Rechtsanwaltskosten eines Widerspruchsverfahrens
Aufrechnung eines Vergütungsanspruches mit Ansprüchen gegen einen Leistungsempfänger
Gleichartigkeit der Forderungen
Freistellungsanspruch
Verfahrensrechtlicher Aufwendungsersatzanspruch
Tatbestand:
Im Streit sind Rechtsanwaltskosten eines Widerspruchsverfahrens i.H.v. noch 512,22 EUR.
Die 1988 geborene Klägerin zu 1. ist die Mutter der in den Jahren 2007-2015 geborenen Kläger zu 2. - 4 ... Die Klägerin zu
1. lebt mit den Kindern getrennt vom Vater der Kinder. Die Kläger stehen seit geraumer Zeit im Leistungsbezug von Leistungen
zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten.
Mit vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 26. Mai 2015 bewilligte der Beklagte den Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Monate Juni bis November 2015. Diese Bewilligung änderte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 31. August 2015 für
den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis zum 30. November 2015 ab. Gegen diesen Änderungsbescheid erhoben die anwaltlich vertretenen
Kläger mit der Begründung Widerspruch, dass die Kläger zu 2. und 3. zu Unrecht in der Bedarfsgemeinschaft nicht berücksichtigt
worden seien und ein Alleinerziehungsmehrbedarf nicht berücksichtigt worden sei. Zudem beantragten die Kläger beim Sozialgericht
Berlin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine entsprechende höhere Leistungsbewilligung und legten hierbei eine Erklärung
der Klägerin zu 1. und eine Erklärung des Kindesvaters vor, wonach der Kindesvater diese Kinder nur im Rahmen seines Umgangsrechts
zu sich hole. Der Beklagte gab dem Widerspruch mit Bescheid vom 14. Oktober 2015 in vollem Umfang statt und erkannte mit weiterem
Schreiben vom 14. Oktober 2015 die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten und die Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen
Anwaltsgebühren an, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen sind.
Mit Kostennote vom 20. Oktober 2015 machten daraufhin die Kläger Anwaltskosten i.H.v. insgesamt 595 EUR geltend.
Der Beklagte forderte die Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 zur Mitteilung auf, ob sie
(die Anwältin) sich den Gebührenerstattungsanspruch der Kläger hat abtreten lassen oder dieser im Rahmen eines gesetzlichen
Forderungsübergangs auf sie übergegangen sei. Darauf teilte die Prozessbevollmächtigte der Kläger mit, dass weder eine Abtretung
noch ein Forderungsübergang erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 5. November 2015 teilte der Beklagte der Prozessbevollmächtigten mit, dass die mit Schreiben vom 20. Oktober
2015 beantragten Kosten i.H.v. 595 EUR in voller Höhe anerkannt werden. Dieser Kostenerstattungsanspruch werde jedoch mit
Forderungen gegenüber den Klägern aufgerechnet. Hierzu legte der Beklagte eine Aufrechnungserklärung gegenüber den Klägern
vom 5. November 2015 vor. Nach dieser Aufrechnungserklärung bestünden gegen die Kläger zu 1., 2. und 3. Erstattungsforderungen
aus bestandskräftigen Bescheiden der Jahre 2011 bis 2015 in Höhe von insgesamt 237,32 EUR bei der Klägerin zu 1., 115,55 EUR
bei der Klägerin zu 2. und 318,12 EUR bei dem Kläger zu 3 ... Dem stünden jeweils Kostenerstattungsansprüche i.H.v. 198,33
EUR bei den Klägerinnen zu 1. und zu 2. und von 198,34 EUR bei dem Kläger zu 3. gegenüber. Insgesamt ergebe sich daraus lediglich
bei der Klägerin zu 2. ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von noch 82,78 EUR. Diesen Betrag zahlte der Beklagte direkt
an die Prozessbevollmächtigte der Kläger.
