Übernahme von Mietschulden nach dem SGB II
Drohen baldiger Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit
Umfang der Schuldenübernahme
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren um die Übernahme von Mietschulden nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von (noch) 832,61 €.
Die am 1972 geborene Antragstellerin zu 1) wohnt mit dem am 5. April 1993 geborenen Antragsteller zu 2) und der am 2004 geborenen
Antragstellerin zu 3) unter der im Rubrum angegebenen Anschrift, einer 3-Zimmer-Wohnung mit einer monatlichen Grundmiete in
Höhe von 473,70 €. Nach eigenen Angaben hat die Antragstellerin zu 1) die alleinige Sorgeberechtigung für die Antragstellerin
zu 3).
Die Antragsteller stehen im laufenden Leistungsbezug bei dem Antragsgegner (Bescheid vom 28. Mai 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide
vom 8. Juli 2015, 20. August 2015 und 10. September 2015 - Leistungszeitraum vom 1. Juni 2015 bis 30. November 2915 und zuletzt
Bescheid vom 10. November 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. November 2015 - Leistungszeitraum vom 1. Dezember
2015 bis 30. November 2016).Mit Bescheid vom 27. August 2015 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Antragstellerin
zu 1) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2015 in Höhe von monatlich 718,75 € (Zahlbetrag).
Bis einschließlich Oktober 2015 überwies der Antragsgegner bewilligte Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 473,70
€ direkt an die Vermieterin, die WHG Wohnungsbau- und Hausverwaltungs-GmbH. Ein am 23. Juli 2015 ausgewiesenes Betriebskostenguthaben in Höhe von 234,22 € wurde
(daher) nicht an die Antragsteller ausgezahlt. Ab November 2015 zahlte der Antragsgegner Bedarfe für Unterkunft und Heizung
in Höhe von 325,83 € wieder direkt an die Antragstellerin zu 1) aus, weil diese zunächst mündlich darum bat (Telefonvermerk
vom 10. September 2015) und sodann mit Schreiben vom 15. September 2015, bei dem Antragsgegner am 16. September 2015 eingegangen,
die Direktzahlung an die Vermieterin widerrufen hatte. Der geringere Betrag für Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe
von 325,83 € basiert auf der Anrechnung der Rente wegen voller Erwerbsminderung, worüber die Antragstellerin zu 1) mit Bescheid
vom 10. September 2015 in Kenntnis gesetzt wurde. Darin wies der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1) darauf hin, dass
der Leistungsanspruch ab Oktober 2015 geringer sei als die zu zahlende Miete und die Differenz zur Miete von ihr selbst an
ihre Vermieterin zu zahlen sei.
Mit Änderungsbescheid vom 15. September 2015 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 30. November
2015(wegen der Anrechnung der Erwerbsminderungsrente) Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 325,83 € und wies
darauf hin, dass die Leistungen wegen der am 10. September 2015 von der Antragstellerin zu 1) telefonisch ausgesprochenen
Bitte, die Leistungen nicht mehr an den Vermieter zu überweisen, ab Oktober 2015 an sie (die Antragstellerin zu 1) gezahlt
würden.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 kündigte die Vermieterin gemäß §
543 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) das Mietverhältnis gegenüber der Antragstellerin zu 1) fristlos wegen Zahlungsverzugs. Das Kündigungsschreiben, das die
Vermieterin auch dem Antragsgegner (dort am 7. Dezember 2015 eingegangen) zur Kenntnis gegeben hatte, wies einen Mietrückstand
per 3. Dezember 2015 in Höhe von 1.066,83 € aus. Die Mietsache sei zum 15. Dezember 2015 zurückzugeben. Erfolge dies nicht
fristgemäß würde Räumungsklage erhoben.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1) unter Bezugnahme auf die ihr vorliegende
fristlose Kündigung die Vermieterin und Hinweis auf § 22 Abs. 7 SGB II mit, ab 1. Januar 2016 würden Bedarfe der Unterkunft und Heizung in Höhe von 356,93 € monatlich (wieder) direkt auf das Konto
ihrer Vermieterin überwiesen. Sie (die Antragstellerin zu 1) habe die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht zweckentsprechend
verwendet.
