Kosten der Unterkunft und Heizung
Angemessenheit von Unterkunftskosten
Vergleich mit Mieten im sozialen Wohnungsbau
Keine Darlegungslast und Beweislast des Leistungsberechtigten für eine Angemessenheit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) und die Warmwasseraufwendungen für den Zeitraum von Juni 2014 bis November 2014.
Der 1950 geborene Kläger bezog seit 1. Juni 2009 Arbeitslosengeld II vom beklagten Jobcenter. Er bewohnt seit Juli 1986 die
im Rubrum angegebene Wohnung mit einer Fläche von 60 m² (2 Zimmer, eine Kammer, eine Küche, ein Kellerraum) und mit einer
Gasetagenheizung mit Warmwasserversorgung. Die Kochenergie wird ebenfalls mit Gas erzeugt. Bei Antragstellung im Mai 2009
betrugen die KdUH 516,57 Euro (Grundmiete 393,57 Euro + Heizkosten 123,00 Euro). Ab 1. September 2013 war die Miete auf 440,14
Euro erhöht worden. Seit Februar 2014 hatte der Kläger Gasabschläge von 119,00 Euro monatlich zu zahlen. Für seine private
Rentenversicherung war eine Verwertung vor Eintritt in den Ruhestand unwiderruflich ausgeschlossen.
Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 22. Juni 2009 im Hinblick auf nach seiner Ansicht überhöhte Unterkunftskosten
an. Der Richtwert für angemessene KdUH (Bruttowarmmiete) betrage in seinem Fall 378,00 Euro. Mit Bescheid vom 2. Dezember
2009 bewilligte der Beklagte Leistungen für KdUH nur noch in Höhe von 378,00 Euro und reduzierte auch in den Folgezeiträumen
die Leistungen für die KdUH (vgl. Urteil des SG Berlin vom 22.01.2016, S 37 AS 29345/14).
Der Kläger beantragte am 21. Mai 2014 die Weiterbewilligung von Leistungen. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 23. Mai
2014 für den Zeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2014 Grundsicherungsleistungen monatlich für den Regelbedarf i.H.v. 391,00
Euro, für den Warmwasserbedarf einen Mehrbedarf von 8,79 Euro und für Bedarfe für Unterkunft und Heizung von 429,00 Euro,
insgesamt 828,79 Euro.
Gegen den Bescheid wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 3. Juni 2014 und begründete dies damit, dass die Leistungen
für KdUH erheblich zu niedrig seien. Er müsse monatlich 559,14 Euro dafür aufwenden. Den Widerspruch wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2014 zurück. Die aktuellen Richtwerte einer angemessenen monatlichen Bruttowarmmiete würden
sich nach der Bedarfsgemeinschaftsgröße, der Gesamtgebäudefläche, der Heizungsart und der Warmwasserversorgung richten. Die
Wohngebäudefläche betrage 1.579,14 m², Energieträger sei Erdgas und die Warmwassererzeugung erfolge dezentral. Auf der Basis
dieser Werte seien Bedarfe für Unterkunft und Heizung in monatlicher Höhe von derzeit 411,00 Euro angemessen. Die für die
Zeit vom 1. Juni 2014 bis 30. November 2014 in monatlicher Höhe von 429,00 Euro berücksichtigten KdUH seien dementsprechend
nicht zu beanstanden.
Am 4. August 2014 erhob der Kläger Klage, denn der Ansatz des Beklagten sei verfehlt. Er halte das Anmieten einer Wohnung
zu den vom Beklagten eingesetzten Konditionen angesichts der derzeitigen Wohnungsmarktsituation in Berlin für gänzlich unrealistisch.
Er habe im Juni 2006 einen Zusammenbruch gehabt und daraufhin unter einer schweren Depression gelitten, die zumindest bis
2009 gedauert habe. Danach sei allmählich eine Besserung eingetreten. Die Nachwirkungen seiner Depression spüre er bis heute.
