Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren beim Streit über die Versicherungspflicht eines Antragstellers
mit einer gesetzlichen Krankenkasse
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat das Begehren der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren, rechtsfehlerfrei abgelehnt.
Denn für dieses Begehren lässt sich weder der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2 SGG erforderliche Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch feststellen.
1.) Im Streit über die Versicherungspflicht eines Antragstellers mit einer gesetzlichen Krankenkasse (im vorliegenden Fall:
über das Bestehen einer Familienversicherung) gewährt der Senat in ständiger Rechtsprechung vorläufigen Rechtsschutz dadurch,
dass er die Krankenkasse zur vorläufigen Erbringung krankenversicherungsrechtlicher Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch/Fünftes
Buch (
SGB V) verpflichtet, auf die der Antragsteller zur Erhaltung von Leben, Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit (Art.
2 Abs.
2 Satz 1
Grundgesetz [GG]) dringend vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren angewiesen ist und die er sich nicht einmal vorübergehend aus
eigenen bereiten Mitteln oder denen unterhaltsverpflichteter Ehegatten oder Angehöriger beschaffen kann. Eine Entscheidung
über die zwischen den Beteiligten streitige Frage des Bestehens von Versicherungspflicht trifft der Senat in diesen Fragen
dagegen nicht, weil damit die Hauptsache vorweggenommen würde, ohne dass dies zur Wahrung der Rechte des Antragstellers aus
Art.
2 Abs.
2 Satz 1
GG unumgänglich erforderlich wäre. Denn anders als hinsichtlich der Versagung einzelner Leistungen, auf die ein Antragsteller
dringend angewiesen ist, besteht seine Beeinträchtigung bei der Ablehnung der Versicherungspflicht/Mitgliedschaft bei einer
gesetzlichen Krankenkasse regelmäßig nur darin, dass ihm die nach dem
SGB V generell zustehenden Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stehen, ohne dass sie dadurch für ihn grundsätzlich
an Wert verlieren, weil dem durch Artikel
2 Abs.
2 Satz 1
GG geforderten Rechtsschutz durch eine spätere Leistungsgewährung Rechnung getragen werden kann. Hinsichtlich der vorläufigen
Feststellung der Versicherungspflicht ist deshalb vorläufiger Rechtsschutz regelmäßig zu versagen. Nur durch eine an diesen
Grundsätzen orientierte Vorgehensweise wird dem vom Gesetzgeber in allen Prozessordnungen vorgesehenen Vorrang des nachgehenden
Rechtsschutzes vor dem vorläufigen Rechtsschutz sowie dem sich aus Artikel
20 Abs.
3 GG abzuleitenden Grundsatz Rechnung getragen, dass die Leistungsgewährung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Ausnahme
und nicht die Regel sein soll (LSG Berlin, Beschluss vom 2. April 2004, - L 9 B 43/04 KR ER -, zitiert nach juris).
2.) Im vorliegenden Verfahren lässt sich jedoch weder feststellen, dass die Antragstellerin auf krankenversicherungsrechtliche
Leistungen dringend vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens angewiesen ist noch dass sie einen entsprechenden Bedarf bis
zu diesem Zeitpunkt nicht jedenfalls vorläufig aus Mitteln ihres Ehemannes decken kann.
Sie selbst hat keine Angaben zu bestehenden Erkrankungen gemacht noch angegeben, welche ärztlichen Behandlungen oder Arzneimitteltherapien
sie dringend benötigt. Aus dem von ihr vorgelegten ärztlichen Attest ihrer behandelnden Ärzte vom 25. Januar 2010 ist insoweit
nur zu entnehmen, dass bei ihr 2009 eine Anämie aufgefallen sei, deren Behandlungsbedürftigkeit noch nicht feststehe und sie
wegen eines Bluthochdrucks behandelt werden müsse, gegen den sie allerdings bereits eine medikamentöse Mehrfachtherapie erhalte.
Ein dringender, derzeit nicht gedeckter Bedarf nach ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen oder Medikamenten ergibt
sich daraus gerade nicht. Außerdem erhält sie nach ihren Angaben gegenüber dem Sozialgericht die erforderlichen Leistungen
für ihren Lebensunterhalt von ihrem Ehemann, dessen Einkommen sie im Beschwerdeverfahren mit "ca. 1000 € brutto" aus nichtselbständiger
Arbeit beziffert hat, ohne dafür die erforderlichen und von ihr sowohl vom Sozialgericht als auch vom entscheidenden Senat
im Prozesskostenhilfeverfahren ausdrücklich erbeteten Nachweise vorzulegen. Im Hinblick auf ihr Vorbringen gegenüber den Sozialgerichten
ist deshalb davon auszugehen, dass der Bedarf der Antragstellerin nach Arzneimitteln zur Behandlung ihres Bluthochdruckes
aus Mitteln ihres ihr gegenüber unterhaltspflichtigen Ehemannes ebenso vorübergehend gedeckt werden kann wie der Bedarf an
zusätzlichen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen hinsichtlich einer Anämie, bis über ihre Familienversicherung bei der
Antragsgegnerin bestandskräftig entschieden ist.
3.) Schließlich fehlt es mangels hinreichender ärztlicher Angaben zur Notwendigkeit weiterer aktuell erforderlicher Untersuchungs-
und Behandlungsmaßnahmen sowie ohne ärztliche Verordnungen für dringend benötigte Medikamente auch an einem entsprechenden
Leistungsanspruch der Antragstellerin nach §
27 Abs.
1 Satz 1 und
2 Nrn. 1 und 3
SGB V und damit an einem Anordnungsanspruch. Denn ein Anspruch eines Versicherten auf eine bestimmte Maßnahme entsteht gegen eine
gesetzliche Krankenkasse erst durch die ärztliche Anordnung, mit der der Arzt den durch das
SGB V nur in Form eines Rahmenrechts geregelten Leistungsanspruch konkretisiert und für diese Behandlung die Verantwortung gegenüber
dem Versicherten und der gesetzlichen Krankenkasse übernimmt (sog. Arztvorbehalt, vgl. §§
15 Abs.
1,
28 Abs.
1,
73 Abs.
1 und
2 SGB V). Im vorliegenden Fall war und ist aber nicht einmal ersichtlich, welcher Behandlungsmaßnahmen die Antragstellerin bedarf
und welche Medikamente sie benötigt, wie der Senat bereits oben dargelegt hat, noch welcher Arzt welche Maßnahmen angeordnet
bzw. verordnet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Im Hinblick auf die mangelnden Erfolgsaussichten des Antrages konnte gemäß §
73 a SGG i. V. m. §
114 Zivilprozessordnung auch keine Prozesskostenhilfe gewährt werden.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).