Am 23. Dezember 2015 (Eingangsdatum) beantragten die Antragsteller die Bewilligung eines Darlehens zur Begleichung der Mietschulden
in Höhe von 1.066,83 €.
Am 5. Januar 2016 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) im Wege der einstweilige Anordnung beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern ein Darlehen über 1.066,83 € zum Ausgleich der Mietschulden (für ihre
im Rubrum genannte Wohnung) zu bewilligen. Sie seien davon ausgegangen, dass die Miete weiter durch den Antragsgegner an die
Vermieterin gezahlt werde. Darüber hinaus sei die Erwerbsminderungsrente im September 2015 nicht gezahlt worden. Die Antragstellerin
zu 1) hat zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren eidesstattliche Versicherungen vom 4. Januar 2016 und 7. Januar 2016 beigebracht,
in der sie angibt, kein Vermögen und außer ihrer Rente in Höhe von (rund) 718 € und Unterhalt in Höhe von 309 € sowie Kindergeld
kein Einkommen zu haben. Der Vermieter würde die Begleichung der Mietschulden nur mit Raten in Höhe von 500 € monatlich akzeptieren.
Nach Auffassung des Antragsgegners bestehe kein Anspruch auf ein Darlehen. Die Antragstellerin zu 1) habe gewusst, dass der
Antragsgegner die Miete nicht mehr direkt an die Vermieterin überweist. Durch die fristlose Kündigung drohe auch noch keine
Obdachlosigkeit, zumal ab Januar 2016 zumindest ein Teilbetrag der Miete wieder direkt an den Vermieter überwiesen werde.
Zudem habe die Vermieterin zwischenzeitlich aus einer Betriebskostenabrechnung ein Guthaben in Höhe von 234,22 € zur Tilgung
der Mietschulden einbehalten.
Mit Beschluss vom 3. Februar 2016 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
verpflichtet, den Antragstellern ein Darlehen über 832,61 € zur Begleichung der Mietschulden bei der WHG Wohnungsbau- und Hausverwaltungs-GmbH gemäß § 22 Abs. 8 SGB II zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Die Antragsteller hätten einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da
ihnen bereits fristlos gekündigt worden sei. Ein Anordnungsanspruch sei ebenso glaubhaft gemacht, da die Antragsteller durch
Begleichung der Schulden ihre Wohnung durch Abwendung der Räumungsklage erhalten könnten. Auch bestehe die Gefahr der drohenden
Wohnungslosigkeit. Eine solche bestehe nicht erst bei drohender Obdachlosigkeit, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, in dem
der Leistungsberechtigte die Fortsetzung des Mietverhältnisses selbst nicht mehr in der Hand habe, sondern auf die Bereitschaft
der Vermieterin zur Fortsetzung des Mietverhältnisses angewiesen sei. Das sei hier der Fall. Bei Nichtübernahme der Schulden
sei eine Räumungsklage mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich und werde zu einem Verlust der Wohnung führen. Dass die
Vermieterin die Betriebskostengutschrift in Höhe von 234,22 € einbehalten habe, ändere daran nichts. Führe eine Schuldenlage
zu drohender Wohnungslosigkeit sei die Übernahme der Schulden im Regelfall gerechtfertigt und notwendig. Eine Mietschuldenübernahme
sei dann nicht gerechtfertigt, wenn die zu sichernde Wohnung nicht angemessen sei. Das sei hier nicht der Fall. Auch der Umstand,
dass die Antragstellerin zu 1) selbst die Überweisung der Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Antragsgegner an die
Vermieterin widerrufen habe, stehe einer Übernahme der Mietschulden durch Darlehen nicht entgegen. Vorwerfbares Handeln des
Hilfebedürftigen, dass sie drohende Wohnungslosigkeit mitverursacht haben mag, trete in den Fällen des § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II regelmäßig zurück. Ein atypischer Fall im Sinne eines zielgerichteten Verhaltens der Antragsteller zulasten des Antragsgegners
oder ein Wiederholungsfall liege ebenso nicht vor. Vielmehr habe die Antragstellerin zu 1) eidesstattlich versichert, dass
sie sich um eine Begleichung der Mietschulden bei der Vermieterin bemüht habe, dieser aber nur Raten in Höhe von 500,- € akzeptiere.
