Elterngeld nach einer Tätigkeit als Abgeordnete
Festsetzung auf den Mindestbetrag des Elterngeldes
Abgeordnetenbezüge als sonstige Einkünfte
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft das Begehren der Klägerin, für Betreuung und Erziehung ihrer Tochter höheres Elterngeld nach dem
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu erhalten.
Die 47-jährige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie ist Mutter des Kindes K. A., geb. 02.02.2014. Während des Elterngeld-Bezugszeitraums
war die Klägerin nicht verheiratet und alleinerziehend. Sie lebte mit K. allein in einem Haushalt.
Die Klägerin war seit 1999 bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) beschäftigt. Vom 20.10.2008 bis 07.10.2013
gehörte sie dem Bayerischen Landtag als Abgeordnete der FDP an. Zum 01.01.2014 kehrte die Klägerin wieder in ihr Arbeitsverhältnis
bei der KZVB zurück.
Mit Bescheid vom 11.11.2013 setzte das Landtagsamt das monatliche Übergangsgeld nach dem Bayerischen Abgeordnetengesetz für die Zeit vom 01.11.2013 bis 31.03.2014 auf 7.244,00 EUR fest. Es schrieb, das Übergangsgeld werde in Höhe der zuletzt
gewährten Entschädigung nach Art. 5 des Bayerischen Abgeordnetengesetzes (BayAbgG) für jedes Jahr der Zugehörigkeit zum Bayerischen Landtag für einen Monat, höchstens aber für 18 Monate gewährt (Art. 11 Abs. 1 BayAbgG).
Das Landtagsamt bescheinigte unter dem Datum 16.12.2013, für die Zeit vom 01.01. bis 31.10.2013 habe die Klägerin eine steuerpflichtige
Entschädigung nach dem Bayerischen Abgeordnetengesetz in Höhe von 71.140,56 EUR erhalten. Dieser Betrag setzte sich aus monatlichen Entschädigungen in Höhe von jeweils 7.060 EUR
für die Monate Januar bis Juni und jeweils 7.244 EUR für die Monate Juli bis Oktober zusammen. In jedem Monat erfolgte eine
"Kürzung Art. 5 Abs. 4", und zwar bis einschließlich Juni monatlich 19,34 EUR, von Juli bis Oktober monatlich 19,85 EUR.
Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, dass sie Bezüge von der KZVB erhalte, erließ das Landtagsamt unter dem Datum 20.02.2014
einen Änderungsbescheid. Wegen der Anrechnung der von der KZVB gezahlten Vergütung reduzierte es die Übergangsgeldbeträge
entsprechend.
Mit Schreiben vom 26.03.2014 genehmigte die KZVB der Klägerin Elternzeit vom 31.03.2014 bis 31.12.2014. Bestätigt wurde, die
Klägerin befinde sich bis einschließlich 30.03.2014 in Mutterschutz. Mutterschaftsgeld erhielt sie vom Bundesversicherungsamt.
Am 31.05.2014 beantragte die Klägerin Elterngeld für Betreuung und Erziehung von K. für deren dritten bis elften Lebensmonat.
Sie legte eine Gehaltsabrechnung der KZVB für Januar 2014 bei, wonach ein Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 3.101,24
EUR geleistet wurde. Weiter legte sie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 vor, in dem das Übergangsgeld für November
und Dezember 2013 (zweimal 7.244 EUR) als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst worden war und daneben sonstige
Einkünfte als Abgeordnete in Höhe von 71.140 EUR ausgewiesen waren.
Im Juli 2014 erfuhr die Klägerin telefonisch vom Beklagten, die Abgeordnetenbezüge seien nicht leistungswirksam. Dagegen brachte
sie folgende Argumente vor:
* Die Tätigkeit als Abgeordnete sei für sie wie eine Erwerbstätigkeit, daher liege Erwerbseinkommen vor.
* Der Gesetzgeber habe mit dem Elterngeld gerade das ausfallende Erwerbseinkommen ersetzen wollen, was bei ihr gegeben sei.
* Das Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts würde nicht beachtet.
* Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien sonstige Bezüge zu berücksichtigen.
* Da das Übergangsgeld Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstelle, müsse dies auch für die Abgeordnetenbezüge gelten.
* Zumindest müssten die Zeiten als Abgeordnete bei der Festlegung des Bemessungszeitraums ausgeklammert bleiben.
Der Beklagte gelangte in einem internen Vermerk zum Ergebnis, die Abgeordnetenbezüge könnten nicht im Wege der Gesetzesanalogie
als Bemessungseinkommen behandelt werden. Die Materialien zum BEEG gäben keinen Aufschluss darüber, ob der Gesetzgeber die besondere Situation von Abgeordneten gesehen habe. Allerdings sei
durch prominente Beispiele bekanntgeworden, dass Abgeordnete keinen Anspruch auf Elterngeld hätten. Bei späteren Gesetzesänderungen
habe daher die Möglichkeit bestanden, das Gesetz entsprechend anzupassen. Dies sei aber nicht erfolgt. Alle Bezugsfälle beträfen
den Fall, dass die Geburt während der Abgeordnetenstellung stattgefunden habe. Die bei der Klägerin vorliegende Konstellation
sei, soweit ersichtlich, zum ersten Mal aufgetreten. Nach der Rechtsprechung des BSG gehörten alle typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundenen Einkunftsarten zum elterngeldrechtlichen Einkommen. Zu
diesen typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundenen Einkunftsarten habe der Gesetzgeber die Einkünfte nach §
2 Abs.
1 Nr.
5 bis
7 des
Einkommensteuergesetzes (
EStG) nicht gezählt. Weiter wurde in dem Vermerk auf die gravierenden Unterschiede der Stellung eines Abgeordneten und der eines
Arbeitnehmers oder Selbständigen hingewiesen. Auch eine Ausklammerung der Abgeordnetenzeit aus dem Bemessungszeitraum sei
nicht möglich.
Mit Schreiben vom 12.08.2014 äußerte sich das Landtagsamt zur steuerlichen Behandlung der Abgeordnetenbezüge. Nach Art. 43 BayAbgG finde §
22 Nr. 4
EStG auf Leistungen Anwendung, die auf Grund des BayAbgG gezahlt würden. Im Fall der Klägerin seien sowohl die nach Art. 5 BayAbgG gezahlten Entschädigungen als auch die nach Art. 11 BayAbgG gezahlten Übergangsgelder als sonstige Einkünfte nach §
22 Nr. 4
EStG zu versteuern.
Mit Bescheid vom 27.08.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Elterngeld für den dritten bis elften Lebensmonat von K.
(02.04.2014 bis 01.01.2015) in Höhe von monatlich 300 EUR; die Entscheidung erging unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Der
Beklagte stellte fest, im maßgebenden Bemessungszeitraum - er legte den Zeitraum Februar 2013 bis Januar 2014 zugrunde - läge
kein relevantes Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinn von § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG vor. Die Entschädigungen nach Art. 5 BayAbgG und die Übergangsgelder nach Art. 11 BayAbgG dürften als sonstige Einkünfte gemäß §
22 Nr. 4
EStG nicht als Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Elterngelds herangezogen werden.
Dagegen legte die Klägerin am 22.09.2014 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2014 als unbegründet
zurückwies. Bei der Berechnung des Elterngelds, so der Beklagte in der Begründung, könnten ausschließlich die Einkünfte nach
§
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 bis 4
EStG berücksichtigt werden, nicht aber die Abgeordnetenbezüge als sonstige Einkünfte. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig. Das
Elterngeldrecht knüpfe allein daran an, wie die Einkünfte zu versteuern seien. Dabei werde nicht verkannt, dass die Abgeordnetentätigkeit
persönlichen Einsatz abverlange; so könnten auch Einkünfte nach §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 und
6 EStG mit hohem persönlichen Einsatz verbunden sein, während Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Fall eines Kommanditanteils möglicherweise
ohne eine solchen zufließen würden. Man dürfe nicht im konkreten Einzelfall danach fragen, ob persönlicher Einsatz notwendig
gewesen sei oder nicht. Dem Gesetzgeber sei das hier vorliegende Problem auch bewusst gewesen; dennoch habe er bislang keine
Anpassungen vorgenommen. Ebenso wenig sei es möglich, unabhängig von den Verhältnissen im Bemessungszeitraum das Einkommen
heranzuziehen, das fiktiv im Bezugszeitraum verdient worden wäre.
