Verpflichtung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Aufforderung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen.
Die 1952 geborene Klägerin ist Eigentümerin eines von ihr bewohnten Hausgrundstücks und bezog seit dem Jahr 2007 (im Wesentlichen
ergänzende) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Mit Bescheid vom 7. April 2016 wurden ihr für die Zeit vom 1. Mai 2016 bis 31. August 2016 Leistungen in
Höhe von monatlich 408,91 Euro für Mai und Juli 2016 und monatlich 321,11 Euro für Juni und August 2016 vorläufig bewilligt.
Ausweislich einer Auskunft der Deutschen Rentenversicherung - vom 5. Februar 2016 hatte die Klägerin Anspruch auf eine Altersrente
für langjährig Versicherte. Laut einer von der Klägerin eingereichten Rentenauskunft erreichte sie die Regelaltersgrenze am
1. September 2017. Für die Zeit vom 1. März 2016 bis zum 28. Februar 2017 hatte die Klägerin eine Stelle beim Bundesfreiwilligendienst
mit einer wöchentlichen Dienstzeit von 21,5 Stunden inne. Hierfür erhielt sie ein Taschengeld von monatlich 200,- Euro. Sozialversicherungsbeiträge
in Höhe von monatlich 81,22 Euro wurden von der Einsatzstelle abgeführt.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2016 forderte der Beklagte die Klägerin auf, bis zum 19. Februar 2016 einen Antrag auf geminderte
Altersrente zu stellen und dies mitzuteilen. Zur Begründung heißt es insbesondere, es seien keine maßgeblichen Gründe ersichtlich,
welche gegen die Beantragung der vorrangigen Leistungen sprächen. Die Beantragung der vorzeitigen Rente sei der Klägerin in
Abwägung ihrer Interessen mit dem Interesse an wirtschaftlicher und sparsamer Verwendung von Leistungen nach dem SGB Il zumutbar.
Eine Ausnahme nach der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2016 (Eingang bei der Deutschen Rentenversicherung am 26. Februar 2016) stellte der Beklagte
aufgrund des vorangegangenen Bescheides zur Aufforderung zur Altersrentenbeantragung vom 2. Februar 2016 bei der Deutschen
Rentenversicherung für die Klägerin einen Antrag auf geminderte Altersrente. Den Antrag wies die Deutsche Rentenversicherung
mit Schreiben vom 29. Februar 2016 „als unzulässig“ zurück, weil kein rechtswirksamer Antrag vorliege, hob diese Entscheidung
aber auf den Widerspruch des Beklagten mit Bescheid vom 22. April 2016 auf und nahm das Rentenverfahren wieder auf.
Der gegen den Bescheid vom 2. Februar 2016 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2016 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 4. Mai 2016 Klage erhoben.Aufgrund ihres Bundesfreiwilligendienstes sei sie sozialversicherungspflichtig
beschäftigt, so dass ein Fall von § 4 Unbilligkeitsverordnung vorliege.
Mit einem weiteren Bescheid vom 28. Juni 2016 hat der Beklagte die Klägerin erneut aufgefordert, bis zum 15. Juli 2016 einen
Antrag auf geminderte Altersrente zu stellen und dies mitzuteilen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2016 hat der Beklagte
den Widerspruch der Klägerin hiergegen zurückgewiesen. Klage und Berufung hiergegen sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des
Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Mai 2018 - S 33 AS 1352/16 – und vom ). Das nachfolgende Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) hat am 9. März 2020 mit einem Vergleich (B 4 AS 2/20 R) geendet. Nach einem Hinweis des BSG auf die mögliche Unzulässigkeit der Klage haben sich die Beteiligten auf Vorschlag des BSG über die Aufhebung der streitbefangenen Aufforderung zur Rentenantragstellung und Rücknahme der Klage verständigt (Terminbericht
des BSG Nr. 6/20).
Mit Bescheid vom 28. November 2016 hat die Deutsche Rentenversicherung gegenüber der Klägerin aufgrund deren unter Vorbehalt
gestellten Antrags vom 15. November 2016 einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte als Rentenvorschuss
ab dem 1. November 2016 anerkannt. Eine endgültige Rentenberechnung sei aufgrund des laufenden Klageverfahrens gegen die Aufforderung
des Beklagten zur Rentenantragstellung nicht möglich. Gegen diesen Bescheid hat der Beklagte Widerspruch eingelegt.