Insbesondere sei er in seinem Viertel stark verwurzelt. Es sei für ihn nicht möglich, in seiner gewohnten Umgebung eine günstigere
Wohnung zu finden. Der durch den Beklagten übersandte Ausdruck aus dem Internetportal „I.de“ sei nicht geeignet, dessen Standpunkt,
es gebe hinreichend Wohnungen nach seinen Vorgaben, zu stützen. Im Gegenteil, der Beklagte habe gerade einmal vier Wohnungen
finden können, in gänzlich anderen Gebieten. Das sei gemessen an der Nachfrage, die in Berlin herrsche, ein äußerst geringer
Wert. Die Preise am Wohnungsmarkt und insbesondere die Mieten in Berlin seien in den letzten Jahren geradezu explodiert. Politik
des Beklagten sei es offenbar, Leistungsempfänger aus Steglitz herauszudrängen. Eine derartige Politik erwecke den Eindruck
einer Gettoisierung, welche nach der Rechtsprechung des BSG gerade nicht zulässig sei. Erforderlich sei ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Hieran fehle es. Das Anhörungsschreiben vom 22. Juni 2009 stelle selbst keine Aufforderung zur Kostensenkung dar. Eine Aufforderung
zur Senkung der Kosten könne nur im Anschluss an dieses Schreiben erfolgt sein.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. Januar 2016 abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Leistungen
„in gesetzmäßiger Höhe“ sei entsprechend der Klagebegründung auf die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe
von monatlich 559,14 Euro zu beziffern. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, die tatsächlichen monatlichen Aufwendungen zu
gewähren, sondern nur die angemessenen. Eine Kostensenkungsaufforderung sei im Schreiben vom 22. Juni 2009 zu sehen und damit
weit mehr als sechs Monate vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum. Sofern der Kläger dem Schreiben keine Aufforderung
zur Kostensenkung beimesse, sei darauf zu verweisen, dass ihm bereits ab Dezember 2009 nur noch abgesenkte KdUH gewährt würden.
Die Unangemessenheit seiner tatsächlichen KdUH werde ihm also bereits seit Jahren durch den Beklagten kenntlich gemacht. Die
bewilligten Kosten i.H.v. 429,00 Euro erachtet das Gericht als angemessen. Nach Überzeugung des Gerichts sei für einen Einpersonenhaushalt
eine Bruttokaltmiete von 349,50 Euro abstrakt angemessen. Wegen der Einzelheiten der Berechnungsmethode werde auf die Darstellung
von Schifferdecker/ Irrgang/Silbermann: Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin, verwiesen. Zusätzlich seien die tatsächlichen
Heizkosten zu übernehmen, soweit sie angemessen seien. Bei einer Gasetagenheizung sei von einem Grenzwert von 78,75 Euro (Heizkostenspiegel
2015 für 2014) auszugehen. Nach Addition von 349,50 Euro und 78,75 Euro ergebe sich ein Betrag von 428,25 Euro. Entgegen der
Auffassung des Klägers sehe es das Gericht nicht als gegeben an, dass auf dem örtlichen Wohnungsmarkt keine Wohnungen mehr
zu den vom Beklagten gewährten KdUH zur Verfügung stünden. Der Kläger habe schon keine diesbezüglich erfolglosen Umzugsbemühungen
dargelegt. Im Übrigen werde auf die vom Beklagten beigebrachten Wohnungsinserate Bezug genommen.
