Aufhebung einer Leistungsbewilligung für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Mit einem Umzug verbundener Wechsel der örtlichen Zuständigkeit
Zuständigkeitskonflikt zwischen einer örtlich bisher zuständigen und einer zuständig gewordenen Behörde
Tatbestand
Der Kläger, ein selbständiger Versicherungsvertreter, wendet sich gegen die Aufhebung einer Leistungsbewilligung, nachdem
er aus B-S, wo er bis zum 4. Januar 2017 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gewohnt hatte, nach F gezogen ist (Jobcenter
Tempelhof-Schöneberg).
Der Kläger bezog Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 5. Januar 2017 bewilligte der Beklagte ihm (und seinem Sohn) für (u. a.) die Monate März bis Mai 2017
vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von monatlich 300,21 Euro; die Höhe der Leistungen ist nicht strittig.
Kosten der Unterkunft wurden „aufgrund der Räumung der Wohnung“ nicht bewilligt. Nachdem der Kläger dem Beklagten im Anschluss
mitgeteilt hatte, dass er und sein Sohn im Januar 2017 in eine Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Jobcenters Tempelhof-Schöneberg
umgezogen seien, hob der Beklagte mit Bescheid vom 24. Januar 2017 seinen Bewilligungsbescheid mit Wirkung vom 1. März 2017
auf. Für den Kläger sei nunmehr das Jobcenter Tempelhof-Schöneberg örtlich zuständig. Der Kläger legte hiergegen am 30. Januar
2017 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2017 zurückwies.
Unter dem 14. Februar 2017 beantragte der Kläger bei dem Beklagten für die Zeit ab März 2017 weiterhin (hier nicht streitgegenständliche)
Leistungen. Diesen Antrag leitete der Beklagte kurz danach, am 17. Februar 2017, an das Jobcenter Tempelhof-Schöneberg weiter.
Dieses forderte unter dem 1. März 2017 bei dem Kläger mehrfach eine ganze Reihe von Unterlagen an. Nachdem der Kläger nach
Ansicht des Jobcenters Tempelhof-Schöneberg nicht ausreichend reagiert hatte, versagte dieses Jobcenter mit Bescheid vom 9.
Mai 2017 gem. §
66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (
SGB I) wegen fehlender Mitwirkung ab dem 1. März 2017 Leistungen; später bewilligte es dem Kläger vorläufige Leistungen ab dem
1. Juni 2017. Ein Widerspruch des Klägers gegen die Versagung nach §
66 SGB I wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2017 zurückgewiesen, auf die daraufhin erhobene Klage S 53 AS 11755/17 hob das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2021 den Ablehnungs- und den entsprechenden Widerspruchsbescheid
auf. Zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids hätten die angeforderten Unterlagen jedenfalls in einem Umfang vorgelegen, der
eine vorläufige Leistungsbewilligung ermöglicht habe. Die neuzuständige Behörde habe zudem schon nicht konkretisiert, was
genau gefehlt habe. Jedenfalls sei die Versagung ermessensfehlerhaft.
Am 16. Mai 2017 hat der Kläger wegen der hier streitgegenständlichen Bescheide bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben
(S 142 AS 6423/17). Die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids des Beklagten wegen seines Wegzugs sei rechtswidrig. Ein Umzug dürfe
nicht zu einer Unterbrechung des Leistungsbezugs führen. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Aufhebungsbescheid sei aufzuheben und der Beklagte müsse für die Monate März bis Mai 2017 die zuvor von ihm selbst
bewilligten Leistungen ausreichen. Für die drei Monate gehe es um 3 x 300,21 Euro Regelleistung.
Der Kläger hat bei dem Sozialgericht beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides
vom 25. April 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die beantragten Leistungen zu zahlen.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. August 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es handele sich um eine Anfechtungsklage,
da der Kläger mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide erneut die Leistungen aus der vorangegangenen Bewilligungsentscheidung
des Beklagten in Anspruch nehmen könne. Die Klage sei unbegründet. Der Beklagte habe zu Recht die Leistungsbewilligung ab
dem März 2017 aufgehoben. Denn mit dem Umzug des Klägers habe sich eine wesentliche Änderung ergeben. Der Hinweis des Klägers
auf § 2 Abs. 3 SGB X stehe dem nicht entgegen. § 2 Abs. 3 SGB X setze einen Zuständigkeitskonflikt voraus. Die Bestimmung erfasse lediglich Fälle, in denen eine Behörde ihre örtliche Zuständigkeit
nicht anerkenne. Seien beide Behörden über die örtliche Zuständigkeit der „neuen“ Behörde einig, wie es hier der Fall gewesen
sei, gebe es keinen Konflikt.