Am 23.10.2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht München Klage erhoben. Die Vorgehensweise des Beklagten, so die Begründung,
benachteilige sie ungerechtfertigt gegenüber Arbeitnehmern und Selbständigen. Der Charakter der Abgeordnetenentschädigung
habe sich grundlegend geändert; nach dem "Diäten-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts handle es sich um eine Vollalimentation.
Im Wege verfassungskonformer Auslegung müssten die Abgeordnetenbezüge als Erwerbseinkommen sui generis behandelt werden. Außerdem
sei die Nichtberücksichtigung der Abgeordnetenbezüge bei der Bemessung des Elterngelds eine Benachteiligung bei der Mandatsübernahme
und -ausübung, die von Art. 2 Abs. 1 BayAbgG untersagt werde. Hilfsweise müssten im Bemessungszeitraum die Einkünfte angesetzt werden, welche sie, die Klägerin, erzielt
hätte, hätte das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Abgeordnetentätigkeit geruht. Weiter hilfsweise sei der Zeitraum der
Mandatsausübung analog § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BEEG auszuklammern. Die Mandatsausübung habe im besonderen staatlichen Interesse gelegen und sei insoweit dem Wehr- und Zivildienst
vergleichbar.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.03.2017 abgewiesen. Es hat dies damit begründet, die Abgeordnetenbezüge
(Entschädigung und Übergangsgeld) seien als sonstige Einkünfte nach §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
7, §
22 Nr.
4 EStG nicht als Einkommen im Sinn von § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG zu berücksichtigen. Eine Heranziehung über eine Gesetzesanalogie scheide aus. Der Abgeordnetenstatus weise Besonderheiten
auf, die eine Verschiedenbehandlung im Vergleich zu Arbeitnehmern und Selbständigen rechtfertigten. Ein wesentlicher Unterschied
liege darin, dass für Abgeordnete - auch für die Zeit nach der Abgeordnetentätigkeit - ein eigenes soziales Versorgungssystem
existiere, das sich wesentlich von den sozialen Leistungen für Erwerbstätige unterscheide. In der besonderen Situation der
Klägerin sei auf das Übergangsgeld und die Ermessensleistungen abzustellen. Dass eine Abgeordnete kurz nach Mandatsende ein
Kind bekomme und für dessen Betreuung und Erziehung Unterhaltsleistungen benötige, könne als besonderer Fall im Sinn von Art.
21 BayAbgG gelten. Dass es für Parlamentsmitglieder keine Elternzeit und kein Elterngeld gebe, sei dem Gesetzgeber bewusst gewesen.
Am 26.09.2014 habe die Bundestagsabgeordnete Schön anlässlich der ersten Beratung des Elterngeld-Plus-Gesetzes ausdrücklich
darauf hingewiesen (Plenarprotokoll 18/55 des Deutschen Bundestags vom 26.09.2014, S. 5076). Trotzdem sei auch in diesem Gesetzgebungsverfahren
keine Gesetzesänderung erfolgt, die diesen Befund aufgegriffen hätte. Wenn der Gesetzgeber den Zugang zu Elternzeit und Elterngeld
schon für aktive Parlamentsmitglieder nicht für notwendig erachte, könne das Gericht nicht eine Ergänzungsbedürftigkeit der
Regelungen für die Einkommensberechnung für ausgeschiedene Parlamentarier wegen gesellschaftlichen Wandels feststellen.
Der Bemessungszeitraum, so das Sozialgericht weiter, dürfe nicht durch einen Ausklammerungstatbestand nach § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 BEEG verschoben werden. Diese Tatbestände seien nicht einschlägig. Eine analoge Anwendung von § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BEEG sei nicht möglich. Der zu beurteilende Sachverhalt der Abgeordnetentätigkeit sei in wesentlichen Punkten nicht mit der Wehrpflicht
und dem Zivildienst vergleichbar; Dauer und Verdienst wichen stark voneinander ab. Grundsätzlich solle das Erwerbseinkommen
eines Jahres kurz vor der Geburt des Kindes als Grundlage der Berechnung des Elterngelds herangezogen werden. § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG mache davon eine Ausnahme für bestimmte mehrmonatige Zeiträume. Die Regelung solle es nicht ermöglichen, Zeiträume, die fünf
und mehr Jahre vor der Geburt des Kindes lägen, als Maßstab der Bemessung des Elterngelds heranzuziehen.
Abschließend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG) liege nicht vor. Die vom Gesetzgeber geregelte Nichtberücksichtigung von Abgeordnetenbezügen bei der Bemessung des Elterngelds
treffe nur eine sehr kleine Zahl von Personen. Der Gesetzgeber habe davon ausgehen dürfen, dass Abgeordnete regelmäßig ein
überdurchschnittliches Einkommen hätten und in den Abgeordnetengesetzen besondere soziale Leistungen für Abgeordnete, auch
für vormalige Abgeordnete, vorgesehen seien.
Am 11.05.2017 hat die Klägerin Berufung eingelegt. In ihrer Begründung hat sie darauf hingewiesen, sie habe sich darauf verlassen,
Elterngeld in Höhe von 1.800 EUR monatlich zu beziehen. Der Lebensstandard, den sie sich hart erarbeitet habe, sei nicht berücksichtigt
worden. Da sie alleinerziehend gewesen sei, habe sie den Einkommensverlust allein schultern müssen. Genauso wie Angestellte,
Beamte oder Selbständige habe sie während des Bemessungszeitraums Erwerbseinkommen bezogen. Sogar das BayAbgG bezeichne die Diäten in Art. 11 Satz 2 als Erwerbseinkommen. Nach dem "Diäten-Urteil" müssten Abgeordnetenbezüge nach den gleichen Grundsätzen besteuert
werden. Ihr Amt sei mit hohem persönlichen Einsatz verbunden gewesen, nicht zuletzt deswegen, weil sie sich nachweislich mit
vollem Einsatz um den Wiedereinzug in den Bayerischen Landtag beworben habe. In ihrem Fall sei es zu einem Zufallsergebnis
gekommen, das es nach der BSG-Rechtsprechung zu vermeiden gelte. Die Verwaltungspraktikabilität müsse hinter einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung
zurückstehen. Das Urteil des Sozialgerichts konterkariere die familienpolitischen Ziele des BEEG. Zumindest müsse die Zeit als Abgeordnete analog einem Wehr- oder Zivildienst aus dem Bemessungszeitraum ausgeklammert bleiben.
Es bestehe sehr wohl eine planwidrige Regelungslücke. Immer wieder sei diskutiert worden, Abgeordnete in die Elternzeitregelung
einzubeziehen. Dass es dazu noch nicht gekommen sei, liege nicht am Willen des Gesetzgebers, sondern habe einen logischen
Grund: Könnten Abgeordnete Elternzeit nehmen, müsste der Platz im Parlament leer bleiben, was die Mehrheitsverhältnisse in
den Parlamenten verzerren würde. Auch die Besetzung durch die Nachrücker wäre keine Lösung, weil dann dem gewählten Abgeordneten
die Rückkehr ins Parlament verwehrt bliebe. Zudem würden Abgeordnete mit Direktmandaten, wenn sie in Elternzeit gingen, ihrer
Region das politische Gewicht und Einflussmöglichkeiten nehmen. Eine gesetzlich geregelte Elternzeit für Abgeordnete nach
den gleichen Regeln wie für andere Berufsgruppen würde also nicht den Wählerwillen spiegeln. In verschiedenen Parlamenten
gebe es Bestrebungen, intern eine "Kinder-Zeit" zu ermöglichen. Die Behauptung des Sozialgerichts, der Gesetzgeber erachte
den Zugang zu Elternzeit und Elterngeld schon für aktive Parlamentsmitglieder nicht für notwendig, sei falsch. Die vom Sozialgericht
ins Feld geführten Leistungen für ausgeschiedene Abgeordnete hätten nicht den Zweck, Einkommensverluste aufgrund von Erziehungszeiten
zu kompensieren. Schließlich missachte das angefochtene Urteil das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot, wonach niemand
gehindert werden dürfe, sich um ein Mandat im Parlament zu bewerben, es zu übernehmen oder es auszuüben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 30.03.2017 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 27.08.2014
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2014 zu verurteilen, ihr Elterngeld unter Berücksichtigung der im Bemessungszeitraum
erzielten Abgeordnetenbezüge zu gewähren, hilfsweise unter Berücksichtigung des Einkommens, das sie bei einer entsprechenden
Tätigkeit bei der KZVB verdient hätte.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Die Akten haben vorgelegen, sind als Streitstoff in das Verfahren eingeführt worden und Gegenstand der Entscheidungsfindung
gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
Die Berufung ist zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat Elterngeld
richtiger Weise nur in Höhe von 300 EUR monatlich gewährt.
