Recht der Arbeitsförderung
Anspruch auf Neubescheidung eines Widerspruches
Fehlerhafte Begründung eines Widerspruchsbescheides
Unzulässiger Widerspruch
Tatbestand:
Der Kläger begehrt den Erlass eines weiteren Widerspruchsbescheides.
Der Kläger ist seit 11. Februar 2013 zugelassener Träger nach dem Recht der Arbeitsförderung und als privater Arbeitsvermittler
tätig.
Am 15. August 2013 stellte der Beklagte dem im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) stehenden beigeladenen Herrn B Feinen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS) für eine Maßnahme mit dem Ziel der
Arbeitsvermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung zur Auswahl eines zugelassenen Trägers (private Arbeitsvermittlung)
aus, gültig vom 15. August 2013 bis 14. November 2013. Eine Zweitschrift dieses AVGS wurde am 6. Februar 2014 ausgestellt.
Auf ihm ist u.a. als Ausschlusskriterium vermerkt: "Die Vermittlungsvergütung wird nicht gezahlt, wenn die vermittelte Beschäftigung
von vornherein auf eine Dauer von weniger als drei Monaten begrenzt ist ".
Nach Angaben des Klägers schloss dieser mit dem Beigeladenen einen Vermittlungsvertrag, der allerdings nicht zu den Akten
gereicht wurde.
Mit Datum vom 30. Oktober 2013 unterzeichneten der Beigeladene und die DAG einen Arbeitsvertrag, nach welchem ersterer für
die Zeit ab 4. November 2013 "befristet für die Zeit bis 28. Dezember 2013" eingestellt wurde. Das Arbeitsverhältnis wurde
am 27. Dezember 2013 und erneut mit "Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrages" vom 30. Januar 2014 verlängert und dabei zuletzt
befristet bis zum 28. Juni 2014.
Die D AG bestätigte mit Schreiben vom 4. Februar 2014, dass mit dem Beigeladenen ein Arbeitsvertrag über ein versicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vom 4. November 2013 bis 28. Juni 2014 geschlossen worden sei.
Mit Datum vom 12. Februar 2014 beantragte der Kläger mit dem Formular "Unterlage für die Auszahlung der Vermittlungsvergütung
für die erfolgreiche Vermittlung" bei dem Beklagten unter Vorlage u.a. der genannten Bestätigung der D AG und des AVGS die
Zahlung einer Vergütung von zunächst 1.000 Euro. Mit Datum vom 27. Mai 2014 beantragte er die Zahlung eines Restbetrages bzw.
einer Vergütung von "abschließend 1.000 Euro" für einen befristeten Vertrag von 3 bis unter 6 Monaten für die Vermittlung
des Beigeladenen.
Dies lehnte der Beklagte, nachdem er den ersten Arbeitsvertrag des Beigeladenen beigezogen hatte, mit Schreiben vom 20. Juni
2014 ab, da der Arbeitsvertrag des Beigeladenen für den Zeitraum vom 4. November bis 28. Dezember 2013 und damit nicht auf
mindestens drei Monate befristet gewesen sei. Die Zahlung einer Vermittlungsvergütung komme jedoch nur in Betracht, wenn das
vermittelte versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis ursprünglich für mindestens drei Monate vertraglich vereinbart
sei. Eine erst nachträglich - hier am 27. Dezember 2013 - erfolgte befristete Verlängerung des Arbeitsvertrages könne aufgrund
der gesetzlichen Regelung nicht berücksichtigt werden.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 2. Juli 2014 begründete der Kläger mit Schreiben vom 23. September 2014, wobei er
ausführte, Anspruch auf die Zahlung von insgesamt 2.000 Euro aus dem Aktivierungsgutschein zu haben. Die Voraussetzungen hierfür
seien erfüllt. Soweit der Beklagte behaupte, dass im Arbeitsvertrag zunächst eine Befristung bis zum 28. Dezember 2013 vorgelegen
habe, sei in der Verwaltungsakte keine Kopie des ursprünglichen Arbeitsvertrages gefunden worden. Abgesehen davon habe das
Arbeitsverhältnis jedoch tatsächlich bis 28. Juni 2014 bestanden. Das, was mit der Ausstellung des Vermittlungsgutscheines
habe erreicht werden sollen, sei damit eingetreten, nämlich das Ende der Beschäftigungslosigkeit des Beigeladenen.
Der Beklagte wies den Widerspruch unter dem Betreff "Zahlung der Vermittlungsvergütung, Ihr Antrag (Rechnung) vom 12.02.2014
zum Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein" mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2014 als unzulässig zurück, da es
sich bei seiner Ablehnung der Zahlung der Vermittlungsvergütung nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Denn es existiere
kein direkter Anspruch des Trägers der privaten Arbeitsvermittlung auf Zahlung, sondern lediglich ein Anspruch des Kunden
auf "Freistellung" durch Zahlung an den Träger der privaten Arbeitsvermittlung. Eine Förderzusicherung werde nur gegenüber
dem Kunden abgegeben.
Auf die hiergegen erhobene Klage, mit der der Kläger ausdrücklich lediglich beantragt hat, den Widerspruchsbescheid vom 30.
