Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Brustkrebsbehandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus.
1. Die 1956 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin erkrankte Anfang 2010 an einem Tumor der
linken Brust. Am 26.07.2010 beantragte sie bei der Beklagten, eine stationäre Behandlung in Form der regionalen Chemotherapie
im "M.-Klinikum" B. als Sachleistung zu gewähren.
Die "M.-Klinik" arbeitet nach dem Belegarztsystem und befindet sich in den Räumlichkeiten des Krankenhauses B. wo sie ein
gesamtes Stockwerk angemietet hat. Betreiberin ist die M.-Klinikum GmbH & Co. KG (Handelsregister A, Amtsgericht T. - Registergericht
Nr. HRA 9398), gesetzlich vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin M. Verwaltungsgesellschaft mbH (Registergericht
T. HRB 20642), vertreten durch den Geschäftsführer Prof. Dr. K. R. A. mit der Geschäftsanschrift H-Straße, B ... Während das
Krankenhaus B. als Plankrankenhaus zur stationären Behandlung zugelassen ist, fehlt diese Zulassung für die Gesellschaften
der "M.-Klinik".
Zur Begründung ihres Sachleistungsantrags nahm die Klägerin Bezug auf eine Bestätigung der "M.-Klinik", dass mehrere gesetzliche
Krankenkassen im Rahmen von Einzelfallentscheidungen die stationäre Behandlung dort übernommen hätten. Zudem legte sie eine
Stellungnahme des Prof. Dr. A. als ärztlichem Direktor der "M.-Klinik" vor, wonach herkömmliche Therapien rezidivgefährdet
sein und bei Kombination mit strahlentherapeutischen Maßnahmen deutliche Nebenwirkungen aufwiesen. Auch könne eine herkömmliche
systemische Chemotherapie die Lebenserwartung nicht ändern. Deshalb sei eine regionale Chemotherapie in sechs Zyklen zu empfehlen.
Mit Bescheid vom 30.07.2010 lehnte die Beklagte die stationäre Behandlung in der "M.-Klinik" ab mit der Begründung, dass diese
nicht zur Leistungserbringung zugelassen sei. Für die Behandlung der Erkrankung der Klägerin stünden die Klinik Bad T. in
O., die V.-Klinik B. sowie die onkologischen Fachabteilungen der Kliniken T., R. sowie die Klinik der L.-Universität in M.
zur Verfügung. Ein dagegen erhobener Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 08.09.2010), ebenso wie ein Antrag,
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Beklagte zur stationären Behandlung im "M.-Klinikum" zu verpflichten (Beschluss
Bayer. Landessozialgericht vom 07.02.2011 - L 5 KR 42/11 B ER).
2. Gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben mit dem sinngemäßen
Antrag, die Kosten der stationären Krankenhausbehandlung in der "M.-Klinik" B. für eine regionale Chemotherapie zu übernehmen.
Sie hat hierzu im Wesentlichen vorgetragen, dass die regionale Chemotherapie weniger invasiv, nebenwirkungsarm und kostengünstiger
als die von der medizinischen Wissenschaft anerkannten Therapien zu Brustkrebserkrankungen seien. Zudem bestehe aus Gründen
der Gleichbehandlung mit anderen gesetzlich Krankenversicherten, welche in der "M.-Klinik" behandelt worden seien, Anspruch
auf eine entsprechende Leistung. Die Beklagte hat erwidert, es sei ihr verwehrt, eine stationäre Behandlung in einem nicht
zugelassenen Krankenhaus zu erbringen. Die erforderliche Behandlung werde der Klägerin in den benannten zugelassenen Krankenhäusern
zur Verfügung gestellt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.01.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, die regionale
Chemotherapie sei keine zugelassene Behandlungsmethode und entspreche nicht dem anerkannten Standard der medizinischen Wissenschaft.