Die anwaltlich vertretenen Kläger haben am 25. November 2015 Klage bei dem Sozialgericht Berlin eingelegt. Sie sind der Ansicht,
gegen den Beklagten einen Anspruch auf Freistellung von dem Vergütungsanspruch der Prozessbevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren
zu haben. Die Rechtsanwaltskosten seien zu erstatten, weil der Widerspruch erfolgreich und die anwaltliche Vertretung notwendig
war. Die erfolgte Aufrechnung sei rechtswidrig, weil verschiedene Forderungen miteinander aufgerechnet würden, die nicht im
Zusammenhang stünden. Der Freistellungsanspruch sei nicht gleichartig mit dem Anspruch der Beklagten auf Forderungen gegenüber
den Klägern. Das Honorar der Kläger sei nicht an die Bevollmächtigte entrichtet. Entsprechend entstünde ein Freistellungsanspruch
der Kläger gegen den Beklagten. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz habe in einem vergleichbaren Fall die Unzulässigkeit
der Aufrechnung bestätigt (L 6 AS 188/13).
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von dem Vergütungsanspruch der Prozessbevollmächtigten i.H.v. 512,22 EUR aus der Rechtsanwaltsgebührenrechnung
vom 20.10.2015 zu der Widerspruchsnummer W 96202- 4638/15 freizustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unbegründet; denn die Kläger hätten keinen Anspruch auf Freistellung vom Vergütungsanspruch ihrer Prozessbevollmächtigten
für das Widerspruchsverfahren. Der Kostenerstattungsanspruch sei durch Aufrechnungserklärung vom 5. November 2015 erloschen.
Die Aufrechnung sei rechtmäßig. Insbesondere sei eine Aufrechnungslage gegeben. Die Prozessbevollmächtigte habe ausschließlich
einen Zahlungsanspruch und keinen Freistellungsanspruch geltend gemacht. Außerdem sei die Vorschrift des §
257 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) im Sozialrecht nicht anwendbar. Nach §
257 BGB werde ein Freistellungsanspruch sofort mit der Eingehung der Verbindlichkeit fällig. Vorliegend sei die Beauftragung der
Rechtsanwälte am 2. Oktober 2015 erfolgt, so dass auch die Kostenpflicht der Beklagten gegenüber der Bevollmächtigten zu diesem
Zeitpunkt begründet wurde. Der Abhilfebescheid mit dem hieraus resultierenden Befreiungsanspruch sei aber erst am 14. Oktober
2015 erlassen worden, so dass am 2. Oktober 2015 noch gar kein Befreiungsanspruch entstanden sein konnte.
Das Sozialgericht Berlin hat mit richterlichem Schreiben vom 20. September 2016 darauf hingewiesen, dass die erklärte Aufrechnung
mangels erforderlicher Aufrechnungslage nicht zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs geführt haben dürfte. Insoweit
sei nach §
387 BGB eine Gleichartigkeit der Forderungen notwendig. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X umfasse auch einen Freistellungsanspruch von der Gebührenforderung des Rechtsanwaltes. Mit einem Anspruch auf Befreiung von
einer Verbindlichkeit könne allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht gegen einen Zahlungsanspruch
aufgerechnet werden, auch wenn dies prozessökonomisch erscheine (unter anderem BGH, Urteil vom 28. Juni 1983, IV ZR 285/81).
Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 28. August 2017 den Beklagten antragsgemäß verurteilt, die Kläger von dem Vergütungsanspruch
ihrer Prozessbevollmächtigten i.H.v. 512,22 EUR freizustellen. Die erhobene Leistungsklage sei zulässig und begründet. Die
Kläger hätten gegen den Beklagten einen Freistellungsanspruch aus § 63 SGB X i.V.m. §
257 BGB. Dieser Anspruch sei nicht erloschen, insbesondere nicht durch die Aufrechnungserklärung des Beklagten. Zwar habe der Beklagte
eine Aufrechnung ausdrücklich nach §
387 BGB erklärt. Der Erstattungsanspruch aus § 63 SGB X sei jedoch kein Anspruch auf eine Geldleistung gegen den Beklagten, der mit einem eigenen Anspruch auf Geldleistung aufgerechnet
werden könnte. Es fehle somit an einer Aufrechnungslage, weil es an der vorausgesetzten Gleichartigkeit der Forderungen fehle.
Da die Gebührenrechnung bislang nicht beglichen worden sei, liege nicht ein Zahlungs- sondern ein Freistellungsanspruch vor,
der nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13. Oktober 2016, L 31 AS 1774/16, zitiert nach juris) im Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X enthalten sei. Das Sozialgericht Berlin hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zugelassen.
