Anspruch auf Arbeitslosengeld; Aufhebung wegen Nichterscheinens zu den Meldeterminen
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte zu Recht mit Bescheiden vom 08.08.2008 und 19.08.2008 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab
12.08.2008 ganz aufgehoben hat, weil die Verfügbarkeit des Klägers wegen Nichtbefolgung von drei Meldeaufforderungen entfallen
war.
Der 1967 geborene Kläger war von April 1991 bis Dezember 2007 als Vertriebsleiter der DBV- W. Versicherungen im Außendienst
beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum 31.12.2007 unter Vereinbarung einer
Abfindungszahlung von 90.000,00 EUR.
Auf Grund der Abfindungszahlung ruhte der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld im Zeitraum 01.01.2008 bis 05.07.2008.
Eine zusätzlich von der Beklagten festgestellte Sperrzeit von 12 Wochen ab 01.01.2008 wegen Arbeitsaufgabe wurde auf Grund
eines gerichtlichen Vergleichs vor dem Sozialgericht München (Aktenzeichen S 37 AL 66/08) auf 6 Wochen verkürzt. Ab 06.07.2008 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld für eine Anspruchsdauer von maximal 270 Tagen bewilligt.
Nachdem sich der Kläger bei der Agentur für Arbeit W. mehrfach über Vermittlungsvorschläge beschwerte, Einladungen zur Vorsprache
nicht nachkam und sich per E-mail vom 06.04.2008 an das Kundenreaktionsmanagement der Beklagten in Nürnberg gewandt hatte,
fand am 24.04.2008 im Beisein des Teamleiters für Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit W. ein persönliches Gespräch mit
dem Kläger statt, welches nach kurzer Zeit abgebrochen wurde, da der Kläger das Gespräch mit Diktiergerät aufzeichnen wollte
und ihm dies nicht gestattet wurde.
Mit einer E-mail vom selben Tag teilte der Kläger der Agentur für Arbeit W. mit, dass er weitere Gesprächseinladungen ausschließlich
auf der Basis der Möglichkeit des Mitschnitts mittels Diktiergerät wahrnehmen werde. Die Teilnahme seines Rechtsbeistandes
bei jedem Gesprächstermin als Alternativoption habe er aus Kostengründen verworfen. Er werde Einladungen nur noch Folge leisten,
wenn ein Einverständnis der Agentur für Arbeit W. in schriftlicher Form zur Dokumentation vorliege.
Nach Aktenlage wurde der Kläger dann mit Schreiben vom 23.06.2008 mit Wirkung zum 21.07.2008, mit Schreiben vom 23.07.2008
zum 31.07.2008 und mit Schreiben vom 01.08.2008 zum 07.08.2008 zur Vorsprache in die Agentur für Arbeit W. eingeladen. Als
Grund für die Meldeaufforderungen wurde jeweils angegeben, dass mit dem Kläger über sein Bewerberangebot bzw. seine berufliche
Situation gesprochen werden solle.
Die mit Schreiben vom 01.08.2008 ergangene Einladung zum 07.08.2008 enthielt folgenden ergänzenden Hinweis:
"Die Tatsache, dass Sie am 21.07.2008 und am 31.07.2008 einer Meldeaufforderung ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen sind,
begründet Zweifel an ihrer Arbeitslosigkeit. Bitte beachten Sie, dass die Bewilligung der Leistung wegen fehlender Verfügbarkeit
für die Zeit nach dem erneuten Meldetermin ganz aufgehoben wird und zusätzlich ein Meldeversäumnis vorliegt (vgl. hierzu die
Rechtsfolgenbelehrung auf Seite 2), wenn Sie dieser Aufforderung ohne wichtigen Grund nicht nachkommen. Wird die Bewilligung
aufgehoben, erhalten Sie kein Arbeitslosengeld mehr."
Mit E-mails vom 25.06.2008 und 26.06.2008 bestätigte der Kläger, dass er die Einladung für den 21.07.2008 erhalten habe. Der
Kläger verwies hierbei auf sein Schreiben vom 24.04.2008, wonach er Einladungen der Agentur für Arbeit W. nur dann annehmen
werde, wenn diese sich bereit erkläre, die Gespräche nachvollziehbar zu machen. Es sei ihm nicht möglich, den Termin am 21.07.2008
wahrzunehmen, ohne dass die Zustimmung zur Aufzeichnung mittels Diktiergerät vorliege.
