Erstattung der Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 5.374,69 Euro.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte betreibt ein nach §
108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde der bei der Beklagten und Berufungsklägerin versicherte C., geb. 1940, stationär vom
19.04.2015 bis 30.04.2015 behandelt. Die Beklagte stellte der Klägerin hierfür am 11.05.2015 den Betrag in Höhe von 28.527,72
Euro in Rechnung. Sie rechnete mit der DRG-Fallpauschale F03A ab. Diesen Rechnungsbetrag beglich die Beklagte. Die Beklagte
beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) mit der Begutachtung der Kodierung des Falls.
Dieser erstellte am 16.07.2015 ein Gutachten und kam zu dem Ergebnis, dass die DRG F05Z zur Anwendung komme. Die Prozedur
OPS 8-923 (Monitoring der hirnvenösen Sauerstoffsättigung) sei nicht anzuerkennen. Es habe ein Monitoring mit dem INVOS-System
(optisches In-vivo-Spektroskopie-System) stattgefunden. Dies stelle eine transkutane Messung dar, welche nicht den Vorgaben
des OPS entspreche. Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 17.07.2015 von der Klägerin den sich aus den Kodierungen ergebenden
Differenzbetrag in Höhe von 5.374,69 Euro zurück. Am 21.07.2015 verrechnete die Beklagte den Differenzbetrag mit einer unstreitigen
Forderung der Klägerin.
Die Klägerin hat dem Gutachten des MDK und der vorgenommenen Verrechnung mit Schreiben vom 24.11.2015 widersprochen. Die Auffassung
des MDK, dass mit dem INVOS-System eine hirnvenöse Sauerstoffmessung nicht möglich sei, sei unzutreffend. Gemäß der Allgemeinen
Kodierrichtlinien für Prozeduren (DKR P001f) seien alle signifikanten Prozeduren zu kodieren. Die hier streitige diagnostische
Überwachung erfülle auf Grund der vorzuhaltenden Spezialgeräte und notwendigen fachlichen Kompetenz diese Voraussetzung. Der
OPS 8-923 erfordere ein Monitoring der hirnvenösen Sauerstoffsättigung. Dies sei mit dem INVOS-Monitor möglich. Der OPS erfordere
keine direkte invasive Messung. Es gebe keinen Hinweis im OPS selbst oder in dessen Umfeld, auf welchem Weg das Monitoring
erfolgen müsse. Es handele sich um eine intraluminale Sättigungsmessung, welche venöse und arterielle Werte erfasse, wodurch
sich venös gewichtete prozentuelle Sättigungsdaten ergeben würden.
Die Klägerin hat am 07.07.2016 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Sie hat in der Sache die Begründung des Widerspruchs gegen das MDK-Gutachten wiederholt. Zudem hat sie darauf verwiesen,
dass der OPS 8-923 nicht erfordere, dass die Sauerstoffsättigung im gesamten Hirn gemessen werde. Auch bei der von der Beklagten
geforderten transvenösen Messung könne nur ein Teil des Gehirns gemessen werden. Ferner erfordere der OPS-Kode nicht die Messung
der rein hirnvenösen Sauerstoffsättigung.
Die Beklagte hat erwidert, dass die Kodierung wie vom MDK vorgeschlagen zu erfolgen habe. Es sei kein Monitoring der hirnvenösen
Sauerstoffsättigung durchgeführt worden. Im frontalen Hirngewebe würden sich 75% des Bluts im venösen und 25% im arteriellen
Gefäßbett befinden. Es werde bei INVOS zwar eine venös gewichtete, aber keine rein hirnvenöse Sauerstoffsättigung gemessen.
Dies stelle nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten cerebralen Versorgung dar. Ein an anderer Stelle des Gehirns auftretender
Sauerstoffmangel könne nicht erkannt werden. Die mittels INVOS gemessene Sauerstoffsättigung könne nicht mit der hirnvenösen
Sauerstoffsättigung gleichgesetzt werden. Der OPS enthalte keinen Hinweis darauf, dass damit auch venös gewichtete Verfahren
gemeint seien.
