Tatbestand:
Die Beteiligen streiten über die Erstattung der Aufwendungen für ein Widerspruchsverfahren.
Mit Bescheid vom 18. November 2016 hatte der Beklagte der im April 1966 geborenen Klägerin zu 1) und dem im Dezember 1997
geborenen Kläger zu 2) endgültig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2016, dabei für September 2015 der Klägerin zu 1) 314,44 EUR und dem Kläger zu
2) 110,71 EUR, bewilligt. Es waren Einkommen der Klägerin zu 1) aus abhängiger Beschäftigung für September 2015 von 802,13
EUR brutto und 720,57 EUR netto berücksichtigt worden, wobei 480,14 EUR angerechnet worden waren. Mit an die Klägerin zu 1)
gerichteten Bescheid vom 18. November 2016 hatte der Beklagte unter Hinweis auf diesen beiliegenden Bescheid unter anderem
für September 2015 Erstattung von 6,14 EUR von ihr gefordert. Mit weiterem an den Kläger zu 2) gerichteten Bescheid vom 18.
November 2016 waren unter Hinweis ebenfalls auf diesen beiliegenden Bescheid von ihm Erstattung, nicht jedoch für September
2015 gefordert worden.
Mit den dagegen mit dem Schreiben vom 12. Dezember 2016 am selben Tag eingelegten Widersprüchen gegen diese drei Bescheide
war von der Bevollmächtigten und jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger geltend gemacht worden, die Einkommensanrechnung
für September 2015 sei rechtswidrig, denn die Klägerin zu 1) habe ein höheres Bruttoeinkommen erzielt, sodass ein höherer
Freibetrag zu gewähren sei. Diese Widersprüche waren vom Beklagten mit den Aktenzeichen 10262/16 zum Erstattungsbescheid gegenüber
dem Kläger zu 2), 10263/16 zum Erstattungsbescheid gegenüber der Klägerin zu 1) und 10264/16 zum Bewilligungsbescheid erfasst
worden.
Mit Änderungsbescheid vom 28. Dezember 2016 hatte der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II für September 2015 für die Klägerin zu 1) mit 329,24 EUR und für den Kläger zu 2) mit 115,91 EUR festgesetzt. Der Bescheid
enthält den Hinweis, dass er nach §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens 10264/16 werde. Mit weiterem Bescheid vom 28. Dezember 2016 hatte er gegenüber der
Klägerin zu 1) unter Änderung des Erstattungsbescheides vom 18. November 2016 verfügt, dass die Erstattung für September 2015
i. H. v. 6,14 EUR entfällt. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass er nach §
86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens 10263/16 werde.
Unter dem 10. Februar 2017 verfügte der Beklagte bezugnehmend auf die Widerspruchsverfahren 10262/16 und 10263/16, dass die
im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag erstattet werden, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen werden.
Im Übrigen führte er aus: Die Bescheideinheiten zur Erstattung bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruches (bestehend
aus dem jeweiligen Erstattungsbescheid und dem Bewilligungsbescheid) vom 15. November 2016 ändere ich insoweit ab, als dass
die Berechnung des Freibetrages im Monat September 2015 korrigiert wird. Die weiteren Einzelheiten entnehmen Sie bitte dem
bereits übersandten Änderungsbescheid vom 28. Dezember 2016.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2017 verwarf der Beklagte den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.
November 2016 (10264/16) als unzulässig: Es fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis für den eingelegten Widerspruch. Die Bescheide
(jeweiliger Erstattungsbescheid und endgültige Festsetzung) bildeten eine Bescheideinheit. Gegen diese Bescheideinheiten sei
bereits Widerspruch (10262/16 und 10263/16) eingelegt worden. Die identischen rechtlichen Interessen der Kläger würden daher
in letztgenannten Widerspruchsverfahren voll umfänglich verfolgt und auch geprüft. Ein gesonderter Widerspruch nur gegen den
Bewilligungsbescheid sei daher unzulässig.
Bezugnehmend auf die Aktenzeichen 10262/16 und 10263/16 beantragten die Kläger beim Beklagten, die außergerichtlichen Kosten
auf 487,90 EUR festzusetzen, die vom Beklagten auch gezahlt wurden.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2017 haben die Kläger am 9. März 2017 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.