Gegen den am 29. Januar 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. Februar 2016 Berufung eingelegt. Die vom
Sozialgericht herangezogenen Maßstäbe seien verfehlt. Es sei im streitgegenständlichen Zeitraum für jemanden mit seinen wirtschaftlichen
Verhältnissen nahezu unmöglich, eine Wohnung in Berlin anzumieten, die den vom Sozialgericht zugrunde gelegten Angemessenheitskriterien
entspreche. Zur Begründung hat sich der Kläger auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2016,
S 37 AS 29345/14, bezogen. Der Beklagte hätte zumindest die um 10 Prozent erhöhten Werte der Wohngeldtabelle den Leistungen für die Mietkosten
zugrunde legen müssen, mit einem Betrag von 393,80 Euro monatlich für die Bruttokaltmiete. Mit den Heizkosten von 119 Euro
ergebe sich ein Betrag von 512,80 Euro monatlich.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2016 aufzuheben,
den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2014 aufzuheben und den
Beklagten zu verurteilen, dem Kläger neben den bereits bewilligten Leistungen weitere Leistungen nach dem SGB II für die Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich zur Erzeugung von Warmwasser in tatsächlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen im Gerichtsbescheid für zutreffend. Die mit dem Bescheid vom 23. Mai 2014 zuerkannten angemessenen
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung seien auf der Grundlage der seinerzeit geltenden Wohnaufwendungenverordnung vom 03.04.2012
(GVBl. 2012, 99 - WAV), ermittelt worden. Bei dem Berliner Mietspiegel handele es sich um einen nach anerkannten wissenschaftlichen
Grundsätzen erstellten qualifizierten Mietspiegel nach §
558d BGB. Der BGH lasse bei einem nicht in jeder Hinsicht wissenschaftlichen Grundsätzen entsprechenden Mietspiegel eine richterliche
Schätzung nach freiem Ermessen zu, sofern einen gewisse Mindestqualität vorliege. Der Beklagte verweist auf das Urteil des
LG Berlin vom 14. April 2016, 18 S 125/15. Zudem stelle auch ein einfacher Mietspiegel ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete
zutreffend wiedergäben, wenn er mit einer statistischen Methode erstellt sei, die nach wissenschaftlichen Grundsätzen vertretbar
sei. Die abstrakt angemessene Bruttokaltmiete könne als Referenzmiete aus den Grundlagendaten des Berliner Mietspiegels 2013
gewonnen werden. An der Datengrundlage bestünden keine Zweifel. Die Heranziehung der Daten des Berliner Mietspiegels verletze
weder hinsichtlich des Fehlens einer bestimmten Rücklaufquote noch hinsichtlich der bis 2013 angewandten Methode der Extremwertbereinigung
anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze. Wissenschaftliche Grundsätze, wonach eine Rücklaufquote von mindestens 10
Prozent erreicht werden müsse, gebe es nicht. Eine Berücksichtigung von Angebotsmieten komme nach der Rechtsprechung des BSG nicht in Betracht. Ein Anstieg der Angebotsmieten sei irrelevant, da diese bei der Heranziehung eines qualifizierten Mietspiegels
zur Bestimmung der grundsicherungsrechtlichen relevanten Angemessenheitsgrenzen nicht berücksichtigt werden müssten. Für eine
Wohnungsmangellage bestünden keine validen Anhaltspunkte. Dem Beklagten sei aus einer Vielzahl von Widerspruchs- und Klageverfahren
bekannt, dass im Leistungsbezug stehende Wohnungssuchende im Jahr 2014 zu den vom Beklagten als angemessen anerkannte Kosten
hätten mieten können. Es sei Sache des Klägers nachzuweisen, dass er keine Wohnung zu den abstrakt angemessenen Bedarfen habe
finden können. Allein der Leistungsberechtigte habe die Möglichkeit, substantiiert darzulegen, dass trotz ernsthafter und
intensiver Bemühungen eine angemessene Unterkunft im Bedarfszeitraum nicht auffindbar oder für ihn nicht zugänglich gewesen
sei. Eigene Bemühungen habe der Kläger weder vorgetragen noch nachgewiesen. Ein vorschneller Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle
als ultima ratio verbiete sich.
Der Senat hat das Gutachten des Dr. C von M vom 12. Juni 2018 aus dem Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin, S 37 AS 2967/16 , beigezogen. Er hat dem Beklagten mit Schreiben vom 4. Januar 2021 Gelegenheit gegeben, sein Angemessenheitskonzept nachzubessern.
Die Beklagte hat daraufhin die Stellungnahme der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SVwIAS) vom 3. März
2021 vorgelegt, wonach es einer Nachbesserung auch angesichts des Urteils des BSG vom 4. Juni 2014, B 14 AS 40/19 R (WAV), nicht bedürfte. In der Stellungnahme bezieht sich die SVwIAS auf statistisches Material für Vierpersonenhaushalte
und des Berliner Mietspiegels 2015. Bei insgesamt 1.347.700 dem Mietspiegel zugrunde gelegten Wohnungen ergäben sich 140.800
Wohnungen mit einer Quadratmetermiete unter 5,01 Euro/m nettokalt. Bei einer Leerstandsquote von 2 Prozent im Jahr 2013 und
1,9 % im Jahr 2014 seien für eine vierköpfige Familie jährlich ca. 2.816 bzw. 2.675 Wohnungen berlinweit konkret anmietbar
gewesen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Senat mitgeteilt, dass die Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten
anhand der vorliegenden Statistiken der Sozialwohnungen in Berlin erwogen werden könne, und Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
Er hat aus dem Verfahren L 32 AS 946/17 die Antworten der Investitionsbank Berlin (IBB) vom 4. Januar 2021 und 4. Juni 2021 auf Fragen des Senats vom 25. November
2021 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den
Inhalt der vorliegenden Gerichtsakten und der Aktenauszüge des Beklagten gemäß (§§
