Übernahme einer Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung im Rahmen von SGB-II-Leistungen
Prüfung der Angemessenheit von Wohnkosten
Einzelfallprüfung
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch Übernahme einer Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2011, für das bei der Bedarfsberechnung
lediglich die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt wurden, vom 22. April 2013.
Die 1979 geborene Klägerin bezieht seit 2009 Leistungen nach dem SGB II. Unter dem 31. Januar 2009 schloss die Klägerin einen Mietvertrag über eine 40 Quadratmeter große Einzimmerwohnung zu einer
damaligen monatlichen Kaltmiete in Höhe von 300,00 EUR sowie Betriebskosten in Höhe von 90,00 EUR.
Im gesamten Jahr 2011 zahlte der Beklagte der Klägerin - nachdem ihr bereits im Jahr 2009 eine Kostensenkungsaufforderung
erteilt worden war - Leistungen unter Berücksichtigung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 378,00
EUR.
Im November 2013 beantragte die Klägerin die Übernahme der sich aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2011 vom 22. April
2013 ergebenden Nachforderung in Höhe von 188,29 EUR. Aus dieser Nebenkostenabrechnung ergab sich, dass die Klägerin im Jahr
2011 monatliche Vorauszahlungen auf die Nebenkosten i. H. v. 1080,00 EUR (monatlich 90,00 EUR x 12) gezahlt hatte. Die tatsächlichen
Betriebskosten, in denen Heizkosten i. H. v. 16,93 EUR monatlich (90,85 EUR Grundkosten Heizung zzgl. 112,22 EUR Verbrauchskosten
Heizung = 203,07 EUR jährlich: 12 Monate) enthalten waren, beliefen sich auf 1268,29 EUR jährlich bzw. 105,69 EUR monatlich.
Hierdurch ergab sich eine Differenz zwischen Vorauszahlungen und tatsächlichen Kosten i. H. v. 188,29 EUR, die der Vermieter
nachforderte.
Den Antrag auf Übernahme dieser Nachforderung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. November 2013 ab und führte zur Begründung
unter anderem aus, dem Antrag auf Übernahme der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für den Abrechnungszeitraum 1. Januar bis
31. Dezember 2011 könne gemäß § 22 Abs. 1 SGB II nicht entsprochen werden. Die Klägerin erhalte im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II unter anderem Kosten für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen übernommen, soweit diese angemessen seien.
Für die Leistungen nach § 22 SGB II sei das Land Berlin als kommunaler Träger zuständig. In Berlin richte sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach
den diesbezüglichen Ausführungsvorschriften (AV-Wohnen) der zuständigen Senatsverwaltung. Danach dürfe die Bruttowarmmiete
für einen 1-Personen-Haushalt einen Betrag von monatlich 378,00 EUR nicht übersteigen. Die Bruttowarmmiete beinhalte die Kaltmiete,
die Betriebskosten und die Heizkosten. Die Klägerin habe sich trotz des Hinweises dazu entschlossen, nicht in eine günstigere
Wohnung umzuziehen, sondern ihre Wohnung beizubehalten. Infolgedessen sei ihre Miete in Anwendung der AV-Wohnen auf die vorstehend
genannte Bruttowarmmiete festgesetzt worden. Weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung sehe das SGB II nicht vor.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 25. November 2013 Widerspruch ein und führte zur Begründung unter anderem aus,
selbst wenn ihre Unterkunftskosten die von dem Beklagten für maßgeblich gehaltene Angemessenheitsgrenze überschreiten sollten,
so folge hieraus nicht, dass sich der Leistungsträger deshalb nicht an einer Betriebskostennachforderung zu beteiligen habe.
