Zulässigkeit einer Klage gegen einen vorläufigen Bescheid im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), der das Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen hat (§ 174
SGG), ist begründet. Dem Kläger ist für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin nach §
73 a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §§
114 Satz 1,
115,
119 Abs.
1 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nach den genannten Vorschriften davon abhängig, dass die von dem bedürftigen Kläger
beabsichtigte Rechtswahrnehmung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen
sind hier erfüllt. Angefochten ist im Hautsacheverfahren der Bescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2007, mit dem der Beklagte Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II) auf der Grundlage
von §
40 Abs.
1 Nr.
1a SGB II in Verbindung mit §
328 Sozialgesetzbuch (
SGB III) vorläufig gewährt hat und dabei die vom Kläger begehrte Gewährung höherer (vorläufiger) Leistungen abgelehnt hat.
Die Auffassung des SG im angefochtenen Beschluss, diese Klage sei schon unzulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestehe, ist nach vorläufiger
Ansicht des Senats unzutreffend. Die Möglichkeit gegen eine Entscheidung über eine vorläufige Leistung Widerspruch und Klage
zu erheben, ist in Literatur und Rechtsprechung unumstritten. Zwar ist die Bindungswirkung (§
77 SGG) eines solchen Bewilligungsbescheid von vornherein bis zur Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt begrenzt. Ergeht
die endgültige Entscheidung, so erledigt sich dadurch der vorläufige Verwaltungsakt (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes
Buch [SGB X]). Der vorläufige Bescheid regelt aber im Sinne des § 31 SGB X bis zum Erlass des endgültigen Bescheides den Einzelfall. Mit einer Klage kann also die fehlerfreie Ermessensausübung der
Beklagten überprüft werden, hier konkret die Entscheidung der Beklagten, nicht auf Grundlage einer Selbsteinschätzung und
den bereits vorgelegten Unterlagen des Steuerberaters für das Jahr 2006 zu entscheiden, sondern von den Ergebnissen des Jahres
2005 lediglich einen pauschalen Abzug vorzunehmen. Allerdings kann der Kläger einen solchen Anspruch lediglich im Rahmen einer
Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (nicht im Wege der isolierten Anfechtungsklage und nicht im Wege einer Anfechtungs- und
Leistungsklage) geltend machen, worauf im Klageverfahren hinzuwirken sein wird (§
123 SGG). Entgegen der Auffassung des SG ist auch nicht erkennbar, dass ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil einerseits der Bewilligungsabschnitt bereits abgelaufen
ist und andererseits der Steuerbescheid für das Jahr 2007 noch nicht vorliegt, so dass eine abschließende Entscheidung nach
§ 2 a Abs. 4 ALG II-VO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung noch nicht getroffen werden kann. Soweit das SG das Interesse des Klägers an einer günstigeren vorläufigen Entscheidung zwar grundsätzlich anerkennt, ihn insoweit aber auf
einen Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verweisen will, ist dem entgegenzuhalten, dass ein solcher Antrag
nur dort zulässig sein kann, wo auch ein Hauptsacheverfahren zulässig ist. Soweit ein vorläufiger Bescheid nicht wegen der
behaupteten fehlerhaften Ermittlung der vorläufig festgestellten Höhe angegriffen ist, dürfte ein Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes wegen der dann eingetretenen Bindungswirkung des Bescheides dahin, was vorläufig gelten soll, unzulässig sein.
Der zulässigen Klage kommt auch in der Sache die hinreichende Erfolgsaussicht zu. Es bestehen Zweifel daran, dass die Entscheidung
des Beklagten ermessensfehlerfrei ist, abweichend von der üblichen Praxis im vorliegenden Fall der Selbsteinschätzung des
Klägers und den von der für ihn tätigen Steuerberatungsgesellschaft vorgelegten Unterlagen für das Geschäftsjahr 2006 keinerlei
Bedeutung für die Bemessung der Leistungen zuzumessen und die vorläufig gewährten Leistungen allein nach dem zu versteuernden
Einkommen für das Jahr 2005 zu bemessen. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Klägers zu den erheblichen Rückgängen in
seinen Einnahmen unwahr sind, bestehen bislang nicht. Für die Richtigkeit eines erheblichen Umsatzrückgangs gegenüber dem
Jahr 2005 spricht schon, dass erst im laufenden Geschäftsjahr 2006 Leistungen nach dem SGB II beantragt worden sind, obwohl
für davor liegende Zeiträume wohl ebenfalls ein Anspruch auf ergänzende Leistungen bestanden hätte. Eine Auseinandersetzung
mit dem Vortrag des Klägers insoweit fehlt in der angefochtenen Entscheidung gänzlich, so dass Zweifel an der Richtigkeit
der Entscheidung bestehen.
Ergeht im laufenden Klageverfahren eine endgültige Entscheidung über den streitigen Bewilligungszeitraum wird das SG zu prüfen haben, ob die oben dargestellte Ersetzung des vorläufigen Bescheides dazu führt, dass der endgültige Bescheid über
die streitige Leistung Gegenstand des Verfahrens nach §
96 SGG wird, soweit er der Beschwer des Klägers nicht gänzlich abhilft (so zur Ersetzung eines vorläufigen Honorarbescheides durch
einen endgültigen Bescheid BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 23 RdNr. 11).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
73 a SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).