Gegen das dem Beklagten am 31. August 2017 zugestellte Urteil hat er am 12. September 2017 Berufung bei dem Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg eingelegt. Die Kläger hätten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens obsiegt und einen Kostenerstattungsanspruch
in Höhe von insgesamt 595 EUR gegen den Beklagten. Dem stünden allerdings Erstattungsansprüche des Beklagten gegen die Kläger
in einem Umfang entgegen, der letztlich nach erfolgter Aufrechnung nur noch zu einem Auszahlungsanspruch i.H.v. 82,78 EUR
geführt habe. Ein Freistellungsanspruch liege nicht vor. Ein solcher Anspruch werde aus §
257 BGB hergeleitet, der jedoch auf den verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch nicht anwendbar sei. Der gesetzliche Befreiungsanspruch
nach §
257 BGB werde mit der Eingehung fällig. Diese Vorschrift sei zwar auf materiellrechtliche Kostenerstattungsansprüche, nicht jedoch
auf verfahrensrechtliche Aufwendungsersatzansprüche aus § 63 SGB X anwendbar, weil zum Zeitpunkt der Eingehung die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X noch gar nicht vorlägen (LSG Nordrhein-Westfalen, 04.03.2013, L 19 AS 85/13). Demgegenüber hätten das Sozialgericht und der von ihm zitierte 31. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg Bezug
genommen auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2009 (IX ZR 135/08), der über einen materiell-rechtlichen Schadenersatzanspruch und eben gerade nicht über einen verfahrensrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch
entschieden habe. Wenn aber ein Befreiungsanspruch nicht bestünde, stünden sich zwei Geldforderungen, nämlich die Erstattungsforderungen
des Beklagten aus den benannten Bescheiden und der Kostenerstattungsanspruch der Kläger aus § 63 SGB X gegenüber und führten zum Erlöschen der Forderung.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger vertreten die Ansicht, die Forderungen seien nicht gleichartig und könnten daher nicht aufgerechnet werden und
nehmen zur Begründung Bezug auf ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz mit dem Aktenzeichen L 6 AS 188/13 sowie das bereits zitierte Urteil des 31. Senats des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 13. Oktober 2016. Ein Kostenerstattungsanspruch
nach § 63 SGB X umfasse jedenfalls einen Freistellungsanspruch von diesen Kosten, soweit sie noch nicht beglichen seien.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte
des Beklagten (Band VII, ...), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere trotz des Streitwertes von nur 512,22 EUR statthaft, weil sie vom Sozialgericht zugelassen
worden ist; an diese Zulassung ist das Landessozialgericht gebunden (§
144 Abs.
3 des
Sozialgerichtsgesetzes -
SGG), auch wenn die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache tatsächlich nicht gegeben sein sollte (vergleiche hierzu Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. März 2017, L 18 AS 232/17 NZB, zitiert nach juris).
Die Berufung des Beklagten ist aber unbegründet. Das Sozialgericht Berlin hat zu Recht den Beklagten verurteilt, die Kläger
von dem Vergütungsanspruch ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von weiteren 512,22 EUR freizustellen. Die erhobene Leistungsklage
ist zulässig und begründet. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch ist entstanden (hierzu unter I.), nicht erloschen (hierzu
unter II.) und fällig.
I. Der geltend gemachte Freistellungs-/Vergütungsanspruch ist entstanden.
Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat,
demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen
Aufwendungen zu erstatten (§ 63 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch Gedanken strich SGB X). Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig,
wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs. 2 SGB X).
Vorliegend war der von den anwaltlich vertretenen Klägern gegen den Änderungsbescheid vom 31. August 2015 eingelegte Widerspruch
vom 2. Oktober 2015 in vollem Umfang erfolgreich. Mit Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2015 berücksichtigte der Beklagte
die gerügten Punkte bei der Leistungsbewilligung und bewilligte entsprechend höhere Leistungen. Zudem teilte der Beklagte
mit Schreiben gleichen Datums (vom 14. Oktober 2015) der Prozessbevollmächtigten der Kläger mit, dass dem Widerspruch im vollem
Umfang stattgegeben würde, erkannte die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig an und erklärte sich schließlich
bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag zu erstatten, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen
sind. Schließlich erkannte der Beklagte mit Schreiben vom 5. November 2015 die mit Kostennote vom 20. Oktober 2015 geltend
gemachten Kosten i.H.v. 595 EUR in voller Höhe an.
Danach ist der geltend gemachte Vergütungsanspruch i.H.v. 595 EUR nicht nur nach den gesetzlichen Regelungen entstanden, sondern
sogar von dem Beklagten bereits in voller Höhe anerkannt.
