Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme von im Oktober 2011 angefallenen Kosten für beschaffte Heizmittel.
Die 1953 geborene, alleinstehende Klägerin sprach am 26. Oktober 2011 beim Beklagten zwecks der Beschaffung von Heizmitteln
(Briketts) für das von ihr bewohnte Eigenheim vor, in dem in einer abgetrennten Wohnung auch ihre Tochter und ihre Enkelin
lebten. Die Klägerin bezog im Oktober 2011 eine Witwenrente iH eines Zahlbetrags von 404,30 EUR sowie Erwerbseinkommen iHv
netto 149,95 EUR. Sie beantragte eingehend bei dem Beklagten am 3. November 2011 die Übernahme von Heizkosten für am 28. Oktober
2011 zum - sofort fälligen - Preis von 414,- EUR erworbene und bezahlte Briketts ("Hiermit beantrage ich die Heizkostenrückerstattung").
Der Beklagte lehnte den Antrag vom 3. November 2011 mit Bescheid vom 3. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 1. Februar 2012 ab. Für November 2011 bis April 2012 ergebe sich ausgehend davon, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung
(KdUH) kopfteilig nur zu einem Drittel in Ansatz zu bringen seien, bei einer monatlichen Aufteilung des gezahlten Betrages
auf die sechsmonatige Heizperiode kein Leistungsanspruch.
Das Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) hat nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung der Mitarbeiterin F des Beklagten als Zeugin auf die auf
Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende
- (SGB II) iHv 135,07 EUR für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 31. Oktober 2011 gerichtete Klage den Beklagten unter Abweisung der
Klage im Übrigen verurteilt, der Klägerin für Oktober 2011 Leistungen iHv 59,96 EUR zu gewähren (Urteil vom 24. Mai 2017).
Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klägerin sei jedenfalls im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen,
als ob sie einen Leistungsantrag bereits im Oktober 2011 gestellt hätte. Es verbleibe nach Anrechnung des berücksichtigungsfähigen
Einkommens ausgehend von einem Gesamtbedarf der Klägerin iHv 502,- EUR im Oktober 2011 ein ungedeckter Bedarf iHv 59,96 EUR.
Mit der Berufung wendet sich der Beklagte gegen dieses Urteil. Er trägt ergänzend vor: Die Klage sei unzulässig, weil eine
Verwaltungsentscheidung über die Gewährung von Leistungen für Oktober 2011 nicht vorliege.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Mai 2017 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Mit dem am 19. September 2018 zu den Gerichtsakten gereichten Bescheid vom 22. August 2017 hat der Beklagte die Gewährung
von SGB II-Leistungen an die Klägerin für Oktober 2011 abgelehnt.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt (§§
124 Abs.
2,
155 Abs.
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klage war daher in vollem Umfang abzuweisen.
Zwar ist nach Erteilung des Bescheides des Beklagten vom 22. August 2017 über die Ablehnung von Leistungen für Oktober 2011
die auf Gewährung von SGB II-Leistungen für diesen Monat gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage mit dem Vorliegen einer insoweit gerichtlich
überprüfbaren Verwaltungsentscheidung, die der Klägerin auch spätestens mit dem Schriftsatz des Beklagten vom 18. September
2018 bekanntgegeben worden ist, zulässig geworden.
Indes ist die Klage nicht begründet. Der Klägerin steht mangels (vorheriger) Antragstellung ein Anspruch auf SGB II-Leistungen für den Monat Oktober 2011 und damit auch ein Anspruch auf Übernahme der am 28. Oktober 2011 fälligen und bezahlten
Kosten für die Anschaffung von Heizmaterial (Kohlebriketts) von vornherein nicht zu.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für KdUH in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die laufenden Leistungen
für Heizung sind somit in Höhe der tatsächlichen Aufwendung zu übernehmen, soweit diese angemessen sind. Regelmäßig fallen
die Kosten in gleichbleibenden Beträgen monatlich an, beispielsweise bei monatlichen Abschlagszahlungen an den Vermieter oder
an ein Energieversorgungsunternehmen. Unter § 22 Abs. 1 SGB II fallen jedoch nicht nur laufende Kosten, sondern auch einmalige Kosten, die beispielsweise für die Beschaffung von Heizmaterial
anfallen (vgl schon Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 16. Mai 2007 - B 7b AS 40/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 4 - Rn 9 mwN; BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R - juris - Rn 19). Die Aufteilung der tatsächlich geleisteten Aufwendungen auf den Bewilligungszeitraum (oder - wie hier
- die Heizperiode) bzw die Gewährung von monatlichen Heizkostenpauschalen anstelle der Erstattung der tatsächlichen Aufwendungen
für die Beschaffung von Heizmaterial läuft dabei dem Zweck des § 22 Abs. 1 SGB II zuwider (vgl BSG aaO Rn 10).