Streitig ist die Höhe des Elterngelds für Betreuung und Erziehung von K. im Zeitraum 02.04.2014 und 01.01.2015. Gegenstand
der Anfechtungsklage - insgesamt liegt eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage vor - ist der Bewilligungsbescheid
vom 27.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2014. Da die Bewilligung endgültig und nicht nur vorläufig
ausgesprochen worden war, kam es nicht zum Erlass eines Zweitbescheids. Von dem im Bewilligungsbescheid enthaltenen Vorbehalt
des Widerrufs hat der Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Bei dem hier vorliegenden Höhenstreit ist der Streitgegenstand grundsätzlich
nicht auf ein einzelnes Berechnungselement beschränkt. Vielmehr prüft der Senat innerhalb der Grenzen des klägerischen Antrags
unter allen tatsächlichen und rechtlichen Facetten, ob der Klägerin höhere Leistungen zustehen. Andererseits berücksichtigt
der Senat auch solche Aspekte, die das von der Klägerin begehrte Optimum auf anderem Weg wieder reduzieren.
Der Streitgegenstand im Berufungsverfahren hat sich gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren nicht verändert, auch wenn der
dortige Klageantrag eine andere Formulierung aufgewiesen hat. Während die Klägerin vor dem Sozialgericht schlicht "höheres
Elterngeld" beantragt hatte, hat sie sich vor dem Senat als begehrte Mehrleistung auf diejenige Höhe festgelegt, die sich
bei Berücksichtigung der Abgeordnetenbezüge ergeben würde. Das verkörpert allerdings keine Klageänderung im Sinn von §
99 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Darin liegt lediglich eine Änderung des Klageantrags in der Hauptsache im Sinn von §
99 Abs.
3 Nr.
2 SGG ohne Modifizierung des Klagegrundes. Des Weiteren vermag der Senat keine alternative Klagehäufung im Sinn eines echten Haupt-
und Hilfsantrags festzustellen. Der Streitgegenstand wird hinsichtlich des Klageantrags durch die begehrten Mehrleistungen
quantitativ festgelegt, nicht dagegen durch bloße Sachverhaltselemente, welche höhere Leistungen begründen könnten. Im vorliegenden
Fall begehrt die Klägerin Mehrleistungen in dem (monetär definierten) Umfang, der aus einer Heranziehung der im Jahr 2014
erzielten Abgeordnetenbezüge resultieren würde. Die "hilfsweise" Lösung über eine Verschiebung des Bemessungszeitraums verkörpert
nur eine weitere argumentative Unterfütterung, um das definierte Klageziel möglichst weitgehend zu erreichen.
1. Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs dem Grunde nach liegen unzweifelhaft vor. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 BEEG in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung (aF). Die Maßgeblichkeit dieser Gesetzesfassung ergibt sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG; der Rekurs auf die Übergangsregelung ist notwendig, weil der Elterngeld-Bezugszeitraum auch einen (einzigen) Tag des Jahrs
2015 umfasst. Nach § 1 Abs. 1 BEEG aF hat Anspruch auf Elterngeld, wer
1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Alle diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin. Sie hatte während des gesamten Bezugszeitraums ihren Wohnsitz und gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland, lebte mit K. in einem Haushalt, betreute und erzog sie selbst und übte während des Bezugszeitraums
keine Erwerbstätigkeit aus. Der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 8 BEEG aF ist nicht erfüllt, weil ihr zu versteuerndes Einkommen im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt
deutlich unter 250.000 EUR blieb. Ein ordnungsgemäßer Antrag lag vor.
2. Die Höhe des Elterngelds hat der Beklagte entgegen der Meinung der Klägerin zutreffend auf den Elterngeld-Mindestbetrag
festgesetzt. Denn die Klägerin hatte im maßgebenden Bemessungszeitraum - egal, ob sich dieser nun von Februar 2013 bis Januar
2014 oder von Januar 2013 bis Dezember 2013 erstreckte - kein leistungswirksames Erwerbseinkommen erzielt. Und im maßgebenden
Bemessungszeitraum gab es keinen Zufluss von anderem, leistungswirksamem Einkommen; ein solcher Zufluss darf auch nicht fingiert
werden.
Auch für die Bestimmung der Höhe des Elterngelds ist das bis zum 31.12.2014 geltende Recht heranzuziehen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BEEG). Zwar würde aufgrund von § 27 Abs. 1 Satz 3 BEEG § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG für diejenigen Teile des Bezugszeitraums, die im Jahr 2015 liegen - also nur für einen Tag -, die Anwendung der ab 01.01.2015
geltenden Gesetzesfassung bewirken. § 2c Abs.1 Satz 2 BEEG spielt im vorliegenden Fall aber keinerlei Rolle.
Die Basisnorm für die Bemessung des Elterngelds ist § 2 Abs. 1 und 2 BEEG aF. Soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung, lauten diese Regelungen wie folgt:
(1) 1Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. 2Es wird
bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen
aus Erwerbstätigkeit hat. 3Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die
Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus
2. Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach §
2 Absatz
1 Satz 1 Nummer
1 bis
3 des
Einkommensteuergesetzes, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach §
2b ... hat.
(2) ... 2In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz
von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis
zu 65 Prozent.
1. Die Abgeordnetenbezüge der Klägerin scheiden als Bemessungsgrundlage für das Elterngeld gemäß § 2 Abs. 1 BEEG aF aus. Denn sie zählen nicht zu den darin genannten bemessungsrelevanten Einkunftsarten.
§ 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG aF verdeutlicht, dass das Elterngeldrecht einen abschließenden Kanon von bemessungsrelevanten Bezügen vorsieht. Dabei handelt
es sich um folgende Einkunftsarten: Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 EStG sowie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 bis
3 EStG. Die streitigen Abgeordnetenbezüge fallen nicht darunter. Denn sie stellen sonstige Einkünfte im Sinn von §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
7 in Verbindung mit §
22 Nr.
4 EStG dar. Sämtliche Methoden der juristischen Auslegung führen zu diesem Ergebnis. Keiner der Beteiligten bestreitet dies.
(a) Allerdings meint die Klägerin, ihre Abgeordnetenbezüge müssten im Weg der Gesetzesanalogie in das Spektrum des elterngeldrechtlich
bemessungsrelevanten Einkommens einbezogen werden. Damit hat sie nicht Recht.
Die analoge Anwendung von Gesetzen stellt ein anerkanntes und grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässiges Instrument der
Rechtsfindung dar (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.02.1973 - 1 BvR 112/65). Das gilt in erster Linie für das Zivilrecht. Aber auch im Sozialrecht sind Gesetzesanalogien nicht ausgeschlossen, sofern
die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte sowie der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gesetzesvorbehalt gewahrt bleiben. Während
mit Hilfe der Auslegung von Gesetzen der Inhalt des positiv Geregelten ermittelt wird, betrifft die Gesetzesanalogie Rechtsbereiche,
in denen es an einer gesetzlichen Regelung fehlt. Unter bestimmten Voraussetzungen können und müssen Regelungslücken dadurch
geschlossen werden, dass vergleichbare positive Regelungen entsprechend herangezogen werden.
Um die Gefahr zu minimieren, dass Gerichte bei der Schaffung von "Richterrecht" die durch Art.