Sie sind der Ansicht gewesen, es habe Widerspruch gegen den Änderungsbescheid als endgültiger Feststellungsbescheid eingelegt
werden müssen, da dieser ansonsten in Bestandskraft erwachsen wäre. Der Widerspruch sei auch begründet gewesen, wie der Änderungsbescheid
vom 28. Dezember 2016 zeige. Es lägen zwei Verwaltungsakte in einer sogenannten Bescheideinheit vor. Die Gebührensumme für
das Widerspruchsverfahren betrage 595,00 EUR.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 zu verurteilen, den Klägern die Kosten des Widerspruchsverfahrens
(W 10264/16) zu erstatten.
Der Beklagte hat gemeint, die Klage sei unzulässig, da bereits der Widerspruch unzulässig gewesen sei. Ein Änderungsbescheid
sei am 18. November 2016 nicht ergangen. Auch liege kein Erlass eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vor.
Mit Urteil vom 19. August 2019 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Änderung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli
2017 verurteilt, den Klägern die Kosten des Widerspruchsverfahrens (W 10264/16) zu erstatten und die Berufung zugelassen: Der Widerspruch sei zulässig und begründet gewesen, weshalb die Kläger einen Anspruch
auf Erstattung der zur zweckentsprechenden notwendigen Aufwendungen gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hätten. Die Kammer gehe davon aus, dass der Widerspruch gegen die endgültige Bewilligungsentscheidung vom 16. November 2016
zulässig gewesen sei. Sofern der Beklagte darauf verweise, dass es sich bei der endgültigen Festsetzung und der Erstattungsentscheidung
um eine Bescheideinheit handele, die eine gesonderte Widerspruchseinlegung nicht erforderlich gemacht habe, folge dem die
Kammer. Beide Bescheide enthielten eine Widerspruchsbelehrung. Beide Bescheide seien nach Überzeugung der Kammer eigenständig
angreifbar. Insbesondere aufgrund der Widerspruchsbelehrungen sei es aus anwaltlicher Sicht erforderlich gewesen, gegen alle
vorzugehen, um dem Verweis auf die etwaige Bestandskraft der endgültigen Entscheidung zu entgehen.
Gegen das ihm am 20. August 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. September 2019 eingelegte Berufung des Beklagten.
Er meint, da die Bescheide vom 18. November 2016 eine Bescheideinheit im Sinne der Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg
vom 26. Februar 2014 - L 18 AS 2232/11 bildeten, habe es bezüglich des Widerspruches zumindest am Rechtsschutzbedürfnis gefehlt. Die Einlegung eines Widerspruches
gegen die jeweiligen Erstattungsbescheide vom 18. November 2016 wäre zur Wahrung der Interessen ausreichend gewesen. Die Vergabe
von drei Widerspruchsaktenzeichen sei zur klaren Bescheidung unumgänglich gewesen, so dass dies kein Indiz für die Zulässigkeit
eines Widerspruches sei. Auch der Beklagte gehe allerdings davon aus, dass die abschließende Entscheidung ein anfechtbarer
Verwaltungsakt sei. Diese könne allerdings dann nicht mehr angefochten werden, wenn sie bereits Gegenstand eines anderen Verfahrens
(hier Widerspruchsverfahrens) sei. Es habe eine "doppelte Rechtshängigkeit" vorgelegen. Dass die abschließende Entscheidung
bei den Widersprüchen gegen die Erstattungsbescheide mit zu prüfen gewesen sei, sei unvermeidlich, da die Erstattung nur einen
Reflex der abschließenden Entscheidung darstelle. Die im streitgegenständlichen Widerspruchsverfahren geforderte Entscheidung
sei bereits im Rahmen einer für die beiden anderen Widerspruchsverfahren getroffenen Abhilfeentscheidung erfolgt; dort seien
auch Kosten erstattet worden. Vorliegend bestehe weiterhin die Besonderheit, dass es den Klägern allein um die Kosten des
Verfahrens gehe. Dass nicht dreimal Kosten zu erstatten seien, sei offensichtlich. Wenn trotz eines einheitlichen Lebenssachverhalts
mehrere getrennte Verfahren angestrengt würden, handele es sich zumindest bei den Kosten, die über die Gebührenerhöhung bei
mehreren Auftraggebern hinausgingen, nicht mehr um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. August 2019 aufzuheben und die Klage ab zu beweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie machen über ihr bisheriges Vorbringen hinaus geltend: Die Ausführungen des Beklagten gingen völlig fehl. Würde man diesen