Mit Bescheid vom 29. November 2016 hat die Deutsche Rentenversicherung der Klägerin aufgrund deren Antrags vom 15. November
2016 eine Altersrente für langjährig Versicherte als Rentenvorschuss ab dem 1. November 2016 bewilligt. Hiergegen hat der
Beklagte mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 Einwände erhoben, weil er bereits am 19. Februar 2016 ersatzweise einen Rentenantrag
gestellt habe.
Unter dem 21. Dezember 2016 hat die Deutsche Rentenversicherung einen weiteren Rentenbescheid erlassen, mit dem sie die Altersrente
für langjährig Versicherte ab dem 1. November 2016 neu berechnet habe. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch
eingelegt.
Mit Bescheid vom 22. März 2017 hat die Deutsche Rentenversicherung gegenüber der Klägerin aufgrund des Antrags des Beklagten
vom 26. Februar 2016 einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte dem Grunde nach ab dem 1. Februar 2016
anerkannt (monatliche Vorschussleistung ab Mai 2017 930,02 Euro). In dem Bescheid heißt es, der Bescheid werde Gegenstand
des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Gegen den Bescheid vom 22. März 2017 hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Die Deutsche
Rentenversicherung hat ihr mit Schreiben vom 25. April 2017 mitgeteilt, der Bescheid vom 22. März 2017 (in dem Schreiben unzutreffend
auf den 24. März 2017 datiert) sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 29. November 2016 geworden.
Im Einverständnis mit der Klägerin hat die Deutsche Rentenversicherung das bei ihr anhängige Widerspruchsverfahren mit Blick
auf den vorliegenden Rechtsstreit ruhend gestellt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Mai 2018 abgewiesen. Der Bescheid vom 2. Februar 2016 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 4. April 2016 sei sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. Der formale Fehler der fehlenden
Anhörung vor Erlass des Bescheides vom 2. Februar 2016 sei nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides komme es auf den
Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also den Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Widerspruchsbescheides
(April 2016) an. Denn in der Hauptsache sei eine Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) die statthafte Klageart. Insbesondere handele es sich bei der Aufforderung, eine vorzeitige Rente zu beantragen, nicht
um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Der angegriffene Bescheid regle ein einmaliges Gebot gegenüber der Klägerin, indem
er ihr aufgebe, einen Antrag auf vorzeitige Rente zu stellen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufforderung nach §
12a SGB Il, einen Antrag auf vorzeitige Rente zu stellen, lägen vor. Die Klägerin habe im April 2016 bereits das 63. Lebensjahr
vollendet, die vorzeitige Altersrente sei eine andere Sozialleistung, die ein anderer Träger zu erbringen habe und deren Bezug
zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit führe. Es liege auch keiner der Sachverhalte vor, aufgrund derer Leistungsberechtigte
nach der Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV) nach Vollendung des 63. Lebensjahres ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten
nicht verpflichtet seien, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Ein Fall von § 2 UnbilligkeitsV liege nicht
vor, denn die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters würde nicht zu einem Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld
führen. Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I habe die Klägerin im April 2016 nicht gehabt. Dass ein solcher Anspruch ab März
2017 nach Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes gegebenenfalls entstanden sein könnte, erfülle nicht die Voraussetzungen
von § 2 UnbilligkeitsV, welcher auf einen im maßgeblichen Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung bestehenden Anspruch oder
eine Anwartschaft abstelle. Es liege kein Fall von § 3 UnbilligkeitsV vor, da die Klägerin nicht in nächster Zukunft nach
Erlass des angegriffenen Bescheides die Altersrente hätte abschlagsfrei in Anspruch nehmen können. Gemeint sei hier ein Zeitraum
von längstens drei Monaten (vgl. Referentenentwurf zur UnbilligkeitsV, S. 8). Die Klägerin habe die abschlagsfreie Regelaltersrente
erst ab dem 1. September 2017 beziehen können. Die Klägerin sei bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2016 nicht
im Sinne von § 4 UnbilligkeitsV erwerbstätig gewesen. Voraussetzung von § 4 UnbilligkeitsV sei eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätigkeit mit entsprechend hohem Einkommen. Bei der Stelle im Bundesfreiwilligendienst
handele es sich nicht um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 4 UnbilligkeitsV. Die Klägerin erhalte
lediglich ein Taschengeld vom 200,- Euro. Sozialversicherungsbeiträge zahle die Klägerin hiervon nicht. Zwar würden Sozialversicherungsbeiträge