20 Abs.
3 GG definierten Grenzen ihrer Kompetenz zum Nachteil der legislativen Gewalt überschreiten, sind Gesetzesanalogien nicht ohne
weiteres zulässig. Das gilt schon für das Zivilrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.02.1973 - 1 BvR 112/65, Rn. 40 des juris-Dokuments) und erst recht im öffentlichen Recht. Die Voraussetzungen für eine Gesetzesanalogie liegen vor,
wenn eine (anfängliche oder nachträgliche) Gesetzeslücke besteht, der nicht geregelte Tatbestand dem gesetzlich festgelegten
ähnlich ist und beide Tatbestände wegen ihrer Ähnlichkeit gleich zu bewerten sind (BSG, Urteil vom 26.07.1989 - 11/7 RAr 87/87).
Im vorliegenden Fall fehlt es schon an der ersten Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Analogie im Sinn der Klägerin,
nämlich an einer Gesetzeslücke. Eine relevante Gesetzeslücke liegt nicht schon bei jeglichem Regelungsdefizit vor. Vielmehr
muss es sich um eine "planwidrige" Regelungslücke handeln (vgl. BSG, Urteil vom 28.07.1999 - B 9 V 18/98 R). Das ist dann der Fall, wenn das betreffende Gesetz etwas nicht regelt, was es nach seinem Regelungskonzept und seiner Entstehungsgeschichte
"eigentlich" hätte regeln sollen (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2007 - B 4 R 19/07 R). Eine solche planwidrige Regelungslücke des BEEG fehlt in Bezug auf die Einbeziehung von Abgeordnetenbezügen in das elterngeldrechtlich relevante Einkommen.
Das Sozialgericht hat überzeugend begründet - was die Klägerin auch ohne Umschweife bestätigt hat -, dass der Gesetzgeber
sich nicht dazu hat durchringen können, Elternzeit einschließlich Elterngeld für Abgeordnete zu statuieren, weil er insoweit
eine "Unverträglichkeit" mit dem Abgeordnetenstatus sieht. Die Klägerin selbst hat in ihrer Berufungsschrift nähere Einblicke
in die gesetzgeberischen Motive gewährt, die ihrem eigenen Unterfangen die Grundlage entziehen: Dass noch keine entsprechende
Regelung vorliege, so die Klägerin, habe einen logischen Grund. Könnten Abgeordnete Elternzeit nehmen, müsste der Platz im
Parlament leer bleiben, was die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten verzerren würde. Auch die Besetzung durch die Nachrücker
wäre keine Lösung, weil dann dem gewählten Abgeordneten die Rückkehr ins Parlament verwehrt bliebe. Zudem würden Abgeordnete
mit Direktmandaten, wenn sie in Elternzeit gingen, ihrer Region das politische Gewicht und Einflussmöglichkeiten nehmen. Eine
gesetzlich geregelte Elternzeit für Abgeordnete nach den gleichen Regeln wie für andere Berufsgruppen würde also nicht den
Wählerwillen spiegeln. In verschiedenen Parlamenten gebe es Bestrebungen, intern eine "Kinder-Zeit" zu ermöglichen. Der Senat
hat insoweit einschlägige Beratungsunterlagen der Landtage von Baden-Württemberg und Brandenburg gefunden. Aus all dem ergibt
sich in der Tat, dass das Thema in den Parlamenten präsent ist. Von einem Übersehen der Problematik kann keine Rede sein.
Die Klägerin vertritt offenbar sogar die Meinung, der Gesetzgeber sei rechtlich gehindert, eine Elternzeit mit Anspruch auf
Elterngeld einzuführen. Eine planwidrige Regelungslücke in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsinstitut kann aber nicht bestehen,
wenn der Gesetzgeber dieses Rechtsinstitut aus übergeordneten rechtlichen Gründen überhaupt nicht einführen darf. In einem
solchen Fall liegt auch keine Konstellation vor, wo das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es gerade der Rechtsprechung überlassen
wollte, das Recht zu finden (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.1996 - 1 RK 19/95). Ob die Einführung einer Elternzeit für Abgeordnete nun tatsächlich rechtlich ausgeschlossen ist, bedarf keiner weiteren
Erörterung. Jedenfalls steht fest, dass sich der Gesetzgeber zumindest davor gescheut hat, das Thema anzugehen. Er hat sehenden
Auges davon abgesehen, eine Regelung zu treffen. Dabei ist es einerlei, ob die gesetzgebenden Organe zum Schluss gekommen
sind, eine Elternzeit für Abgeordnete sei definitiv ausgeschlossen, oder ob sie bislang zwar untätig geblieben sind, aber
noch auf eine Idee hoffen, die ihnen einen rechtlich gangbaren Weg aufzeigt. Jedenfalls haben die Parlamente bis dato bewusst
davon abgesehen, eine Elternzeit samt einer entsprechenden Entgeltersatzleistung für Abgeordnete einzuführen. Sie haben positiv
in ihren Willen aufgenommen, dass es vorerst dieses Rechtsinstitut nicht gibt. Es mag sein, dass die Parlamente, wie es die
Klägerin vorbringt, darüber nicht glücklich sind. Gleichwohl lässt sich der Befund nicht leugnen, dass es sich dabei um eine
bewusste, durchdachte Entscheidung und nicht um eine wie auch immer geartete Nachlässigkeit handelt. All das schließt das
Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke aus. Es wäre nicht nur gegenüber der Legislative respektlos, sondern würde das
verfassungsrechtlich vorgegebene Kompetenzgefüge missachten, würden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in diesen politischen
Prozess eingreifen.
Eine planwidrige Regelungslücke lässt sich auch nicht dadurch konstruieren, dass man die individuelle Situation der Klägerin
als potentiellen Regelungsgegenstand in den Blickpunkt rückt. Dieser Vorgehensweise bedient sich die Klägerin: Zwar gibt sie
sinngemäß zu, dass in Bezug auf Elternzeit für aktive Abgeordnete tatsächlich keine planwidrige Regelungslücke besteht. Jedoch,
so die Klägerin, liege ihr Fall anders. Bei ihr gehe es nämlich darum, dass nach dem Ausscheiden aus dem Parlament ein Kind
geboren worden sei. Hier bestünden die bekannten rechtlichen Hinderungsgründe in Bezug auf den Abgeordnetenstatus gerade nicht
und das habe der Gesetzgeber übersehen. Daher könne man sehr wohl von einer planwidrigen Regelungslücke ausgehen.
Der Senat stimmt dem nicht zu. Zwar hat die Klägerin vermutlich damit Recht, dass niemand im Bereich der Legislative die spezifische
Problematik ausgeschiedener Abgeordneter realisiert und in die Überlegungen einbezogen hat. Insoweit besteht die Besonderheit
darin, dass - wie bei der Klägerin - einer Elternzeit keine statusrechtlichen Probleme mehr entgegenstehen, dass aber in Bezug
auf die Leistungsbemessung die im Bemessungszeitraum liegende Abgeordnetentätigkeit nicht "werthaltig" ist. Allerdings verkörpert
dieser besondere Aspekt nur einen Annex zum Problemkreis "Elternzeit, Elterngeld für Parlamentsabgeordnete". Den gesamten
Problemkreis in all seinen Ausprägungen wollte oder konnte der Gesetzgeber bis dato nicht regeln. Es mag sein, dass seitens
des Gesetzgebers noch nicht alle Facetten überblickt worden sind. Dennoch lässt sich dessen Entschluss feststellen, das Gesamtproblem
(vorerst) nicht anzupacken. Damit werden auch möglicherweise bislang unerkannt gebliebene Annexfragen von diesem bewussten
Entschluss umfasst. Selbst wenn der Gesetzgeber das spezifische Problem der Klägerin realisieren würde, stünde zu erwarten,
dass er keine spezielle Regelung für Geburten nach Ausscheiden aus dem Parlament treffen würde. Er würde die Materie entweder
in einem Gesamtpaket regeln oder gar nicht.
Auch wenn man der Klägerin insoweit zustimmen und eine planwidrige Gesetzeslücke annehmen wollte, so dürfte der Senat gleichwohl
nicht im Weg der Gesetzesanalogie die Abgeordnetenbezüge den in § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG aF genannten Einkunftsarten gleichstellen. Denn der Status einer Abgeordneten unterscheidet sich von dem einer nichtselbständig
oder selbständig tätigen Person, die entsprechende Einkünfte generiert, derart gravierend, dass von einer Ähnlichkeit der
Ausgangssituationen nicht gesprochen werden kann. Diesbezüglich verweist der Senat auf die untenstehenden Überlegungen zum
allgemeinen Gleichheitssatz, welche die Unterschiede im Einzelnen aufzeigen.