folgen, würde dies bedeuten, dass bei Angreifen nur eines Erstattungsbescheides gegen eine Person und Aufhebung desselben
auch der dazugehörige Festsetzungsbescheid aufgehoben werden würde. Dann entfalle die Grundlage für alle weiteren Erstattungsbescheide
auch gegen andere Personen, die aber nicht Widerspruch eingelegt gelegt hätten. Zudem würde auch bei automatischem Aufheben
des Festsetzungsbescheides der vorläufige Bescheid wieder aufleben. Zudem werde nochmals darauf hingewiesen, dass die drei
Widersprüche sogar in einem Schreiben erfolgt seien und der Beklagte dann selbst drei unterschiedliche Widerspruchsverfahren
anerkannt habe. Bezüglich § 16 RVG werde angemerkt, dass, wenn bei Widersprüchen gegen mehrere Erstattungsbescheide und den Festsetzungsbescheid nicht alle
Bescheide aufgehoben würden, wegen der aufgehobenen abgerechnet werde und wegen der nicht aufgehobenen die Verfahren fortgeführt
werden müssten. Hierzu ergebe sich ein weiterer Arbeitsaufwand, der erhöhend bei der Endabrechnung bzw. Abrechnung bezüglich
der zuvor nicht aufgehobenen Bescheide zu berücksichtigen sei.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten (Behelfsakte Bd. VII; ), die bei der Entscheidung vorgelegen
haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§
124 Abs.
2 SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die Kosten des Widerspruchsverfahrens (W 10264/16) zu erstatten. Der Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2017, den die Kläger und daran anknüpfend das Sozialgericht ersichtlich
fehlerhaft als solchen vom 12. Juli 2017 bezeichnet haben, ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der
Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 18. November 2016 über die endgültige Bewilligung ist zulässig und begründet,
also auch erfolgreich gewesen, sodass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten sind.
Als Rechtsgrundlage kommt § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Danach gilt: Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Träger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt
erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 18. November 2016 über die endgültige
Bewilligung war erfolgreich.
Der Widerspruch war statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Nach §
78 Abs.
1 Satz 1
SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen.
Verwaltungsakt ist nach § 31 Satz 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet
des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Beim Bescheid vom 18. November 2016 über die endgültige Bewilligung handelt es sich um einen solchen Verwaltungsakt, denn
mit diesem Bescheid setzte der Beklagte gegenüber den Klägern unter anderem die ihnen für September 2015 zustehenden Leistungen
verbindlich fest, so dass ein Widerspruch dagegen statthaft ist.
Ob dieser Bescheid mit den beiden weiteren Bescheiden vom 18. November 2016 eine sogenannte Bescheideinheit bildet, kann in
diesem Zusammenhang dahinstehen. Für die Frage der Statthaftigkeit bzw. Nichtstatthaftigkeit eines Widerspruches kommt es
auf das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer sogenannten Bescheideinheit nicht an. Mit dem an die Klägerin zu 1) gerichteten
Bescheid vom 18. November 2016 setzte der Beklagte ihr gegenüber die für September 2015 zu erstattende Leistung verbindlich
und damit ebenfalls als Verwaltungsakt fest. Gegen diesen Erstattungsbescheid ist daher ebenfalls der Widerspruch statthaft.
Der an den Kläger zu 2) gerichtete Bescheid vom 18. November 2016 enthält hingegen für September 2015 keine Regelung und somit
keinen Verwaltungsakt, so dass ein gegen diesen Erstattungsbescheid eingelegter Widerspruch (insoweit) nicht statthaft ist.
Die sogenannte Bescheideinheit hat auch keinerlei Bedeutung für die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses (so die Ansicht des
Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2017) oder eine "doppelte Rechtshängigkeit" (so seine Ansicht im Schriftsatz
vom 16. Juli 2020).