Ein Darlehen sei nur in Höhe von 832,61 € zu gewähren. Da die Vermieterin ein Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung einbehalten
habe, bestünden Mietschulden nicht mehr in Höhe von 1.066,83 €.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 3. Februar 2016 und dem Antragsgegner ebenfalls am 3. Februar 2016
zugestellten Beschluss haben sowohl die Antragsteller am 9. Februar 2016 als auch der Antragsgegner am 11. Februar 2016 Beschwerde
erhoben.
Die Antragsteller führen aus, Mietschulden bestünden in Höhe von 1.066,83 €. Das Sozialgericht habe übersehen, dass die Vermieterin
die 234,22 € Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für 2014 bereits verrechnet habe und dennoch zu einer Mietschuld von
(rund) 1.066 € gekommen sei. Insbesondere sei auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der "normale Mieter" sehe seine
Wohnung nämlich bereits mit der Mitteilung von Mietrückständen bedroht. Der Anordnungsgrund sei nicht erst dann anzunehmen,
wenn eine Räumungsklage anhängig gemacht worden oder - worauf der Antragsgegner abstelle - eine Ankündigung der Räumung im
Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt sei. Gerade im letzteren Fall könne eine etwaige Bewilligung eines Darlehens eine fristlose
Kündigung wohl kaum mehr unwirksam machen. Ob die Vermieterin dann die Räumung tatsächlich vollziehe oder nicht, liege in
ihrem Ermessen. Ein Leistungsempfänger hänge somit vom Wohlwollen der Vermieterin ab. Die Antragstellerin befinde sich in
der gleichen Situation, weil auch jetzt noch nicht abzusehen sei, ob die Vermieterin von seinem Recht auf Räumungsklage Gebrauch
machen werde oder nicht. Zu bedenken sei im Falle der Ablehnung eines einstweiligen Rechtsschutzes auch, dass Mieter im Falle
von fehlerhaft berechneten Kosten der Unterkunft gezwungen würden, entweder die Differenzen aus dem Regelsatz zu zahlen oder
eben nicht zu zahlen und damit eine fristlose Kündigung provozierten. Eine Räumungsklage sei im Übrigen mit erheblichen Kosten
von mindestens 1.000,--€ bis 3.000,--€ verbunden.
Der Antragsgegner meint, es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Weder
sei vorgetragen noch ersichtlich, dass eine konkrete Wohnungslosigkeit drohe bzw. unmittelbar bevorstehe. Lediglich aus dem
Umstand, dass Mietschulden vorlägen, sei nicht zu erkennen, dass Obdachlosigkeit drohe. Es gäbe keinerlei Anhaltspunkte dafür,
dass die Vermieterin eine Räumungsklage anhängig gemacht habe; auf § 22 Abs. 9 SGB II sei in diesem Zusammenhang zu verweisen. Der 5. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg habe entschieden, dass
ein Anordnungsgrund im Falle der begehrten Mietschuldenübernahme grundsätzlich erst ab der Ankündigung der Räumung im Wege
der Zwangsvollstreckung angenommen werden könne. Dieser Rechtsprechung schließe sich der Antragsgegner an. Vorliegend sei
mit der Ankündigung der Zwangsvollstreckung zeitnah nicht zu rechnen, da es noch gar keinen Räumungstitel gäbe. Schließlich
sei eine Räumungsklage noch nicht einmal anhängig gemacht worden. Da mangels Räumungstitel eine Wohnungslosigkeit nicht drohen
könne, bedürfe es keiner zusätzlichen Hilfe durch die öffentliche Hand. Dies verkenne die erste Instanz. Das Sozialgericht
stelle nur Vermutungen auf; hinsichtlich einer zu vermutenden Räumungsklage kenne es sogar schon den Ausgang eines solchen
Verfahrens und wisse insoweit auch schon sicher, dass aus diesem (fiktiven) Titel die Räumung der Wohnung vollstreckt werde.
Das erstinstanzliche Gericht verkenne, dass es zwischen dem Umstand des Vorhandenseins von Mietschulden und tatsächlich drohender
Obdachlosigkeit keine direkt adäquat kausale Verbindung gibt, sondern es weiterer Umstände bedarf, um von drohender Obdachlosigkeit
ausgehen zu können.