September 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Widerspruch neu zu entscheiden, hat das Sozialgericht
Potsdam mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2015 dem Antrag entsprechend den Widerspruchsbescheid vom 30. September 2014
aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, "den Widerspruch des Klägers vom 2. Juli 2014 mit Begründung vom 23. September
2014 neu zu verbescheiden". Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig
sei. Das Schreiben des Beklagten vom "14. Oktober 2013" (gemeint: vom 20. Juni 2014) sei ein Verwaltungsakt im Sinne des §
31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Da der Beklagte bisher in der Sache selbst über den Widerspruch des Klägers nicht entschieden habe, sei er zu verpflichten
gewesen, über die Begründetheit des Widerspruchs zu entscheiden.
Gegen diesen ihm am 19. Februar 2015 zugegangenen Gerichtsbescheid wendet sich der Beklagte mit der am 4. März 2015 eingegangenen
Berufung. Der Beklagte trägt vor, dass in seiner Geschäftsanweisung "Maßnahmen bei einem Träger der privaten Arbeitsvermittlung
- AVGS MPAV - nach §
45 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III" geregelt sei, dass die Entscheidung über das Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen für die Vermittlungsvergütung keine
Entscheidung im Sinne eines Verwaltungsaktes sei und der Widerspruch hiergegen nicht zulässig sei. Hieran sei er als Beklagter
gebunden. Bei dem AVGS handele es sich um eine Förderleistung, die nur der Arbeitnehmer beanspruchen könne. Nach Inanspruchnahme
der Leistungen des Trägers durch den Arbeitnehmer stelle das Jobcenter den Arbeitnehmer von seiner vertraglichen Leistungspflicht
gegenüber dem Träger frei, ohne aber dabei eine Regelung gegenüber dem Träger zu treffen. Er habe die Mitteilung darüber,
dass keine Vermittlungsvergütung gezahlt werde, bewusst nicht als Verwaltungsakt formuliert und habe dies auch nicht tun müssen.
Abgesehen davon fehle es der Klage aber auch bereits an der Zulässigkeit, denn für einen reinen Bescheidungsantrag bestehe
kein Rechtsschutzbedürfnis, weil dies nicht der effektivste Weg der Rechtsverfolgung sei. Nach der vom SG vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung wäre allein eine Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Leistungsklage zulässig
gewesen. Durch die reine erneute Bescheidung trotz bestehender Entscheidungsreife habe der Kläger nichts gewonnen. Über den
Widerspruch sei im Übrigen bereits entschieden worden.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 13. Februar 2015 zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Auch dann, wenn der materiell-rechtliche
Anspruch auf Zahlung beim geförderten Arbeitnehmer verbleibe, bestehe die Notwendigkeit einer Entscheidung durch Verwaltungsakt
gegenüber dem privaten Arbeitsvermittler, die sinnvoller Weise nur durch Verwaltungsakt erfolgen könne. Dies umso mehr, als
der Vermittler in Vorleistung träte und seinen Zahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer gemäß §
296 Abs.
4 SGB III solange nicht geltend machen könne, wie die Bundesagentur für Arbeit ihrerseits die Vermittlungsgebühr nicht auszahle. Ein
eigener Zahlungsanspruch des Vermittlers folge auch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen. Entgegen der seitens des Beklagten
geäußerten Auffassung bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides, das
gegeben sei, wenn der Widerspruchsbescheid gegenüber dem Ausgangsbescheid eine zusätzliche, selbständige Beschwer enthalte.
Dies sei hier der Fall aufgrund der Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, indem der Widerspruch als unzulässig
zurückgewiesen worden sei. Bei der Entscheidung der Behörde darüber, ob die Auszahlung der Vermittlungsvergütung aus dem AVGS
unmittelbar an den Vermittler erfolge, handele es sich um eine Ermessensentscheidung, so dass bereits deshalb das Rechtsschutzinteresse
gegeben sei.
Der mit Beschluss des Gerichts vom 28. Dezember 2016 beigeladene BFhat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst
Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Der erstinstanzliche Gerichtsbescheid war nicht rechtmäßig und deshalb
aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Erlass eines weiteren Widerspruchsbescheides.
Bei dem Schreiben des Beklagten vom 20. Juni 2014, mit dem er die Zahlung einer Vermittlungsvergütung an den Kläger abgelehnt
hat, handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X. Diesbezüglich wird auf die erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen (grundsätzlich hierzu ebenso LSG Berlin-Brandenburg,
Urteile vom 28. April 2016, Aktenzeichen L 32 AS 2374/13 und L 32 AS 846/15, zitiert nach juris).
Eine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch auf eine Neubescheidung des gegen den Bescheid erhobenen Widerspruches besteht
nicht. Der Beklagte hat einen Widerspruchsbescheid erlassen. Dieser ist zwar insoweit fehlerhaft begründet, als der Widerspruch
als unzulässig und nicht als unbegründet zurückgewiesen wurde, wie noch ausgeführt wird. Ein Anspruch auf den Erlass eines
erneuten Widerspruchsbescheides, lediglich weil die Begründung des Widerspruchsbescheides fehlerhaft war, besteht jedoch nicht.
