Höhe der Vergütung für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung im Freistaat Bayern bis 2010; Durchsetzung des Anspruchs
im Krankenhausabrechnungsstreit mit einer Eventualwiderklage; Festsetzung des Streitwerts
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten und Berufungsklägerin und Widerklägerin (nachfolgend: Beklagte) gesetzlich krankenversicherte 1964 geborene
Patientin C. (nachfolgend: Versicherte) wurde vom 30.07.2008 bis zum 24.09.2008 vollstationär in der H. Klinik W. GmbH (nachfolgend:
Klinik W.) behandelt. Diese ist in den Krankenhausplan des Freistaates Bayern aufgenommen. Hinsichtlich der streitgegenständlichen
Vergütungsforderungen war nach der genehmigten Pflegesatzvereinbarung 2008 gem. § 11 Krankenhausentgeltgesetz und §
17 Abs.
1 Bundespflegesatzverordnung entsprechend der im Freistaat Bayern bis 2010 verwendeten Muster-Pflegesatzvereinbarung in §
12 hinsichtlich der Zahlungs- und Abrechnungsbestimmungen (vorgelegt im gerichtlichen Verfahren als Anlage K 3) folgendes geregelt:
"1. Die Rechnung des Krankenhauses ist durch Überweisung innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang zu zahlen. Als Tag
der Zahlung gilt der Tag der Gutschrift auf dem Konto des Krankenhauses, das in der Rechnung angegeben wurde. Ab Überschreitung
der Zahlungsfrist sind Verzugszinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten.
2. Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Begleichung der Rechnung geltend gemacht werden. Stellt
sich im Nachhinein heraus, dass durch das Krankenhaus eine unberechtigte Rechnungslegung erfolgte, storniert das Krankenhaus
die ursprüngliche Rechnung, stellt eine neue Rechnung aus und zahlt den zuviel erhaltenen Betrag innerhalb drei Wochen zurück.
Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung beträgt die Rückzahlungsfrist des zuviel erhaltenen Betrages drei Wochen ab
Rechtskraft der Entscheidung. Ab Überschreitung der Zahlungsfrist sind Verzugszinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über den
jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten. [ ...]."
Durch Zwischenrechnungen vom 01.08.2008 und vom 01.09.2008 sowie mit Abschlussrechnung vom 24.09.2008 stellte die Klinik W.
der Beklagten für die Behandlung der Versicherten insgesamt 8.288,35 EUR in Rechnung. Die Beklagte leistete darauf trotz befristeter
Kostenübernahmeerklärung vom 05.08.2008 keine Zahlung. Sie machte Zweifel hinsichtlich der Erforderlichkeit der Behandlung
dem Grunde und der Dauer nach geltend und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der entsprechenden
Überprüfung. Dieser kam in seinem Gutachten vom 04.12.2008 zu dem Eindruck, dass - nach einer vorausgegangenen, positiv verlaufenen
Psychotherapie - eine zeitnahe und wohnortnahe teilstationäre Behandlung der Versicherten, möglichst parallel zu einer Psychotherapie
des Kindes der Versicherten, sinnvoll und ausreichend gewesen wäre. Die vollstationäre Aufnahme und Behandlung könne ohne
weitere Einlassung der Klinik W. nicht nachvollzogen werden. Im weiteren von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 28.04.2009
führt der MDK aus, es bestehe ein Dokumentationsmangel der Klinik W ... Wenn die in der Entscheidungschronologie geschilderte
Symptomatik als Begutachtungsgrundlage herangezogen werde, sei lediglich eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme indiziert
gewesen. Es sei nicht zu erkennen, dass die Behandlung kurativ ausgerichtet gewesen sei, vielmehr hätte die Therapie als stationären
Rehabilitationsmaßnahme auf Kosten des Rentenversicherungsträgers erfolgen sollen. Zusammenfassend könne eine akut-stationäre
Krankenhausbehandlung nicht festgestellt werden.