153 Abs.
1,
136 Abs.
2 SGG), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden (§
126 SGG), weil dieser in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§
110 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2016 ist auf die Berufung des Klägers zu ändern. Die Berufung
ist im Hinblick auf den Streitgegenstand mit einem Beschwerdewert von über 750 Euro statthaft, wurde fristgerecht eingelegt
und ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch in der Sache überwiegend begründet.
Gegenstand des Rechtsstreites ist eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2014, kombiniert mit der Leistungsklage auf höhere Leistungen für die KdUH und die Warmwasseraufwendungen
dem Grunde nach. Dies ist zulässig. Zum einen dürfen die Leistungen für KdUH nach zutreffender ständiger Rechtsprechung des
BSG und auch des Senats eigenständig angefochten werden (BSG, Urteil vom 29.08.2019, B 14 AS 43/18 R, RdNr. 10 m.w.N.). Für die Leistungen für die Warmwasseraufwendungen bei Warmwassererzeugung mit der Heizungsanlage gilt
nichts anderes, denn auch diese Leistungen bestimmen sich wie diejenigen für die KdUH nach § 22 Abs. 1 SGB II und sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur mit den KdUH zusammen geleistet werden (dazu weiter unten). Zum anderen
ist die Leistungsgrundklage wegen §
130 SGG zulässig.
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang überwiegend begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Änderung des Bescheides vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli
2014, soweit mit diesem höhere Grundsicherungsleistungen für KdUH und die Warmwasseraufwendungen versagt werden und für den
Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis 30. November 2014 höhere Leistungen unter Berücksichtigung des Bedarfs für KdUH sowie für die
Warmwasseraufwendungen vom Kläger gefordert werden können. Der angefochtene Bescheid ist daher hinsichtlich der Bemessung
der Leistungen für die KdUH und die Warmwasseraufwendungen nicht rechtmäßig. Er unterliegt deshalb der Änderung.
Rechtsgrundlage eines Anspruchs des Klägers auf höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Juni
2014 bis 30. November 2014 gegen das beklagte Jobcenter sind §§ 19 Abs. 1, 7 Abs. 1, 2, 22 Abs. 1 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung (der Bekanntmachung vom 13.05.2011 – BGBl. I 850). Denn in Rechtsstreitigkeiten
über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das damals geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2016, B 14 AS 53/15 R, RdNr. 14 f; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 13).
Der Kläger hat für diesen Zeitraum die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II erfüllt.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II (also mindestens das 65. Lebensjahr) noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr.
3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4) (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Der Kläger ist erwerbsfähiger Leistungsberechtigter i.S. dieser Regelung. Er ist 1950 geboren und befand sich hinsichtlich
seines Lebensalters innerhalb der nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 7a SGB II vorgegebenen Altersgrenzen. Er war erwerbsfähig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er – gemäß § 8 Abs. 1 SGB II – nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein konnte.
Die seelische Erkrankung, die nach eigenen Angaben des Klägers bis ca. 2009 bestand, besserte sich nach seinen Angaben in
der Folgezeit deutlich. Er war auch hilfebedürftig (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1, 2 SGB II), denn er konnte seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern (§ 9 Abs. 1 SGB II). Aus seinen Kontoauszügen für den streitbefangenen Zeitraum ergibt sich, dass er weder über Einkommen noch über anrechenbares
Vermögen verfügte. Die vorhandene Altersvorsorge war wegen des Verwertungsausschlusses gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II abzusetzen. Seinen Wohnsitz hatte er in Berlin und damit im Sinne von §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II, 30 Abs.