Das für die Erhebung einer Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage gemäß §
54 Abs.
1 und 4, §
78 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) erforderliche Vorverfahren ist durchgeführt, auch wenn der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig zurückgewiesen
hat. Besondere Anforderungen, insbesondere hinsichtlich des Prüfungsumfangs, an die Durchführung eines Vorverfahrens stellt
§
78 Abs.
1 SGG nicht, weil andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts von der Rechtmäßigkeit
des weiteren Verhaltens der Behörde bzw. der zuständigen Widerspruchsbehörde abhängig wäre (BSG, Urteil vom 24. November 2011, Az. B 14 AS 151/10 R, m.w.N., zitiert nach juris, und Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl. 2014, §
78 Rdnr. 2 m.w.N.).
Damit war der Berufung stattzugeben, der erstinstanzliche Gerichtsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eine Auslegung
des ausdrücklich als Bescheidungsantrag gestellten Antrages über das tatsächliche Begehren hinaus kam angesichts der Eindeutigkeit
des gestellten Klageantrages nach dem Grundsatz des ne ultra petita nicht in Betracht, zumal der Kläger anwaltlich vertreten
ist.
Lediglich ergänzend sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch bei anderer Auslegung des Klageantrages, für die der Verweis
auf die Widerspruchsbegründung vom 23. September 2014 mit der hierin erfolgten Geltendmachung eines Zahlungsanspruches über
2.000 Euro spräche, die Klage ohne Aussicht auf Erfolg wäre. Denn der ablehnende Bescheid vom 20. Juni 2014 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2014 ist auch im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten, weil der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer Vermittlungsvergütung hat. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob
die erhobene Klage mit dem ausdrücklich gestellten Antrag, lediglich den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30. September
2014 aufzuheben und über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Juni 2014 erneut zu entscheiden, bei Auslegung im Hinblick
auf das Ziel der Verurteilung zur Zahlung der Vermittlungsgebühr überhaupt zulässig war, wobei unerfindlich bleibt, weshalb
der Bescheid selbst nicht angegangen wurde, obwohl er nach Auffassung des Klägers rechtswidrig ist, und weshalb nicht von
vornherein neben der Aufhebung der Bescheide ein Antrag auf Verurteilung zur Zahlung gestellt worden ist.
Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Vermittlungsgebühr besteht nicht, weil nach § 421 g Abs. 3 Nr. 3
SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung und nach §
45 Abs.
6 Satz 6 Nr.
1 SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung eine erfolgsbezogene Vergütung für die Arbeitsvermittlung in eine versicherungspflichtige
Beschäftigung ausgeschlossen ist, wenn das Beschäftigungsverhältnis von vornherein auf eine Dauer von weniger als drei Monaten
begrenzt ist. Diese Formulierung findet sich so ausdrücklich auch im vorliegend der Vermittlung zugrundeliegenden Aktivierungs-
und Vermittlungsgutschein. Dieser Ausschlusstatbestand ist vorliegend erfüllt. Aus der Formulierung "von vornherein" ist zu
schließen, dass es auf die zu Beginn getroffene Vereinbarung ankommt, so dass eine spätere Verlängerung nicht rückwirkend
einen Zahlungsanspruch auslösen kann. Der Wortlaut der Norm verbietet eine Ex post-Betrachtung. Maßgeblich ist nicht, wie
lange das Beschäftigungsverhältnis letztlich gedauert hat, sondern für welche Dauer es ursprünglich eingegangen wurde (so
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. April 2016, Az. L 32 AS 2374/13, Rdnr. 40 f, m.w.N., zitiert nach juris, Rademacker in Hauck/Noftz, Kommentar K §
45 Rdnr. 170 m.w.N., Hassel in Brand, Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung -
SGB III -, §
45 Rdnr. 39, und Urmersbach in Eicher/Schlegel,
SGB III nF, §
45 Rdnr. 228). Nach dem bei den Verwaltungsakten befindlichen mit Datum vom 30. Oktober 2013 unterzeichneten Arbeitsvertrag
zwischen dem Beigeladenen und der D AG wurde das Arbeitsverhältnis für die Zeit ab 4. November 2013 kalendermäßig befristet
für die Zeit bis 28. Dezember 2013 eingegangen, also befristet auf weniger als drei Monate. Die anderslautende Vermittlungs-
und Beschäftigungsbestätigung der D AG vom 4. Februar 2014 ändert hieran ebenso wenig wie der später erfolgte Abschluss weiterer
befristeter Arbeitsverhältnisse.
Nach alledem war der Berufung daher stattzugeben.
Die Streitwertbestimmung beruht auf §
197 a Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 47 Gerichtskostengesetz und folgt den Ausführungen des Klägers unter Bezug auf seine Ausführungen in der Widerspruchsbegründung vom 23. September
2014, mit der er eine Vermittlungsgebühr von 1.000 bzw. 2.000 Euro geltend gemacht hat. Der Beschluss über die Streitwertbestimmung
kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG lagen nicht vor.