(b) Die Einbeziehung der Abgeordnetenbezüge der Klägerin in die elterngeldrechtlich relevanten Einkunftsarten ist auch nicht
vor dem Hintergrund geboten, dass nur diese Handhabung zu einem Ergebnis führen würde, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen
gerecht würde. Weder die verfassungsrechtlichen Bestimmungen zum Status der Abgeordneten noch die Grundrechte der Klägerin
sind wegen der Nichtberücksichtigung der Abgeordnetenbezüge im Elterngeldrecht verletzt.
(aa) Verfassungsrecht, das die Rechtsstellung von Abgeordneten regelt, steht nicht entgegen.
(1) Wer sich um einen Sitz im Bundestage bewirbt, hat Anspruch auf den zur Vorbereitung seiner Wahl erforderlichen Urlaub.
(2) 1Niemand darf gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben. 2Eine Kündigung oder Entlassung
aus diesem Grunde ist unzulässig.
(3) 1Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. 2Sie haben das Recht
der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. 3Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Aus der Bayerischen Verfassung (BV) sind folgende Bestimmungen zu nennen:
Art. 13
(1) ...
(2) 1Die Abgeordneten sind Vertreter des Volkes, nicht nur einer Partei. 2Sie sind nur ihrem Gewissen verantwortlich und an
Aufträge nicht gebunden.
Art. 30Abgeordnete bedürfen zur Ausübung ihres Amtes als Mitglied des Landtags keines Urlaubs von ihrem Arbeitgeber.
Art. 31Die Mitglieder des Landtags haben das Recht zur freien Fahrt auf allen staatlichen Verkehrseinrichtungen in Bayern
sowie auf eine Aufwandsentschädigung.
Art.
48 GG regelt den Status der Abgeordneten des Deutschen Bundestags, findet also auf die Klägerin nicht unmittelbar Anwendung. Es
kann dahinstehen, ob auch aus der BV ein allgemeines Behinderungsverbot, wie es Art.
48 Abs.
2 Satz 1
GG normiert, herausgelesen werden kann. Des Weiteren kann dahinstehen, ob Art.
48 Abs.
2 Satz 1
GG über Art.
28 Abs.
1 GG (so genanntes Homogenitätsgebot) auch für Abgeordnete des Bayerischen Landtags gilt. Jedenfalls liegt bei der Klägerin eine
Behinderung im Sinn von Art.
48 Abs.
2 Satz 1
GG nicht vor. Dabei muss der Senat nicht problematisieren, wie es sich auswirkt, dass die gefühlte Behinderung der Klägerin
erst nach dem Ausscheiden aus dem Bayerischen Landtag eingetreten ist. Denn eine zu missbilligende Behinderung ist nur dann
gegeben, wenn sie beabsichtigt ist. Das BSG hat dies im Urteil vom 26.07.1989 - 11/7 RAr 87/87 wie folgt umschrieben:
" ... Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die dieser Entwicklung Rechnung trägt, liegt eine Behinderung
iS des Art
48 Abs
2 GG deshalb nur vor, wenn die Übernahme oder Ausübung des Abgeordnetenmandats erschwert oder unmöglich gemacht werden soll, wenn
also eine dahingehende Intention vorhanden ist (BVerfGE 42, 312, 329). Fehlt es hieran, liegt eine sich dennoch ergebende Beeinträchtigung der Freiheit, ein Mandat zu übernehmen oder auszuüben,
außerhalb des (engen) Anwendungsbereichs des Art
48 Abs
2 GG und ist deshalb auch ohne Ausnahmevorbehalt im
Grundgesetz verfassungsgemäß (BVerfGE aaO S 326)."
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind also nur intendierte Benachteiligungen verboten, keinesfalls aber
jeglicher Umstand, der, wäre er der Abgeordneten beziehungsweise künftigen Abgeordneten bekannt, die Tätigkeit als Parlamentsabgeordnete
unattraktiver machen würde.
Auch Art.
31 BV beziehungsweise (mittelbar) Art.
48 Abs.
3 Satz 1
GG ist nicht verletzt. Das gilt auch, wenn man unterstellt, dass Art.
31 BV nicht nur verlangt, dass überhaupt eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird, sondern dass die Bezüge qualitativ den Maßstäben
des Art.
48 Abs.
3 Satz 1
GG entsprechen, also angemessen sein und die Unabhängigkeit sichern müssen. Das BSG hat im Urteil vom 26.07.1989 - 11/7 RAr 87/87 offengelassen, ob Art.
48 Abs.
3 GG überhaupt für Ansprüche Geltung entfaltet, die eine Sicherung des Abgeordneten nach Beendigung seines Mandats zum Gegenstand
haben. Auch der Senat kann dies im vorliegenden Fall offenlassen. Denn dass die Abgeordnetenbezüge nicht für die Bemessung
des Elterngelds relevant sind, nimmt der Abgeordnetenvergütung in ihrer Gesamtheit nicht die Angemessenheit. Die Abgeordnetenvergütung
für den Bayerischen Landtag erweist sich vielmehr als keinesfalls unterdimensioniert. Das zeigen die Regelungen des BayAbgG betreffend die Leistungen für die Abgeordneten:
Art. 5 Entschädigung
(1) 1Ein Mitglied des Bayerischen Landtags erhält als steuerpflichtiges Einkommen eine Entschädigung, die zwölfmal im Jahr
gezahlt wird. 2Sie beträgt je Monat 7 244 Euro.
(2) ...
(3) 1Die Entschädigungen nach den Absätzen 1 und 2 werden zum 1. Juli 2014, 1. Juli 2015, 1. Juli 2016, 1. Juli 2017 und zum
1. Juli 2018 an die Einkommensentwicklung angepaßt, die jeweils vom Juli des abgelaufenen Jahres gegenüber dem Juli des vorangegangenen
Jahres eingetreten ist ......
Art. 6 Mandatsausstattung, Kostenpauschale
(1) Ein Mitglied des Bayerischen Landtags erhält zur Abgeltung der durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen eine Mandatsausstattung,
die Geld- und Sachleistungen umfaßt.
(2) 1Ein Mitglied des Bayerischen Landtags erhält eine monatliche Kostenpauschale für
1. allgemeine Unkosten, insbesondere für die Betreuung des Stimm- und Wahlkreises, Bürokosten, Porto und Telefon sowie sonstige
Auslagen, die sich aus der Stellung des Mitglieds des Bayerischen Landtags ergeben,
2. Mehraufwendungen für Verpflegung und Übernachtung am Sitz des Bayerischen Landtags und bei mandatsbedingten Reisen,
3. Kosten für mandatsbedingte Fahrten in Höhe von 3 282 Euro ... 3Die Kostenpauschale wird jeweils zum 1. Juli eines Jahres
an die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Bayern angepasst, die vom Juli des abgelaufenen Jahres gegenüber dem Juli
des vorangegangenen Jahres eingetreten ist ...
(3) Zur Mandatsausstattung gehören auch die Benutzung der Fernsprechanlagen im Parlamentsgebäude und die Inanspruchnahme sonstiger
Sachleistungen des Bayerischen Landtags in Ausübung des Mandats sowie die Benutzung der städtischen Verkehrsmittel Münchens.
(4) 1In jeder Wahlperiode kann ein Mitglied des Bayerischen Landtags auf Antrag für mandatsbedingte Informations- und Kommunikationseinrichtungen
einschließlich der entsprechenden Schulungen gegen Nachweis bis zu 12500 Euro erstattet erhalten, wobei ein Eigenanteil von
15 v.H. zu leisten ist. 2Erstattet werden Aufwendungen, die seit Beginn der Wahlperiode entstanden sind ... 4Die Einrichtungen
sind Eigentum des Mitglieds des Landtags ...
(5) Die Mitglieder des Bayerischen Landtags haben das Recht zur freien Fahrt auf allen staatlichen Verkehrseinrichtungen in
Bayern und dem Streckennetz der Deutschen Bahn AG in Bayern....