Am 17.04.2013 trat die Klinik W. die streitgegenständliche Forderung an die Klägerin ab, die Zahlungsklage zum Sozialgericht
Würzburg erhoben hat. Die Klägerin hat vorgetragen, der Zahlungsanspruch ergebe sich bereits aus der Pflegesatzvereinbarung
2008, wonach die Beklagte als Krankenkasse der Versicherten verpflichtet sei, die Forderung zunächst zu begleichen. Die Versicherte
habe zudem eine stationäre Krankenhausbehandlung tatsächlich erhalten, diese sei in vollem Umfange medizinisch erforderlich
gewesen. Die Erforderlichkeit einer psychosomatischen Krankenhausbehandlung ergebe sich aus den zutreffenden Einschätzungen
des aufnehmenden und der behandelnden Ärzte sowie aus dem Abschlussbericht. Für die Versicherte sei nicht lediglich eine Rehabilitationsbehandlung
indiziert gewesen, bei welcher der Schwerpunkt im Gegensatz zu einer stationären Krankenhausbehandlung auf der Wiederherstellung
der Leistungsfähigkeit liege. Vorliegend habe die Versicherte an einer akutpsychosomatische Erkrankung gelitten, die mit akutstationären
Maßnahmen behandelt worden sei. Diese Behandlung des akutpsychosomatischen Krankheitsbildes sei von der Intensität sowie der
Behandlung durch ärztliches und pflegerisches Personal her nicht mit einer psychosomatischen Rehabilitationsbehandlung zu
vergleichen.
Mit Schreiben vom 26.05.2014 hat die Beklagte für den Fall des Unterbleibens weiterer Sachaufklärung angekündigt, hilfsweise
Widerklage zu erheben, allerdings ohne einen konkreten Antrag zu stellen. Daraufhin hat das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten
des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Dr. B. eingeholt. Dieser
ist in seinem Gutachten vom 07.12.2014, zu dessen Einzelheiten auf Blatt 97 bis 114 der Sozialgerichtsakte Bezug genommen
wird, zu dem Ergebnis gelangt, wegen der deutlichen Labilität und der Komplexität des Beschwerdebildes der Versicherten sei
eine komplexe Behandlung und Behandlungsorganisation erforderlich gewesen, zumal krisenhafte Zuspitzungen im notwendigen psychotherapeutischen
Prozess zu erwarten gewesen seine, wofür es eines ständig einsatzbereiten Arztes bedurft habe. Auch sei nach der ausgewerteten
medizinischen Dokumentation eine akut-stationäre multimodale Behandlung unter chefärztlicher Leitung im Rahmen einer komplexen
Behandlungsorganisation erfolgt entsprechend einer ärztlich verantworteten Behandlungsplanung bei Behandlungszielen mit Fokus
auf Reduktion von Krankheitsbeschwerden sowie mit Notwendigkeit eines vielfältig ausgebildeten therapeutischen Teams, das
durch ober- und chefärztliche Behandlungsdirektiven gesteuert wird. Dabei sei zwar der engmaschige und regulative Austausch
zwischen Einzeltherapeuten und den ärztlichen Leitungspersonen schriftlich nicht eindeutig fixiert, dieser erschließe sich
aber aus der komplexen Behandlungsorganisation.
Dem gegenüber hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.11.2014 erwidert, die tatsächliche Durchführung einer Krankenhausbehandlung
ergebe sich aus der Behandlungsdokumentation nicht. Die Widerklage sei nicht erhoben worden.
Mit Urteil vom 15.01.2015 hat das Sozialgericht die Klage sowie die Widerklage abgewiesen: Das Sozialgericht hat seine Entscheidung
zum einen darauf gestützt, dass die Beklagte nach der gültigen Pflegesatzvereinbarung zur Zahlung des fällig gestellten Rechnungsbetrags
verpflichtet sei. Zum anderen griffen die Einwendungen der Beklagten gegen die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen
Dr. Dr. B. nicht durch, so dass sowohl Durchführung als auch Notwendigkeit der stationären Behandlung der Versicherten nachgewiesen
sei.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und begründet wie folgt. Der Beklagten stehe ein Zahlungsverweigerungsrecht zu,
das durch die freie Interpretation der Pflegesatzvereinbarung in einer Entscheidung des Senates nicht gehindert werde, weil
die entsprechende Argumentation durch die Rechtsprechung des BSG überholt sei. Der Grundsatz von Treu und Glauben sei durch die Regelungen des Krankenhausrechts verdrängt. Die in Bezug genommene
Pflegesatzvereinbarung entfalte gegenüber der Beklagten keine Rechtswirkungen. Im Übrigen ergebe die Auslegung der Pflegesatzvereinbarung
nicht die unterstellten Rechtsfolgen. Es werde die Nichtigkeit der Pflegesatzvereinbarung gerügt. Die Leistungserbringung
und -abrechnung der Klinik W. entspreche nicht den Anforderungen der peinlich genauen Abrechnung, so dass ein materieller
Vergütungsanspruch nicht entstanden sei. Es greife der "dolo-agit-Einwand" aus Treu und Glauben ein, zumal weil eine weitere
Stellungnahme des MDK vom 17.06.2015 ergebe, dass nicht eine akutstationäre Behandlung, sondern eine Rehabilitationsmaßnahme
indiziert gewesen sei und dass die mangelhafte Dokumentation die Durchführung einer akut-stationären Maßnahme nicht belege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.01.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klägerin im Wege
der Widerklage Zug um Zug zu verurteilen, der Beklagten 8.288,35 Euro zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Patientenakten der Klinik W ... Darauf sowie auf die Gerichtsakten
beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
151 SGG), aber unbegründet. Die Klägerin hat nach - auch zwischen den Beteiligten unstrittig - wirksamer Abtretung einen Anspruch
auf vollständige Bezahlung der Krankenhausleistungen, welche die Klinik W. für die Versicherte im Zeitraum 30.07.2008 bis
zum 24.09.2008 gemäß Zwischenrechnungen vom 01.08.2008 und 01.09.2008 sowie gemäß Abschlussrechnung vom 24.09.2008 erbracht
und abgerechnet hat.