II. Der Vergütungsanspruch ist nicht erloschen.
Der Vergütungsanspruch von 595 EUR ist insbesondere nicht teilweise in Höhe des im hiesigen Verfahren noch geltend gemachten
Betrages von 512,22 EUR durch Aufrechnung erloschen.
Zu der Möglichkeit einer Aufrechnung eines Vergütungsanspruches nach § 63 SGB X mit Ansprüchen des Beklagten gegen die Leistungsempfänger hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bereits mit Beschluss
vom 31. März 2017 (L 18 AS 232/17 NZB, mit weiteren Nachweisen, Rn. 4, zitiert nach juris) zusammenfassend folgendes ausgeführt:
"Es entspricht zunächst gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass im sozialrechtlichen Verfahren die die Aufrechnung
betreffenden zivilrechtlichen Vorschriften der §§
387 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB -, soweit sich aus §§
51 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeine Vorschriften (
SGB I) - nichts Abweichendes ergibt, entsprechende Anwendung finden (vgl. BSG, Urteile vom 12. Juni 2008 - B 3 P 1/07 R - juris Rn. 13, vom 11. Oktober 1979 - 3 RK 88/77 - juris Rn. 13 und vom 25. August 1961 - 1 RA 233/59 - juris Rn. 12f.). Sodann ist ebenfalls höchstrichterlich geklärt, dass es an der Voraussetzung einer gleichartigen Forderung
gemäß §
387 BGB fehlt - danach bewirkt die Aufrechnung, dass Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt als erloschen gelten,
in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind -, wenn eine Geldforderung einem Freistellungsanspruch
gegenüber steht (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - IX ZR 135/08 juris Rn. 3; Urteil vom 6. Juli 1977 - IV ZR 17/76 - Rn. 51; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015 - L 6 AS 288/13 - juris Rn. 31). Nicht anders liegt es hier. Denn da der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X nicht von einer tatsächlich geleisteten Zahlung des Erstattungsgläubigers (hier der Klägerin) abhängt, vielmehr ausreichend
ist, wenn dieser einer Honorarforderung des bevollmächtigten Rechtsanwalts tatsächlich ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 - B 14 AS 60/13 R - juris Rn. 2; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2009 - L 1 AL 13/08 - juris Rn. 34) - soweit der Erstattungsanspruch weder an den Bevollmächtigten abgetreten noch ein Forderungsübergang aus
sonstigen Gründen eingetreten ist - kann auf § 63 SGB X ein auch vorliegend streitgegenständlicher Freistellungsanspruch des Erstattungsgläubigers gegen die zur Kostenerstattung
verpflichtete Behörde gestützt werden, solange dieser den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts noch nicht beglichen hat (vgl.
BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 - B 14 AS 60/13 R - juris Rn. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Oktober 2016 - L 31 AS 1774/16 - juris Rn. 32; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015 - L 6 AS 288/13 - a.a.O. Rn. 26f.). Bei dieser Sachlage kommt es schließlich auf die vom Beklagten des Weiteren formulierten Fragen, ob aus
§ 63 SGB X ein Befreiungsanspruch folge, welcher die Aufrechnung hindere, oder ob die Grundsätze des Befreiungsanspruchs, welche grundsätzlich
aus §
257 BGB hergeleitet würden, auf den verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch des § 63 SGB X überhaupt anwendbar seien, nicht an, da sie, soweit sie nicht ohnehin als geklärt anzusehen sind, jedenfalls nicht entscheidungserheblich
sind. Denn mangels abweichender Rechtsfolgen kann dahinstehen, ob der Freistellungsanspruch aus einer entsprechenden Anwendung
des §
257 BGB folgt - danach kann derjenige, der berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck
macht, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von dieser Verbindlichkeit verlangen - oder er sich
unmittelbar aus Sinn und Zweck des § 63 SGB X ergibt (ebenfalls offengelassen durch BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 - B 14 AS 60/13 R - juris Rn. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Oktober 2016 - L 31 AS 1774/16 - juris Rn. 32). Abweichendes hat auch der Beklagte mit seiner Beschwerde nicht geltend gemacht. Darauf, ob das BSG die aufgeworfenen Rechtsfragen bereits ausdrücklich entschieden hat, kommt es indes nicht an, soweit sich, wie hier, in Bezug
auf die sich stellenden bzw. formulierten Rechtsfragen ausreichende Anhaltspunkte aus höchstrichterlichen Entscheidungen oberster
Bundesgerichte dafür ergeben, wie diese zu beantworten sind (vgl. BSG, Beschlüsse vom 11. Mai 2010 - B 13 R 589/09 B - juris m.w.N. und vom 21. Januar 1993 - 13 BJ 207/92 - juris Rn. 2)."