Der Antragsgegner meint darüber hinaus, dass die Beschwerde der Antragsteller wegen Nichterreichens des Beschwerdewertes unzulässig
sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte
des Antragsgegners (Nr. der BG: ...) verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist unzulässig.
Nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht
zulässig wäre. Die Berufung wäre hier nicht zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro nicht übersteigt
(§
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG). Die Antragsteller begehren die Übernahme weiterer Mietschulden in Höhe von 234,22 €.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§
86b Abs.
2 S. 2
SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den
so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft
macht (§
86 b Abs.
2 S. 4
SGG, §
920 Abs.
2 ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache
nicht vorweggenommen werden.
Vorliegend ist - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und auch der Antragstellerin - bereits ein Anordnungsgrund nicht
glaubhaft gemacht. Eine einstweilige Maßnahme nach §
86b Abs.
2 S. 1
SGG kommt nur in Betracht, wenn "die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte". Dieser so genannte Anordnungsgrund setzt
mithin eine Eilbedürftigkeit voraus. Eine solche Eilbedürftigkeit liegt selbst bei einer Rechtsverletzung nicht zwangsläufig
vor. Entscheidend ist vielmehr, dass neben der behaupteten Rechtsverletzung (der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches)
sich durch diese Rechtsverletzung wesentliche Nachteile konkret abzeichnen. Die bloße Möglichkeit beeinträchtigender Maßnahmen
genügt nicht; es müssen Tatsachen vorliegen, die auf eine unmittelbar bevorstehende Veränderung schließen lassen (Keller in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar
SGG, 11. Aufl., 2014, §
86b Rn. 27a, m.w.N.), die auch nicht vorübergehend hinnehmbar ist.
Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der Kosten
für Unterkunft und Heizung und diesbezüglicher Zahlungsrückstände bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages,
dass eine baldige Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit konkret droht (vgl. Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 23. Dezember 2015, L 2 AS 1622/15 B ER, zitiert nach juris). Das ist in keiner Weise glaubhaft gemacht. Baldige Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit droht nicht
bereits dann, wenn der Mieter - wie die Antragsteller meinen - wegen aufgelaufener Mietschulden subjektiv den Verlust seiner
Wohnung bedroht sieht; insoweit können nur objektive Gründe maßgebend sein. Baldige Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit droht noch
nicht bereits dann, wenn eine Kündigung vorliegt und der Vermieter eine Räumungsklage - wie hier - lediglich angedroht hat.
Allein diese Umstände begründen zwar die Vermutung, dass womöglich in näherer oder weiterer Zukunft Wohnungslosigkeit drohen
könnte; sie führen hingegen in der Regel nicht dazu, dass der Leistungsberechtigte bereits mit konkreter, d.h. tatsächlich
und ernsthaft (kurz) bevorstehender Wohnungslosigkeit rechnen muss. Eine derartige Gefahr dürfte - entgegen der Auffassung
der Antragsteller - in der Regel erst mit Einleitung eines Räumungsverfahrens, sei es frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage
(so LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. März 2012, L 12 AS 352/12 B ER, zitiert nach juris) oder gar erst ab der Ankündigung der Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung (so LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 14. Oktober 2010, L 5 AS 1325/10 B ER, zitiert nach juris) anzunehmen sein. Abschließend braucht das hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls kann der
Mieter einer Wohnung nach den gesetzlichen Bestimmungen des Zivilprozessrechts (zwangsweise) erst dann aus der Wohnung gewiesen
werden kann, wenn der Vermieter einen vollstreckbaren Räumungstitel gegen ihn erworben hat (§
704 ZPO). Bei (bloßer) Kündigung oder Klageandrohung ist in der Regel noch nicht ausreichend klar, ob die Vermieterin tatsächlich
zu einer Räumung als letztem Mittel der Wahl greifen würde oder ob Kündigung bzw. Klageandrohung nicht vielmehr (zunächst)
