Bewilligung einer Fahrtkostenerstattung nach dem SGB II zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins bei einem Finanzgericht
Unzulässigkeit einer Berufung wegen Nichterreichen des Beschwerdewertes
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe:
Die Kläger begehren die Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. Juli
2020. In der Hauptsache begehren die Kläger die Bewilligung einer Fahrkostenerstattung i.H.v. 71,00 EUR zur Wahrnehmung eines
Gerichtstermins bei dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg in Cottbus am 6. November 2019.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2020 die Klage gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 11. November
2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2020 abgewiesen. Für das Begehren einer Kostenerstattung für die
Fahrt zum Finanzgericht gebe es im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) keine Grundlage. Das Vorbringen der Kläger erschöpfe sich in einer Aneinanderkettung von Textbausteinen, die die Kläger
in einer Vielzahl ihrer zahlreichen Rechtsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) verwenden, die allerdings
mit dem jeweilig konkreten Verfahren nicht im Entferntesten etwas zu tun hätten. Diese Textbausteine seien danach insgesamt
nicht zielführend.
Gegen den den Klägern am 9. Juli 2020 zugestellten Gerichtsbescheid haben Sie am 5. August 2020 Nichtzulassungsbeschwerde
erhoben und im wesentlichen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages vorgetragen, auf ihre umfangreichen Darlegungen
gehe das Gericht nicht ein und verletzte daher den Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie seien offensichtlich Opfer eines Staatsverbrechens
geworden.
Die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig.
Nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistung
für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG). Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden (§
145 Abs.
1 Satz 1
SGG); diese ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder
zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen (§
145 Abs.
1 Satz 2
SGG). Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss (§
145 Abs.
4 Satz 1
SGG).
Diese Regelungen gelten entsprechend §
105 Abs.
1 Satz 3
SGG auch bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid, wobei den Beteiligten insofern ein Wahlrecht zwischen einer Nichtzulassungsbeschwerde
und dem Antrag auf mündliche Verhandlung nach §
105 Abs.
2 Satz 2
SGG zusteht (Schmidt in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt,
SGG, 13. Auflage, 2020, §
105 Rn. 16 mit weiteren Nachweisen).
Vorliegend ist die Berufung nach §
144 Abs.1 Satz 1 Nr. 1
SGG nicht zulässig, weil ein Beschwerdewert von 750 EUR nicht überschritten wird und der Rechtsstreit keine wiederkehrenden oder
laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG). Im Streit ist ein Betrag von insgesamt 71 EUR für Fahrtkosten zu einem Gerichtstermin.
Damit ist die auch frist- und formgemäß erhobene Nichtzulassungsbeschwerde insgesamt statthaft.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach §
144 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts,
des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die
Entscheidung beruhen kann.
Diese Voraussetzungen sind sämtlich nicht erfüllt.
Das Urteil weicht nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats
der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (Divergenz) und der Rechtssache kommt keine grundsätzliche
Bedeutung zu.
Der allein von den Klägern geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne von §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG liegt ebenfalls nicht vor; insbesondere wurde der Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.
Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht
sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, sondern auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil
(Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 31 ff. mit weiteren Nachweisen). Die angefochtene Entscheidung muss auf dem Verfahrensmangel
beruhen können und ausdrücklich gerügt werden (Leitherer, a.a.O., §
144 Rn. 35 f. mit weiteren Nachweisen). Eine Verletzung kann gemäß §
202 SGG i.V.m. §
295 ZPO nicht gerügt werden, wenn der Beteiligte auf die Befolgung der verletzten Vorschrift verzichtet hat oder wenn er die Verletzung
nicht bei der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt hat (Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 33a mit weiteren Nachweisen).
Die Kläger weisen in ihrer Beschwerdeschrift selbst insoweit zutreffend auf den von ihnen im Klageverfahren erfolgten Klagevortrag
hin. Bereits im Klageverfahren haben die Kläger umfangreich ihre Ansicht vorgetragen, Opfer eines Staatsverbrechens geworden
zu sein. Dass dieser Vortrag von dem Sozialgericht nicht zur Kenntnis genommen wurde, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil
hat das Sozialgericht ausweislich der Entscheidungsgründe (Seite 5, letzter Absatz) das Vorbringen der Kläger durchaus zur
Kenntnis genommen, es jedoch als entscheidungsunerheblich angesehen. Ob die von den Klägern vertretene Rechtsansicht von dem
Gericht geteilt wird, muss das Gericht vor seiner Entscheidung weder offenlegen (siehe Keller, a.a.O., § 62 Rn. 8e, mit weiteren
Nachweisen), noch ist es gehindert, eine andere Rechtsansicht in seiner Entscheidung zu vertreten. Und schließlich kann sich
das Gericht nach §
136 Abs.
1 SGG in seiner Entscheidung auf die wesentlichen Streitpunkte und das zentrale Vorbringen beschränken (Keller, a.a.O., § 136 Rn.
7, mit weiteren Nachweisen). Es muss nicht zu jedem Beteiligtenvortrag Stellung nehmen, wenn dieser offensichtlich unerheblich
ist oder sich aus dem Urteil zweifelsfrei ergibt, dass und warum das Gericht das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung
für unerheblich gehalten hat (Keller, a.a.O., § 136 Rn. 7a). Letzteres ist vorliegend der Fall. Wie auch der Vortrag im Beschwerdeverfahren
zeigt, nutzen die Kläger Textbausteine, die mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun haben und daher unerheblich für die Entscheidung
sind.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs.
1 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).
Mit der Ablehnung der Beschwerde wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. Juli 2020 rechtskräftig
(§
105 Abs.
1 Satz 3
SGG, §
145 Abs.
4 Satz 4
SGG).