von der Einsatzstelle erbracht (§
20 Abs.
3 Nr.
2 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch <SGB IV>). Dies führe jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin zu keiner anderen Bewertung. § 4 UnbilligkeitsV meine mit
sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nur eine solche, die aufgrund der Höhe des Bruttoeinkommens sozialversicherungspflichtig
ist. Letzteres gelte nicht für geringfügige Beschäftigungen mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 450,- Euro (vgl. §
8 Abs.
1 Nr.
1 SGB IV). Die Anknüpfung an die Höhe des Einkommens ergebe sich zum einen aus der Formulierung des § 4 UnbilligkeitsV, wonach eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätigkeit mit entsprechend hohem Einkommen gefordert werde.
Daraus ergebe sich das Erfordernis einer Vergleichbarkeit zwischen den beiden genannten Alternativen, welche sich allein aus
der Höhe des Einkommens ergeben könne. Diese Auslegung entspreche auch dem Willen des Verordnungsgebers. Ausweislich des Referentenentwurfes
zur UnbilligkeitsV (dort S. 8) solle durch die Ausnahme bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung dem Aspekt Rechnung
getragen werden, dass eine hilfebedürftige Person, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübt, bereits zu
einem nicht unerheblichen Umfang zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts beiträgt. Nach dem Referentenentwurf solle das gleiche
gelten „für Personen, die aufgrund ihrer nicht abhängigen Erwerbstätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig sind, deren
Einkommen aber so hoch ist, dass es dem monatlichen Bruttoeinkommen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von derzeit
mindestens 400 Euro entspreche‿. Zum anderen diene § 4 UnbilligkeitsV dazu, die Zielsetzung der Eingliederung in Arbeit zu
fördern, indem bereits in Arbeit eingegliederte Personen nicht zur Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente verpflichtet
würden (S. 8 des Referentenentwurfes). Nach § 1 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes (BFDG) diene der Bundesfreiwilligendienst jedoch gerade nicht dem Ziel der Eingliederung in Arbeit, sondern dem Allgemeinwohl.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BFDG sei der Bundesfreiwilligendienst arbeitsmarktneutral auszugestalten. Nach der Gesetzesbegründung solle damit sichergestellt
werden, dass die Freiwilligen unterstützende, zusätzliche Tätigkeiten verrichteten und keine hauptamtlichen Kräfte ersetzten
(vgl. BR-Drucksache 849/10, S. 24). Die zeitliche Begrenzung des Dienstes (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 5 BFDG) solle nach der Gesetzesbegründung sicherstellen, dass niemand Bundesfreiwilligendienst zur Bestreitung seines Lebensunterhalts
ableiste und dass eine regelmäßige Neubesetzung der Einsatzplätze stattfinde (vgl. BR Drucksache 849/10 S. 25). Eine solche
Tätigkeit könne damit nicht Bestandteil des regulären Arbeitsmarktes sein (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. August
2012, L 13 AS 2352/12 ER B). Der Beklagte habe das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und hinreichende Ermessenserwägungen angestellt. Er habe sein
Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten.