Der Gerichtsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30. August 2018 zugestellt worden.
Am 1. Oktober 2018, einem Montag, hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Ansicht, dass die Voraussetzungen
für einen Zuständigkeitswechsel aufgrund örtlicher Unzuständigkeit nach einem Umzug nicht gegeben seien. Denn der Umzug sei
während eines laufenden Bewilligungszeitraums erfolgt, so dass die Ausgangsbehörde die Angelegenheit auch zu Ende zu führen
habe. Allein eine neue örtliche Zuständigkeit dürfe nicht dazu führen, dass der Leistungsbezug vorübergehend ende. § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X solle bei einem Zuständigkeitswechsel einen Abbruch der Leistung verhindern und einen nahtlosen Übergang der Leistungsgewährung
sicherstellen.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 29. August 2018 – S 142 AS 6423/17 – den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2017 (W 852/17) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ein Zuständigkeitskonflikt, wie ihn § 2 Abs. 3 SGB X voraussetze, liege hier nicht vor. Es könne nicht Sinn der Bestimmung sein, dass eine ablehnende Entscheidung des nunmehr
zuständigen Leistungsträgers durch die Bescheidung eines früheren, nunmehr unzuständigen Leistungsträgers „konterkariert“
werde. Durch die Versagungsentscheidung werde sehr deutlich, dass das „neue“ Jobcenter sehr wohl von einer eigenen Zuständigkeit
ausgehe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte
und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung des Klägers ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Die Berufungssumme ist überschritten (Ziel: 900,63 Euro). Es handelt sich um eine gemäß §
54 Abs.
1 Satz 1 Alternative 1
SGG statthafte Anfechtungsklage (sog. „reine“ Anfechtungsklage), da dem Kläger nach Aufhebung der angegriffenen Bescheide die
ihm bewilligten Leistungen aus dem Bescheid vom 5. Januar 2017 auszuzahlen sind.
Der Kläger ist auch klagebefugt. Ob § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X dem Leistungsempfänger von Gesetzes wegen einen eigenen subjektiv-öffentlichen Anspruch gegen den unzuständig gewordenen
Leistungsträger gewährt (so Roller, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 2 Rn. 15; I. Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. [Stand: 23. September 2019], § 2 SGB X Rn. 22), kann hier dahingestellt bleiben. Denn der Kläger wehrt sich gegen die Aufhebung eines an ihn gerichteten, begünstigenden
Bescheides und kann jedenfalls aus diesem ein subjektiv-öffentliches Recht ableiten.
2. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2017 (W 852/17) wird aufgehoben. Er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
a. Der Bescheid vom 24. Januar 2017 hebt ab dem 1. März 2017 den Bescheid des Beklagten vom 5. Januar 2017 auf. Rechtsgrundlage
dafür ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Vorausgesetzt
wird eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen.
aa. Eine solche Änderung liegt hier nicht vor. Ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit lässt grundsätzlich einen materiell-rechtlichen
Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II unberührt und begründet allein keine wesentliche Änderung der Verhältnisse. Dies folgt aus § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X, der § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X begrenzt (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Juli 2021 – L 3 AS 785/21 B ER –; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Mai 2019 – L 7 SO 1311/19 ER-B –; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. September
2017 – L 2 AS 397/17 B ER –, Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 11. September 2014 – S 147 AS 20920/14 ER –, jeweils Juris; Neumann, in: Hauck/Noftz SGB X, Stand: 3. Ergänzungslieferung 2021, K § 2 Rn. 34; Breitkreutz, in: Diering/Thieme, Sozialgesetzbuch X, 4. Auflage 2016, § 2 Rn. 10; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Mai 1986 – 5 C 68.84 –, Juris Rn. 34 = BVerwGE 74, 206 ff).
§ 2 Abs. 3 SGB X lautet:
Hat die örtliche Zuständigkeit gewechselt, muss die bisher zuständige Behörde die Leistungen noch solange erbringen, bis sie
von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Diese hat der bisher zuständigen Behörde die nach dem Zuständigkeitswechsel
noch erbrachten Leistungen auf Anforderung zu erstatten. § 102 Abs. 2 gilt entsprechend.
Die Bestimmung, die den Zustand nach Abschluss eines Verwaltungsverfahrens regelt, d. h. in der Zeit des Bezugs der bewilligten
Leistungen greift, ist nicht nur im Fall eines Kompetenzkonflikts anwendbar.
