in der KVdR gegenüber der durch die Zahlung von Arbeitslosengeld nach §
5 Abs.
1 Nr.
2 SGB V bestehenden Versicherung.
Mit Schriftsatz vom 26.10.2010 hat die Klägerin die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung
haben die Beteiligten den Vortrag aus der ersten Instanz wiederholt. Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, dass die
Rechtsauffassung des Sozialgerichts Nürnberg, die sich mit der Sichtweise der Krankenkassen decke, nicht der Intention des
Gesetzgebers entspreche. Deshalb könne das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.07.2010 keinen Bestand haben.
Die Klägerin beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2011,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.07.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2009 aufzuheben und festzustellen,
dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die im Bescheid geforderten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie die
Säumniszuschläge für den Versicherten H. F. an die Beklagte zu bezahlen.
Weiterhin beantragte sie festzustellen, dass die gezahlten Beiträge gemäß §
27 SGB IV ab Klageerhebung zu verzinsen sind und die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Die Beklagte hingegen beantragte,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Klägerin, der Beklagten und des Sozialgerichts Nürnberg Bezug
genommen.
Die Beklagte hat die von der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
für den Versicherten H. F. in Höhe von 2.520,80 EUR nicht zu erstatten, denn der Bescheid der Beklagten vom 05.06.2009 erweist
sich als rechtmäßig.
Für die Fälle, in denen Versicherungspflichtigen nach §
5 Abs.
1 Nr.
2 SGB V, also Personen, die Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach
SGB III beziehen, nachträglich eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Übergangsgeld von einem nach §
251 Abs.
1 SGB V beitragspflichtigen Reha-Träger gewährt wird, hat der Gesetzgeber in §
335 Abs.
2 SGB III eine eigene Regelung getroffen. Aufgrund dieser Bestimmung erhält die Bundesagentur vom Träger der Rentenversicherung oder
vom Reha-Träger die Beiträge, soweit ein Erstattungsanspruch der Bundesagentur gegen den Träger der Rentenversicherung oder
dem Reha-Träger besteht (§
335 Abs.
2 S. 1 und 2
SGB III). Der Unterschied besteht darin, dass vom Rentenversicherungsträger die Beitragsanteile zu ersetzen sind, die dieser für
dieselbe Zeit aus der Rente zu entrichten gehabt hätte (§
335 Abs.
2 S. 3 Ziff,1
SGB III), der Rehabilitationsträger hat den Beitrag zu ersetzen, den er als Krankenversicherungsbeitrag hätte leisten müssen, wenn
der Versicherte nicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
2 SGB V versichert gewesen wäre (§
335 Abs.
2 S. 3Ziff. 2
SGB III). Gleiches gilt jeweils für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung nach §
335 Abs.
5 SGB III, der auf die Absätze 1 bis 3 verweist.
Unstreitig ist hier, dass dem Versicherten nachträglich Leistungen der Rentenversicherung in Form einer zeitlich begrenzten
Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wurden, was zu einem nachträglichen Entfallen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld
gegenüber der Klägerin geführt hat. Die Leistung des Arbeitslosengeldes ohne die bezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
wurden vom Versicherten auch zurückgefordert und sind, soweit aus der Akte der Klägerin ersichtlich, von diesem auch erstattet
worden. Nicht erkennbar ist, dass sich die Klägerin mit einem Erstattungsanspruch an den Rentenversicherungsträger gewandt
hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus der Gesetzessystematik des §
335 SGB III, der eine Folgebestimmung des §§ 157 Abs. 3a AFG darstellt, nicht abgeleitet werden, dass über die Möglichkeit der Rückforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
nach §
335 Abs.
2 (für die Pflegeversicherung i.V.m. Abs.
5)
SGB III hinaus zusätzlich noch die Möglichkeit besteht, die Krankenkasse zur Rückzahlung der Beiträge nach §
335 Abs.
1 S. 3
SGB III in Anspruch zu nehmen. Die Auslegung, die die Klägerin bezüglich dieser Bestimmung vornimmt, ist nicht mit dem Gesetzeswortlaut
und den bisher dazu ergangenen Entscheidungen, insbesondere aber auch nicht mit der Intention des Gesetzgebers zu vereinbaren.