Denn er habe die Inanspruchnahme der vorzeitigen Rente durch die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Interessen für zumutbar
erachtet und das Vorliegen eines atypischen Falles unter Auseinandersetzung mit den durch die Klägerin im Widerspruchsverfahren
vorgebrachten, ihren Einzelfall betreffenden Argumenten verneint. Dabei sei - entgegen der Ansicht der Klägerin - zu beachten,
dass es im Regelfall pflichtgemäßem Ermessen des Leistungsträgers entspreche, von der Ermächtigung zur Aufforderung zur Antragstellung
Gebrauch zu machen, denn im Grundsatz habe der Leistungsberechtigte nach § 12a SGB II die gesetzliche Verpflichtung zur Realisierung vorrangiger Sozialleistungen. Relevante Ermessensgesichtspunkte könnten deshalb
nur solche sein, die einen atypischen Fall begründeten, in dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung
abzusehen sei. Dabei kämen nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht, welche die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente
aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen ließen. Soweit sich solche Umstände nicht aufdrängten, sei es
am Leistungsberechtigten, atypische Umstände seines Einzelfalls vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen habe (BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R). Außergewöhnliche Umstände, die zu einer anderen Entscheidung hätten führen und weitere Ermessenserwägungen hätten auslösen
müssen, seien weder von der Klägerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgetragen worden noch hätten Anhaltspunkte hierfür
bestanden. Insbesondere habe es keiner Erwägungen zu der Höhe der vorzeitigen Altersrente im Vergleich zu dem Bedarf der Klägerin
im Sinne des SGB II oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) bedurft. Die isolierte Betrachtung der Höhe des Leistungsanspruchs nach dem SGB Il oder SGB XII und der Höhe der vorrangigen Sozialleistung sei nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit ihrer Inanspruchnahme aufgrund außergewöhnlicher
Umstände zu begründen (BSG, Urteil vom 19.August 2015 - B 14 AS 1/15 R). Denn § 12a Satz 1 SGB II lasse schon die Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Verpflichtung zur Inanspruchnahme genügen. Der Beklagte habe
daher auch keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich der zu erwartenden Höhe der geminderten Rente der Klägerin
gehabt. Anhaltspunkte für eine besondere Härte hätten sich auch nicht aufgrund der Tatsache ergeben, dass die Klägerin Eigentümerin
des von ihr bewohnten Hausgrundstücks sei. Zwar können Härten im Einzelfall, welche mit einem Wechsel von Leistungen nach
dem SGB Il zu solchen nach dem SGB XII verbunden sind, z. B. durch das Vorhandensein von Altersvorsorgevermögen, welches durch das SGB II, aber nicht durch das SGB XII geschützt wäre, Anlass zu Ermessenserwägungen geben. Erforderlich sei jedoch das Vorliegen von Anhaltspunkten, dass eine
solche besondere Härte mit der Inanspruchnahme der vorzeitigen Rente verbunden wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Denn
zum einen habe die Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht geltend gemacht, dass eine geminderte Rente ihren Bedarf nicht decken
würde. Insbesondere habe sie die Angaben zur Höhe der zu erwartenden Regelaltersrente in der von ihr eingereichten Rentenauskunft
geschwärzt, sodass eine Ermittlung der Höhe der vorzeitigen Rente nicht möglich gewesen sei. Zum anderen sei ein selbst bewohntes
angemessenes Hausgrundstück auch für den Fall des Bezuges von Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschütztes Vermögen. Gründe, aufgrund derer sich dem Beklagten aufdrängen musste, dass im Fall der Klägerin ein Schutz nach
dieser Norm ausscheiden könnte, seien nicht ersichtlich.
Der Klägerin hat gegen das ihr am 20. Juni 2018 zugestellte Urteil am 19. Juli 2018 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren
weiterverfolgt. Ihre Tätigkeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes sei eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit im
Sinne von § 4 UnbilligkeitsV. Auf die Höhe des Entgeltes und die Pflicht zur Beitragszahlung komme es nicht an. Die Klägerin
beruft sich auf eine Entscheidung des BSG vom 24. Juni 2020 (B 4 AS 12/20 R). Soweit darin ausgeführt werde, dass § 4 UnbilligkeitsV auf hilfebedürftige Personen zugeschnitten sei, die eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung ausüben und damit zu einem nicht unerheblichen Umfang zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts beitragen, lägen
diese Voraussetzungen hier vor. Die vom BSG genannte Einkommensgrenze von monatlich 450,01 Euro gelte nicht für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen.
Die Klägerin beantragt schriftlich,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Mai 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 2. Februar 2016 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2016 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen des angefochtenen Urteils für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge
des Beklagten und der Verwaltungsvorgänge der Deutschen Rentenversicherung - Bezug genommen, die jeweils vorlagen und Gegenstand