1. Gesetzlich krankenversicherte Personen - wie die Versicherte - haben gemäß §
2, §
27 Abs.
2 Satz 2 Nr.5, §
39 Abs.
1 Satz 1
SGB V Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung, wenn das Behandlungsziel nicht anderweitig erreicht werden kann und wenn diese
medizinische Versorgung wegen Art und Schwere der Krankheit notwendig ist. Diesen Leistungsanspruch des Versicherten konkretisiert
eine nach §
108 SGB V als Leistungserbringer zugelassene Klinik, sobald sie stationäre Leistungen erbringt. Gleichzeitig mit der Sachleistungserbringung
entsteht spiegelbildlich der Vergütungsanspruch des Krankenhauses, der - mangels Vorliegens eines Vertrages nach §
112 SGB V für den Freistaat Bayern nach §
109 Abs.
4 S 3
SGB V - auf §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V, §
7 Satz 1 Nr.
1 KHEntgG beruht. Der Zahlungsanspruch bestimmt sich sodann näher nach den Pflegesatzvereinbarungen, also der Vereinbarung
für den Vereinbarungs-/Pflegesatzzeitraum, welche nach § 18 Abs. 2 KHG abgeschlossen ist (vgl. BSG Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R; Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/08 KR R).
2. In Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst in Würdigung der Behandlungsakten der Klägerin, der Stellungnahmen des MDK
sowie des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. Dr. B. festzustellen, dass die Versicherte im streitigen
Zeitraum vom 30.07.2008 bis zum 24.09.2008 in der Klinik W. eine notwendige Krankenhausbehandlung iSd §
27 Abs.
1 S 1
SGB V i.V.m. dem Qualitätsgebot des §
2 Abs
1 S 3
SGB V und mit §
2 Abs.
4, §
12 Abs.
1 SGB V erhalten hat, weil die Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend
war, um das angestrebte, in §
27 Abs.
1 S 1
SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 70/12 R, Rn. 14 - zitiert nach [...]). Wie bereits das Sozialgericht zutreffend festgestellt hatte, war die Versicherte im Zeitpunkt
des Behandlungsbeginns krankheitsbedingt deutlich labil, sie wies ein komplexes psychisches Beschwerdebild auf. In einer zumindest
mittelgradigen Depression war die Versicherte akut dekompensiert vor dem Hintergrund emotionaler Instabilität auf Grund einer
Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetypus. Diese Situation entspricht auch der zuletzt vorgetragenen Einschätzung des MDK
vom 17.06.2015 (dort Seite 3: "Herr Dr. Dr. B. beschreibt zutreffend die Krankheitssymptome"). Zur adäquaten Behandlung war
es daher erforderlich und notwendig iSd §
12 Abs.
1 SGB V, dass die Versicherte eine komplexe Therapie im Rahmen einer umfassenden Behandlungsorganisation erhalten hat, zumal krisenhafte
Zuspitzungen im notwendigen psychotherapeutischen Prozess konkret zu erwarten waren und u.a. dafür eine ständig umgehend einsatzbereite
im Sinne der stationären Aufnahme informierte psychiatrische Arztbehandlung zur Verfügung stehen musste.