Überstiegen die tatsächlichen Unterkunftskosten die vom Leistungsträger für angemessen erachteten Kosten, so folge daraus
nicht, dass für die Zeit, für die nur noch die vermeintlich angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten übernommen worden seien,
keine Erstattung einer Betriebskostenforderung verlangt werden könne. Vielmehr müsse der Leistungsträger anteilig die Forderung
aus der Betriebskostenabrechnung insoweit übernehmen, als er die Unterkunfts- und Heizkosten erbracht habe (vergleiche SG
Berlin, Urteil vom 25. März 2010, S 128 AS 9212/09). Überstiegen die tatsächlichen Unterkunftskosten im Jahr 2011 mit 390,00 EUR die vom Beklagten für angemessen erachteten
Unterkunftskosten von 378,00 EUR um 12,00 EUR, so erbringe der Beklagte 96,9 % der gesamten Unterkunftskosten und habe mithin
auch für 96,9 % der Nachforderung aufzukommen.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2014 zurück und führte zur Begründung unter anderem
aus, die Klägerin sei im Februar 2009 in eine neue Wohnung gezogen, deren Miete beim Einzug 390,00 EUR betragen habe. Damals
seien die angemessenen Kosten nach der AV-Wohnen 360,00 EUR gewesen. Dies sei der Klägerin bekannt gewesen. Im Mietvertrag
sei sogar aufgenommen worden, dass sie die Differenz zu 360,00 EUR selbst trage. Ab 1. März 2009 seien die angemessenen Kosten
der Unterkunft durch die neue AV-Wohnen auf 378,00 EUR angepasst worden. Der Klägerin sei in mehreren Bescheiden mitgeteilt
worden, dass Betriebskostenabrechnungen aufgrund der festgesetzten Miete nicht übernommen würden. Demnach sei der Klägerin
spätestens im Juni 2009 bekannt gewesen, dass Betriebskostennachzahlungen nicht vom Jobcenter getragen werden könnten. Gegen
die Bewilligungsbescheide sei kein Rechtsbehelf eingelegt worden. Alle Bescheide seit 2009 seien bindend geworden. Aufgrund
dessen, dass nach § 22 Abs. 1 SGB II nur Kosten der Unterkunft erbracht würden, soweit diese angemessen seien, schließe dieses dann auch die Übernahme der Forderung
aus Betriebskostenabrechnungen aus. Eine Übernahme der Forderungen aus Betriebskostenabrechnungen würde die Regelung der Absenkung
der Kosten der Unterkunft auf das angemessene Maß außer Kraft setzen. Auch nach den Ausführungsvorschriften zur Gewährung
von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) vom 6. August 2013 seien Nachzahlungen für Zeiträume, in denen die Kosten der Wohnung nach Durchführung des Kostensenkungsverfahrens
auf das angemessene Maß reduziert worden seien, nicht zu übernehmen.
Die anschließende Klage, mit der die Klägerin erneut geltend gemacht hatte, der Beklagte habe die Unterkunftskosten zu 96,92
% übernommen, sodass er auch einen 96,92 % entsprechenden Anteil der Nachforderung in Höhe von 188,29 EUR, mithin einen Betrag
in Höhe von 182,49 EUR, übernehmen müsse, hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 5. Juni 2015 abgewiesen und die Berufung
zugelassen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin sei § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Hiernach würden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen
seien. Eine Betriebs- oder Heizkostennachforderung sei Bestandteil der Unterkunftskosten im Monat der Fälligkeit der Forderung,
hier im April 2013. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf die Übernahme weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung.
Der Beklagte habe im Jahr 2011 bereits mehr Kosten für Unterkunft und Heizung insgesamt bewilligt, als für die Klägerin im
Jahr 2011 angemessen und damit durch den Beklagten zu übernehmen gewesen wären. Die Klägerin habe im Jahr 2011, dem Jahr,
in dem die zu übernehmende Betriebskostenabrechnung entstanden sei, tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe
von 390,00 EUR gehabt. Im Jahr 2011 seien nach Ansicht des Gerichts die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für
- wie vorliegend - einen Ein-Personen-Haushalt eine Bruttokaltmiete von 322,50 EUR zuzüglich der tatsächlich angefallenen
Heizkosten in Höhe von monatlich 16,93 EUR, mithin insgesamt eine Bruttowarmmiete in Höhe von 339,42 EUR gewesen. Ob die Aufwendungen
für die Wohnung angemessen seien, sei für das Gericht nicht anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener
Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II des Beklagten (AV-Wohnen) zu bestimmen (vergleiche BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R). Die Angemessenheitsprüfung setze eine Einzelfallprüfung voraus und habe für die Unterkunftskosten und für die Heizkosten
getrennt zu erfolgen (vergleiche Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006, B 7b AS 18/06 R, sowie vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R, Rn. 18, zitiert nach juris). Die Berechnung ergebe sich aus dem Produkt der für die hier zu berücksichtigende Haushaltsgröße
höchstens angemessenen Wohnungsgröße von 50 m² und der angemessenen Bruttokaltmiete, die sich aus der Nettokaltmiete und den
kalten Betriebskosten zusammensetze und betrage 322,50 EUR (50 m² mal 6,45 EUR [4,91 EUR + 1,54 EUR]). Hierbei lege die Kammer
die von Schifferdecker/Irgang/Silbermann (Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin. Ein Projekt von Richterinnen und Richtern
des Sozialgerichts Berlin, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit Nr. 1/2010 Seite 28-42; bestätigt durch
BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R, B 14 AS 65/09 R, B 14 AS 2/10 R, zitiert jeweils nach juris) ermittelten Werte zu Grunde. Zusätzlich seien vom Grundsicherungsträger angemessene Heizkosten
zu übernehmen. Nach Addition der höchstens als angemessen anzusehenden Bruttokaltmiete von 322,50 EUR sowie den maßgeblichen
Heizkosten von 16,93 EUR ergebe sich eine abstrakt angemessene Bruttowarmmiete von höchstens 339,42 EUR. Die Klägerin habe
mithin einen Anspruch auf angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung im Jahr 2011 in Höhe von monatlich 339,42 EUR gehabt.