der Beratung und Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §
124 Abs.
2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden,
dass die Aufforderung an die Klägerin zur Rentenantragstellung rechtmäßig ist.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts vom 24. Mai 2018 sowie der Bescheid des Beklagten vom
2. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2016, durch den die Klägerin zur Beantragung einer vorzeitigen
Altersrente aufgefordert worden ist. Die Klage ist als reine Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 SGG statthaft, da es sich bei der Aufforderung, vorzeitig eine Altersrente zu beantragen, um einen Verwaltungsakt im Sinne von
§ 31 Satz 1 SGB X handelt (BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 R – juris, Rn. 12). Die Aufforderung des Beklagten hat sich auch nicht im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt, sodass die Anfechtungsklage weiter zulässig bleibt. Denn gegen den auf Antrag des Beklagten vom 26. Februar 2016
ergangenen Rentenbescheid vom 22. März 2017 hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Insoweit ist auch die Rentenbewilligung
ab dem 1. Februar 2016 – ebenso wie die Rentenbewilligung ab dem 1. November 2016 mit Rentenbescheid vom 28./29. November
2016 – nur vorläufig erfolgt und eine endgültige Festsetzung erst nach Abschluss der Klageverfahren und des anhängigen Widerspruchsverfahrens
angekündigt worden. Ist aber das Rentenverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen, begründet und erhält die angefochtene
Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des beklagten SGB II-Trägers für den Leistungsberechtigten im Rentenverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 R - juris).
Rechtsgrundlage der angefochtenen Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente ist § 12a in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II (jeweils in der Fassung der Neubekanntmachung vom 13. Mai 2011, BGBl. I 850). Gem. § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen
Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich
ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente
wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen (§ 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II). Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II gilt: Stellen Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht,
können die Leistungsträger nach diesem Buch den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen.
In formeller Hinsicht ist die Aufforderung vom 2. Februar 2016 nicht zu bemängeln; ein etwaiger Anhörungsmangel (§ 24 SGB X) wäre durch das Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X).
Die Aufforderung erweist sich auch als materiell rechtmäßig. Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer solchen Aufforderung ist zum
einen die Verpflichtung des Leistungsberechtigten nach § 12a SGB II, eine vorrangige Leistung zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, und zum anderen die fehlerfreie Ermessensentscheidung
des Leistungsträgers nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, den Leistungsberechtigten zur Antragstellung aufzufordern (BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 R – juris, Rn. 20).
Die Klägerin konnte eine vorzeitige Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch nehmen. § 12a Satz 1 Nr. 2 SGB II nimmt Bezug auf die in §
33 Abs.
2 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) genannten Altersrenten, zu denen auch die Altersrente für langjährig Versicherte nach §§
33 Abs.
2 Nr.
2,
36 SGB VI zählt. Nach §
36 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte, wenn sie das 67. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit
von 35 Jahren erfüllt haben. Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist nach Vollendung des 63. Lebensjahres möglich.
Die 1952 geborene Klägerin hatte schon im Februar 2015 das 63. Lebensjahr vollendet.
Die Klägerin war auch verpflichtet, die vorzeitige Altersrente zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Dem steht zunächst
nicht die so genannte 58er-Regelung aus § 65 Abs. 4 Satz 3 SGB II in Verbindung mit §
428 Abs.
2 Satz 1 Halbsatz 2 des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III) entgegen. Diese schützt den von ihr erfassten Personenkreis vor der Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen
in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin fällt jedoch nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich der Regelung, weil sie erst
nach dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet hat (vgl. § 65 Abs. 4 Satz 2 SGB II).
Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente für langjährig Versicherte würde vorliegend auch die Hilfebedürftigkeit der
Klägerin beseitigen, da sie mit dem Bezug der vorzeitigen Altersrente gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II, wonach Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer Rente wegen Alters bezieht, aus dem Leistungssystem des SGB II ausscheiden würde.
Die Erforderlichkeit einer Antragstellung durch die Klägerin folgt aus §
99 Abs.
1 SGB VI, wonach Renten aus eigener Versicherung nur auf Antrag geleistet werden.
Ein Ausnahmetatbestand von der Verpflichtung der Klägerin nach § 12a Satz 1 SGB II zur Beantragung und Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nach der UnbilligkeitsV liegt nicht vor.
Die aufgrund von § 13 Abs. 2 SGB II erlassene UnbilligkeitsV vom 14. April 2008 – hier anzuwenden in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung - schränkt
die Möglichkeiten des SGB II-Trägers, den Leistungsberechtigten auf die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente zu verweisen, ein. § 13 Abs. 2 SGB II ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen,
unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer Leistungsberechtigte nach Vollendung des 63. Lebensjahres ausnahmsweise
zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Nach der
Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 16/7460, S. 12) soll das in der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck gebrachte Regel-Ausnahme-Verhältnis
verdeutlichen, dass die Verordnung lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen soll, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige
Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig wäre. Mit der Verordnungsermächtigung sei im Übrigen beabsichtigt, auf Erfahrungen
und Erkenntnisse der Praxis flexibel reagieren und möglichen Fehlentwicklungen entgegenwirken zu können.