Nicht zu folgen ist insoweit den Einwendungen des MDK, auf welche sich die Beklagte bezogen hat, dass die Versicherte lediglich
einer Rehabilitation bedurft hätte wie zuletzt namentlich in der Stellungnahme vom 17.06.2015 ausgeführt. Denn insoweit besteht
ein Widerspruch in der Einschätzung im Gutachten vom 28.04.2009, die akute depressive Dekompensation bei traumatischer Borderline-Persönlichkeitsstörung
sei nicht nachzuvollziehen mit der bereits zitierten Aussage vom 17.06.2015, dass genau die diesbezüglichen Krankheitssymptome
von Dr. Dr B. zutreffend beschrieben seien. Der Einwand, bei Chronifizierung des Krankheitsbildes der Versicherten sei eine
kurative Krankenhausbehandlung ausreichend, überzeugt angesichts der von Dr. Dr. B. - trotz der auch vom ihm festgestellten
Mängel in der Behandlungsdokumentation - konstatierten Aktuität des Krankheitsgeschehens und der Notwendigkeit der Reduzierung
der akuten Krankheitssymptome nicht.
Die somit erforderliche Krankenhausbehandlung hat die Versicherte auch während der notwendigen gesamten Aufenthaltsdauer in
der Klinik W. erhalten. Auch insweit ist den - trotz bestehender Dokumentationsmängel auf Seiten der Klinik - überzeugenden
Ausführungen des Dr. Dr. B. zu folgen. Dieser hat im Gegensatz zu den Stellungnahmen des MDK die vorliegenden Berichte vollständig
ausgewertet. Er ist in der Folge zu dem sachlich medizinisch fundierten Schluss gekommen, dass die Versicherte einer stationären
Behandlung im Rahmen von Multimodalität sowie von komplexer Behandlungsorganisation unter chefärztlicher Leitung mit ärztlich
verantworteter Behandlungsplanung unter Fokus auf Reduktion der Krankheitsbeschwerden in Einsatz eines Therapieteams bei engmaschigem
und regulativen Austausch der Therapeuten untereinander in ständiger Rufbereitschaft eines Arztes bedurft und erhalten hatte.
Dem schließt sich das Gericht an.
3. Spiegelbildlich zur Erfüllung des so festgestellten Sachleistungsanspruches der Versicherten durch die Klinik W. als Plankrankenhaus
gem. §
108 Nr. 2
SGB V ist deren Vergütungsanspruch entstanden in der in Anwendung der Pflegesatzvereinbarung 2008 zutreffend errechneten Höhe von
gesamt 8.288,35 Euro. Dieser ist jeweils drei Wochen nach dem unstrittigen Eingang der Rechnungen vom 01.08.2008, 01.09.2008
sowie vom 24.09.2008 fällig geworden nach § 15 der wirksam zustande gekommenen und von der im Freistaat Bayern zuständigen
Behörde genehmigten Pflegesatzvereinbarung 2008.
a. An diese Pflegesatzvereinbarung war die Beklagte als Gesetzliche Krankenkasse der Versicherten gebunden, § 18 KHG (zur länderübergreifenden Wirkung von Klinkvergütung erfassenden Landesverträgen vgl. bereits BSG vom 21.08.1996 - B 3 KR 2/96). An diese Verbindlichkeit der Pflegesatzvereinbarungen hat sich die Beklagte auch in der Vergangenheit
gegenüber allen Krankenhäusern und ebenso gegenüber allen von der Klinik W. behandelten Versicherten gehalten; sie hat insbesondere
in Fällen unstrittiger Behandlung die in den jeweiligen Pflegesatzvereinbarung festgelegten Sätze vergütet. Die Ausführungen
der Beklagten zu ihrer fehlenden Bindung liegen somit in rechtlicher Hinsicht neben der Sache und widersprechen dem eigenen
Verhalten der Beklagten. Zudem bezieht sich die zuletzt zur Untermauerung ihres Standpunktes ins Feld geführte Entscheidung
des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.08.2002 - L 4 KR 14/00 nicht auf das in sowie auf der Grundlage von §§
107 bis
114 SGB V geregelte Sonderrecht der Erbringer akut-stationärer Leistungen, sondern auf die Erbringung von Krankentransportleistungen.