Dem Kläger wurde mit E-mail der Agentur für Arbeit W. vom 26.06.2008 mitgeteilt, dass ein Mitschnitt des Gespräches mittels
Diktiergerät nicht möglich sei, selbstverständlich könne der Kläger jederzeit einen Vertrauten seiner Wahl zum Gespräch mitbringen.
Mit Bescheid vom 08.08.2008 stellte die Agentur für Arbeit W. drei Sperrzeiten von jeweils einer Woche wegen Meldeversäumnis
für die Zeiträume 22.07. bis 28.07.2008, 01.08. bis 07.08.2008 und 08.08. bis 14.08.2008 fest. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld
werde für die genannten Zeiträume aufgehoben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger keinen Rechtsbehelf.
Mit weiterem Bescheid vom 08.08.2008 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 11.08.2008
ganz auf. Da der Kläger drei Meldeaufforderungen in Folge nicht nachgekommen sei, stehe er den Vermittlungsbemühungen der
Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ein Anspruch sei erst wieder gegeben,
wenn er sich erneut persönlich arbeitslos melde und Leistungen beantrage.
Hiergegen erhob der Kläger mit E-mail vom 09.08.2008, die er unterschriftlich am 12.08.2008 bestätigte, Widerspruch.
Mit Änderungsbescheid vom 19.08.2008, der Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens wurde, änderte die Beklagte den
Zeitpunkt des Beginns der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld auf den 12.08.2008 ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2008 wurde der Widerspruch des Klägers im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger
habe sich bewusst dafür entschieden, den Meldeaufforderungen nicht zu folgen. Damit habe er den Vermittlungsbemühungen der
Agentur für Arbeit wegen fehlender Erreichbarkeit nicht zur Verfügung gestanden. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld werde
nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.
Hiergegen ließ der Kläger mit Eingang am 13.11.2008 Klage zum Sozialgericht München erheben. Er trug vor, er sei während der
gesamten Zeit seiner Arbeitslosigkeit arbeitsuchend und arbeitslos gewesen. Er habe auch den Vermittlungsbemühungen der Agentur
für Arbeit zur Verfügung gestanden. Für die Aufhebung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bestehe kein Anlass, da das Nichtnachkommen
einer Meldeaufforderung nichts an den Voraussetzungen seiner Arbeitslosigkeit ändere.
Mit Urteil vom 18.12.2009 hob das Sozialgericht München die Bescheide vom 08.08.2008 und 19.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.10.2008 auf. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und nachvollziehbar vorgetragen, dass er dringend
auf Arbeit angewiesen gewesen sei und den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestanden habe. Er sei auch unstreitig
arbeitslos gewesen. Die Beklagte habe genug Möglichkeiten gehabt, dem Kläger Vermittlungsangebote zu übergeben. Es hätten
sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass der Kläger Vermittlungsangebote nicht angenommen hätte. Das Gericht habe keinen
Zweifel daran, dass der Kläger trotz der Meldeversäumnisse arbeitslos gewesen sei. Nach Auffassung des Gerichts seien die
Meldeversäumnisse mit den entsprechenden Sperrzeiten hinreichend sanktioniert.