Art. 8 Arbeits-, Dienst- und Werkverträge zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit
(1) 1Auf Antrag werden einem Mitglied des Bayerischen Landtags zur Unterstützung seiner parlamentarischen Arbeit Kosten für
Arbeits-, Dienst- und Werkverträge in dem im Haushaltsgesetz vorgesehenen Umfang gegen Nachweis erstattet. 2Der Anspruch besteht
ab Erwerb der Rechtsstellung als Mitglied des Bayerischen Landtags. 3Beim Ausscheiden aus dem Bayerischen Landtag werden Kosten
bis zum Ende des fünften Monats nach dem Ausscheiden erstattet ... 6Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen
Dienstes. 7Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und dem Landtagsamt oder dem Freistaat
Bayern ......
Art. 11 Übergangsgeld
(1) 1Ein Mitglied des Bayerischen Landtags erhält nach seinem Ausscheiden aus dem Bayerischen Landtag Übergangsgeld, sofern
es dem Bayerischen Landtag mindestens ein Jahr angehört hat. 2Das Übergangsgeld wird in Höhe der Entschädigung nach Art. 5
für jedes Jahr der Mitgliedschaft einen Monat geleistet, höchstens jedoch 18 Monate lang. 3Zeiten, für die bereits Übergangsgeld
gezahlt worden ist, bleiben unberücksichtigt. 4Bei der Berechnung der Mandatsdauer wird ein verbleibender Rest von mehr als
einem halben Jahr als volles Jahr gezählt; datumsmäßige Verschiebungen des Wahltags bleiben jedoch unberücksichtigt.
(2) 1Ab dem zweiten Monat nach dem Ausscheiden aus dem Bayerischen Landtag werden alle Erwerbseinkommen und Versorgungsbezüge
angerechnet ......
Art. 16 Versorgungsabfindung
(1) 1Ein Mitglied des Bayerischen Landtags, das bei seinem Ausscheiden weder eine Anwartschaft noch einen Anspruch auf Altersentschädigung
nach den Art. 12 bis 15 erworben hat, erhält für die Zeit der Zugehörigkeit im Bayerischen Landtag auf Antrag eine Versorgungsabfindung
...
Art. 20 Zuschuss zu den Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen
(1) 1Die Mitglieder und diejenigen ehemaligen Mitglieder des Bayerischen Landtags, die Versorgungsbezüge aus dem Versorgungswerk
oder nach diesem Gesetz erhalten, sowie die Bezieher von Hinterbliebenenversorgung aus dem Versorgungswerk oder nach diesem
Gesetz erhalten eine Beihilfe zu den notwendigen Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen in sinngemäßer Anwendung
der Beihilfevorschriften für die bayerischen Staatsbeamten, sofern sich ein Anspruch auf Beihilfe nicht aus anderen Vorschriften
ergibt. 2Versorgungsempfänger im Sinn dieser Vorschrift ist auch derjenige, dessen Anspruch auf Altersentschädigung deshalb
ruht, weil er Übergangsgeld bezieht.
(2) 1Die Beihilfe wird auch gewährt für die Dauer des Anspruchs auf Übergangsgeld nach Art. 11 Abs. 1. 2 ......
Art. 21 UnterstützungenDer Präsident kann in besonderen Fällen einem Mitglied des Bayerischen Landtags einmalige Unterstützungen,
einem ausgeschiedenen Mitglied des Bayerischen Landtags und dessen Hinterbliebenen einmalige Unterstützungen und laufende
Unterhaltszuschüsse gewähren.
Aus diesen Vorschriften lässt sich ablesen, dass die Ausstattung der Abgeordneten des Bayerischen Landtags nicht nur als ausreichend,
sondern als großzügig bemessen eingestuft werden muss. Das liegt weniger an der Entschädigung nach Art. 5 BayAbgG, die das "Gehalt" im engeren Sinn verkörpert. Jedoch sorgen Art. 6 und 8 BayAbgG dafür, dass der Personenkreis der Abgeordneten des Bayerischen Landtags doch ausnehmend privilegiert erscheint. Art. 8 BayAbgG gibt die Möglichkeit, auf Kosten des Freistaats Bayern einen eigenen Mitarbeiterstab einzurichten. Die Abgeordneten des Bayerischen
Landtags sind also nicht wie selbständig Tätige darauf angewiesen, derartige Ausgaben bei der Ermittlung des Gewinns als Betriebsausgaben
abzusetzen. Sie werden vielmehr von vornherein nicht mit Personalkosten behelligt; die übernimmt der Freistaat Bayern für
sie steuerfrei. Bei der ebenfalls steuerfreien Kostenpauschale des Art. 6 BayAbgG ist zu bedenken, dass diese, wie es eindeutig im Gesetz steht, in erster Linie für Fahrten nach und Aufenthalte in A-Stadt
gewährt wird. Es mag sein, dass die Kostenpauschale für Abgeordnete, die weit weg von A-Stadt wohnen, einen halbwegs adäquaten
Aufwendungsersatz darzustellen vermag. Im Fall der Klägerin ist das jedoch grundlegend anders. Diese nämlich hatte ihre Wohnung
im Zentrum von A-Stadt. Sie hätte theoretisch mit dem Fahrrad in den Bayerischen Landtag fahren können. Die Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel in A-Stadt war für sie nach Art. 6 Abs. 5 BayAbgG ohnehin gratis. Der Kostenpauschale standen im Fall der Klägerin also bei weitem nicht entsprechende Aufwendungen gegenüber.
Für die Klägerin bedeutete die Kostenpauschale nahezu ein zusätzliches - dazu noch steuerfreies - Gehalt. Nach alldem bedarf
es schon einer besonderen, sehr subjektiven Sichtweise, um hier noch ein materielles Defizit festzustellen. Objektiv ist man
von einer nicht mehr angemessenen Aufwandsentschädigung denkbar weit entfernt.
(bb) Auch im allgemeinen Gleichheitssatz ist die Klägerin nicht verletzt. In Bezug auf Art.
3 Abs.
1 GG sind zwei gedankliche Ansatzpunkte zu beleuchten: zum einen der Aspekt der Typisierung, zum anderen der Vergleich von Abgeordneten
mit Arbeitnehmern und Selbständigen.
(aaa) Der Bundesgesetzgeber hat mit § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG aF eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Typisierung vorgenommen. Eine die Klägerin speziell begünstigende Härtefallregelung
hat er nicht treffen müssen.
Typisierungen sind bei der Regelung von Massenerscheinungen verfassungsrechtlich zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts darf der Gesetzgeber generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne
allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE
11, 245 (254); 17, 1 (23); 21, 12 (27); 26, 265 (275 f.); 63, 119 (128); 71, 146 (157); st. Rspr.). Die Typisierung setzt allerdings
voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen
und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten
vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (vgl. BVerfGE 63, 119 (128) m.w.N.; st. Rspr.).
Hier liegt eine Typisierung vor. Der Elterngeldgesetzgeber hat die mit eigener Tätigkeit, mit persönlichem Einsatz verbundenen
Einkommensarten erfassen wollen und diesbezüglich typisierend auf bestimmte einkommensteuerrechtliche Kategorien zurückgegriffen.
Dass hier generell eine Typisierung zum Einsatz kommt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber muss keine Regelung
vorsehen, wonach die Behörde stets im Einzelfall prüfen muss, ob ein hinreichender Bezug der Einkünfte zu persönlicher Arbeitsleistung
besteht. Der Rückgriff auf bestimmte steuerrechtliche Kategorien erscheint für eine Typisierung als geeigneter, aussagekräftiger
Maßstab.