b. In der Folge ist dem hier strittigen prozessualen Anspruch vollumfänglich stattzugeben, ohne dass es auf die dargelegte
Richtigkeit der Leistungsabrechnung ankommt. Denn nach § 15 Pflegesatzvereinbarung 2008 hat die Beklagte den fälligen Zahlungsanspruch
zu erfüllen. Allein in dem Falle, dass sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass die gestellten Rechnungen unberechtigt
waren, wäre der Beklagten ein zu viel erhaltener Betrag zurückzuzahlen. Das bedeutet: Solange ein Abrechnungsstreit noch nicht
endgültig geklärt ist, darf das leistungserbringende Krankenhaus die Zahlung ihrer Abrechnungen verlangen, die Beklagte ist
zur Zahlung verpflichtet. Für das weitere Vorgehen legt die Pflegesatzvereinbarung fest, dass erst nach Klärung des Abrechnungsstreites
binnen dreier Wochen eine Korrektur/Ausgleich erfolgen muss. Für den hier vorliegenden Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung
gilt nach § 15 Pflegesatzvereinbarung 2008 somit, dass eine Rückzahlungspflicht erst ab Rechtskraft der Gerichtsentscheidung
binnen einer Frist von drei Wochen bestünde. Damit ist dem Zahlungsbegehen der Klägerin zu entsprechen. Der Zinsanspruch resultiert
aus § 15 Ziff. 1 Satz 3 der Pflegesatzvereinbarung 2008, dessen tatsächliche Voraussetzungen hier erfüllt sind.
c. Entgegenstehende Einwendungen der Beklagten bestehen nicht, insbesondere auch nicht aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme
sowie den Grundsätzen von Treu und Glauben, die im Dauerschuldverhältnis der Krankenhäuser als Leistungserbringer einerseits
und den Krankenkassen andererseits Anwendung finden (vgl. BSG Urteil vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01 R "Berliner Fälle"; Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R).
Die Zahlungs-, Fälligkeits- und Zinsbestimmungen in § 15 Pflegesatzvereinbarung 2008 sind keine überraschenden Regelungen,
denn sie beruhen auf der Pflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG zur Bestimmung zeitnaher Entgeltzahlung. Sie entsprechen
den im Freistaat Bayern bereits vor den hier strittigen Fall über Jahre hinweg auch von der Beklagten praktizierten Pflegesatzbestimmungen
und beruhen auf der üblicherweise im Krankenhausbereich verwendeten Bayerischen ARGE Mustervereinbarung (Stand 24.01.2007;
vgl. auch Bayer. LSG Urteil vom 04.10.2011 - L 5 KR 14/11 sowie vom 07.02.2012 - L 5 KR 344/11).
Dem klägerischen Anspruch steht auch nicht der dolo-agit-Grundsatz als eine spezielle Ausprägung des Prinzips von Treu und
Glauben (§
242 BGB) entgegen. Denn wie ausgeführt beruht der Zahlungsanspruch auf einer medizinisch vollumfänglich erforderlichen Leistungserbringung.
Durch die umgehende Zahlungspflicht binnen drei Wochen ab Rechnungseingang ist die Beklagte nicht unzumutbar schlecht gestellt,
denn sie ist mit Einwendungen nicht ausgeschlossen (§ 15 Pflegesatzvereinbarung 2008). Unzumutbare Härten entstehen durch
die umgehende Zahlungspflicht nicht, denn für den Fall der Nichterweislichkeit der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit wechselt
die materielle Beweisführungslast nicht auf die Beklagte (BSG vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R).
Dieses Ergebnis entspricht dem zeitnah zum vorliegenden Streitfall geäußerten Willen des Gesetzgebers. Nach der Begründung
zum Entwurf des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (BT-Drs 16/3100 vom 24.10.2006 Seite 171) war Ausgangspunkt ein Handlungsbedarf
(im Hinblick auf Prüfanforderungen des MDK nach §
275 Abs.1 Nr.1
SGB V,) die in der Regel zu hohen und nicht gerechtfertigten Außenständen und Liquiditätsproblemen der Krankenhäuser geführt hatten.
Dazu führt der Gesetzentwurf aus, dass es einer Krankenkasse nicht gestattet sei, bei beanstandeten Rechnungen lediglich den
unbestrittenen Teil der Forderung gleichsam als Vorschusszahlung unter Zurückbehaltung des bestrittenen Anteils bis zur abschließenden
Klärung zu leisten. Aus dieser Wertung ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber selbst von der grundsätzlichen Zahlungspflicht
der Krankenkassen nach Entstehung eines Behandlungsanspruches durch Aufnahme des Patienten nach §
109 SGB V ausgegangen ist.
Schließlich ist die Klinik W. als Fachklinik für Psychosomatik regelmäßig medizinisch veranlasst, Behandlungen zu erbringen,
die vom sachlichen Zeitbedarf her deutlich über der durchschnittlichen Verweildauer der übrigen Plankrankenhäuser liegen.