Hiergegen hat die Beklagte mit Eingang am 11.03.2010 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Meldeaufforderungen zum 21.07.2008, 31.07.2008 und 07.08.2008 seien zum Zwecke der Vermittlung des Klägers erfolgt. In
der dritten Meldeaufforderung zum 07.08.2008 sei der Kläger mit ergänzendem Hinweis auf die Folgen eines weiteren Meldeversäumnisses
hingewiesen worden. Für die Nichtbefolgung der Meldeaufforderungen habe der Kläger auch keinen wichtigen Grund. Jede Person
habe das Recht, selbst zu bestimmen, ob ein Gespräch aufgenommen werden dürfe. Die Aufnahme von Gesprächen auf ein Diktiergerät
wäre daher nur mit Zustimmung des jeweiligen Gesprächspartners zulässig. Der Kläger beanspruche zwar Arbeitslosengeld, sei
andererseits aber nicht bereit, die Vermittlungstätigkeit der Beklagten in der für alle Arbeitslosen üblichen und gesetzlich
geregelten Form in Anspruch zu nehmen. Wenn der Kläger nur unter der gegen das
Grundgesetz verstoßenden Bedingung, alle Gespräche aufnehmen zu dürfen und sie damit nachvollziehbar zu machen, bereit sei, zu Beratungsgesprächen
zu erscheinen, stehe er den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung und sei damit nicht arbeitslos. Folglich habe er auch
keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
In seiner Berufungserwiderung hat der Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass bei dem ersten Vermittlungsgespräch
mit der damaligen Arbeitsvermittlerin Frau E. der Kläger darauf hingewiesen worden sei, dass die Beklagte bei Personen mit
der Vita des Klägers davon ausgehe, dass sie sich selbst um einen neuen Arbeitsplatz bemühen würden. Frau E. habe damals erklärt,
man würde den Kläger aus diesem Grund sechs Monate unbehelligt lassen, da man vor Ort sowieso nichts für ihn tun könne. Es
seien keine Vermittlungsvorschläge der Beklagten ergangen. An dem von der Beklagten genannten Meldezweck müssten daher Zweifel
aufkommen. Im Übrigen habe der Kläger auf ein Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 04.03.2008 hin Gespräche mit dem Vorstandsvorsitzenden
des M. V., dem Vertriebschef Stammorganisation des M. V., dem Landesdirektor der A. AG und dem Alleinvorstand der A. AG in
A-Stadt Gespräche geführt. Zusätzlich habe der Kläger noch Gespräche mit Personen in oberer Position bei der G. Versicherung
und der S. geführt.
In der mündlichen Verhandlung am 22.11.2012 hat der Kläger erklärt, er habe die Einladungen zum 31.07.2008 und zum 07.08.2008
erhalten, ob es mehrere gewesen und ob konkret für diese Daten Einladungen ergangen seien, könne er nicht sicher sagen.
An den Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung könne er sich nicht mehr erinnern; auch sei ihm nicht mehr bekannt, ob überhaupt eine
Rechtsfolgebelehrung enthalten gewesen sei.
Der Bevollmächtigte der Beklagten hat erklärt, nach der Dienstanweisung zu § 144
(Nr. 6.4) seien die Mitarbeiter der Beklagten verpflichtet, nach drei Meldeversäumnissen die Leistungsbewilligung für die
Zukunft aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.12.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.12.2009 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten des Sozialgerichts München und der Beklagten Bezug genommen, die
der Senat beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 08.08.2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 19.08.2008 und des Widerspruchsbescheides
vom 22.10.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse,
die bei seinem Erlass vorgelegen haben, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Hiernach war die Beklagte grundsätzlich befugt,
bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, mit Bescheid vom 08.08.2008 den der laufenden Zahlung von Arbeitslosengeld zugrunde liegenden Bewilligungsbescheid vom 27.12.2007
mit Wirkung ab 12.08.2008 aufzuheben.
Im vorliegenden Fall ist jedoch keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei Erlass
des Bewilligungsbescheides vom 27.12.2007 vorgelegen haben, eingetreten, wonach die Beklagte auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X berechtigt wäre, die laufende Zahlung von Arbeitslosengeld dauerhaft aufzuheben.
Zwar ist der Kläger unstreitig den Meldeaufforderungen der Agentur für Arbeit W. zum 21.07.2008, zum 31.07.2008 und 07.08.2008
nicht nachgekommen und hat damit seine in §
309 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) normierten Pflichten verletzt. Danach hat sich der Arbeitslose während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld
erhebt, bei der Agentur für Arbeit persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin
zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit ihn dazu auffordert.
Die Aufforderung kann zum Zwecke der Berufsberatung, der Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit, der Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
der Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch
erfolgen (§
309 Abs.
2 SGB III).
Nach der bis 31.12.2004 geltenden Rechtslage ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld während einer Säumniszeit von zwei Wochen,
wenn der Arbeitslose einer Aufforderung des Arbeitsamtes sich zu melden trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ohne wichtigen
Grund nicht nachkam. Versäumte der Arbeitslose innerhalb einer Säumniszeit von zwei Wochen einen weiteren Meldetermin trotz
Belehrung über die Rechtsfolgen und ohne wichtigen Grund, verlängerte sich die Säumniszeit bis zur erneuten persönlichen Meldung