Nach Auffassung des BSG (Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 R – juris, Rn. 23), welcher der Senat folgt, statuiert § 1 UnbilligkeitsV, wonach Hilfebedürftige nach Vollendung des 63.
Lebensjahres nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig
wäre, keinen allgemeinen, offenen Ausnahmetatbestand der „Unbilligkeit“, sondern dient nur als Einleitung für die dann in
den §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV aufgeführten Fälle, in denen eine Unbilligkeit anzuerkennen ist. Eine allgemeine Öffnungsklausel
würde zum einen dem gesetzgeberischen Ansatz widersprechen, den Verordnungsgeber zur Regelung eng umgrenzter Fälle zu ermächtigen;
zum anderen bedarf es ihrer auch deshalb nicht, weil unzumutbaren besonderen Härten, die von der UnbilligkeitsV nicht erfasst
werden, im Rahmen der Ermessensausübung begegnet werden kann. Der Katalog der Unbilligkeitsgründe aus der Verordnung ist daher
abschließend (BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 R – juris, Rn. 23).
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die der Senat verweist, dargelegt, dass vorliegend keiner der in den
§§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV geregelten Fälle vorliegt. Insbesondere folgt etwas anderes nicht aus der Durchführung eines Bundesfreiwilligendienstes
durch die Klägerin ab dem 1. März 2016.
Der Senat folgt nicht der Auffassung des 29. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom
28. August 2015 (L 29 AS 1604/15 B ER - BeckRS 2016, 66539), wonach mit der Aufnahme eines Bundesfreiwilligendienstes eine Unbilligkeit der Rentenantragstellung
nach § 2 UnbilligkeitsV anzunehmen sei. Nach § 2 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente unbillig,
wenn und solange sie zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen würde. Damit ist jedoch eine Unbilligkeit bei
Bezug von Arbeitslosengeld nach dem
SGB III erfasst, nicht jedoch erst der Erwerb einer Anwartschaft (vgl. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 4. Auflage 2017, § 12a, Rn. 16). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 UnbilligkeitsV, denn dort ist der „Anspruch auf Arbeitslosengeld“
und nicht die Zeit des Erwerbs eines solchen angeführt. Dies folgt auch aus der systematischen Stellung der Vorschrift. Die
Zeit des Erwerbs einer Anwartschaft auf einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, die Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung, wird in § 4 der UnbilligkeitsV geregelt. Auch die Begründung der UnbilligkeitsV beschreibt die Regelung in
diesem Sinne soweit dort angeführt wird, dass der Fall normiert sei, „dass Hilfebedürftige Arbeitslosengeld beziehen“ (Begründung
Referentenentwurf https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/unbilligkeitsverordnung-begruendung.pdf;jsessionid=489514D62DAD401946D43E2FCFDA676E.delivery1-replication?__blob=publicationFile&v=1,
Seite 8 zu § 2). Mit §
2 UnbilligkeitsV erfasst wird somit die Konstellation, dass ein Leistungsberechtigter Arbeitslosengeld I nach dem
SGB III bezieht, auf das er für eine bestimmte Dauer und in bestimmter Höhe einen eigentumsrechtlich geschützten Anspruch hat, und
ergänzend dazu – aufstockend - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhält. Da der Bezug der vorgezogenen Altersrente zum (dauerhaften) Ruhen des Anspruchs auf Alg I führen würde (§
156 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 SGB III), soll der Leistungsberechtigte hierauf nicht verwiesen werden können (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 09/15, § 12a SGB II, Rn. 99).Soweit erwogen wird, § 2 UnbilligkeitsV auch dann anzuwenden, wenn in nächster Zukunft (drei Monate nach der Wertung in §§ 3, 5 UnbilligkeitsV) die
Erfüllung der Arbeitslosengeld I-Anwartschaftszeit zu erwarten ist (Geiger in: Münder/Geiger, SGB II, 7. Auflage 2021, § 12a, Rn. 13), kann dahinstehen, ob dem zu folgen ist, weil eine baldige Erfüllung der Anwartschaftszeit bei Aufnahme des Bundesfreiwilligendienstes
am 1. März 2016 bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2016 ersichtlich nicht bevorstand.