Aus dem vom Beklagten zitierten Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Februar 2014 - L 18 AS 2232/11 ergibt sich, dass eine sogenannte Bescheideinheit auch dann vorliegen kann, wenn mehrere Verfügungen (Verwaltungsakte) nicht
in derselben Urkunde zusammengefasst sind. In jenem Verfahren wurden an zwei Kläger gerichtete Bescheide jeweils vom selben
Tag über die Ablehnung der Leistung bzw. die Festsetzung der Leistung auf 0,00 EUR, nicht hingegen auch die gegenüber dem
einen Kläger zugleich festgesetzte Erstattung, als sogenannte Bescheideinheit angesehen worden. Folgerichtig haben, so das
Landessozialgericht in jenem Urteil, die Kläger die Erstattungsentscheidungen in gesonderten Verfahren angegriffen. Dieses
Urteil betrifft damit weder eine sogenannte Bescheideinheit von endgültigem Bewilligungsbescheid und Erstattungsbescheid,
noch gibt es irgendeinen Anhalt dafür, dass es am Rechtsschutzbedürfnis für einen Rechtsbehelf gegen die Verfügung der endgültigen
Festsetzung der Leistung mangeln könnte, wenn die Erstattungsverfügung angefochten ist.
Nichts Anderes folgt aus dem vom Beklagten genannten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R (Rdnrn. 14 und 28, zitiert nach juris). Danach bildet der (bewilligende) Änderungsbescheid mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
vom gleichen Tag eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides, weil die Verfügungssätze der beiden am selben
Tag erlassenen Bescheide miteinander korrespondieren. Anlass zu dieser Rechtsprechung war, dass (wegen der dort genannten
Unklarheiten) allein aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nicht klar, unzweideutig und widerspruchsfrei hervorging,
wem gegenüber welche Verfügungen in welchem Umfang aufgehoben werden sollten (BSG, a. a. O., Rdnr. 27). Erst unter Einbeziehung des Änderungsbescheides (unter Benennung des Zeitraumes und unter Beifügung
detaillierter Berechnungsbögen) waren die Aufhebungsverfügungen im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ausreichend konkretisiert,
sodass es dieser Aufhebungsverfügung nicht an der hinreichenden Bestimmtheit (§ 33 Abs. 1 SGB X) ermangelte. Mit der Konstruktion einer rechtlichen Einheit konnte mithin der Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung bei
ansonsten fehlender hinreichender Bestimmtheit begegnet werden. Die vom BSG angesprochene Korrespondierung der Verfügungssätze beider Bescheide betrifft somit ausschließlich die Aufhebungsverfügung
und nicht die Erstattungsverfügung. Die weiteren Ausführungen des BSG (a. a. O., Rdnr. 28) beziehen sich nämlich allein auf die Aufhebungsverfügungen.
Das Urteil des BSG stützt ebenfalls nicht die Ansicht des Beklagten, dass mit einem Widerspruch gegen einen Erstattungsbescheid gleichzeitig
auch die Grundentscheidung angegriffen sei. Der Tatbestand dieses Urteils ist insoweit zwar nicht eindeutig. Dem dieser Entscheidung
vorangegangenen Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. November 2011 - L 29 AS 2038/09 (Rdnr. 10, zitiert nach juris) ist jedoch zu entnehmen, dass sowohl gegen den Änderungsbescheid als auch gegen den Aufhebungs-
und Erstattungsbescheid vom selben Tag Widerspruch eingelegt worden war.
Die Kläger haben daher folgerichtig gegen den Bescheid vom 18. November 2016 über die endgültige Bewilligung Widerspruch eingelegt.
Denn hält ein von einem Verwaltungsakt Betroffener diesen für rechtswidrig belastend, muss er den dagegen gegebenen Rechtsbehelf
einlegen, denn ansonsten wird nach §
77 SGG der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend. Für diesen Widerspruch mangelt es auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis.
Jede Rechtsverfolgung setzt zwar ein Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) voraus, das von der Klagebefugnis (Widerspruchsbefugnis)
zu unterscheiden ist. Während es bei der Klagebefugnis (Widerspruchsbefugnis) ausschließlich auf die Möglichkeit einer Verletzung
der Rechte des Klägers (Widerspruchsführers) ankommt, ist beim Rechtsschutzinteresse auf die Frage abzustellen, ob angesichts
der besonderen Umstände des Falles die Klagerhebung (Widerspruchseinlegung) deshalb nicht erforderlich ist, weil der Kläger
(der Widerspruchsführer) seine Rechte auf einfachere Weise verwirklichen kann oder die Klage (der Widerspruch) aus anderen
Gründen unnütz ist. Bei vorhandener Klagebefugnis (Widerspruchsbefugnis) ist das Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig gegeben.