Dieser dargestellten gefestigten ständigen Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofes (unter anderem Beschluss vom
9. Juli 2009, IX ZR 135/08, zitiert nach juris), des Bundessozialgerichts (Urteil vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 60/13 R, zitiert nach juris) und der Landessozialgerichte (unter anderem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.
Oktober 2016, L 31 AS 1764/16, Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. März 2018, L 2 AS 496/17 und Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015, L6 AS 288/13, jeweils mit weiteren Nachweisen und zitiert nach juris) schließt sich der Senat nach eigener Prüfung als überzeugend an.
Statt im Dreiecksverhältnis die Aufwendungen erst zu tätigen und sie sich dann vom Schuldner ersetzen zu lassen, ermöglicht
dies Ergebnis dem Inhaber eines Aufwendungsersatzanspruches die Befreiung von der Verbindlichkeit zu verlangen, so dass der
Schuldner direkt an den Kostengläubiger zu zahlen hat und schuldenbefreiend leisten kann.
Eine solche Vereinfachung ist auch bei verfahrensrechtlichen Aufwendungsersatzansprüchen sinnvoll und wird in der Regel praktiziert.
So zahlt beispielsweise selbst der Beklagte nach seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung des Senats bei Erstattungsansprüchen
aus § 63 SGB X oder §
193 SGG die Anwaltskosten zur Befriedigung der Aufwendungsersatzansprüche der Kläger nicht an diese selbst, sondern direkt an die
Prozessbevollmächtigten. Und auch im vorliegenden Fall hat der Beklagte das Anwaltshonorar zumindest in Höhe von 82,78 EUR
direkt an die Prozessbevollmächtigte gezahlt und die Kläger insoweit von ihrer Verbindlichkeit freigestellt, nachdem er zuvor
geklärt hat, dass es sich nicht um eigene (beispielsweise abgetretene) Ansprüche der Prozessbevollmächtigten handelte.
Diese Vorgehensweise offenbart zudem ein widersprüchliches Verhalten auf Seiten des Beklagten, der zwar einerseits bei einer
Aufrechnung einen Freistellungsanspruch für nicht gegeben hält, andererseits aber sein Zahlungsverhalten danach richtet. Er
zahlt regelmäßig die den Klägern zustehenden Aufwendungsersatzansprüche direkt an die Prozessbevollmächtigten, wenn diese
eine Auszahlung an sich selbst im Namen der Kläger geltend machen und so letztlich einen Freistellungsanspruch geltend machen.
Dies liegt durchaus im Interesse des Beklagten, da so sichergestellt werden kann, dass die ausgezahlten finanziellen Mittel
der Tilgung des Vergütungsanspruches dienen und von den Klägern (bei einer Auszahlung an sie selbst) nicht anderweitig verbraucht
werden. Damit legt der Beklagte aber letztlich das Bestehen eines Freistellungsanspruches bei den verfahrensrechtlichen Kostenersatzansprüchen
zugrunde, denn nur auf der Grundlage einer Freistellung kann die Zahlung an Dritte (die Prozessbevollmächtigten) zum Erlöschen
der Ansprüche führen, weil nach §
362 Abs.
1 BGB grundsätzlich nur die Leistung an den Gläubiger das Erlöschen des Schuldverhältnisses bewirkt.
Insgesamt bleibt danach festzuhalten, dass ein Aufwendungsersatzanspruch bei einer weiter bestehenden Verbindlichkeit als
Freistellungsanspruch geltend gemacht werden kann und dieser Freistellungsanspruch mangels Gleichartigkeit im Sinne von §
387 BGB mit einer Geldforderung nicht aufgerechnet werden kann. Die entsprechende Aufrechnungserklärung des Beklagten ist mithin
vorliegend unwirksam und führte nicht zum (teilweisen) Erlöschen des Aufwendungsersatzanspruches, so dass der Aufwendungsersatzanspruch
noch in Höhe des hier geltend gemachten (restlichen) Betrages von 512,22 EUR besteht und fällig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1