Die Beantragung der vorgezogenen Altersrente ist auch nicht deshalb unbillig, weil die Klägerin in nächster Zukunft die Altersrente
abschlagsfrei in Anspruch nehmen konnte (§ 3 UnbilligkeitsV). Abschlagsfrei hätte sie eine Rente nach Auskunft ihres Rentenversicherers
erst zum 1. September 2017 in Anspruch nehmen können. Ein Zeitraum von mehr als einem Jahr zwischen dem Beginn der vorzeitigen
Inanspruchnahme mit Abschlägen nach Vollendung des 63. Lebensjahres bis zur abschlagsfreien Inanspruchnahme ist jedoch nicht
eine bevorstehende abschlagsfreie Altersrente „in nächster Zukunft“ (siehe auch Begründung des Referentenentwurfs zur UnbilligkeitsV,
S. 8, längstens drei Monate).
Schließlich greift auch die Ausnahmebestimmung in § 4 UnbilligkeitsV nicht. Danach ist unbillig die Inanspruchnahme einer
vorgezogenen Rente mit Abschlägen, solange Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind oder aus sonstiger
Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen erzielen, wobei dies nur gilt, wenn die Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätigkeit
den überwiegenden Teil der Arbeitskraft in Anspruch nimmt (Satz 2). Nach der nichtamtlichen Begründung des Referentenentwurfs
trägt die Regelung dem Umstand Rechnung, dass eine hilfebedürftige Person, solange sie eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung ausübt, bereits zu einem nicht unerheblichen Umfang zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts beiträgt. Das gleiche
gelte für Personen, die aufgrund ihrer nicht abhängigen Erwerbstätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig sind, deren Einkommen
aber so hoch ist, dass es die monatlichen Bruttoeinkommen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von seinerzeit
mindestens 400,- Euro (jetzt 450,- Euro) entspricht. Mit der Zielsetzung, die Eingliederung in Arbeit zu fördern, wäre es
nicht vereinbar, gerade diese in Arbeit eingegliederten Personen zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente zu verpflichten
(Referentenentwurf, S. 8). Eine in diesem Sinne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung übte die Klägerin im Rahmen des
Bundesfreiwilligendienstes nicht aus.
Zwar unterliegt ein Bundesfreiwilligendienst der Sozialversicherungspflicht (vgl. Artikel 7, 8, 9 und 10 des Gesetzes zur
Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes vom 28. April 2011 (BGBl. I 687 ff.). Es handelt sich bei ihm jedoch nicht um
eine Beschäftigung im Sinne der UnbilligkeitsV.
Nach der überzeugenden Ansicht des BSG (BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 54/15 R – juris, Rn. 26, sowie Urteil vom 23. Februar 2017 – B 11 AL 1/16 R – juris, Rn. 17, und Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 11 AL 26/16 R – juris, Rn. 23 ff.), der der Senat folgt, handelt es sich bei dem Bundesfreiwilligendienst schon nicht um eine Erwerbstätigkeit.
Nach seiner Zweckrichtung ist er vielmehr einem Ehrenamt ähnlich. Es handelt sich um eine freiwillige Betätigung von Personen
für das Allgemeinwohl, insbesondere im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, sowie in den Bereichen des Sports,
der Integration und des Zivil- und Katastrophenschutzes (§ 1 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes <BFDG>). Bei einem Bundesfreiwilligendienst handelt es sich mithin nicht um eine Beschäftigung im Sinne des §
