Rückforderung einer Vergütung für eine Sprechtherapie
Regelwidrigkeit einer Praxisausstattung
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung der Vergütung von Leistungen der Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie im Zeitraum vom 12.10.2010
- 31.12.2011 in Höhe von 9.405,87 EUR.
1. Die Beklagte ist ausgebildete Logopädin und seit 1984 in eigener Praxis tätig. Mit Zulassungsbescheid vom 01.08.2008 hatte
die Klägerin der Beklagten ab dem 01.10.2008 die Zulassung zur Abgabe von Leistungen der Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie
in deren damals erworbenen Eigentumswohnung erteilt. Aufgrund einer Besichtigung der Praxisräume am 21.09.2010 nach einer
Versichertenbeschwerde stellte die Klägerin gegenüber der Beklagten fest, dass die Praxisräume in der Privatwohnung der Beklagten
nach einem Umbau nicht mehr den Zulassungsvoraussetzungen gemäß den Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes zur einheitlichen
Anwendung der Zulassungsbedingungen entsprechen. Mit Bescheid vom 06.10.2010 wurde der Zulassungsbescheid vom 01.08.2008 mit
Wirkung zum 12.10.2010 widerrufen. Der Widerspruch der Beklagten gegen den Widerrufsbescheid wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 09.12.2010 zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Sozialgericht München erhobene Klage vom 14.12.2010 (S 29 KR 1197/10) wurde erst- (Gerichtsbescheid vom 27.07.2011) und zweitinstanzlich (Urt. des Bayer. LSG v. 14.05.2013 - L 4 KR 302/11) abgewiesen. Die gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht
wurde am 09.12.2013 verworfen (B 1 KR 91/13 B).
Ein Antrag der Beklagten im einstweiligen Rechtsschutz vom Mai 2011 auf Vergütung von Leistungen ist unter Bezugnahme auf
die widerrufene Zulassung der Beklagten als Leistungserbringerin in zwei Instanzen abgewiesen worden (Beschlüsse vom 31.05.2011
- S 29 KR 492/11 ER und 24.08.2011 - L 4 KR 267/11 B ER).
Die Klage der Beklagten auf Neuzulassung vom Mai 2014 ist rechtskräftig abgewiesen worden (Gerichtsbescheid des München v.03.07.2015
- S 29 KR 586/14, Rücknahme des Berufungsverfahrens - L 5 KR 353/15).
Im einstweiligen Rechtsschutz ist der Beklagten im Jahr 2017 in zwei Instanzen die Leistungserbringung ohne Zulassung untersagt
worden (Beschlüsse des SG München v. 06.04.2017 - S 17 KR 2054/16 ER und des Bayer. LSG v. 19.05.2017 - L 5 KR 244/17 B ER).
2. Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 12.10.2010 bis 31.12.2011 und darüber hinaus versorgte die Beklagte auf vertragsärztliche
Verordnung Versicherte der Klägerin mit Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie. Mit Schreiben vom 12.02.2014 übersandte die Klägerin
der Beklagten unter Hinweis auf den Beschluss des BSG vom 09.12.2013 (B1 KR 91/13 B) eine Aufstellung der Vergütungen für Heilmittelleistungen, die die Beklagte seit dem Widerruf
der Zulassung erbracht und mit der Klägerin abgerechnet hatte und forderte die Rückzahlung der erbrachten Vergütungen in Höhe
von gesamt 18.309,81 EUR sowie eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,00 EUR. Der Betrag ergebe sich aus Rechnungen der Beklagten
für den Zeitraum seit dem Widerruf der Zulassung in Höhe von 27.080,41 EUR, welche in Rechnung gestellt und vergütet worden
waren, bis auf einbehaltene Beträge in Höhe von 2.873, 31 EUR (aus 2010) und 5.897,29 EUR (aus 2013 und 2014). Nachdem die
Beklagte auf das Rückzahlungsverlangen nicht reagierte, erneuerte die Klägerin ihre Forderung mit Schreiben vom 15.12.2015
und forderte die Beklagte auf, den Betrag in Höhe von 23.309,81 EUR spätestens bis zum 22.12.2015 zu überweisen oder bis dahin
schriftlich auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Sie wies darauf hin, dass nach Verstreichen der Frist weitere Schritte
eingeleitet werden müssten. Die Beklagte hat Widerspruch erhoben.