Der Beklagte habe bereits einen Betrag in Höhe von 378,00 EUR monatlich und damit, berechnet für das gesamte Jahr 2011, 462,96
EUR weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt. Der Betrag der streitigen Nachforderung von 188,29 EUR bzw. nach
Klageantrag geforderten 182,49 EUR sei von dem Betrag von 462,96 EUR erfasst. Ein weiterer Leistungsantrag auf Übernahme (auch
nur teilweise) der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2011 bestehe nicht.
Gegen das ihr am 11. Juni 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Juni 2015 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
eingelegt. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, ihrem geltend gemachten Anspruch stehe nicht entgegen, dass die Unterkunftskosten
im Abrechnungsjahr (vermeintlich) unangemessen ausgefallen seien. Das BSG habe diese Frage ausdrücklich offen gelassen und im Urteil vom 20. Dezember 2011 (B 4 AS 9/11 R) ausgeführt: "Eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X kann nicht mit der Argumentation verneint werden, der Leistungsberechtigte habe für den Entstehungszeitraum der Nebenkosten
keine höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen können, weil der Leistungsträger mit der Aufforderung zur
Kostensenkung die Unangemessenheit der damaligen Unterkunftskosten festgestellt hat. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen
wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn die Kosten im Entstehungszeitpunkt unangemessen sind (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011, B4 AS 9/11 R)." Wenn man vorliegend unterstelle, die tatsächlichen Unterkunftskosten hätten im Abrechnungsjahr tatsächlich die maßgebliche
Angemessenheitsgrenze überschritten, so folge hieraus nicht, dass für die Zeit, für die nur noch die angemessenen Unterkunfts-
und Heizkosten übernommen worden seien, keine Erstattung einer Betriebskostenforderung verlangt werden könne. Vielmehr müsse
der Leistungsträger anteilig die Forderung aus der Betriebskostenabrechnung insoweit übernehmen, als er die Unterkunfts- und
Heizkosten erbracht habe. Ein anderes Verständnis führe zu Wertungswidersprüchen: der Hilfebedürftige bekäme in Fällen der
vorliegenden Art eine Forderung aus einer Betriebskostenabrechnung in vollem Umfang erstattet, entspreche die Warmmiete exakt
dem Angemessenheitsgrenzwert. Bei nur geringfügigem Überschreiten dieser Angemessenheitsgrenze bekämen die Hilfebedürftigen
die Forderung aus einer Betriebskostenabrechnung gar nicht, auch nicht anteilig, erstattet. Diese "alles-oder-nichts"-Lösung
finde im Gesetz keine Stütze (vergleiche SG Berlin, Urteil vom 25. März 2010, S 128 AS 9212/09). Selbst bei einer wirksamen Kostensenkung könne der Gesamt-Richtwert nicht als Grenzwert für Nachforderungen aus Zeiträumen
nach der Kostensenkung verstanden werden. Dies liefe auf eine unzulässige Pauschalierung von Neben- oder Heizkosten hinaus.
Es liege auf der Hand, dass die Absenkung auf einen abstrakt angemessenen Produktwert aus angemessener Wohnfläche x [angemessene
Kaltmiete plus angemessene Betriebskosten/Quadratmeter] nicht zur Folge haben könne, dass Neben- oder Heizkostennachforderungen,
die auf Preissteigerungen für Energie oder höhere Gebühren etwa für die Abfallbeseitigung beruhten und daher auf die Bestimmung
der abstrakten Produktpreisfaktoren durchschlagen würden, nur noch zum Teil bzw. mit veralteten Werten übernommen werden könnten.