Mit Urteil vom 28.06.2017 hat das SG der Klage stattgegeben. Die OPS-Kodes seien eng und möglichst wortlautgetreu auszulegen. Nach Auffassung der Kammer finde
die Auslegung der Beklagten im Wortlaut des OPS-Kodes keine Stütze. Das INVOS-Verfahren messe die hirnvenöse und hirnarterielle
Sauerstoffsättigung und errechne auf Grund des zwischen den Beteiligten unstreitigen Gewichtungsverhältnisses von 3:1 die
hirnvenöse Sauerstoffsättigung. Mittels dieses Verfahrens werde daher die hirnvenöse Sauerstoffsättigung überwacht. Der Wortlaut
erfordere nur ein Monitoring, also eine Überwachung bzw. Beobachtung der hirnvenösen Sauerstoffsättigung. An die Qualität
oder die Art der Durchführung dieses Monitorings würden seitens des OPS-Kodes keine Anforderungen gestellt. Solche Anforderungen
stelle jedoch die Beklagte. Die Beklagte trage vor, dass das INVOS-Verfahren nicht in gleicher Weise verlässliche, zutreffende
oder sichere Daten liefere wie das invasive Messverfahren. Es könne dahingestellt bleiben, ob dies der Fall sei. Denn hierauf
komme es nach dem Wortlaut des OPS 8-923 nicht an. Denn nach der Rechtsprechung des BSG gebe es neben dem Wortlaut keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.2013, B 3 KR 7/12 R). Auch im Übrigen enthielten die OPS-Kodes keine Einschränkung dahingehend, dass nur das jeweils beste/sicherste/qualitativ
hochwertigste Verfahren zur Kodierung des entsprechenden OPS führen dürfe. Soweit die Beklagte der Meinung sei, das INVOS-Verfahren
sei zur Messung der hirnvenösen Sauerstoffsättigung ungeeignet, müsse sie auf die Einleitung eines Bewertungsverfahrens nach
§
137c SGB V hinwirken. Die Abrechenbarkeit des Verfahrens werde hierdurch jedoch vor Abschluss des Verfahrens nicht beeinflusst, wenn
die jeweilige Methode vom Wortlaut des OPS-Kodes erfasst sei.
Soweit die Beklagte der Auffassung sei, dass der hier streitige OPS-Kode nicht auf das INVOS-System passe, müsse sie das bereits
begonnene Verfahren zur Änderung des Kodes beim DIMDI vorantreiben und ein Exklusivum erwirken. Denn das BSG habe hierzu entschieden, dass bei Wertungswidersprüchen und sonstigen Ungereimtheiten (wie die Beklagte sie annehme) die
zuständigen Stellen durch Änderung für die Zukunft Abhilfe schaffen müssten (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.2013, B 3 KR 7/12 R). Bis zu dieser Änderung sei jedoch der gültige Wortlaut heranzuziehen; dieser erfasse die hier streitige Messmethode.
Gegen das am 11.07.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.08.2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Durch das INVOS-System werde der Tatbestand "Monitoring der hirnvenösen Sauerstoffsättigung" nicht erfüllt. Denn es finde
lediglich ein Monitoring der hirnvenös gewichteten Sauerstoffsättigung statt, das das Verhältnis von Sauerstoffangebot und
-verbrauch abbilde. Im Gegensatz dazu werde bei kathetergestützten Systemen (die Spitze des Katheters werde in den Bulbus
jugularis platziert) der Sauerstoffüberschuss im zentralen Kreislauf gemessen, also nicht lediglich regional. Darüber hinaus
unterliege die INVOS-Methode durch physikalische Störfaktoren einer hohen Anfälligkeit für Fehlinterpretationen. Das Fehlerrisiko
sei höher. Die Beklagte gehe davon aus, dass die Messung der hirnvenös gewichteten Sauerstoffsättigung in dem von der Klägerin
abgerechneten OPS 8.931.0 enthalten sei. Dieser unterscheide nicht zwischen hirnvenöser und hirnvenös gewichteter Sauerstoffsättigung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.06.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten
der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere ohne Zulassung statthaft (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§
151 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klage ist als Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) zulässig und begründet. Der Klägerin steht der streitgegenständliche Anspruch zu.
Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter
der Beklagten zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung in Höhe von 5.374,69 Euro hatte; eine nähere Prüfung durch
den Senat erübrigt sich insoweit (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R, Rn. 8 m.w.N.).
Die Beklagte hat diesen Vergütungsanspruch nicht durch wirksame Aufrechnung (§
69 Abs.
1 Satz 3
SGB V i.V.m. §§
387,
389 BGB) mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erfüllt. Ihr stand nämlich ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
in Höhe von 5.374.69 Euro im Hinblick auf die Behandlung des Versicherten C. nicht zu. Die Klägerin hatte der Beklagten diesen
Betrag zu Recht in Rechnung gestellt.
1. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse
entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft
Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, Urteil vom 19.06.2018, B 1 KR 39/17 R, Rn. 8 m.w.N.). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte hat der Senat am Vorliegen dieser Voraussetzungen keine Zweifel.
2. Zu Recht sind die Beteiligten sich darüber einig, dass der Anspruch auf die höhere Vergütung voraussetzt, dass DRG F03A
abzurechnen war und dafür die Klägerin OPS 8-923 kodieren durfte. Allgemein gilt hierbei: Wenn Rechnungsposten von (normen)
vertraglichen Vereinbarungen zahlenförmigen Inhalts mit abhängen und beide Beteiligte insoweit eine besondere professionelle
Kompetenz aufweisen, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen, wenn die Berechnungsergebnisse keinem Streit zwischen den Beteiligten
ausgesetzt sind und sonstige konkrete Umstände keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung ergeben (BSG, Urteil vom 19.06.2018, B 1 KR 39/17 R, Rn. 9 m.w.N.). So liegt es hier.
Die DRG F03A wird dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn OPS 8-923 zu kodieren ist. Die Vergütung für Krankenhausbehandlungen
Versicherter bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher
Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlungen Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich
aus §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V i.V.m. §
7 KHEntgG (idF durch Art. 5a Nr. 3 Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013, BGBl
I 2423) und § 17b KHG (idF durch Art. 5c Nr. 1 Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013, BGBl
I 2423). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, FPVn) konkretisiert. Der Spitzenverband
Bund der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 KHEntgG (idF
durch Art. 2 Nr. 9 Buchst a Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 <Krankenhausfinanzierungs-Reformgesetz
- KHRG> vom 17.03.2009, BGBl I 534) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung
für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art. 2 Nr. 11 KHRG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der
Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte
oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPVn auf der Grundlage des §
9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG (idF durch Art. 19 Nr. 3 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
<GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG> vom 26.03.2007, BGBl I 378).
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen
Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der
InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind. Das den Algorithmus enthaltende und ausführende
Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.
B. die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder
an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die FPVn selbst, aber auch die Internationale Klassifikation
der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im
Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (<ICD-10-GM> hier in der Version 2015 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 05.11.2014, BAnz AT 18.11.2014 B2, in Kraft getreten am 01.01.2015), die Klassifikation
des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2015 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des OPS vom 05.11.2014, BAnz AT 18.11.2014 B3, in Kraft getreten am 01.01.2015).
Schließlich gehören zu den einbezogenen Regelungskomplexen die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung
zu den DKR für das Jahr 2015 (Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2015 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG). Hierdurch erlangen die dem Groupierungsalgorithmus vorgelagerten DKR-Regelungen über die Eingabe der in ICD-10-GM und OPS
enthaltenen kodierfähigen Angaben in die Groupierungsmaske jedes Jahr zwischen den Vertragspartnern erneut Geltung.
Die Verbindlichkeit der in den FPV und den DKR angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie
in die zertifizierten Grouper einbezogen sind. Die Rezeption der Klassifikationen richtet sich nach den jeweils für die zertifizierten
Grouper geltenden vertraglichen Regelungen, hier der FPV 2015, nicht dagegen nach §
301 SGB V. Diese Norm regelt nicht die rechtliche Verbindlichkeit der Klassifikationssysteme für die Ermittlung der DRGs, sondern sieht
Informationspflichten der Krankenhäuser, anderer stationärer Einrichtungen und der ermächtigten Krankenhausärzte gegenüber
den KKn im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung vor (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.2018, B 1 KR 39/17 R, Rn. 10 ff. m.w.N.).
Die DRG F03A setzt nach diesen Grundsätzen die zulässige Kodierung von OPS 8-923 voraus.
3. Die Beklagte durfte OPS 8-923 kodieren (Monitoring der hirnvenösen Sauerstoffsättigung; dieser Kode ist nur für intensivmedizinische
Patienten anzugeben).
Das von der Klägerin eingesetzte INVOS-System (optisches In-vivo-Spektroskopie-System) wird zur nicht invasiven Messung der
regionalen hirnkapillären Sauerstoffsättigung verwendet. Dabei kommt das Verfahren der Nahinfrarotspektroskopie zur Anwendung.
Im Fall des Versicherten C. sind die in OPS 8-923 genannten Voraussetzungen erfüllt. Insbesondere sind die Merkmale gegeben,
durch die sich OPS 8-923 von OPS 8-931.0 unterscheidet, den die Klägerin ebenfalls kodiert hat, ohne dass die Beklagte dies
beanstandet hätte. OPS 8-931.0 lautet: "Monitoring von Atmung, Herz und Kreislauf mit Messung des zentralen Venendruckes;
dieser Kode ist nur für intensivmedizinisch versorgte Patienten anzugeben; dieser Kode umfasst das kontinuierliche EKG-Monitoring,
das Monitoring des Blutdruckes, die Messung von Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung und sonstigen Vitalparametern sowie die
Bilanzierung; ohne kontinuierliche reflektionsspektrometrische Messung der zentralvenösen Sauerstoffsättigung". OPS 8-923
geht also in zwei Punkten über den OPS 8-931.0 hinaus: Im Zusammenhang mit der Sauerstoffsättigung wird der Begriff "Monitoring"
statt des Begriffs "Messung" verwendet; außerdem tritt das Attribut "hirnvenös" hinzu.
a) "Monitoring" unterscheidet sich von "Messung" dadurch, dass es sich um mehrfache Messungen zum Zweck der systematischen
Überwachung (Erfassung, Protokollierung) zur optimierten Prozesssteuerung handelt. Klinisches Monitoring geschieht in der
Regel mit technischen Hilfsmitteln im Sinne einer kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Überwachung (Pschyrembel, Klinisches
Wörterbuch, 267. Aufl. 2017). Der Senat hat keine Zweifel daran, dass das verwendete INVOS-System ein Monitoring ermöglicht
und dass ein solches auch durchgeführt wurde. Die Klägerin hat nämlich ihrer Klageschrift als Anlage K 4 ihr Schreiben vom
24.11.2015 beigefügt, in dem sie ausgeführt hat, im vorliegenden Fall sei bei dem Patienten die hirnvenöse Sauerstoffsättigung
mit dem sog. INVOS-System kontinuierlich überwacht worden. Da weder der MDK noch die Beklagte Zweifel an der kontinuierlichen
Überwachung - und damit der Durchführung eines Monitorings - geäußert haben, sind weitere Ermittlungen hierzu nicht erforderlich.
b) Es liegt auch ein Monitoring der hirnvenösen Sauerstoffsättigung vor. Das INVOS-System misst die Gesamt-Sauerstoffsättigung
im Blut in einem Teil des Gehirns, was Rückschlüsse auf die hirnvenöse Sauerstoffsättigung erlaubt. Ob diese Rückschlüsse
ebenso zuverlässig sind wie eine invasive, kathetergestützte Messung der hirnvenösen Sauerstoffsättigung, ist nicht entscheidungserheblich;
das Risiko, mit einer Operation bzw. Prozedur den angegebenen Zweck zu verfehlen, spielt für die Auslegung des OPS keine Rolle.
Letztlich handelt es sich statt direkter Messungen - insbesondere solcher mit invasiven, kathetergestützten Systemen - um
indirekte Messungen. Der OPS 8-923 schließt ein Monitoring mittels indirekter Messungen nicht aus; eine bestimmte Messmethode
wie z.B. "direkt" oder "invasiv" ist nicht vorgegeben.
Das Schweigen des OPS bezüglich der anzuwendenden Messmethoden kann nicht dahingehend verstanden werden, dass das INVOS-System
ausgeschlossen ist. Eine solche Auslegung findet weder im Wortlaut noch in der Systematik des OPS eine Stütze. Die Anwendung
der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen unterliegt zwar grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft.
Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb
eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen.
Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren
Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt
wird; Bewertungen und Bewertungsrelationen - wie vorliegend der gegenüber invasivem Systemen geringeren Aufwand bei der Anwendung
des INVOS-Verfahrens - bleiben außer Betracht. Da das DRGbasierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu
entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie
die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 19.06.2018, B 1 KR 30/17 R, Rn. 14 m.w.N.).
c) Für das gefundene Ergebnis spricht als systematische Erwägung auch, dass der OPS 8-923 in der Version 2019 erstmals in
8-923.0 (Invasiv) und 8-923.1 (Nicht invasiv - Inkl.: Nicht invasive Messung der regionalen hirnkapillären Sauerstoffsättigung,
z.B. durch Nahinfrarot-Spektroskopie) unterteilt ist. Dies lässt erkennen, dass das DIMDI auch die unter 8-923.1 genannten
Methoden (zu denen das INVOS-System zählt) als Formen des Monitorings der hirnvenösen Sauerstoffsättigung ansieht. Anderenfalls
hätte es nahe gelegen, diese Methoden nicht in einen Unterpunkt des OPS 8-923, sondern in einem eigenständigen, gleichrangig
neben OPS 8-923 stehenden OPS aufzunehmen.
Ob und ggf. in welchem Umfang sich eine rückwirkende Anwendung von OPS 8-923.1 auf die Höhe des streitgegenständlichen Erstattungsanspruchs
auswirken würde, kann im Übrigen offen bleiben, denn eine rückwirkende Anwendung kommt mangels entsprechender Hinweise in
der OPS Version 2019 nicht in Betracht.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §
69 Abs.
1 Satz 3
SGB V i.V.m. §§
291,
288 Abs.
1 Satz 2
BGB, §
112 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB V und dem zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung.
Gründe zur Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere sieht der Senat keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Die streitgegenständliche
Fassung des OPS 8-923 ist, wie dargelegt, zum 01.01.2019 durch eine neue Fassung ersetzt worden, bei deren Anwendung sich
die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage nicht mehr stellt. Ob zur früheren Fassung des OPS noch eine erhebliche
Zahl von Verfahren zu entscheiden ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl., §
160a Rn. 14f), ist dem Senat nicht im Einzelnen bekannt; eine entsprechende Feststellung ist auch auf der Basis der Angaben der
Beteiligten nicht möglich. Unabhängig davon lässt sich die vorliegende Rechtsfrage auf der Grundlage des Wortlauts des OPS
8-923 und der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG beantworten.