Es fehlt ausnahmsweise nur, wenn unzweifelhaft ist, dass das begehrte Urteil (die begehrte Verwaltungsentscheidung) die rechtliche
oder wirtschaftliche Stellung des Klägers (Widerspruchsführers) nicht verbessern würde (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 13. Aufl., vor §
51 Rdnr. 16a, §
83 Rdnr. 3).
Ausgehend davon mangelt es dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. November 2016 über die endgültige Bewilligung nicht
am Rechtsschutzbedürfnis. Der Widerspruch war erforderlich, um den Eintritt der Bestandkraft der zu niedrig festgesetzten
Leistung zu verhindern. Ob dies ebenso der Fall gewesen wäre, wenn sich der Beklagte in diesem Bescheid (neben der gegebenen
Rechtsbehelfsbelehrung) verpflichtet hätte, ihn zugunsten der Kläger auch dann abzuändern, wenn diese ausschließlich Widerspruch
gegen die beiden Erstattungsbescheide einlegen sollten, kann dahinstehen, denn dies ist nicht geschehen. Die Kläger konnten
daher berechtigterweise nicht davon ausgehen, dass es eines Widerspruches gegen diesen Bescheid nicht bedurfte, weil der Beklagte
ihn bei Rechtswidrigkeit ohnehin auch ohne Widerspruch aufheben würde.
Dahinstehen kann, ob die Einlegung eines Widerspruches gegen einen Erstattungsbescheid generell zugleich als Widerspruch gegen
einen Bescheid über die endgültige Bewilligung auszulegen sein könnte, sodass die ausdrückliche Einlegung eines Widerspruches
gegen diesen Bescheid entbehrlich wäre. So verfährt offensichtlich der Beklagte, wenn er in seinem Schriftsatz vom 16. Juli
2020 ausgeführt: "Dass die abschließende Entscheidung bei den Widersprüchen gegen die Erstattungsbescheide mit zu prüfen war,
ist unvermeidlich, da die Erstattung nur einen Reflex der abschließenden Entscheidung darstellt und in dem Fall, dass die
abschließende Entscheidung bestandskräftig wird, nicht mehr mit Erfolg angegriffen werden kann." Der Beklagte geht danach
selbst davon aus, dass der Bescheid über die endgültige Bewilligung bei fehlendem Widerspruch bestandskräftig werden kann,
denn auch er sieht in der Bestandskraft ein maßgebendes Hindernis für die Änderung eines Bescheides über die endgültige Bewilligung,
und legt daher zur Vermeidung eines solchen Ergebnisses einen Widerspruch, der nur gegen einen Erstattungsbescheid gerichtet
ist, zugleich als Widerspruch gegen den Bescheid über die endgültige Bewilligung aus. Ist somit bei objektiver Betrachtung
dieser Verfahrensweise auch nach Ansicht des Beklagten zur Verhinderung von Bestandskraft zumindest ein konkludent im Wege
der Auslegung eingelegter Widerspruch erforderlich, darf erst recht ausdrücklich Widerspruch eingelegt werden, statt auf die
genannte Auslegung der Behörde zu vertrauen.
Ungeachtet dessen zeigt der vorliegende Sachverhalt, dass jedenfalls der Kläger zu 2) - wegen der Nichtstatthaftigkeit seines
Widerspruches gegen den Bescheid vom 18. November 2016 über die Erstattung - sein Begehren auf höhere Leistungen für September
2015 ausschließlich mit einem Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. November 2016 über die endgültige Bewilligung durchsetzen
kann.
Schließlich liegt auch kein Fall einer "doppelten Rechtshängigkeit" vor. §
17 Abs.
1 Satz 2
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) bestimmt: Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Diese allein
das gerichtliche Verfahren betreffende Vorschrift hat für das Widerspruchsverfahren insoweit Bedeutung, als es am Rechtsschutzbedürfnis
für ein weiteres Widerspruchsverfahren mangelt, wenn die Sache bereits in einem Widerspruchsverfahren anhängig ist. Daran
fehlt es aber vorliegend.
Die mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 eingelegten Widersprüche betrafen alle Bescheide vom 18. November 2016. Ein bereits
zuvor anhängig gemachtes Widerspruchsverfahren, in dem die Sache bereits anhängig gewesen wäre, bestand nicht.