3 SGB I im Bundesgebiet. Der Kläger hatte damit Anspruch auf Arbeitslosengeld II dem Grunde nach, denn er hatte auch den nach § 37 Abs. 1 SGB II erforderlichen Antrag auf Leistungen gestellt.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II umfassen die Leistungen des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft
und Heizung.
Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im Rahmen der Bewilligung von Arbeitslosengeld II in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Die Prüfung der Angemessenheit des Bedarfs für die Unterkunft und des Bedarfs für die Heizung (und die Warmwasseraufwendungen)
haben grundsätzlich getrennt voneinander zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 36/08 R, RdNr. 18 m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 14), unbeschadet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) und der erst nach dem hier streitbefangenen Bewilligungszeitraum eingeführten Gesamtangemessenheits-grenze nach § 22 Abs. 10 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I 1824).
Zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft ist von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen (BSG vom 22.09.2009, B 4 AS 8/09 R - Staffelmiete, RdNr. 15 ff.; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 15). Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen
hoch hält, muss es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit
des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II; so schon BSG vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R, RdNr. 29; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 15 m.w.N.). Dabei ist es ausreichend, wenn keine nach Netto-/Bruttokaltmiete und Heizkosten differenzierende, sondern
auf eine Unangemessenheit der Bruttowarmmiete bezogene Kostensenkungsaufforderung ergeht (BSG, Urteil 20.08.2009, B 14 AS 41/08 R, RdNr. 33). Der Kläger wurde bereits 2009 unter Hinweis auf die von dem Beklagten als angemessen angesehene Bruttowarmmiete,
spätestens durch die Absenkung der Leistungen für die KdUH, wirksam zur Kostensenkung aufgefordert. Insofern folgt der Senat
den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides (§
153 Abs.
2 SGG). Zu diesem Zeitpunkt musste der Beklagte noch nicht davon ausgehen, dass die von ihm angewandte AV-Wohnen nicht den gesetzlichen
Mindestvorgaben entsprach (Rudnik in ZFSH/SGB 2021, 127, 143).
Die Bruttokaltmiete des Klägers war im streitbefangenen Zeitraum angemessen. Bei dem entscheidenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmal
der „Angemessenheit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (st. Rspr.: vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R - München I, RdNr. 12; BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R - Fortschreibung schlüssiges Konzept, RdNr. 14; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 16). Gegen die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen
Bedenken, zumal zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch die Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II zu berücksichtigen sind (BVerfG, Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R - Fortschreibung schlüssiges Konzept, RdNr. 17 f; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 17).
Das BVerfG geht davon aus, dass § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in ein Regelungssystem eingebunden ist. So sind insbesondere die Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II auch bei der Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15, RdNr. 17). Die Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II sind im direkten Zusammenhang mit der Norm des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in das Gesetz eingefügt worden, um den Bedarf für KdUH transparent und rechtssicher zu regeln (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S.
44). Dabei ist der Gesetzgeber von der Rechtsprechung des BSG zu § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausgegangen und hat teils übereinstimmende, teils davon abweichende Vorgaben an den Satzungsgeber normiert (BVerfG, Beschluss
vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15, RdNr. 17). Er hat mit §§ 22a bis 22c SGB II die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch das BSG gesetzlich nachvollzogen, wonach die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach Maßgabe der Produkttheorie auf Grundlage
eines schlüssigen Konzepts zu bestimmen ist (BVerfG ebd.). Damit bleiben Behörden und Gerichten zwar durchaus Entscheidungsspielräume
insbesondere mit Blick auf das schlüssige Konzept, doch ist die Auslegung der hier in Frage gestellten Norm gesetzlich begrenzt
(BVerfG ebd.). Das BVerfG weist im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung der Ausgangsregelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II darauf hin, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er in § 22a Abs 1 SGB II für Länder, Kreise und kreisfreie Städte lediglich die Möglichkeit einer näheren Ausgestaltung auf Satzungsebene einräumt,
zu erkennen gibt, dass er die gesetzliche Regelung in § 22 SGB II vor dem Hintergrund der sozialgerichtlichen Rechtsprechung für hinreichend bestimmt hält (BVerfG ebd. RdNr. 18).
Aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II folgt, dass für die Angemessenheit die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Es ist also der konkrete Bedarf der Leistungsberechtigten
einzelfallbezogen zu ermitteln. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfolgt damit anders als § 20 SGB II im Ausgangspunkt einen Individualisierungsgrundsatz (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017, 1 BvR 617/14, RdNr. 15). Was angemessen ist, kann nach Auffassung des BVerfG des Weiteren in Anknüpfung an die sozialhilferechtliche Vorgängerregelung
bestimmt werden, an die der Gesetzgeber mit § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anschließen wollte (BVerfG ebd. unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/1516, S. 57). Der zu ordnende Lebenssachverhalt ist nach
Auffassung des BVerfG von so unterschiedlichen Faktoren bestimmt, dass die Vorgabe angemessener Kostenerstattung als hinreichend
bestimmt anzusehen ist (BVerfG ebd. RdNr. 17). So muss die Ermittlung der marktüblichen Wohnungsmieten zur Bestimmung des
Betrages, der eine menschenwürdige Existenz hinsichtlich dieser Bedarfe tatsächlich sichert, immer die Besonderheiten des
Einzelfalls berücksichtigen. Dabei ist die Heterogenität des jeweils lokal unterschiedlichen Wohnungsmarktes ebenso zu beachten
wie die Tatsache, dass zu den Kosten der Unterkunft regional in unterschiedlichem Maße belastbare Informationen vorliegen.
Vor diesem Hintergrund – so das BVerfG (ebd.) – durfte sich der Gesetzgeber darauf beschränken, die Deckung eines existenzsichernden
Bedarfs durch den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit zu gewährleisten, um so der Vielfältigkeit der betroffenen
Lebenssachverhalte gerecht zu werden. Dem Ziel der Konkretisierungspflicht, dass Normadressaten sich auf Entscheidungen der
Verwaltung einstellen können, ist verfahrensrechtlich Rechnung zu tragen (BVerfG ebd. RdNr. 18). Die Reduzierung der Leistung
auf die angemessenen Kosten der Unterkunft setzt eine vorherige Aufforderung voraus, sich binnen einer angemessenen Frist
eine neue Unterkunft zu suchen. Die Begrenzung der Übernahme auf angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung sei auch im
Hinblick auf die Höhe des Leistungsanspruchs verfassungsrechtlich zulässig (BVerfG ebd. RdNr. 19). Aus verfassungsrechtlicher
Sicht ist insoweit entscheidend, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht unterschritten wird, die
gesetzlichen Regeln also tatsächlich eine menschenwürdige Existenz sichern (BVerfG ebd. m.w.N.). Zwar handelt es sich bei
den Kosten für Unterkunft und Heizung um eine der grundrechtsintensivsten Bedarfspositionen, denn sie betreffen die grundlegende
Wohn- und Lebenssituation eines Menschen (BVerfG ebd. m.w.N.). Doch ergibt sich daraus keine Verpflichtung, jedwede Unterkunft
im Falle einer Bedürftigkeit staatlich zu finanzieren und insoweit Mietkosten unbegrenzt zu erstatten. Die grundrechtliche
Gewährleistung bezieht sich nur auf das Existenzminimum.
Wie zur Bestimmung des Regelbedarfs (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, und Beschluss vom 25.07.2014, 1 BvL 10/12 u.a., RdNr. 102 m.w.N.) hat auch die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums hinsichtlich des Unterkunftsbedarfs
durch einen Vergleich mit solchen einkommensschwachen Haushalten, in denen der Lebensunterhalt nicht aus Mitteln der staatlichen
Existenzsicherung bestritten wird, zu erfolgen (st. Rspr. BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R, RdNr. 17; Urteil vom 29.08.2019, B 14 AS 43/18 R, RdNr. 31). Durch diesen Vergleich mit der Referenzgruppe wird sowohl dem Teilhabeaspekt der Grundsicherung auch im Bereich
des Unterkunftsbedarfs wie auch der Begrenzung der staatlich finanzierten Grundsicherungsleistungen Rechnung getragen. Aus
diesem Vergleich leiten sich die weiteren Maßstäbe zur Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ab, wie etwa die,
dass es auf Unterkünfte einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt und auf die im unteren Preissegment für vergleichbare
Wohnungen am Wohnort der Leistungsberechtigten marktüblichen Wohnungsmieten ankommt. Der Vergleich ist auch Grundlage dafür,
unterschiedliche Wohnungsmarktsituationen entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben realitätsgerecht zu erfassen. Im
entspannten Wohnungsmarkt (mit einem günstigen Wohnungsangebot für Wohnungssuchende) kommt es auf den Wohnungsbestand an,
in dem die Referenzgruppe tatsächlich wohnt, während es im angespannten Wohnungsmarkt, in dem das Wohnungsangebot den Bedarf
wesentlich unterschreitet, darauf ankommt, welche Wohnungen von der Referenzgruppe bei der Wohnungssuche tatsächlich angemietet
werden (vgl. Rudnik in ZFSH/SGB 2021, 127, 130).
Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs hat zu beachten, dass wesentliche Aspekte durch normative Entscheidungen bestimmt
oder vorgeprägt sind (vgl. BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 26 m.w.N.). Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung ist grundsätzlich gerichtlich voll
überprüfbar (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 18 m.w.N. zur h.M.) Das gilt auch für den Rechtsbegriff der Angemessenheit nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (BSG ebd.). Eine Rechtsgrundlage oder dogmatische Herleitung für eine von Jobcentern in diesem Zusammenhang zum Teil beanspruchte
„nicht justiziable Einschätzungsprärogative“ oder „gerichtlich nicht überprüfbare politische Entscheidung“ sind im Lichte
von Art.
19 Abs.
4 GG nicht ersichtlich (BSG ebd. m.w.N.).
Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in „zwei größeren Schritten“ zu erfolgen:
Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten
(= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit
den tatsächlichen Aufwendungen zu prüfen (st. Rspr. BSG ebd. RdNr. 19 m.w.N.). Auf der ersten Ebene werden danach die Gegebenheiten und zugleich die Besonderheiten des jeweils relevanten
örtlichen Wohnungsmarktes erfasst und insofern die für den Einzelfall maßgebenden tatsächlichen Umstände der örtlichen Wohnungssituation,
allerdings noch abstrakt berücksichtigt. Erst auf der nächsten Ebene, mit dem zweiten „größeren Schritt“ vervollständigt sich
die Einzelfallprüfung der Angemessenheit im Sinne des Individualisierungsgrundsatzes durch Berücksichtigung individueller
Umstände, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs oder
auf Besonderheiten im Wohnbedarf durch den Umgang von Sorgeberechtigten mit ihren Kindern (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2019, B 14 AS 43/18 R, RdNr. 24).
Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter
multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, welches das BSG in der Entscheidung vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 20 ff., ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung unter Einbeziehung der Rechtsentwicklung wie folgt zusammengefasst
und konkretisiert hat:
(1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en),
(2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards,
(3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen
örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept,
(4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten.
Der Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept
ist ausgehend von der zuvor angeführten Rechtsprechung zugrunde zu legen: Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich
einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 22; BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R - München I, RdNr. 21), innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar
ist (vgl. auch BSG vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R – Essen, RdNr. 32 ff.) und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt (vgl. in Abgrenzung hierzu BSG vom 01.06.2010, B 4 AS 60/09 R - Umzug in anderen Vergleichsraum, RdNr. 18 ff.). Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten
Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer
Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 22 m.w.N.).
Für Berlin hat das BSG geklärt, dass das Stadtgebiet einen Vergleichsraum bildet (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R, RdNr. 24; Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 32/09 R, RdNr. 19).
Das schlüssige Konzept soll die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum
dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 24). Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und
nachvollziehbar ist. Es muss gewährleisten, dass danach angemessene Wohnungen tatsächlich verfügbar, also anmietbar sind (BSG, Urt. vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 24).
Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben
über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität
und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung
von „Brennpunkten“ durch soziale Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den
Daten dargelegt wird (grundlegend BSG vom 22.9.2009, B 4 AS 18/09 R - Wilhelmshaven, RdNr. 18 f; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 24 m.w.N.). Auch insoweit sind bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit die Reglungen
und Wertungen der §§ 22a Abs 3, 22b Abs 1, 2 und 22c Abs 1 SGB II zu integrieren.