dem Zweck dienen, den Mieter mit höchstem Nachdruck zur Erfüllung seiner Mietpflichten zu bewegen. Nach den eigenen Ausführungen
der Antragstellerin ist eine Räumungsklageoffensichtlich (noch) nicht anhängig gemacht worden, so dass die Schwelle zur drohenden
Obdachlosigkeit in keiner Weise erreicht ist. Dies mag daran liegen, dass der Antragsgegner ab 1. Januar 2016 Bedarfe für
Unterkunft und Heizung zumindest teilweise (in Höhe von 356,93 €) wieder direkt an die Vermieterin der Antragsteller auszahlt;
dass ab Januar 2016 weitere Mietschulden über die von den Antragstellern zu zahlende Differenz zur Miete (473,70 €) in Höhe
von 116,77 € monatlich, aufgelaufen sind, ist nicht vorgetragen. In Anbetracht eines Gesamteinkommens in Höhe von 1.211,75
€ (718,75 € Erwerbsminderungsrente, 309,- € Unterhalt, 184,- € Kindergeld) dürfte es auch möglich sein, diesen monatlichen
Differenzbetrag aufzubringen. Die Antragstellerin verkennt, dass die bloße Existenz von Mietschulden bei in der Hauptsache
noch ungeklärter Anspruchsberechtigung nicht den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigt, deren Wiedererlangung auch bei
Gewährung als Darlehen keinesfalls sichergestellt ist.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat aber auch deshalb keinen Erfolg, weil es - jedenfalls bei der im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung - an einem Anordnungsanspruch fehlt. Die Voraussetzungen für die
begehrte Übernahme der Mietschulden nach § 22 Abs. 8 SGBII durch Gewährung eines Darlehens liegen - entgegen der Auffassung
des Sozialgerichts - nicht vor.
Nach dieser Vorschrift können Mietschulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer
vergleichbaren Notlage erforderlich ist (Satz 1). Sie sollen (gebundenes Ermessen) übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt
und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Gerechtfertigt ist dabei nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) eine Schuldenübernahme nur dann, wenn die Kosten der zu sichernden Unterkunft in den Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs. 1 SGB II liegen. Zutreffend weist das BSG diesbezüglich darauf hin, dass der mit der Schuldenübernahme bezweckte langfristige Erhalt der Wohnung nur dann gerechtfertigt
sein kann, wenn die (künftigen) laufenden Kosten dem entsprechen, was weiterhin vom Träger der Grundsicherung als angemessene
Kosten der Unterkunft zu übernehmen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010, B 14 AS 58/09 R, bei juris Rn. 26 und 30 zur wortgleichen Vorgängerregelung des § 22 Abs. 5 a.F.).
Nach diesen Regelungen ist weder ein Anordnungsanspruch auf der Grundlage von § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II noch auf der Grundlage von § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II überwiegend wahrscheinlich und damit glaubhaft gemacht.
Denn drohende Wohnungslosigkeit bedeutet den drohenden Verlust der bewohnten, kostenangemessenen Wohnung bei fehlender Möglichkeit,
ebenfalls angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten (BSG, Urteil vom 17. Juni 2010, a.a.O., Rn. 28ff). Dass die Antragsteller (in kurzer Frist) keine andere kostenangemessene Wohnung
finden können, ist - jedenfalls ohne konkreten und durch Fehlanzeigen belegten Vortrag - nicht zu unterstellen, wie es das
Sozialgericht aber getan hat.
Zudem ist auch eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II allenfalls dann gerechtfertigt, wenn durch die Schuldenübernahme der Verlust der Wohnung abgewendet werden kann (Luik in
Eicher, Kommentar SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 248, m.w.N.). Dies ist vorliegend bereits deshalb zweifelhaft, weil bereits die Kündigung der Wohnung durch den Vermieter
erfolgte. In dem Kündigungsschreiben vom 3. Dezember 2015 hat die Vermieterin der stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses
über den Kündigungszeitraum (Rückgabe der Mietsache zum 15. Dezember 2015) hinaus ausdrücklich widersprochen.
Auch die Glaubhaftmachung eines Anspruches aus § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II ist nicht gelungen. Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Regelung dem Antragsgegner eine Ermessensentscheidung
eröffnet, indem sie ihn berechtigt, auch Schulden übernehmen zu "können" (vgl. auch Luik in Eicher, a.a.O., § 22 Rn. 247).