Der Widerspruch war auch begründet und somit letztlich erfolgreich im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Ein Widerspruch ist erfolgreich, wenn ihm die Behörde stattgibt. Dies erfordert, dass auf den Widerspruch eine den Betroffenen
begünstigende Entscheidung ergeht. Begünstigend ist eine Entscheidung, wenn sie eine Beschwer des Betroffenen beseitigt. Dies
erfordert, wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass zwischen dem Rechtsbehelf und der begünstigenden Entscheidung
der Behörde eine ursächliche Verknüpfung besteht (BSG, Urteil vom 21. Juli 1992 - 4 RA 20/91, Rdnrn. 18 und 19, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 3 - 1300 § 63 Nr. 3; BSG, Urteil vom 25. Januar 2011 - B 5 R 14/10 R, Rdnr. 21, zitiert nach juris; vgl. auch: BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 - B 6 KA 29/09 R, Rdnr. 16, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1300 § 63 Nr. 13; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 6 KA 35/10 R, Rdnr. 14, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1300 § 63 Nr. 16; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 - B 13 R 15/10 R, Rdnr. 31, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1500 § 193 Nr. 6; BSG, Urteil vom 2. Mai 2012 - B 11 AL 23/10 R, Rdnrn. 18 und 21, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1300 § 63 Nr. 17; BSG, Urteil vom 2. November 2012 - B 4 AS 97/11 R, Rdnr. 18, zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 68/12 R, Rdnr. 20 und 21, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1300 § 63 Nr. 20). Es ist das Vorliegen eines äußeren Erfolges
ausreichend. Es genügt daher, dass die Abhilfe auf einer vom angefochtenen Bescheid abweichenden Beurteilung der Sach- und
Rechtslage beruht; eines inneren Erfolges, d. h. einer Kausalität zwischen der Begründung des Widerspruches und der Abhilfe,
bedarf es hingegen nicht. Soweit das BSG auf den Begriff der ursächlichen Verknüpfung abhebt, stellt es damit auf die Kausallehre von der wesentlichen Bedingung ab.
Nach der im Sozialrecht geltenden Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung oder der wesentlich mitwirkenden Ursache
sind Ursache und Mitursache unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung
zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welcher der Umstände den Eintritt des Erfolgs im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen
Kausalität (conditio sine qua non) verursacht haben, als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung
aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln (BSG, Urteil vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 R, Rdnr. 22, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-2700 § 8 Nr. 12; BSG, Urteil vom 28. Juni 1991 - 11 RAr 81/90, Rdnr. 21, und mit Hinweis auf die weiteren Rechtsgebiete des Sozialrechts: Rdnr. 20, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE
69, 108 = SozR 3-4100 § 119 Nr. 6; BSG, Urteil vom 9. August 2001 - B 10 LW 9/00 R, Rdnr. 15, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 3-5864 § 9 Nr. 2; BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R, Rdnr. 16, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-2600 § 43 Nr. 18; BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - B 1 KR 22/11 R, Rdnr. 17, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 111, 146 = SozR 4-2500 § 35 Nr. 6; BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 - B 14 AS 65/12 R, Rdnr. 22, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 21 Nr. 17; BSG, Urteil vom 6. August 2014 - B 11 AL 16/13 R, Rdnr. 22, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 116, 272 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 6).
Eine solche ursächliche Verknüpfung liegt vor. Der Beklagte traf mit dem Änderungsbescheid vom 28. Dezember 2016 gegenüber
dem Bescheid vom 18. November 2016 über die endgültige Bewilligung für September 2015 eine die Kläger begünstigende Entscheidung,
denn er bewilligte nunmehr der Klägerin zu 1) 329,24 EUR statt 314,44 EUR und dem Kläger zu 2) 115,91 EUR statt 110,71 EUR.
Ursächlich hierfür war der am 12. Dezember 2016 eingelegte Widerspruch.
Die Kläger können daher nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X beanspruchen, dass ihnen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen erstattet werden. Das Sozialgericht
hat dies in seinem Tenor zutreffend entschieden.
Der Senat hat demgegenüber nicht darüber zu entscheiden, ob deswegen die Kläger im Hinblick auf § 16 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) Festsetzung ihrer Aufwendungen über 487,90 EUR hinaus verlangen können. Dies ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden.
Die Berufung muss mithin erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) nicht vorliegen.