Dies folgt schon aus dem Wortlaut. Nach diesem muss die örtlich unzuständig gewordene Behörde die Leistungen noch solange
erbringen, bis die zuständig gewordene Behörde die Leistungen fortsetzt. Auf die Gründe fehlender Leistungserbringung der
örtlich zuständig werdenden Behörde geht der Wortlaut nicht ein (vgl. Mutscheler, in: Kasseler Kommentar, Stand 115. Ergänzungslieferung
Juli 2021, SGB X, § 2 Rn. 12). Dafür, dass der Wortlaut einschränkend auszulegen ist und im Fall eines Konsenses der Behörden über die örtliche
Zuständigkeit nicht greift, gibt es keinen Hinweis; eine Nichtfortsetzung der Leistung kann nicht als Fortsetzung der Leistung
im Rechtssinn verstanden werden. Vielmehr bestätigen Sinn und Zweck der Norm uneingeschränkt den Wortlaut und fordern keine
einschränkende Auslegung. Der Regelung geht es darum, unabhängig vom Zuständigkeitswechsel eine durchgehende und verlässliche
Sicherstellung der Leistungsgewährung an den Adressaten zu garantieren, auch wenn er während eines Zeitraums, für den ihm
bereits Leistungen bewilligt worden sind, umzieht. Wenn Leistungsträger behördenintern einig sind, wer zuständig ist, kann
nämlich schon durch ein wiederholtes Antragsverfahren der Bezug sozialer Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz
erfahrungsgemäß ins Stocken geraten, obwohl diese zuvor bereits bewilligt worden waren. Diese Gefahr erwächst schon aus dem
bei einem neuen Jobcenter kurzfristig erforderlichen, erneuten Antragsverfahren und seiner Bearbeitungsgeschwindigkeit sowie
der Möglichkeit einer je nach Jobcenter unterschiedlichen Prüfungsdichte. Eine Ablehnung der Leistung nach §
66 SGB I im jeweils neuerlichen Antragsverfahren ändert nichts daran, dass mit der Versagung die ursprüngliche - nach behördlicher
Prüfung - beschiedene Leistungsbewilligung im Ergebnis lediglich wegen der neuen örtlichen Zuständigkeit nicht fortgesetzt
wird. Auch die Gesetzesmaterialien bestätigen, dass der Wortlaut nicht etwa zu weit geraten ist. „Der neu eingefügte Absatz
3 [gemeint: § 3 Abs. 3 SGB X] stellt sicher, daß während des Zuständigkeitswechsels eine Unterbrechung der Leistung nicht
eintritt“, so die ausdrückliche Begründung des historischen Gesetzgebers (BT-Ds. 8/2034 S. 30).
Nach diesen Maßstäben stellt der Umzug des Klägers in eine Unterkunft außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Beklagten
keine für den Leistungsanspruch rechtserhebliche Änderung dar. Der Kläger befand sich zuvor im laufenden Leistungsbezug bei
dem Beklagten, die nunmehr zuständig gewordene Behörde, das Jobcenter Tempelhof-Schöneberg, hat die Leistungen anschließend
nicht fortgesetzt.
Mit der, wie das Sozialgericht inzwischen entschieden hat, rechtswidrigen Leistungsversagung des Jobcenters Tempelhof-Schöneberg
wegen (vermeintlich) fehlender Mitwirkung hat sich vorliegend im Übrigen die vom Gesetzgeber ausdrücklich in den Blick genommene,
mit dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit verbundene Gefahr des Abbruchs bereits verfügter - hier sogar existenzsichernder
- Leistungen auch gerade verwirklicht. Wäre der Umzug des Klägers nicht erfolgt, hätte er die aus dem Bescheid vom 5. Januar
2017 bewilligten Leistungen auch für die Zeit nach dem 1. März 2017 (ohne Kosten für Unterkunft und Heizung) ohne die erneute
Einreichung und Prüfung der vom zuständig gewordenen Jobcenter angeforderten großen Zahl von objektiv nicht kurzfristig zu
beschaffenden Unterlagen bis einschließlich Mai 2017 beziehen können. Die Einstellung der vom Beklagten bereits bewilligten
Leistungen für mehrere Monate ist allein durch einen schlichten Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zweier Berliner Jobcenter
und nicht etwa durch andere Umstände verursacht. Durch § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X soll jedoch ein vorübergehendes Auf-Null-Fahren von Leistungen, die in diesem Fall sogar existenzsichernder Natur sind, gerade
verhindert werden.
Soweit das Sozialgericht meint, die Bestimmung erfasse nicht Fälle, in denen eine Behörde nach Einleitung eines Verwaltungsverfahrens
ihre örtliche Unzuständigkeit anerkenne und einvernehmlich an die zuständige Behörde abgebe, so trifft dies zwar zu (vgl.
