Absetzung einer Einkommensteuernachzahlung vom Einkommen im Rahmen der Leistungsberechnung nach dem SGB II
Zu entrichtende Steuern vom Einkommen im Bewilligungszeitraum
Gründe:
I.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 8. Juni 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2016 die dem selbständig
tätigen Kläger zustehenden Grundsicherungsleistungen festgesetzt und dabei eine vom Kläger im Oktober 2015 geleistete Einkommensteuernachzahlung
in Höhe von 239,94 Euro aufgrund einer Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2013 (Bescheid vom 23. Juni 2015) nicht vom
Einkommen des Klägers abgesetzt.
Das Sozialgericht hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 16. Januar 2018 abgewiesen und ausgeführt, eine Absetzung
nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) sei nicht möglich, da nach der Vorschrift nur Steuern abgesetzt werden könnten, die dem im Bedarfszeitraum bezogenen Einkommen
zuzuordnen seien. Eine Absetzung nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II komme ebenfalls nicht in Betracht, da die Einkommensteuernachzahlung für die Erzielung des im Streitzeitraum erwirtschafteten
Einkommens nicht notwendig gewesen sei.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde vom 5. März 2018 gegen das am 14. Februar 2018 zugestellte Urteil macht der Kläger den Zulassungsgrund
der grundsätzlichen Bedeutung geltend. Er hält die grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Frage für gegeben, unter welchen
Voraussetzungen Einkommensteuernachzahlungen nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 5 SGB II vom Einkommen abgesetzt werden können.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Er sieht Zulassungsgründe als nicht gegeben an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß §
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Geld- oder Sachleistung oder einem entsprechenden Verwaltungsakt 750 Euro
nicht übersteigt (Abs. 1 Nr. 1) und es sich nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr handelt.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2018 ist deshalb nicht berufungsfähig, weil um die Absetzbarkeit einer
Einkommensteuernachzahlung von 239,94 Euro gestritten wird.
Die Berufung war nicht zuzulassen. Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Abs. 2 Nr. 1), 2. das Urteil von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (Abs. 2 Nr. 2), 3. oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Abs. 2 Nr. 3).
Diese Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor. Für eine Divergenz oder einen Verfahrensmangel ist
nichts ersichtlich und auch nichts vorgetragen.
Die Rechtssache hat entgegen der Annahme des Klägers auch keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einem
Rechtsstreit gemäß §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG nur zu, wenn von der Entscheidung der Rechtssache erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit
und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn es in dem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige
und klärungsfähige Frage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Klärungsfähigkeit in diesem
Sinne ist gegeben, wenn es auf die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage im konkreten Fall ankommt, wenn sie also für den
zu entscheidenden Streitfall rechtserheblich ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden
ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (BSG, Beschluss vom 30. September 1992, Aktenzeichen 11 BAr 47/92, zitiert nach juris) oder wenn sie nicht entscheidungserheblich ist (BSG, Beschluss vom 4. Juli 2011, Aktenzeichen B 14 AS 30/11 B, zitiert nach juris). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr
noch keine grundsätzliche Bedeutung (einhellige Meinung, vgl. nur BSG, Beschluss vom 26. Juni 1975, Aktenzeichen 12 BJ 12/75, zitiert nach juris).
Die Frage, ob eine Einkommensteuernachzahlung nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II vom Einkommen abgesetzt werden kann, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die Antwort auf diese Frage ergibt sich eindeutig
aus dem Gesetz und der hierzu vorliegenden Kommentarliteratur, die bereits das Sozialgericht zitiert hat. Es ist danach einhellige
Meinung, dass nach § 11 b Abs. 1 Nr. 1 SGB II nur solche zu entrichtenden Steuern vom Einkommen im Bewilligungszeitraum abgesetzt werden können, die sich auch auf dieses
im Bewilligungszeitraum berücksichtigte Einkommen beziehen. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall. Denn es geht vorliegend
um eine für das Jahr 2013 mit Bescheid vom 23. Juni 2015 festgesetzte Einkommensteuer, die ganz offensichtlich nicht das erzielte
Einkommen in der Zeit von September 2015 bis Februar 2016 betrifft.
Als klärungsbedürftig könnte insoweit allenfalls die Frage angesehen werden, ob Einkommenssteuerbeträge im Bewilligungszeitraum
abgesetzt werden können, wenn sie zwar nicht das in diesem Zeitraum erzielte Einkommen betreffen, aber im Bewilligungszeitraum
erstmalig festgesetzt und fällig werden. Diese Frage ist aber im vorliegenden Fall weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig,
da eine solche Fallgestaltung nicht vorliegt. Die Nachzahlung wurde nicht im betroffenen Bewilligungszeitraum erstmalig festgesetzt.
Die Frage, ob die Einkommensteuernachzahlung gemäß § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 als mit der Erzielung des Einkommens verbundene
notwendige Ausgabe abgesetzt werden kann, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht klärungsfähig. Denn nach § 11 b Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5
ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen, soweit das Einkommen bis 400 Euro monatlich beträgt. Erst wenn das
Einkommen über 400 Euro monatlich beträgt, gilt Abs. 2 Satz 1 nicht, wenn die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte
nachweist, dass die Summe der Beträge nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt. Vorliegend hat der
Kläger lediglich ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen von 211,62 Euro erzielt, von dem der Beklagte zutreffend
100 Euro als Grundfreibetrag anstelle der Beträge nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II in Abzug gebracht hat. Auf die Berechnung im Widerspruchsbescheid vom 5. September 2016, Seite 6, wird verwiesen.
Eine doppelte Berücksichtigung von Beträgen nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II (als tatsächlich geleisteter Betrag bei der Einkommensbereinigung um notwendige Ausgaben und anschließend als pauschaler
Abzug von eben diesem bereinigten Einkommen) kommt nicht in Betracht. Dies hat das Sozialgericht Chemnitz in seinem Urteil
vom 25. Mai 2016 (S 35 AS 3984/14), auf das der Kläger sich beruft, offensichtlich verkannt. Denn dort wurde die Einkommensteuernachzahlung zunächst vom Einkommen
abgesetzt und sodann von dem so errechneten Einkommen erneut ein Freibetrag nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 1 SGB II in Abzug gebracht (vgl. Sozialgericht Chemnitz a.a.O. Rdnr. 70 zitiert nach juris).
§ 3 Abs. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) schreibt aber ausdrücklich vor, dass zur Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit von den Betriebseinnahmen die
im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch abzusetzenden Beträge abzuziehen sind. Dies macht auch Sinn, da diese Beträge nach § 11 b Abs. 1 und 2 SGB II vom (um die notwenigen Ausgaben) bereinigten Einkommen abzusetzen sind. Dies schließt es aus, sie schon vorher bei der Berechnung
des bereinigten Einkommens und damit doppelt anzurechnen.
Im Ergebnis ist danach festzuhalten, dass sich eine Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nur dann ergäbe, wenn der Kläger
ein Einkommen von mehr als 400 Euro erzielt hätte. Denn nur in diesem Fall könnte er mehr als 100 Euro für die Positionen
nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II absetzen.
Nach alledem war die Berufung daher nicht zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG). Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2018 ist damit rechtskräftig.