Hat der Hilfebedürftige allerdings bereits Heizmaterial vor der Antragstellung auf SGB II-Leistungen gekauft und bezahlt, kann er diese Kosten nicht nach § 22 Abs. 1 SGB II vom Grundsicherungsträger erstattet bekommen, weil es sich hierbei nicht um aktuelle tatsächliche Aufwendungen handelt und
ein Anspruch auf Ersatz bereits vor Antragstellung getätigter Aufwendungen nicht besteht. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der seit 1. Januar 2011 geltenden und hier anwendbaren Fassung werden SGB II-Leistungen nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Eine Antragstellung der Klägerin auf SGB II-Leistungen vor dem 3. November 2011 ist im erforderlichen Vollbeweis jedoch nicht feststellbar; bereits der Inhalt des Vermerks
über das Beratungsgespräch vom 26. Oktober 2011, an dessen Inhalt im Einzelnen sich die vom SG gehörte Klägerin ebenso wenig erinnern konnte wie die Zeugin F, spricht dagegen. Denn dort wurde ausdrücklich festgehalten,
dass ein Antrag nicht gestellt worden sei. Die als Zeugin gehörte Sachbearbeiterin F hat insoweit bestätigt, dass diese Formulierung
verwendet werde, wenn die Kunden ausdrücklich keinen Antrag stellen wollten. Sie hat zudem bestätigt, im Falle einer Antragstellung
den Hinweis erteilt zu haben, dass dieser auf den Monatsersten zurückwirkt. In den Verwaltungsakten des Beklagten findet sich
lediglich ein am 3. November 2011 eingegangener schriftlicher Leistungsantrag, mit dem die Klägerin ausdrücklich erklärt hatte,
"hiermit ...die Heizkostenrückerstattung" zu beantragen, ohne auf einen etwaig früher gestellten Antrag Bezug zu nehmen.
Eine Antragstellung bereits im Oktober 2011 kann entgegen der Auffassung des SG auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Dieses von der Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den gesetzlich geregelten Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut
greift - im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Sozialleistungsträger durch Verletzung
einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflicht, insbesondere zur Beratung und Betreuung (vgl §§
14,
15 SGB I), nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Folgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln
wieder beseitigt werden können (stRspr; zu den Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen vgl zB BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 3 - Rn 22 mwN; ferner BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 15 - Rn 12).
Ein entsprechender Beratungsfehler des Beklagten ist mit der erforderlichen zweifelsfreien Gewissheit jedoch nicht feststellbar.
Zwar trifft den Sozialleistungsträger bei offen zutage liegenden Gestaltungsmöglichkeiten, die ein verständiger Leistungsbezieher,
wenn sie ihm bekannt wären, wahrnehmen würde, (sogar) die Pflicht zur Spontanberatung. Indes ist der Inhalt des Beratungsgesprächs
zwischen der Klägerin und dem Beklagten im Einzelnen nicht bekannt und somit auch nicht konkret feststellbar, weshalb die
Klägerin schließlich trotz des zum Beginn des Gesprächs geäußerten Begehrens auf Übernahme von Heizkosten von einer Antragstellung
auf SGB II-Leistungen zunächst abgesehen hatte, wofür unterschiedliche denkbare Gründe ausschlaggebend gewesen sein können. Ob ein Hinweis
auf die konkreten Folgen einer unterbliebenen Antragstellung im hier vorliegenden Einzelfall erfolgte, ist ebenso wenig aufklärbar
wie sich die vom SG letztlich nur vermutete unterbliebene Beratung über die Rechtsfolgen feststellen lässt. Zumindest lässt sich dem Gesprächsvermerk
entnehmen, dass die Klägerin (zutreffend) darüber informiert wurde, dass im Rahmen eines Antrags auf Arbeitslosengeld II auch
die Heizkostenübernahme geprüft werde. Dies hat auch die Zeugin F anlässlich ihrer Vernehmung bestätigt, ebenso, dass die
Klägerin diesen "Hauptantrag" nicht stellen wollte und daher die Antragsunterlagen nicht mitnahm. Die objektive Nichtfeststellbarkeit
eines Beratungsfehlers des Beklagten geht im Ergebnis zu Lasten der Klägerin, die hieraus Rechte herleiten will. Eine Begründung
von Ansprüchen über den - außerhalb von gesetzlichen Normen stehenden - sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kommt zudem
nur in Betracht, wenn eine Pflichtverletzung der Behörde auch wesentliche, dh mindestens gleichwertige Bedingung für den Eintritt
des Rechtsverlusts war. Raum für eine Beweislastumkehr besteht hier nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.