Es seien die Voraussetzungen des Systemversagens nicht gegeben, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass der gemeinsame
Bundesausschuss trotz Erfüllung der Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht tätig geworden sei. Auch liege keine Notstandsbehandlung
im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, weil zur Krebserkrankung medizinisch anerkannte Standardbehandlungen
zur Verfügung stünden.
3. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass ein Systemversagen bestehe,
weil der Gemeinsame Bundesausschuss trotz Ablauf geraumer Zeit über die regionale Chemotherapie nicht entschieden habe, obwohl
diese bei erheblich geringeren Risiken und Folgeerscheinungen erheblich bessere Heilungsaussichten biete. Die regionale Chemotherapie
sei bei einem lokal begrenzten Karzinom wie demjenigen der Klägerin den klassischen Krebstherapien überlegen. Die Klägerin
habe auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Anspruch auf die begehrte Behandlung. Die Beklagte schulde
die bestmögliche Behandlung, die frei von den erheblichen Nebenwirkungen der Standardtherapien eines Brustkarzinoms sein müsse.
Die regionale Chemotherapie sei nebenwirkungsarm, es trete kein Haarausfall auf und Folgeerkrankungen durch ein suprimiertes
Immunsystem seien nicht zu befürchten. Die regionale Chemotherapie sei im Übrigen gleich erfolgsversprechend wie die angebotenen
Behandlungsmethoden.
Nach Hinweis des Senats auf das Erfordernis der Bezifferung und Belegung eines Kostenerstattungsanspruchs beantragt die Klägerin
zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 13.01.2011 sowie des Bescheides vom 30.07.2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2010 zu verurteilen, ihr künftig die stationäre Behandlung ihrer Brustkrebserkrankung
in Gestalt der regionalen Chemotherapie in der "M.-Klinik" B. als Sachleistung zu erbringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts München für zutreffend.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten
beider Instanzen und auf die Gerichtsakten des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in beiden Instanzen wird
zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG), aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 30.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2010,
mit welchem die stationäre Behandlung der Klägerin in der "M.-Klinik" B. abgelehnt wurde, ist rechtmäßig ergangen. Der angefochtene
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.01.2011 hält deshalb der Berufung stand.
1. Gesetzlich krankenversicherte Personen - wie die Klägerin - haben gemäß §
27 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB V Anspruch auf Krankenhausbehandlung. Diese stationäre Behandlung dürfen die gesetzlichen Krankenkassen - wie die Beklagte
- gem. §
108 SGB V nur durch folgende Kliniken erbringen lassen:
1. Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulkliniken anerkannt sind,
2. Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser) oder
3. Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Verbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen
haben.
Ausnahmsweise haben Versicherte in notstandsähnlichen Situationen, in denen das Leben oder eine wesentliche Körperfunktion
akut bedroht ist, Anspruch auf Behandlung mit einer nicht gelassenen Methode, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Methode
zur Heilung, Verhinderung, Verschlechterung oder Linderung der Krankheit fehlt, nicht vertragen oder bereits vergeblich angewandt
worden ist (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - BVerfGE 115, 25; BSG NJW 2007, 144).
2. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den hier streitigen Fall ist zunächst festzustellen, dass die in der Form eines
komplett angemieteten Stockwerks im Krankenhaus B. betriebene Belegarztklinik M.-Klinikum GmbH & Co. KG nicht zur Krankenhausbehandlung
zugelassen ist. Die M.-Klinikum GmbH & Co. KG
- ist weder als Hochschulklinikum nach dem Bayerischen Hochschulrecht anerkannt, noch
- ist sie in den Bayerischen Krankenhausplan aufgenommen noch
- verfügt sie über einen genehmigten Versorgungsvertrag, §
109 Abs.
3 Satz 2
SGB V.
Sie ist damit zur Leistungserbringung nicht zugelassen. Die Klägerin hat damit keinen Anspruch auf Behandlung in dieser Einrichtung,
§
27 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB V.