Noch deutlicher werde die Unzulässigkeit einer Begrenzung der Unterkunftskosten auf feste Bruttowarmmietbeträge, wenn man
sich die Abhängigkeit der Betriebs- und Heizkosten von unbeeinflussbaren Außenfaktoren wie der Wetterlage, Bauisolierung,
Mehrwertsteuer- oder Gebührenerhöhungen etc. vor Augen halte. Ein bestandskräftig gewordener Kostensenkungsbetrag könne sich
daher allenfalls anteilig nach der Formel [angemessene/tatsächliche Bruttokaltmiete] mal Betriebs- und Heizkostennachforderung
auf die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung auswirken (vergleiche SG Berlin, Urteil vom 22. Februar 2013,
S 37 AS 30006/12). Das Sozialgericht habe sich in seiner Entscheidung vom 5. Juni 2015 mit dieser Argumentation nicht auseinandergesetzt.
Übertragen auf den vorliegenden Fall ergebe sich folgende Berechnung: überstiegen die tatsächlichen Unterkunftskosten im Jahr
2011 mit 390,00 EUR die vom Beklagten für angemessen erachteten Unterkunft Kosten von 378,00 EUR um 12,00 EUR, so erbringe
der Beklagte 96,92 % der gesamten Unterkunftskosten und habe mithin auch für 96,92 % der Nachforderung, mithin 182,49 EUR
aufzukommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Juni 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13. November 2013 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die Nachforderung
aus der Heiz- und Betriebskostenabrechnung vom 22. April 2013 in Höhe von 182,49 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst
Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakten des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das erstinstanzliche Urteil und der angefochtene Bescheid des
Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Übernahme
der Heiz- und Betriebskostennachzahlung 2011.
Gegenstand des Rechtstreits sind lediglich die geltend gemachten weiteren KdU aufgrund der Heiz- und Betriebskostennachforderung,
weil die Klägerin in ihrem Antrag den Streitstoff ausdrücklich auf höhere KdU beschränkt hat (zur Zulässigkeit einer derartigen
Beschränkung siehe schon BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 8/06 R, Rdnr. 18 ff, zitiert nach juris).
Die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids misst sich an § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung iVm §
330 Abs.
3 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (
SGB III) und § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, hier die oben genannten Bewilligungsbescheide für das Jahr 2011, aufzuheben, soweit in den tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt
soll nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Hierzu ist der Anspruch auf KdU dem Grunde und
der Höhe nach zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 62/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 38).
Mit der Geltendmachung der Nebenkostennachforderung durch den Vermieter ist eine rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse eingetreten. § 22 Abs. 1 SGB II erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige KdU (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, Az. B 14/7b AS 58/06 R, zitiert nach juris). Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf
im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen. Nachzahlungen gehören demzufolge
zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2010, Az. B 4 AS 62/09 R) - hier April 2013. Dabei beurteilt sich die Rechtslage, also Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs, allein nach
den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Zeitraums, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen
Sinne zuzuordnen ist, mithin hier dem Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Dezember 2011. Für eine derartige Auslegung spricht
schon die Überlegung, dass der Leistungsberechtigte allein in diesem Zeitraum die Unterkunfts- und Heizungskosten im Sinne
seiner Obliegenheit zur Kostensenkung beeinflussen konnte. Nur eine derartige Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II wird ferner der den Vorschriften innewohnenden Schutzfunktion gerecht (vgl. BSG, Urteil vom 06. April 2011, Az. B 4 AS 12/10 R, zitiert nach juris).
Der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Nachzahlung von Betriebskosten scheitert bereits an der vorliegend vom Beklagten
rechtmäßig vorgenommenen Begrenzung auf die angemessenen Kosten der Unterkunft auf der Grundlage der Kostensenkungsaufforderung,
nach der der Beklagte der Klägerin jedenfalls keine zu geringen Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt hat.