des Arbeitslosen beim Arbeitsamt mindestens um vier Wochen (§
145 Abs.
1 und
2 SGB III a.F.).
Nach der hier maßgeblichen, ab 01.01.2005 geltenden Rechtslage (aufgrund des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848), tritt eine Sperrzeit von einer Woche ein, wenn der Arbeitslose einer Aufforderung
der Agentur für Arbeit sich zu melden, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt (§
144 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB III i.V.m. §
144 Abs.
6 SGB III).
Die Sperrzeit tritt jedoch nur bei einer vorausgegangenen ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung ein. Diese muss konkret, verständlich,
richtig und vollständig sein. Die Belehrung darf den Adressaten nicht in Zweifel darüber lassen, welche Folgen sein Nichterscheinen
unter welchen Umständen nach sich zieht (vgl. Niesel/Karmanski,
SGB III 5. Auflage, §
144 Rdnr. 111).
Ob der Bescheid vom 08.08.2008, mit dem die Agentur für Arbeit W. drei Sperrzeiten von jeweils einer Woche wegen Meldeversäumnis
für die Zeiträume 22.07. bis 28.07.2008, 01.08. bis 07.08.2008 und 08.08. bis 14.08.2008 festgestellt hat, insoweit rechtmäßig
ergangen ist oder nicht, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht streitbefangen, da der Kläger gegen den Sperrzeit-Bescheid
keinen Rechtsbehelf erhoben hat. Der Sperrzeit-Bescheid vom 08.08.2008 ist damit bestandskräftig geworden und bindet die Beteiligten
(vgl. §
77 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Es ist jedoch zu prüfen, ob aufgrund des Nichterscheinens des Klägers zu drei Meldeterminen auch die Verfügbarkeit des Klägers
für die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit W. entfallen war mit der Folge, dass damit auch seine Arbeitslosigkeit
und sein Anspruch auf Arbeitslosengeld weggefallen wäre (vgl. §§
118 Abs.
1 Nr.
1,
119 Abs.
1 Nr.
3 SGB III in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848).
Gemäß §
119 Abs.
5 Nr.
1 und
2 SGB III (in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) steht den
Vermittlungsbemühungen zur Verfügung, wer (unter anderem) Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung
zeit- und ortsnah Folge leisten kann und bereit ist, jede versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende
zumutbare Beschäftigung anzunehmen und auszuüben.
Nach den Feststellungen des Senats liegen keine Hinweise dafür vor, dass der Kläger Vorschlägen der Agentur für Arbeit W.
zu seiner beruflichen Eingliederung nicht zeit- und ortsnah nachgekommen wäre oder Vermittlungsvorschläge abgelehnt hätte.
Der Schlussfolgerung der Beklagten, dass der Kläger auf Grund seiner Weigerung, zu Meldeterminen ohne Aufzeichnung des jeweiligen
Gespräches mittels Diktiergerät zu erscheinen, der Arbeitsvermittlung nicht mehr subjektiv zur Verfügung stehe, vermag der
Senat nicht zu folgen.
Behrend führt (in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
309, Rdnr. 66) aus, dass aus einem Meldeversäumnis nach §
309 SGB III nicht geschlossen werden könne, dass der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung subjektiv nicht zur Verfügung stehe.
Insbesondere in Fällen, in welchen - wie im hier zu entscheidenden Fall - in der Meldeaufforderung nicht die Prüfung des Vorliegens
der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch nach §
309 Abs.
2 Nr.
5 SGB III ausdrücklich als Zweck benannt werde, sondern die persönliche Vorsprache aus den in §
309 Abs.
2 Nrn. 1 bis 4
SGB III genannten Gründen erfolgen solle, könne aus einer ungerechtfertigten Verletzung der Meldepflicht nicht geschlossen werden,
dass der Arbeitslose nicht den gesetzlichen Anforderungen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe (so auch LSG Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 24.06.2004, Aktenzeichen L 9 AL 4/04).
Zwar könne die Nichtbefolgung von Meldeaufforderungen ein Indiz für das Fehlen der subjektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen
sein (so das LSG Rheinland-Pfalz vom 28.10.1997, Aktenzeichen L 1 Ar 119/95). Auf Grund der mit der persönlichen Arbeitslosmeldung
und den Angaben im Antrag auf Arbeitslosengeld regelmäßig dokumentierten Arbeitsbereitschaft werde sich jedoch erst in vielen
Fällen in einem persönlichen Gespräch feststellen lassen, ob der Arbeitslose tatsächlich den Vermittlungsbemühungen der Agentur
für Arbeit nicht mehr zur Verfügung stehe, weil die innere Tatsache der Arbeitsbereitschaft entfallen sei.
Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
Nach Aussage des Vertreters der Beklagten im Verhandlungstermin am 22.11.2012 sind die Mitarbeiter der Beklagten nach der
Dienstanweisung zu § 144 (Nr. 6.4) verpflichtet, nach drei Meldeversäumnissen die Leistungsbewilligung für die Zukunft aufzuheben.
Hierzu ist festzustellen, dass nach den Regelungen in der Dienstanweisung der Beklagten zu §
144 SGB III (Nr. 6.4) für den Fall, dass der Arbeitslose zweimal einen Meldetermin ohne wichtigen Grund nicht wahrgenommen hat, dieser
in der dritten Meldeaufforderung darauf hinzuweisen ist, dass bei erneutem Nichterscheinen ein Meldeversäumnis vorliege und
die Verfügbarkeit entfalle. Ferner ist bei erneutem Meldeversäumnis ohne wichtigen Grund (regelmäßig) die Bewilligung der
Leistung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Diese Regelung entbindet die jeweiligen Entscheidungsträger der Beklagten von jedweder Einzelfallprüfung und verstößt damit
zur Überzeugung des Senats gegen die gesetzliche Pflicht der Beklagten, von Amts wegen vor jeder Entscheidung den Sachverhalt
zu ermitteln und dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen
(§ 20 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X).
Im vorliegenden Fall kann - wie oben dargelegt - aus dem Nichterscheinen des Klägers zu drei Meldeterminen nicht geschlossen
werden, dass damit auch die Verfügbarkeit des Klägers für die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit W. entfallen war
mit der Folge, dass damit auch seine Arbeitslosigkeit und sein Anspruch auf Arbeitslosengeld weggefallen wäre (vgl. §§
118 Abs.
1 Nr.
1,
119 Abs.
1 Nr.
3 SGB III in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848).
Es liegt damit keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides
vom 27.12.2007 vorgelegen haben, vor, die die Beklagte berechtigen würde, gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, den Bewilligungsbescheid vom 27.12.2007 mit Wirkung ab 12.08.2008 aufzuheben.
Aus den vorgenannten Gründen ist es nicht mehr entscheidungserheblich, dass nach den Feststellungen des Senats der Zugang
der Meldeaufforderungen mit Schreiben vom 23.07.2008 zum 31.07.2008 und mit Schreiben vom 01.08.2008 zum 07.08.2008 nicht
nachzuweisen ist. Es liegt lediglich ein Aktenvermerk der Beklagten vom 07.08.2008 über die Versendung der Einladungen vor.
Insbesondere wäre es für eine Sanktionierung des Nichterscheinens des Klägers zur Vorsprache am 07.08.2008 erforderlich, dass
der Kläger eingehend über die Rechtsfolge der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld unterrichtet worden wäre. Das
entsprechende Einladungsschreiben ist jedoch nicht als Abdruck von der Beklagten zu Akte genommen worden, es wurde lediglich
ein "Nachdruck" am 22.10.2008 erstellt.
Der Kläger hat im Verhandlungstermin am 22.11.2012 (sinngemäß) erklärt, dass er sich den Inhalt von Rechtsfolgenbelehrungen
nicht mehr erinnern könne; auch sei ihm nicht mehr bekannt, ob ihm überhaupt Rechtsfolgebelehrungen zugegangen seien.
Somit liegen dem Senat keine Nachweise über eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung durch die Beklagte hinsichtlich der
hier streitgegenständlichen Sanktion der vollständigen Aufhebung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld ab 12.08.2008
vor.
Der Senat folgt damit im Ergebnis dem Urteil des Sozialgerichts München vom 18.12.2009. Die Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen, da die Rechtsfrage, ob nach dreimaligen Meldeversäumnis ohne wichtigen Grund regelmäßig ohne weitere Einzelfallprüfung
die Verfügbarkeit des Arbeitslosen für die Vermittlungsbemühungen der Beklagten entfällt und daher die Bewilligung der Leistung
(mit Wirkung für die Zukunft) aufzuheben ist, klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von allgemeiner Bedeutung ist.