Unter dem Blickwinkel des Einkommensteuerrechts ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, Abgeordnetenbezüge als sonstige
Einkünfte zu kategorisieren. Das belegt die Begründung zum Gesetzentwurf bezüglich §
22 Nr. 4
EStG (BTDrucks. 7/5531, S. 8/9): "Die steuerpflichtigen Bezüge aus der Abgeordnetentätigkeit ordnet der Entwurf der Einkunftsart
"sonstige Einkünfte" i. S. von §
22 Einkommensteuergesetz (
EStG) zu. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war, daß hierdurch dem besonderen Charakter der Abgeordnetenbezüge am besten
Rechnung getragen wird. Eine Zuordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i. S. von §
19 EStG kommt nicht in Betracht. Die Einkünfte dieser Einkunftsart sind dadurch gekennzeichnet, daß ein Dienstverhältnis besteht,
in dessen Rahmen der zu Diensten Verpflichtete seine Arbeitskraft schuldet und Weisungen unterworfen ist. Der Abgeordnete
ist jedoch aufgrund seiner besonderen Rechtsstellung nicht an Weisungen gebunden, und seine Tätigkeit ist nach den Feststellungen
des Bundesverfassungsgerichts dadurch gekennzeichnet, daß er keine Dienste schuldet. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts,
der Abgeordnete schulde keine Dienste, sondern übe vielmehr in Unabhängigkeit sein Mandat aus, könnte den Schluß nahelegen,
es handele sich bei den Bezügen der Abgeordneten um Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Sinne von §
18 EStG, denn für diese Einkünfte ist charakteristisch, daß die Tätigkeit zur Erzielung dieser Einkünfte weisungsfrei unter eigener
Verantwortung ausgeübt wird. Ein weiteres wesentliches Merkmal der selbständigen Tätigkeit, insbesondere zur Abgrenzung von
der nichtselbständigen Tätigkeit, ist jedoch, daß der selbständig Tätige einem Dritten einen Arbeitserfolg schuldet, eine
persönliche Arbeitsleistung erbringen muß. Da diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen, hat der Entwurf von einer Zuordnung
zu dieser Einkunftsart abgesehen."
Diese Ausführungen in den Gesetzgebungsunterlagen überzeugen. Die einkommensteuerrechtliche Erfassung der Abgeordnetenbezüge
in einer eigenen einkommensteuerrechtlichen Kategorie außerhalb der Einkünfte aus nichtselbständiger oder selbständiger Arbeit
ist sachgerecht und daher verfassungsrechtlich unangreifbar. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner ersten "Diäten-Entscheidung"
vom 05.11.1975 - 2 BvR 193/74 nicht gefordert, die Abgeordnetenbezüge müssten wie Einkünfte aus nichtselbständiger oder selbständiger Tätigkeit versteuert
werden. Es hat angesichts des Wandels von einer reinen Aufwandsentschädigung hin zu einer Vergütung lediglich verlangt, dass
sie versteuert werden.
Im Rahmen von § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG war der Gesetzgeber nicht gehalten, für Abgeordnetenbezüge zur Vermeidung von Härten von der kategorischen Bezugnahme auf
einkommensteuerrechtliche Gattungen abzuweichen und eine Sonderregelung vorzusehen. Weder musste er selbst eine Härtefallregelung
treffen noch eine Befugnisnorm für die Verwaltung bereitstellen, damit diese im Einzelfall, um Härten zu begegnen, auch andere
Einkünfte berücksichtigen kann.
Zweifellos hat die Entscheidung des Beklagten über die Höhe des Elterngelds die Klägerin aus deren Perspektive unangenehm
getroffen. Diese hatte nämlich mit dem Höchstsatz von 1.800 EUR monatlich gerechnet, tatsächlich aber nur das Mindestelterngeld
in Höhe von 300 EUR zuerkannt bekommen. Härten im Einzelfall sind jedoch grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 26.07.1989 - 11/7 RAr 87/87). Die Typisierung bringt es zwangsläufig mit sich, dass keine ideale Einzelfallgerechtigkeit hergestellt werden kann. Für
das Sozialrecht ist die Herstellung einer optimalen Einzelfallgerechtigkeit kein verfassungsrechtliches Gebot. Nur wenn die
aufgrund der Typisierung entstehenden Nachteile ein Ausmaß oder eine Qualität annehmen, die schlechterdings nicht mehr akzeptabel
sind, muss von der vergröbernden Behandlung zugunsten von mehr Einzelfallgerechtigkeit abgewichen werden. Die der Klägerin
entstandenen Nachteile sind im Licht des Verfassungsrechts indes hinnehmbar.
Die Klägerin gehörte einer sehr kleinen, atypischen Gruppe von Personen an, nämlich denen, bei denen typischer Weise persönlicher
Einsatz gefordert ist, die aber gleichwohl einkommensteuerrechtlich nur sonstige Einkünfte zu verzeichnen haben. Konkret geht
es dabei ausschließlich um die Abgeordneten. Und aus dem ohnehin schon überschaubaren Kreis der Abgeordneten trifft die Typisierung
nur die Wenigen, die wie die Klägerin unmittelbar nach Beendigung ihrer Abgeordnetentätigkeit Elterngeld beziehen wollen.
Da nämlich bei aktiven Abgeordneten der Elterngeldbezug schon daran scheitert, dass die Tatbestandsvoraussetzung "keine oder
keine volle Erwerbstätigkeit" nicht erfüllt werden kann, tangiert die in § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG vorgenommene Typisierung diese nicht. Somit ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass die Typisierung lediglich eine verschwindend
kleine Zahl von Betroffenen in der geschilderten Weise tangiert. Schon allein deswegen kann man dem Gesetzgeber nicht abverlangen,
Härteregelungen für diesen Personenkreis vorzusehen.
Gegen das Petitum einer Sonderregelung, welche die mit der Typisierung verbundene Benachteiligung der Klägerin aufgehoben
hätte, spricht, dass der Gesetzgeber - wie oben ausführlich dargestellt - aus übergeordneten Gründen keine Regelung dazu treffen
wollte. Elternzeit und Elterngeld für Abgeordnete werden schlichtweg als verfassungsrechtlich problematisch gesehen, weil
sie sich nicht oder nur schwer mit dem Abgeordnetenstatus vereinbaren ließen. Somit bestehen gewichtige Gründe, ein solches
Unterfangen tunlichst zu unterlassen. Wenn die Klägerin darauf abstellen möchte, sie habe ihr Kind ja erst nach dem Ausscheiden
aus dem Parlament zur Welt gebracht und deswegen kämen diese Probleme bei ihr nicht zum Tragen, verkennt sie, dass die Entscheidung
des Gesetzgebers, die Gesamtmaterie nicht aufzugreifen, akzeptiert werden muss. Der Gesetzgeber kann nicht zu isolierten Regelungen
zu bloßen Annexproblemen gezwungen werden. Es bleibt dabei, dass er gute Gründe hatte, von der gewünschten Ausnahmeregelung
abzusehen.
Vor allem aber fällt zu Ungunsten der Klägerin ins Gewicht, dass diese im rechtlichen Sinn keineswegs hart getroffen wurde.
Der Umstand, dass die Klägerin von der für sie ungünstigen Leistungsberechnung allem Anschein nach überrascht wurde, verlangt
keine Kompensation. Im Übrigen sucht man nach einer unzumutbaren Härte vergebens. Fünf Jahre lang profitierte die Klägerin
von einem opulenten Alimentierungssystem. Oben sind die besonderen Vorzüge der Abgeordnetenvergütungen herausgearbeitet worden.
Nachdem die Klägerin als Abgeordnete ungleich mehr als in ihrer vorherigen Beschäftigung bei der KZVB verdient hatte, hat
für sie während der fünf Jahre ohne Zweifel die Möglichkeit bestanden, Rücklagen zu bilden. Im Rahmen dieser Betrachtung dürfen
der Klägerin anderweitige Vorteile des Abgeordnetenrechts auch dann vorgehalten werden, wenn diese nicht in einem engen Konnex
mit dem beklagten Nachteil, dem Ausfall einer Entgeltersatzleistung während der ersten Erziehungszeit, stehen. So hat das
BVerfG im Urteil vom 12.03.2003 - 1 BvR 624/01 entschieden, eine punktuelle gesetzliche Benachteiligung sei hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Ausgleich
der in Frage stehenden Belastungen abziele, dabei die Betroffenen teilweise begünstige und teilweise benachteilige, die gesetzliche
Regelung im Ganzen betrachtet aber keine Schlechterstellung bewirke. Diese über den konkreten Nachteil hinausgehende Betrachtungsweise
ist hier bei der Frage, ob eine unzumutbare Härte vorliegt, entsprechend anzuwenden.