Ob die Aufwendungen für die Wohnung angemessen sind, ist für das Gericht nicht anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung
angemessener Kosten der Wohnung gem. § 22 SGB II des Beklagten (AV-Wohnen) zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil v. 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R, zitiert nach Juris RN 26; sowie zur WAV BSG, Urteil vom 04. Juni 2014, B 14 AS 53/13 R, zitiert nach Juris). Die Angemessenheitsprüfung setzt eine Einzelfallprüfung voraus und hat für die Unterkunftskosten
und für die Heizkosten getrennt zu erfolgen (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 18/06 R, sowie vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R, zitiert nach Juris RN 18,). Nach Überzeugung des Gerichts ist für einen 1-Personen-Haushalt im Jahr 2011 - wie bereits
vom Sozialgericht zutreffend dargelegt - eine Bruttokaltmiete von 322,50 EUR abstrakt angemessen. Diese berechnet sich aus
dem Produkt der für die hier zu beurteilende Haushaltsgröße höchstens angemessenen Wohnungsgröße und der pro Quadratmeter
angemessenen Beträge für die Nettokaltmiete und die kalten Betriebskosten und ergibt die als angemessen zu erachtende Summe
der Nettokaltmiete (50 qm x 4,91 EUR) i. H. v. 245,50 EUR und der kalten Betriebskosten (50 qm x 1,54 EUR) i. H. v. 77,00
EUR. Diese Werte wurden auf Grundlage des qualifizierten Berliner Mietspiegels des Landes Berlin 2011 (Amtsblatt für Berlin
2011, Nr. 22 vom 30.05.11) und dem darin angegebenen durchschnittlichen Berliner Betriebskostenwert errechnet. Dabei wurden
die Kaltmietwerte jeweils nach dem Verhältnis der den Wohnungsangaben zugrundeliegenden Wohnungsanzahl zum insgesamt vom Berliner
Mietspiegel erfassten Wohnungsbestand gewichtet. Wegen der Einzelheiten der Berechnungsmethode und den Quellenangaben verweist
auch der erkennende Senat auf die Darstellung von Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Einheitliche Kosten der Unterkunft in
Berlin. Ein Projekt von Richterinnen und Richtern des Sozialgerichts Berlin (in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen
Arbeit Nr. 1/2010 S. 28 - 42; bestätigt durch BSG, Urteile v. 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R; B 14 AS 65/09 R; B 14 AS 2/10 R; zitiert jeweils nach Juris). Danach ergibt sich im Falle der Klägerin für das Jahr 2011 ein Anspruch auf kalte Betriebskosten
i. H. v. 77,00 EUR und somit ein Anspruch auf eine Bruttokaltmiete i. H. v. 322,50 EUR.
Zusätzlich sind vom Grundsicherungsträger die tatsächlichen, maximal jedoch die angemessenen Heizkosten zu übernehmen. Die
tatsächlichen Heizkosten beliefen sich im Jahr 2011 auf monatlich 16,93 EUR, die ggfs. auf die angemessenen Heizkosten zu
begrenzen wären. Der Grenzwert, bis zu welchem Heizkosten übernommen werden müssen, beträgt unter Berücksichtigung der Entscheidung
des BSG vom 2. Juli 2009 (Az. B 14 AS 36/08 R, zitiert nach Juris) nach Maßgabe des bundesdeutschen Heizkostenspiegels 2010 im vorliegenden Fall 61,67 EUR monatlich.
Nach alledem hatte die Klägerin einen Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 339,42 EUR, die sich aus der
Nettokaltmiete i. H. v. 245,50 EUR, den kalten Betriebskosten i. H. v. 77,00 EUR sowie den Heizkosten in Höhe von 16,93 EUR
zusammensetzten. An Betriebskosten standen der Klägerin damit maximal 93,93 EUR zu. Soweit sie nunmehr Betriebskosten i. H.
v. 105,69 EUR (1268,29 EUR: 12) geltend macht, steht ihr ein solcher Anspruch nicht zu.