Vor allem kann der Klägerin nicht darin gefolgt werden, dass als "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" im Sinne des §
335 Abs.
1 S. 2
SGB III die Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
2 SGB V gilt. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass für diese Versicherten in Abs. 2 eine ausdrückliche Regelung getroffen
wurde, die nicht nötig gewesen wäre, würde man der Auffassung der Klägerin folgen. Die hier maßgebliche Regelung war bereits
in der Vorgängerregelung des § 157 Abs. 3a AFG mit Wirkung vom 01.01.1993 eingeführt worden (durch Art. 1 Nr. 47, Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und anderen Gesetzen vom 18.11.1992 BGBl. 1992, Seite 2044). In den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung findet sich folgende Begründung: "Nach geltendem Recht können Beiträge
zur gesetzlichen Krankenversicherung vom Leistungsempfänger nicht zurückgefordert werden, wenn der Bescheid aufgehoben und
die Leistung zurückgefordert wird. Die frühere Praxis der Bundesanstalt für Arbeit den Leistungsempfänger insoweit bei Verschulden
auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen, ist vom Bundessozialgericht nicht gebilligt worden. Satz 1 des neuen Abs. 3a (AFG) sieht deshalb einen öffentlich-rechtli chen Erstattungsanspruch der Bundesanstalt gegen den Leistungsempfänger hinsichtlich
der von der Bundesanstalt für ihn entrichteten Krankenversicherungsbeiträge vor, soweit der Verwaltungsakt, der zum Bezug
der AFG-Leistungen und zu der Beitragszahlung geführt hat, mit Rückwirkung aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist.
Hat im maßgeblichen Zeitraum ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden, so soll nach Satz 2 des neuen Absatzes
3a die Krankenkasse, die die Krankenversicherung nach §§ 155 ff. AFG durchgeführt hat, die "doppelt" entrichteten Beiträge der Bundesanstalt erstatten. Der Leistungsempfänger soll dadurch von
seiner Leistungspflicht entlastet werden. Unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 bleibt das Krankenversicherungsverhältnis
nach § 155 ff. von der Regelung des § 155 Abs. 2 S. 3 ausgenommen." (vgl. dazu BT-Drucksache 12/3211 Seite 28 zitiert nach
Hengelhaupt in: Hauck/Noftz
SGB III §
335 Anm. 9,10).
Der Senat ist bei der Auslegung des Begriffs "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" ebenso wie die Literatur (vgl. Düe
in Niesel/Brandt
SGB III §
335 Anm. 13, 14, Hengelhaupt, aaO. Anm. 58; Eicher/Schlegel,
SGB III Rn. 52 zu §
335 SGB III) zu der Auffassung gelangt, dass darunter nur ein weiteres Versicherungsverhältnis in der GKV verstanden werden kann, das
z.B. aufgrund der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses entstanden ist. Diese Situation entsteht zum Beispiel bei Aufnahme
eines Beschäftigungsverhältnisses ohne Mitteilung gegenüber der Bundesagentur mit einer sachgerechten Belastung der Trägerseite,
weil sie in diesen Fällen doppelte Beiträge erhält. Satz 2 findet deshalb dann keine Anwendung, wenn der Arbeitslose ohne
eigene Beitragsleistung zweitversichert war, wie z.B. beim Bezug von Krankengeld/Verletztengeld, Anspruch auf Gesundheitsfürsorge
nach §
46 Strafvollzugsgesetz oder Heilfürsorge nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Ebenso stellt eine Familienversicherung nach §
10 SGB V kein weiteres Versicherungsverhältnis dar. Dies wurde vom BSG im Urteil vom 05.02.1998 (B 11 AL 69/97 R, SozR 3-4100 § 157 Nr. 2) bereits für die Familienversicherung entschieden. Dort wird ausgeführt: "Ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis
im Sinne des § 157 Abs. 3a AFG bestand für die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht, ein solches Krankenversicherungsverhältnis wurde durch die von ihr
während des Leistungsbezugs ausgeübte Beschäftigung nicht begründet (denn die Beschäftigung war geringfügig)". Der Gesetzgeber
gehe damit von einem Vorrang der eigenen Mitgliedschaft und von einer Subsidiarität der Familienversicherung aus, die sich
daraus rechtfertige, dass die Leistung ohne Entrichtung zusätzlicher Beiträge zum Zwecke des Familienlastenausgleichs auf
Kosten der Solidargemeinschaft erbracht werde (BSG, aaO., Rn. 18). Das BSG hat daher die Bestimmung des § 157 Abs. 3a AFG a.F. ebenfalls als Ausnahmeregelung betrachtet. Die Gesetzesmaterialien zu § 157 Abs. 3a Satz 2 AFG bestätigten die Auffassung, dass nur ein während des Leistungsbezugs aktuell bestehendes weiteres Krankenversicherungsverhältnis
die Erstattungspflicht derjenigen Krankenkasse, die die Krankenversicherung nach §§ 155 bis 161 AFG durchführt, begründet und zum Ausschluss der Versicherungspflicht des Leistungsempfängers führt." (BSG, aaO., Rn. 19).
Der Streitwert war auf 2.520,80 EUR festzusetzen (§ 52 Abs. 3 GKG)