Mutscheler, in: Kasseler Kommentar, Stand 115. Ergänzungslieferung Juli 2021, SGB X § 2 Rn. 3a). Die Dinge liegen hier aber anders. § 2 Abs. 3 SGB X, der hier einschlägig ist, regelt von vornherein gar nicht ein laufendes Verwaltungsverfahren, sondern den Zustand nach Abschluss
des Verwaltungsverfahrens durch Bescheidung. Soweit beschieden, war das Verwaltungsverfahren vorliegend bereits abgeschlossen.
Die durch Bescheid bewilligten Leistungen sind grundsätzlich weiter auszureichen; sie sind im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit
nach § 2 Abs. 3 SGB X rechtmäßig.
bb. Selbst wenn man der Ansicht des Beklagten folgte und bei einem Zuständigkeitskonsens § 2 Abs. 3 SGB X für nicht anwendbar hielte, änderte dies nichts. Eine zuständigkeitsbejahende Willensäußerung der zuständig gewordenen Behörde
müsste bei Bescheidung des Widerspruchs gegen die Leistungsaufhebung der bisherigen Behörde nach dem Wechsel der örtlichen
Zuständigkeit auch tatsächlich vorliegen. Daran mangelt es hier.
Maßgeblicher Zeitpunkt bei Anfechtungsklagen ist die letzte Behördenentscheidung (ständige und unbestrittene höchstrichterliche
Rechtsprechung, vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 27. Mai 2020 – B 9 SB 67/19 B –, Urteile vom 12. Oktober 2018 – B 9 SB 1/17 R – und vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 – BSGE 79, 223, 225; jeweils Juris; Keller, in: Meyer-Ladewig u. a.,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
54 Rn. 33). Als der Beklagte den Widerspruch beschied, gab es keinen nach außen erkennbaren Konsens über die örtliche Zuständigkeit.
Auch der Beklagte räumt ein, dass eine für den Leistungsempfänger erkennbare Bejahung der Zuständigkeit der zuständig gewordenen
Behörde durch Bescheid erfolgen muss; eine behördeninterne Kommunikation genügt nicht. Ein (unterstellt: auch) zuständigkeitsbejahender
Bescheid des zuständig gewordenen Jobcenters lag hier jedoch nicht vor, als der Beklagte den Widerspruch gegen die Aufhebung
der Leistung am 25. April 2017 beschied. Der Versagungsbescheid wegen (vermeintlich) fehlender Mitwirkung gem. §
66 SGB I des zuständig gewordenen Jobcenters Tempelhof-Schöneberg erging erst am 9. Mai 2017.
b. Offen bleiben kann, ob bei Wegfall von weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für den Leistungsanspruch der ursprüngliche
und auf Grund von § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X zur Weiterleistung verpflichtete Leistungsträger berechtigt bleibt, die Leistungsgewährung abzuändern und aufzuheben, oder
ob hierfür die örtlich zuständig gewordene Behörde befugt ist. Andere Gründe für die Aufhebung der Leistung sind hier nämlich
nicht ersichtlich; den materiellen Anspruch des Klägers zweifelt der Beklagte nicht an. Allein der Fortfall der örtlichen
Zuständigkeit genügt nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X hierfür nicht (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Juli 2019 – L 15 SO 133/19 B ER –, juris; Roller, in:
Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 2 Rn. 18).
c. Dass sich die Weiterleistungspflicht des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X nicht auf Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung erstreckt (zutreffend LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.
April 2011 - L 6 AS 45/10 -, Juris), ändert nichts am Ergebnis. Zwar ist durch den Umzug der Bedarf nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die vom Leistungsberechtigten bewohnte Wohnung entfallen, so dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des §
48 Abs. 1 Satz 1 SGB X insoweit geändert haben, was wiederum eine entsprechende Aufhebung rechtfertigen würde. Der Bedarf für Unterkunft und Heizung
setzt materiell Aufwendungen für die konkrete Unterkunft voraus, das heißt, für die bislang tatsächlich genutzte Wohnung müssen
Kosten entstehen, was nach einem Umzug in der Regel nicht mehr der Fall ist. Dies wirkt sich vorliegend indes nicht aus. Denn
in dem Bescheid vom 5. Januar 2017 sind Kosten der Unterkunft von dem Beklagten gar nicht bewilligt worden („aufgrund der
Räumung der Wohnung“), folglich hat der streitgegenständliche Bescheid eine solche Bewilligung auch nicht aufgehoben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.