3. Mit am 30.12.2015 zum Sozialgericht München erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren als Teilklage zur Fristwahrung
für den Zeitraum vom 12.10.2010 bis 31.12.2011 in Höhe von 9.405,87 EUR weiterverfolgt. Die von der Klägerin zurückgeforderten
Beträge beinhalteten Leistungen, welche die Beklagte während der laufenden Klage gegen den Widerruf ihrer Zulassung abgerechnet
habe. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage sei jedoch mit Bestandskraft des Widerspruchsbeschieds rückwirkend
entfallen. Die Zahlungen seien damit ohne Rechtsgrund erfolgt und von der Beklagten zu erstatten. Die Beklagte hat geltend
gemacht, sie habe die für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung inne und besitze auch die zur Führung der Berufsbezeichnung
berechtigende Erlaubnis. Ebenfalls sei unstreitig, dass die Beklagte die für die Versorgung der Versicherten der Klägerin
getroffene Vereinbarung anerkannt habe. Allein streitig sei, ob die Beklagte über eine Praxisausstattung verfügte und verfüge,
die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleiste. Auf diese Voraussetzung stelle die Klägerin weiterhin
ab und diese Voraussetzung werde von der Beklagten auch erfüllt.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.12.2016 stattgegeben und die Beklagte zur Kostenerstattung in
Höhe von 9.405,87 EUR zzgl. Zinsen verurteilt. Die Beklagte verfügte über keine Zulassung als Leistungserbringerin, da der
Zulassungsbescheid vom 01.08.2008 ist bestandskräftig widerrufen worden sei. Selbst wenn eine Neuzulassung möglich wäre, könne
diese nicht rückwirkend ergehen. Einwände aus §§
812 ff.
BGB oder §
242 BGB stünden der Rückforderung des Leistungsträgers nicht entgegen.
4. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums insbesondere vorgetragen,
ihre Betriebsstätte habe die Voraussetzungen für eine Zulassung erfüllt. Die Rechtmäßigkeit des Widerrufs vom 06.10.2010 hätte
geprüft werden müssen. Die Klägerin habe keinen Nachweis über die Höhe des Rückforderungsbetrags erbracht, die Vergütung werde
bestritten. Eine Rückforderung der Vergütung sei wegen §§
812 ff.
BGB sowie Treu und Glauben nicht möglich, denn die Klägerin habe trotz Kenntnis des Widerrufs geleistet.
Auf gerichtliche Anforderung hat die Klägerin Datenbankauszüge vorgelegt, aus denen die Zahlungen der Klägerin an die Beklagte
für Behandlungen, aufgelistet nach Patient und Behandlungszeitraum hervorgehen. Im streitgegenständlichen Zeitraum hat die
Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.405,87 EUR überwiesen. Dieser wurde zur Abgeltung von zwölf Einzelrechnungen gezahlt,
die die Abrechnungsstelle der Beklagten zwischen dem 27.12.2010 und dem 31.10.2011 bei der Klägerin per Datenaustausch geltend
gemacht hatte.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 14.12.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung (§§
143,
151 SGG) ist nicht begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Klägerin bezüglich
der geleisteten Vergütung im streitgegenständlichen Zeitraum vom 12.10.2010 bis 31.12.2011 bejaht. Auf die zutreffenden Feststellungen
und die stichhaltige Begründung des Gerichtsbescheids vom 14.12.2016, welche der Senat sich zu eigen macht und übernimmt,
wird Bezug genommen (§§
153,
136 Abs.
3 SGG).
Die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren sind nicht geeignet, eine abweichende Entscheidung zu begründen.
1. Der Widerrufsbescheid vom 06.10.2010 ist bestandskräftig. Er wurde gerichtlich in zwei Instanzen geprüft und für rechtmäßig
erachtet, die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG wurde zurückgewiesen (Verfahren unter den Aktenzeichen S 29 KR 1197/10 - SG München, L 4 KR 302/11 - Bayer. LSG und B 1 KR 91/13 B - BSG). Die formelle und materielle der Rechtskraft der Entscheidung des Bayer. LSG vom 14.05.2013 ist mit Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde
am 09.12.2013 eingetreten. Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit. Sie soll den Streit zwischen
den Beteiligten endgültig beilegen, dieser soll über den denselben Streitgegenstand nicht wiederholt werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
141 Rz. 3,3a. m.w.N.) Im vorliegenden Verfahren kann und darf der Widerrufsbescheid der Klägerin daher nicht nochmals auf seine
Rechtmäßigkeit hin überprüft werden.