Die Klägerin tritt damit als Leistungserbringerin regelmäßig in längerfristige Vorlage, so dass auf ihrer Seite ein erhöhtes
Bedürfnis zu erkennen ist, durch die primäre Zahlungspflicht der Krankenkassen und das sekundäre Klärungsverfahren ihren Leistungsbetrieb
sichern und so ihrem Versorgungsauftrag als Plankrankenhaus der Fachrichtung Psychosomatik nachzukommen.
Dem steht nicht die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des BSG zum Vergütungsanspruch bei Klinikabrechnungsstreitigkeiten entgegen, denn dort wird gerade die Vorrangigkeit landesrechtlicher
Besonderheiten bzw. die Besonderheit der jeweiligen Pflegsatzvereinbarung als vorrangig benannt (BSG vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R, Rnr. 27; B 1 KN 2/08 KR R, Rnr. 37; B 1 KN 3/08 KR R, Rnr. 37- zitiert jeweils nach [...]).
4. Die erstinstanzlich lediglich angekündigte, aber - trotz anderweitiger Annahme des Sozialgerichts - nicht erklärte und
somit erst mit Eingang der Berufungsschrift am 27.02.2015 erhobene Eventual-Widerklage (§
100 SGG) in Gestalt des zuletzt trotz Hinweises des Gerichts in der mündlichen Verhandlung gestellten Zug-um-Zug-Antrages bleibt
ohne Erfolg. Die Widerklage ist zwar auch in der Berufung ohne Einwilligung des Gegners möglich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
- Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
100 Rdn. 3a). Aber mit der Widerklage kann die Beklagte nicht erstattet verlangen, was sie (noch) nicht gezahlt hat (zum Erstattungsanspruch
vgl. BSG Urteile vom 16.12.2008 - B 1 KN 2/08 KR R und vom 20.11.2008 - B 3 KN 1/08 KR R sowie vom 12.6.2008 - B 3 KR 19/07 R). Die Widerklage steht somit vorliegend materiell gleich mit einem Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte nicht zur Zahlung
der Klageforderung verpflichtet ist. Diese negative Feststellungswiderklage setzt ein rechtliches Interesse an der baldigen
Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses voraus, weil die Rechtsposition des Widerklägers an einer gegenwärtigen
Ungewissheit leidet, die durch das Feststellungsurteil beseitigt werden kann. Diese Ungewissheit ist zu bejahen, falls sich
die Gegenseite eines über die Klageforderung hinausgehenden Anspruchs berühmt (vgl. BGH, Urteil vom 4. 5. 2006 - IX ZR 189/03 -NJW 2006, 2780). Dies oder Vergleichbares ist vorliegend nicht zu erkennen. Der Weg der Widerklage ist somit dem Begehren der Beklagten
nicht eröffnet.
Zudem ist die Beklagte nach dem oben Ausgeführten materiell zur Zahlung der Vergütung für medizinisch notwendige und zutreffend
in Rechnung gestellte Krankenhausleistungen verpflichtet. Die Berufung und die Widerklage bleiben damit vollumfänglich ohne
Erfolg.
5. Die Kostentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 und
2 VwGO. Da über die Kosten für Klage und Widerklage einheitlich zu entscheiden ist (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer,
SGG, 11. Aufl, §
100 Rn. 7) hat die unterlegene Beklagte die vollständigen Kosten auch der Berufung zu tragen.
6. Der Streitwert beruht auf §
197a Abs.
1 Satz
SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 sowie § 47 Abs. 1 GKG. Die Widerklage erhöht den Streitwert nicht, sie umfasst wirtschaftlich die Klageforderung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
- Leitherer,
SGG, 11. Aufl, §
100 Rn. 7).
7. Gründe zur Zulassung der Revision iSd §
160 Abs.
2 SGG bestehen nicht. Insbesondere wurde die streitentscheidende Formulierung der Pflegesatzvereinbarung 2008 ausschließlich im
Freistaat Bayern und hier nur bis 2010 verwendet. Seit 2011 findet sie auch hier keine Anwendung mehr.