Bei einer Ermessensentscheidung prüft das Gericht nur, ob ein Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler
beschwert ist; das Gericht darf bei der Überprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen;
es findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsprüfung statt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., 2014, §
54 Rn. 28).
Auch im Rahmen von § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II gilt der Grundsatz, dass eine Übernahme von Schulden nicht gerechtfertigt ist, wenn gleichwohl der Verlust der Wohnung nicht
mehr abgewendet werden kann. Insofern wird auf die obigen Ausführungen zu § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II verwiesen. Das Sozialgericht führt zwar zu Recht aus, dass in dem Widerruf der Abtretungserklärung selbst noch nicht zwingend
ein vorwerfbares Verhalten zu sehen ist. Es ist aber hinreichend klar, dass die Rückstände darauf beruhen, dass die Antragstellerin
zu 1) die bewilligten Bedarfe für Unterkunft und Heizung (nach ihrem Widerruf der Abtretungserklärung an die Vermieterin)
nicht zweckentsprechend für die Miete, sondern für andere Dinge verwandt hat. Der Einwand, sie (die Antragsteller) seien immer
davon ausgegangen, der Antragsgegner würde "die Miete" - wie bereits seit 2014 -und "mangels anderer Kenntnisse" direkt an
den Vermieter auszahlen, sodass sie von etwaigen Mietschulden keine Kenntnis, diese erst anlässlich der fristlosen Kündigung
erhalten zu haben, verfängt nicht. Die Antragstellerin zu 1) selbst hat zunächst fernmündlich am 10. September 2015 die Auszahlung
an sich erbeten und sodann mit Schreiben vom 15. September 2015 die "Abtretung an die W" (Direktzahlung an die Vermieterin)
widerrufen. In dem Bescheid vom 10. September 2015 hat der Antragsgegner die Antragsteller darauf hingewiesen, dass der Leistungsanspruch
ab Oktober 2015 (wegen der Anrechnung der Erwerbsminderungsrente als Einkommen) geringer sei als die zu zahlende Miete und
die Differenz zur Miete von ihr selbst an ihre Vermieterin zu zahlen sei. In dem weiteren Änderungsbescheid vom 15. September
2015 hat der Antragsgegner abermals darauf hingewiesen, dass die Leistungen wegen der am 10. September 2015 von der Antragstellerin
zu 1) telefonisch ausgesprochenen Bitte, die Leistungen nicht mehr an die Vermieterin zu überweisen, ab Oktober 2015 an sie
(die Antragstellerin zu 1) gezahlt würden. Von der behaupteten Unkenntnis kann wohl insoweit keine Rede sein.
Nach alledem war der Beschwerde des Antragsgegners stattzugeben und die Beschwerde der Antragsteller zurückzuweisen.
Durch diesen Beschluss hat sich der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Sozialgerichts
(§
199 Abs.
2 SGG) erledigt.
Mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§
73a SGG in Verbindung mit §
114 der
Zivilprozessordnung -
ZPO) kam eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht.
Die Regelung des §
119 Abs.
1 Satz 2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) war vorliegend nicht anwendbar, weil nicht der Gegner das Rechtsmittel eingelegt und damit das Beschwerdeverfahren eingeleitet
hat, sondern die Antragsteller. Für die anschließend auch vom Antragsgegner erhobene (Anschluss-) Beschwerde kam daher schon
deshalb eine Bewilligung unter Anwendung der Privilegierung des §
119 Abs.
1 Satz 1
ZPO nicht in Betracht, weil das Beschwerdeverfahren bereits anhängig war und damit auch die anwaltlichen Kosten bereits entstanden
waren. Denn für die Entstehung der Gebühren ist auf die bereits erfolgte Auftragserteilung abzustellen (vgl. §§ 15 und 50 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz- RVG, siehe auch Vorbemerkung 3 Abs. 1 VV-RVG). Außerdem erfolgt in Verfahren vor der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 3 RVG regelmäßig eine Vergütung nach Beitragsrahmengebühren und nicht nach dem Gegenstandswert, sodass eine Aufteilung nach dem
jeweiligen Begehren und damit eine anteilige Bewilligung von Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht in Betracht kommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).