2. Die Aufforderung der Klägerin zur Erstattung der Vergütung vom 15.12.2015 ist aufgrund des Gleichordnungsverhältnisses
zwischen der Klägerin als Leistungsträger und der Beklagten Leistungserbringer kein Verwaltungsakt, daher ist der Widerspruch
der Beklagten ohne rechtliche Relevanz.
3. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Klägerin ist gegeben.
Eine Einrede oder Beschränkung des Erstattungsanspruchs nach §§
812 ff.
BGB iVm §
69 S. 3
SGB V besteht nicht, wie der angefochtene Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf die BSG-Rechtsprechung, Urt. v. 20.04.2016 - B 3 KR 23/15 R zutreffend ausführt. Mit dem BSG ist zu betonen, dass alle mit dem Recht der GKV befassten Senate ein allgemeines Prinzip darin sehen, dass Leistungserbringer
auch bereicherungsrechtlich die Abgeltung von Leistungen, die unter Verstoß gegen Vorschriften erbracht wurden, selbst dann
nicht beanspruchen können, wenn die Leistung im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden ist. Die Praxisausstattung hat für eine
zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung im Heilmittelerbringerrecht nicht lediglich Ordnungsfunktion. Sie ist
vielmehr von solcher Bedeutung, dass das Gesetz ihre Erfüllung als materiellen Zulassungsgrund bzw. ihre Nichterfüllung als
eigenständigen Widerrufsgrund beispielsweise bei der Erlaubnis zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen aufgestellt
hat. Nur so kann sich die Leistungserbringung für Heilmittelerbringer unter Beachtung der geltenden gesetzlichen und vertraglichen
Bestimmungen vollziehen. Die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze zu Gunsten des Leistungserbringers würde hier das
deutlich im Gesetz zum Ausdruck kommende Erfordernis einer Praxisausstattung als Garant einer geeigneten Leistungserbringung
unterlaufen. Es bestünde die Gefahr, dass die Qualitätssicherung und das Wirtschaftlichkeitsgebot (§§
2 Abs.
1 und 4, 12 Abs.
1,
70 Abs.
1 S. 2
SGB V) bei der Behandlung der Versicherten nicht gewährleistet wären (BSG, a.a.O., Rz. 32f - juris).
Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Einwand der Erfüllung einer Nichtschuld gem. §
814 BGB oder auf treuwidriges Verhalten der Klägerin (§
242 BGB) berufen. Die Klägerin war zur Vergütung der Leistungen in Höhe der bei ihr eingereichten Abrechnungen aufgrund der aufschiebenden
Wirkung der von der Beklagten eingelegten Rechtsbehelfe verpflichtet (§
86a Abs.
1 S. 1
SGG, vgl. BGH bei Rückabwicklung aus einer einstweiligen Anordnung, Urteil v. 31.03.2016, III ZR 267/15). Durch dieses Vorgehen wird die Beklagte nicht in ihrer Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigt. Art.
12 GG ist nicht verletzt, wenn ein Leistungserbringer für Leistungen außerhalb seiner erteilten Zulassung und außerhalb des anerkannten
anspruchsbegründenden Versorgungsauftrags keine Vergütung erhält (BSG, a.a.O, Rz. 36 - juris, m.w.N.)
4. Es wird festgestellt, dass die Höhe des geltend gemachten Rückforderungsanspruchs durch die aktenkundigen Datenauszüge
der Klägerin vollumfänglich nachgewiesen ist.
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung basiert auf §
197a Abs.
1 S. 1
SGG iVm §
154 Abs.
2 VwGO.
Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung wird auf den Beschluss vom 10.07.2018 verwiesen.
Die Revision wird mangels Zulassungsgründen nicht zugelassen (§
160 Abs.
2 SGG).