7 Abs.
1 Satz 1 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 11 AL 26/16 R – juris, Rn. 23). Diese ist definiert als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Freiwilligen
im Bundesfreiwilligendienst stehen zu dessen Träger aber weder in einem Arbeits- noch einem Ausbildungsverhältnis (BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 11 AL 1/16 R – juris, Rn. 16). Vielmehr stellt der Bundesfreiwilligendienst von seiner Konzeption her eine freiwillige Betätigung für
das Allgemeinwohl dar (vgl. § 1 BFDG) und ist damit einem Ehrenamt ähnlich. Der Dienst als Freiwilliger im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes ist einer Beschäftigung
nur gleichgestellt (BSG, zur vergleichbaren Tätigkeit in einem Freiwilligen Sozialen Jahr, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 11 AL 1/16 R – juris, Rn. 17). Dies hat der 11. Senat des BSG insbesondere aus dem vom Gesetzgeber beabsichtigten sozialen Schutz des Dienstleistenden abgeleitet. Durch die Gleichstellung
mit einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis - und der damit verbundenen Vermeidung einer Lücke in der
Versicherungsbiografie während der Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes - hat der Gesetzgeber das gesellschaftliche Interesse
an der Absolvierung eines Bundesfreiwilligendienstes zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Tätigkeit in einem Freiwilligen Sozialen
Jahr: BSG, Urteil vom 17. April 2007 – B 5 R 62/06 R – juris, Rn. 27). Dieser Schutz führt jedoch nicht dazu, dass der Bundesfreiwilligendienst auch im Regelungszusammenhang
der Arbeitsförderung – oder hier der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der UnbilligkeitsV - als (versicherungspflichtige)
Beschäftigung anzusehen ist oder einer solchen gleichzustellen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 11 AL 26/16 R – juris, Rn. 22f.). Dieses nach dem Wortlaut der Norm gefundene Ergebnis wird gestützt durch die Gesetzessystematik und dessen
Sinn und Zweck. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder nicht abhängige Erwerbstätigkeit muss nämlich gem. §
4 Satz 2 UnbilligkeitsV zudem in einem zeitlichen Umfang ausgeübt werden, der zeigt, dass die hilfebedürftige Person ihre
Arbeitskraft überwiegend zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit einsetzt. Ist beides der Fall, so wäre es mit dem Reintegrationsziel
der § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 2a SGB II unvereinbar, eine solchermaßen in Arbeit eingegliederte Person zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente zu verpflichten.
Die Durchführung eines Bundesfreiwilligendienstes begründet aber wie ausgeführt gerade keine Eingliederung in Arbeit. Insoweit
wird ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Im Übrigen
erhellt die dargestellte Systematik (vgl. § 4 Satz 2 UnbilligkeitsV), dass im Rahmen der §§ 4 und 5 UnbilligkeitsV maßgebliches
Kriterium nicht die Sozialversicherungspflicht einer Tätigkeit an sich ist, sondern der Umfang in dem der Betroffene seine
Arbeitskraft zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit bereits einsetzt oder demnächst einsetzen wird (§ 5 UnbilligkeitsV),
dokumentiert durch die Erzielung des für den Eintritt der Sozialversicherungspflicht in der Regel erforderlichen Einkommens
(§
8 Abs.
1 SGB IV), so dass im Rahmen der §§
4 und
5 UnbilligkeitsV grundsätzlich auf die Grenze des §
8 Abs.
1 SGB IV abzustellen ist (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 R – juris, Rn. 23). Insoweit spricht auch die von der Klägerin angeführte Entscheidung des BSG vom 24. Juni 2020 (B 4 AS 12/20 R – juris, Rn. 22) eher für die hier vertretene Rechtsansicht. Aber ungeachtet dessen, ob für die abhängige Beschäftigung
eine starre Einkommensgrenze von 450,01 Euro monatlich gilt oder nicht, fehlt es hier aus den dargestellten Gründen bereits
an einer Beschäftigung im Sinne des § 4 UnbilligkeitsV.
Im Übrigen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil (Seite 8 des Urteilsabdrucks) Bezug, denen er folgt (§
153 Abs.
2 SGG).
Unbilligkeitsgründe nach § 5 UnbilligkeitsV liegen ebenfalls nicht vor. Es ist schon nicht vorgetragen, dass die Klägerin
demnächst eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 4 UnbilligkeitsV aufzunehmen beabsichtigte.
Ermessensfehler bei der angefochtenen Entscheidung über das „Ob“ einer Aufforderung zur Beantragung einer Rente sind weder
vorgetragen noch erkennbar. Der Senat nimmt insoweit ebenfalls vollumfänglich auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung
Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§
153 Abs.
2 SGG).
Die Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen, mit Abschlägen behafteten Altersrente nach dem Regelungssystem des SGB II steht mit dem
Grundgesetz in Einklang (vgl. BSG Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 R – juris, Rn. 45).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision wird gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen.