Krankenversicherung
Versorgung mit einer Haushaltshilfe
Einstweiliger Rechtsschutz
Anordnungsgrund für Zeiträume vor einem gerichtlichen Antrag
Gründe
I.
Der Antragsteller (AST) begehrt von der Antragsgegnerin (AG) die Versorgung im einstweiligen Rechtsschutz mit Haushaltshilfe.
Der 1949 geborene AST ist gesetzlich krankenversichertes Mitglied der AG krankenversichert. Bei ihm ist ein GdB von 100 anerkannt
sowie das Merkzeichen G. Aus dem zwischen den Beteiligten geführten Verfahren L 5 KR 356/15 ZVW ergibt sich, dass der AST an einem Nagel-Patella-Syndrom leidet mit Fingernagelverformungen sowie Patella-Verkümmerungen
unter einhergehender Störung des Zentralen Nervensystems bei früher starkem Alkoholkonsum sowie Tranquilizer-Missbrauch. Seit
1985 bezieht er Berufsunfähigkeitsrente, seit 2009 Altersrente. In der jüngeren Vergangenheit wurde der Kläger wegen neurologisch-psychiatrischer
Erkrankungen mehrfach stationär behandelt. Am 22.7.2016 erlitt er bei einem häuslichen Sturz eine distale Radiusfraktur links.
Seit dem 22.07.2016 wurde ihm ärztlich deshalb Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, zuletzt mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
vom 16.08.2016 für den Zeitraum bis zum 04.09.2016. Vom 6. August bis 16.8.2016 war der Kläger stationär im Krankenhaus für
Psychiatrie in L-Stadt zur Behandlung. Der Entlassungsbericht empfiehlt die Fortführung ambulanter Behandlung. Mit Bescheid
vom 03.08.2016 bewilligte die AG dem AST Haushaltshilfe für den Zeitraum vom 01.08.2016 bis zum 18.08.2016 im Umfang von 4
Stunden wöchentlich. Am 18.08.2016 stellte der AST bei der AG einen "Wiederholungsantrag" für eine Haushaltshilfe für den
Zeitraum bis zum 06.09.2016. Dazu attestierte die Praxis Dres. M. und K. dem AST die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe für
den Zeitraum vom 17.08.2016 bis zum 31.08.2016 im Umfang von zwei Stunden täglich/sieben Tage/Woche wegen distaler Radiusfraktur,
derzeit in Gipsschiene. Diesen Antrag lehnte die AG mit Bescheid vom 26.08.2016 ab, der Anspruch auf Haushaltshilfe sei bereits
erschöpft. Dagegen hat der AST Widerspruch erhoben. Mit Antrag vom 29.08.2016 hat der AST im Wege einstweiligen Rechtsschutzes
vor dem Sozialgericht Würzburg die Bewilligung der Haushaltshilfe begehrt. Der ablehnende Bescheid vom 26.08.2016 sei rechtswidrig.
Von 14 verordneten Stunden habe die AG mit Bescheid vom 03.08.2016 nur vier Stunden bewilligt. Weil der den Bescheid am 05.08.2016
erhalten habe, sei eine Inanspruchnahme der Haushaltshilfe insoweit unmöglich. Vom 06.08.2016 bis zum 16.08.2016 habe er wegen
der stationären Behandlung keine Hilfe in Anspruch genommen. Bisher sei also noch keine Haushaltshilfe tätig geworden, so
dass er diese nun begehre bis zum 06.09.2016.
Mit Beschluss vom 02.09.2016 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Die Eilbedürftigkeit sei nicht erkennbar, weil es
dem AST weder unmöglich noch unzumutbar sei, die Haushaltshilfe zunächst auf eigene Kosten zu beschäftigen. Strittig sei keine
existenzsichernde Leistung. Nach summarischer Prüfung sei aus dem ärztlichen Attest für die Zeit ab Entscheidung über den
Eilantrag wegen des mit Gipsschiene ruhig gestellten linken Unterarmes nicht zu entnehmen, dass der AST die wesentlichen Arbeiten
zur Aufrechterhaltung des Haushaltes notwendig sind nicht auch mit dem rechten Arm (der AST sei Rechtshänder und verfasse
seine Schriftsätze handschriftlich) bewältigen könne. Dagegen hat der AST handschriftlich Beschwerde eingelegt und auf seinen
Gesundheitszustand sowie auf eine Arbeitsunfähigkeit attestierende Bescheinigung des Universitätsklinikums A-Stadt und eine
Haushaltshilfe-Bescheinigung des Dr. B. Bezug genommen.
Die AG hat eingewandt, dass der AST die vorläufige Vergütung der Haushaltshilfe aus seinen Rücklagen verweigere beweise das
Vorhandensein von Mitteln, mit denen er die Leistung einstweilen selbst bestreiten könne. Die Erkrankungen des AST machten
es diesem nicht unmöglich, seinen Haushalt selbst zu führen. Denn er sei Rechtshänder, das Ellenbogengelenk links sei frei
beweglich. Auch in Zusammenschau mit den bestehenden Erkrankungen ergebe sich nichts Anderes, der AST habe auch in der Vergangenheit
seinen Haushalt selbst geführt. Die vierwöchige Frist nach der ambulanten Behandlung vom 22.07.2016 habe am 18.08.2016 geendet.
Der AST beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 2. September 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin einstweilen zu verpflichten,
dem Antragsteller Haushaltshilfe zu bewilligen für die Zeit vom 18. August 2016 bis 18. September 2016.
Die AG beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zusammen mit der Beschwerde hat der AST Prozesskostenhilfe für diese beantragt.
II.
Die form- und fristgerecht (§
173 Satz 1
SGG) eingelegte und auch ansonsten statthafte Beschwerde (§
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht
abgelehnt.
Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die ausführliche und zutreffende Begründung im dem angefochtenen
Beschluss (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Ergänzend und in Bezug auf das Berufungsvorbringen ist auszuführen was folgt: Die begehrte Eilanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG dient der Abwendung wesentlicher Nachteile und vermeidet, dass der AST wegen Zeitablaufs vor vollendeten Tatsachen steht,
ehe er Rechtsschutz erlangt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
86b, Rn 27a). Erforderlich ist daher die Dringlichkeit der Angelegenheit, die in aller Regel nur ab Antragstellung bei Gericht
für die Zukunft anzunehmen ist. Ein Anordnungsgrund für Zeiträume vor einem gerichtlichen Antrag besteht nur ausnahmsweise,
falls ein noch gegenwärtig schwerer, irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft ist, und ein besonderer Nachholbedarf
durch die Verweigerung der Leistungen in der Vergangenheit auch in der Zukunft noch fortwirkt oder ein Anspruch eindeutig
besteht (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. August 2016 - L 11 AS 293/16 B ER). Weil vorliegend keine existenzsichernde Leistung gegenständlich ist, können im hier zu entscheidenden Verfahren Leistungen
vor dem 29.08.2016 nicht geltend gemacht werden. Weil keine existenzsichernde Leistung gegenständlich ist erfolgt die Entscheidung
nach summarischer Prüfung, eine Folgenabwägung ist nicht geboten (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2009 - 1 BvR 2496/07, Rn. 15, 16 - zitiert nach [...]) sowie unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes, welcher auch in Eilverfahren
nach §
86b SGG Geltung besitzt (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 25. Februar 2009 - 1 BvR 120/09, Rn. 18 - zitiert nach [...] = NZS 2009, 674, 676). In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass der AST am 22.07.2016 eine Verletzung der linken Hand erlitten hat.
Ein protrahierter Heilverlauf ist weder attestiert noch sonst erkennbar. Da der AST Rechtshänder ist und in der Vergangenheit
krankheitsbedingt keiner Haushaltshilfe bedurfte bestehen keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe iSd
§§
38,
12 SGB V ab dem 29.08.2016. Dem entspricht auch der Entlassungsbericht des Krankenhauses für Psychiatrie in L-Stadt. Damit ist das
Attest des Dr. B. in Anwendung des gebotenen summarischen Prüfmaßstabes ebenso wie die Versicherung des AST hinreichend entkräftet.
Auch aus der Kombination der Erkrankungen des Klägers, seinem GdB von 100 und dem Merkzeichen G ergibt sich keine andere Beurteilung,
insbesondere weil §
38 SGB V Haushaltshilfe nur im Falle der Unmöglichkeit der Weiterführung des Haushalts vorsieht. Die Beschwerde bleibt daher ohne
Erfolg.
III.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde nach den vorstehenden Ausführungen abzulehnen,
§
73a SGG i.V.m. §
114 Abs.
1 ZPO.
Die Kostenentscheidung bestimmt sich entsprechend §
193 SGG. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht eröffnet, §
177 SGG, das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist damit beendet.