Bei der vorliegenden Konstellation hatte das Gericht nicht zu entscheiden, ob bei der Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze
der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Modell von Schifferdecker/Irgang/Silbermann (a.a.O.) gegebenenfalls eine Gesamtangemessenheitsgrenze
zu berücksichtigen ist. Diese betrüge vorliegend 384,17 EUR (245,50 EUR Kaltmiete, 77,00 EUR kalte Betriebskosten und 61,67
EUR Heizkosten gemäß Heizkostenspiegel). Allerdings kann auch im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze bei der vom BSG vorgegebenen getrennten Beurteilung von Unterkunftskosten und Heizkosten (s.o.) nicht mehr gewährt werden, als für den einen
oder anderen getrennt zu prüfenden Bereich angemessen ist. Wären die Vorschüsse auf Nebenkosten also unter der Angemessenheitsgrenze
geblieben, könnten bei tatsächlichem Anfall noch Kosten bis zur Angemessenheitsgrenze übernommen werden. Nicht möglich ist
es dagegen, gar nicht angefallene Heizkosten bis zur abstrakten Angemessenheitsgrenze zu übernehmen. Dies würde letztlich
dazu führen, dass bestenfalls kalte Betriebskosten oder Kaltmieten über die Angemessenheitsgrenze hinaus bedient würden. Damit
würde das Konzept einer Gesamtangemessenheitsgrenze gegen die ständige Rechtsprechung des BSG zur getrennten Prüfung von Kosten der Unterkunft und Kosten der Heizung verstoßen. Darüber hinaus wäre eine solche Grenze
auch deshalb schon fragwürdig, weil sich die Leistungsempfänger mangels eines entsprechenden Bescheides zu den Grenzwerten
nach dem zitierten richterlichen Modell auf diese nicht einstellen könnten.
Mit dem vom Beklagten gewährten Betrag von 378,00 EUR wurden damit bereits mehr als die angemessenen KdU einschließlich der
höchstens angemessenen Heizkosten gewährt, so dass ein weiterer Anspruch nicht besteht.
Soweit die Klägerin in diesem Ergebnis einen Wertungswiderspruch erkennen will und wohl eine Gleichbehandlung mit anderen
Fallgruppen erstrebt, kann der Senat dem nicht folgen. Die von der Klägerin postulierte "Alles-oder-Nichts"-Lösung besteht
erstens nicht und entspräche zweitens - wollte man die Gesetzeslage so umschreiben - eben der Rechtslage.
Zutreffend erkennt die Klägerin, dass derjenige Leistungsempfänger, der die vollen Kosten der Unterkunft erhält, weil diese
den Angemessenheitskriterien entsprechen, grundsätzlich auch die Betriebskostennachzahlung erhält, weil nach der Vorschrift
des § 22 SGB II zunächst einmal die tatsächlichen Kosten (für 6 Monate) zu übernehmen sind. In diesem Zusammenhang übersieht die Klägerin,
dass der genannte Leistungsempfänger eben noch keine Kostensenkungsaufforderung, die letztlich zur Folge hat, dass nur die
angemessenen und nicht die tatsächlichen Kosten übernommen werden, erhalten hat. Insoweit besteht ein nicht vergleichbarer
Sachverhalt. Weiter übersieht die Klägerin im Hinblick auf angebliche Wertungswidersprüche, dass eine hohe Betriebskostennachzahlung
auch dazu führen kann, dass eine Kostensenkungsaufforderung ergeht, z.B. dann, wenn sich ergibt, dass die Vorschüsse auf die
Nebenkosten zu niedrig kalkuliert waren, z.B. um die Gesamtangemessenheitskriterien zu erfüllen. Weiter wird die Betriebskostennachzahlung
auch bei bisher angemessenen Kosten der Unterkunft nicht in jedem Fall übernommen, z.B. bei offensichtlich verschwenderischem,
missbräuchlichem Verhalten der Leistungsempfänger.
Erst recht ergibt sich kein Wertungswiderspruch zu den Fällen, in denen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft noch unter
den (höchstens) angemessenen Kosten liegen. Es bedarf keiner Begründung, dass in diesen Fällen zumindest Kosten bis zur Angemessenheitsgrenze
in der Regel aber auch bis zu den tatsächlichen Kosten übernommen werden. Auch hier verkennt die Klägerin, dass gerade kein
die tatsächlichen Kosten begrenzendes Kostensenkungsverfahren stattgefunden hat.
Soweit die Klägerin als Wertungswiderspruch rügen will, dass im Falle der Kostensenkung nur noch pauschale Kosten der Unterkunft
übernommen würden, während in anderen Fällen die tatsächlichen Kosten sogar mit Betriebskostennachzahlungen übernommen würden,
ist dies kein Widerspruch, sondern Sinn und Zweck der Begrenzung der Kosten auf das Angemessene. Das vor der Begrenzung im
Sinne des Kostensenkungsverfahrens auch die Angemessenheitsgrenze überschreitende tatsächliche Kosten übernommen worden sind,
ist denklogisch notwendige Voraussetzung einer Kostensenkung und zudem im Gesetz vorgesehen. Widersprüche ergeben sich hieraus
nicht.
Gründe für die Zulassung der Revision wird gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.