2.1 Die Frage, ob die Klägerin in Ausnahme zu dieser Regelung nach den Grundsätzen des Systemversagens einen Behandlungsanspruch
hat, stellt sich im vorliegenden Falle nicht, weil sich diese Grundsätze nur auf neue Untersuchungsbehandlungsmethoden im
ambulanten Behandlungsbereich beziehen. Nur dort stehen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden - wie die regionale Chemotherapie
- unter dem Erlaubnisvorbehalt durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, §
135 Abs.
1 SGB V. Die Klägerin begehrt aber keine ambulante, sondern eine stationäre Behandlung. Hierzu bestimmt §
137 c Abs.
1 Satz 2
SGB V, dass neue Behandlungsmethoden stationär nur dann nicht erbracht werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss dazu
eine entsprechende Richtlinie erlassen hat. Ein aufgabenwidriges Untätigsein des Gemeinsamen Bundesausschusses wäre deshalb
im Falle der Klägerin nicht relevant.
2.2 Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Bestätigung der "M.-Klinik", dass dort in Einzelfällen Patienten zu Lasten anderer
gesetzlicher Krankenversicherungsträger behandelt worden seien. Die Bestätigung kann einen Anspruch der Klägerin nach dem
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht begründen. Denn die dortige stationäre Behandlung wäre nach §§
27 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5,
108 SGB V rechtswidrig und es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass die gesetzlichen Krankenkassen allgemein in der "M.-Klinik" in
rechtswidriger Weise Leistungen erbringen und nur im Einzelfall der Klägerin von dieser Praxis abweichen. Die vorgelegte Bescheinigung
der "M.-Klinik" gibt auch keinen Anlass für Ermittlungen von Amts wegen in dieser Richtung, weil sie nur von Einzelfallentscheidungen
spricht. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass die bestätigten Behandlungen von Voraussetzung und Umfang her mit der
Situation der Klägerin vergleichbar sein könnten.
2.3 Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht in Anwendung der Ausnahmeregelungen, die das Bundesverfassungsgericht
und diesen folgend die Rechtsprechung der Sozialgerichte zu notstandsähnlichen Situationen entwickelt hat (BVerfG Beschluss
vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Ein solcher Anspruch setzte voraus, dass keine alternative fachlich anerkannte Behandlungsmethode
zur Verfügung stünde. Hierzu ist in Auswertung der gesamten medizinischen Dokumentation des Verwaltungsverfahrens sowie der
gerichtlichen Instanzen festzustellen, dass zur Therapie des Mammakarzinoms der Klägerin als wissenschaftlich anerkannte Methoden
die operative, die chemotherapeutische, die radiologische sowie die hyperthermische Behandlung - ggf. auch in Kombination
miteinander zur Verfügung stehen. Dafür hat die Beklagte der Klägerin auch konkret mehrere stationäre Einrichtungen benannt,
die in ihrem zumutbaren Reisebereich liegen und die diese Behandlungen anbieten. Dazu zählt insbesondere auch das Universitätsklinikum
in München-Großhadern. Diese konkret angebotenen Behandlungen hat die Klägerin allerdings abgelehnt. Auf die dazu erklärte
Begründung, die dortigen Therapien seien aus Sicht der Klägerin und des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin
der M.-Kliniken GmbH & Co KG in erster Linie weniger beeinträchtigend und mit geringeren Nebenwirkungen verbunden, kommt es
jedoch nicht an. Denn der Leistungsanspruch der Klägerin steht unter den gesetzlichen Einschränkungen des §
12 Abs.
1 SGB V. Danach müssen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie
dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht somit kein Anspruch auf die
bestmögliche Behandlung. Ob die wissenschaftlich (evtl. noch) nicht ausreichend anerkannte Methode der regionalen Chemotherapie
möglicherweise weniger belastend ist als die von der Beklagten in den konkret benannten Kliniken angebotenen Behandlungsmethoden,
kann somit unentschieden bleiben.
Die Klägerin hat damit unter keinen Gesichtspunkten Anspruch auf die begehrte stationäre Behandlung. Die Berufung bleibt ohne
Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, §
160 SGG.