Immerhin bis einschließlich März 2014 bezog die Klägerin Übergangsgeld nach Art. 11 BayAbgG als Entgeltersatzleistung. Vor allem aber hätten ihr über das Abgeordnetenrecht Möglichkeiten offen gestanden, in den Genuss
einer speziellen Unterstützung während der Elternzeit zu kommen. Völlig zu Recht hat das Sozialgericht insoweit auf Art. 21 BayAbgG verwiesen. Danach können ausgeschiedenen Mitgliedern des Bayerischen Landtags einmalige Unterstützungen, aber auch laufende
Unterhaltszuschüsse gewährt werden. Es bleibt das Geheimnis der Klägerin, warum sie solche Leistungen nicht beantragt hat.
In der mündlichen Verhandlung hat sich herausgestellt, dass ihr die Leistungen nach Art. 21 BayAbgG nicht bekannt waren. Offenkundig scheint die Klägerin nicht dadurch in finanzielle Schwierigkeiten geraten zu sein, dass
die Versorgungssysteme versagt haben, sondern dass sie sich vorher nur unzureichend informiert hatte - das gilt sowohl für
die Leistungen nach dem Elterngeldrecht als auch für die nach dem Abgeordnetenrecht.
Nicht zuletzt brächte die von der Klägerin geforderte Härtereglung zwangsläufig Folgeprobleme mit sich, die es aus Sicht des
Gesetzgebers zu vermeiden gilt. Würde der Gesetzgeber hier ausnahmsweise eine Regelung erlassen, die dafür sorgt, dass das
Maß des persönlichen Einsatzes bei der Einkommenserzielung konkretere und unmittelbarere Berücksichtigung findet, dann müsste
er konsequenter Weise auch in die andere Richtung detailliertere Regelung treffen; es würde eine Art Sogwirkung entstehen.
Zum Beispiel könnte an ihn berechtigter Weise die Forderung herangetragen werden, er möge solche Einkünfte aus selbständiger
Arbeit aus dem Einkommen herausnehmen, die als bloße Beteiligung an einer Gesellschaft ohne persönlichen Einsatz zuflössen.
Diese Konstellation tritt keineswegs selten auf; häufig ist der Senat mit Streitigkeiten befasst, wo Leistungsberechtigten
im Bezugszeitraum Einkünfte aus der Beteiligung an einer Gesellschaft zufließen, ohne dass in der Gesellschaft mitgearbeitet
wird. Wenn also der Gesetzgeber beginnt, Ausnahmeregelungen zu treffen, dann erschiene es als willkürliche Bevorzugung der
Abgeordneten, würde er es ausgerechnet dabei bewenden lassen. Darauf muss er sich nicht einlassen.
(bbb) Ebenso wenig erbringt der Vergleich mit Arbeitnehmern und Selbständigen Hinweise auf eine Verletzung von Art.
3 Abs.
1 GG (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2017 - L 11 EG 4105/16). Denn es bestehen gravierende Unterschiede, welche die Verschiedenbehandlung rechtfertigen:
- Die Abgeordnetentätigkeit ist völlig frei (vgl. dazu nur Morlok in Dreier,
Grundgesetz, 3. Auflage 2015, Art.
38 Rn. 139 f.). Die Abgeordneten als solche schulden dem Staat überhaupt nichts. Von daher kommt den Diäten keinerlei Gegenleistungscharakter
zu. Beamte unterscheiden sich davon nachhaltig, obwohl deren Besoldung auch nicht die konkrete Honorierung konkreter Arbeit
darstellt, sondern eine Alimentierung. Auch der Status der Richter weicht signifikant von dem der Abgeordneten ab. Trotz der
richterlichen Unabhängigkeit schulden Richter zumindest generell eine Arbeitsleistung. Beim Abgeordneten fehlt dagegen jeglicher,
noch so geringer Ansatz für ein synallagmatisches Verhältnis. Insoweit wird auf das BSG-Urteil vom 23.02.2000 - B 5 RJ 26/99 R verwiesen, das die Verschiedenheit eingehend dargestellt hat.
- Es ist keineswegs so, dass das "Diäten-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.1975 - 2 BvR 193/74 eine Gleichbehandlung der Abgeordneten mit Arbeitnehmern und Selbständigen im Elterngeldrecht verlangt. Diese Entscheidung
brachte lediglich zum Ausdruck, dass sich die Abgeordnetentätigkeit seinerzeit einer Erwerbstätigkeit sehr angenähert hatte,
und dass es deswegen geboten war, Abgeordneten nicht nur eine reine Aufwandsentschädigung, sondern eine angemessene Alimentation
zukommen zu lassen. Das schließt aber nicht aus, dass gleichwohl signifikante Unterschiede bestehen. Diese Unterschiede hat
das Bundesverfassungsgericht in einem zwölf Jahre später ergangenen Beschluss (vom 30.09.1987 - 2 BvR 933/82) in ausdrücklicher Abweichung vom "Diäten-Urteil" bewusst akzentuiert. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser zweiten
Entscheidung wesentliche Verschiedenheiten zwischen Abgeordneten und Beamten hervorgehoben.
- Auch die bisherige Rechtsprechung des BSG hat die Verschiedenbehandlung von Abgeordneten auf der einen und Arbeitnehmern und Selbständigen auf der anderen Seite stets
für gerechtfertigt gehalten (BSG, Urteil vom 26.07.1989 - 11/7 RAr 87/87; BSG, Urteil vom 23.02.2000 - B 5 RJ 26/99 R). Das Urteil vom 23.02.2000 zeigt, dass sich die Handhabung, Abgeordnetenbezüge nicht dem sozialrechtlichen Einkommen zuzuordnen,
auch positiv für die Betroffenen auswirken kann: In jenem Fall hatte das BSG den Rentenausschlussgrund des § 34 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch, der an einen bestimmten Hinzuverdienst zur Rente anknüpft, deswegen verneint.
2. Eine Verschiebung des Bemessungszeitraums, die dazu führt, dass die vor der Abgeordnetentätigkeit erzielten Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit bemessungsrelevant werden, kommt nicht in Betracht. § 2b Abs. 1 BEEG aF regelt den Bemessungszeitraum in Bezug auf Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit:1Für die Ermittlung des Einkommens
aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2c vor der Geburt sind die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der
Geburt des Kindes maßgeblich. 2Bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums nach Satz 1 bleiben Kalendermonate unberücksichtigt,
in denen die berechtigte Person1. ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraums nach § 6 Satz 2 Elterngeld
für ein älteres Kind bezogen hat,
2. während der Schutzfristen nach §
3 Absatz
2 oder §
6 Absatz
1 des
Mutterschutzgesetzes nicht beschäftigt werden durfte oder Mutterschaftsgeld nach dem
Fünften Buch Sozialgesetzbuch oder nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat,
3. eine Krankheit hatte, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war, oder
4. Wehrdienst nach dem Wehrpflichtgesetz in der bis zum 31. Mai 2011 geltenden Fassung oder nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes oder Zivildienst nach dem
Zivildienstgesetz geleistet hat und in den Fällen der Nummern 3 und 4 dadurch ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatte.
Die Abgeordnetentätigkeit verkörpert keinen Tatbestand, der den Bemessungszeitraum, welcher grundsätzlich die zwölf Kalendermonate
vor der Geburt umfasst, in die Vergangenheit zu verschieben geeignet ist (vgl. auch LSG-Baden-Württemberg vom 12.09.2017 -
L 11 EG 4105/16). Insbesondere ist die Abgeordnetentätigkeit nicht ansatzweise mit einem Wehr- oder Zivildienst vergleichbar. Die Klägerin
sieht sich unter Verkennung der Realitäten in einer Rolle der "Aufopferung für Staat und Volk". Das ist abwegig; der Senat
vermag nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin ihre recht üppig vergütete Tätigkeit als Abgeordnete des Bayerischen Landtags
als in gleichem Maß altruistisch wie einen Wehr- oder Zivildienst einstuft. Im Übrigen macht sich der Senat diesbezüglich
die durchweg überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts in dessen Urteil zu eigen und verzichtet auf eine weitere Begründung.
Zu fingieren, im Bemessungszeitraum nach § 2b Abs. 1 BEEG seien weiterhin Einkünfte aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit bei der KZVB zugeflossen wären, wäre methodisch untragbar
und befände sich fernab jeglicher rechtsstaatlichen Rechtsfindung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.