Es kann verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges Konzept in diesem Sinne zu erstellen und den damit unmittelbar zusammenhängenden
Vergleichsraum oder ggf. mehrere Vergleichsräume zu bilden, weil weder aus § 22 SGB II noch aus §§ 22a bis 22c SGB II die Anwendung eines bestimmten Verfahrens rechtlich zwingend ableitbar ist (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 25 m.w.N., insbesondere unter Bezug auf IWU, Institut Wohnen und Umwelt, Forschungsbericht 478, Ermittlung der existenzsichernden
Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, erstellt von v. Malottki u.a., hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2017 – im Folgenden: FB Unterkunftsbedarfe,
S. 207 ff.).
Die volle gerichtliche Überprüfung des Angemessenheitswerts und des Verfahrens zu seiner Ermittlung schließt nicht aus, dass
bei dieser Kontrolle der Verwaltung deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung getragen
und die gerichtliche Kontrolle als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet wird (BVerfG vom 31.05.2011, 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1, RdNr. 70; vgl. zu den Grenzen gerichtlicher Kontrolle zudem: BVerfG vom 23.10.2018, 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 26 m.w.N.).
Zur Umsetzung der gerichtlichen Kontrolle ist es auf eine entsprechende Klage hin zunächst Aufgabe des Gerichts, die Rechtmäßigkeit
des vom beklagten Jobcenter ermittelten abstrakten Angemessenheitswerts sowohl im Hinblick auf die Festlegung des Vergleichsraums
als auch die Erstellung eines schlüssigen Konzepts zu überprüfen (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 27). Ist die Ermittlung dieses abstrakten Angemessenheitswerts rechtlich zu beanstanden, ist dem Jobcenter Gelegenheit
zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen (BSG ebd. RdNr. 28 m.w.N., BSG, Urt. vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19R, RdNr 22). Gelingt es dem Jobcenter nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen,
ist das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache (vgl. zu dieser Pflicht des Gerichts §
131 Abs.
2,
3 SGG sowie dessen Abs. 5 mit der Zurückverweisung an die Verwaltung nur unter bestimmten Voraussetzungen; BSG vom 28.6.2001, B 3 P 9/00 R, JURIS-RdNr. 42) nicht befugt, seinerseits eine eigene Vergleichsraumfestlegung vorzunehmen oder ein schlüssiges Konzept
– ggf. mit Hilfe von Sachverständigen – zu erstellen (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 29, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 23 f).
Zur Herstellung der Spruchreife bei der Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für Unterkunft kann das Gericht nur
auf schon vorhandene Datengrundlagen zurückgreifen (BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 24). Diese Datengrundlagen müssen die vergleichsraumbezogene, zeit- und realitätsgerechte Bestimmung abstrakter
Angemessenheitswerte gewährleisten können (BSG ebd.). Wesentliche Faktoren sind durch normative Entscheidungen bestimmt oder vorgeprägt (BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 26 m.w.N.). Die möglichen Erkenntnisquellen sind mit der Regelung des § 22c Abs. 1 SGB II beispielhaft vorgegeben (BSG ebd.). Insoweit nennt der Katalog des § 22c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II als Erkenntnisquellen für die Bestimmung des Angemessenheitswerts Mietspiegel, qualifizierte Mietspiegel und Mietdatenbanken.
Dass der Gesetzgeber diese Erkenntnisquellen allgemein für geeignet angesehen hat, Grundlage der Festlegung von Angemessenheitswerten
zu sein, ergibt sich aus der Formulierung des § 22c Abs. 1 Satz 1 SGB II (BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 26 m.w.N.).
Schließlich sollen in die Bestimmung der abstrakt angemessenen Miete sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen
(§ 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II). Zudem ist auch bei der Prüfung nach § 22 Abs. 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung
unangemessen teuer ist (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 22). Die tatsächliche Verfügbarkeit von angemessenem Wohnraum ist nach § 22a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB II und nach der Rechtsprechung des BSG bereits während des ersten größeren Schritts, der Bestimmung der abstrakt angemessenen Miete, zu berücksichtigen. Dies hat
die verfassungsrechtliche Vorgabe zur Grundlage, dass die für eine Vielzahl von Betroffenen maßgeblichen Wertungen und Bestimmungen
realitätsgerecht für den jeweiligen Leistungszeitraum sein müssen.
Das Sozialrechtsoptimierungsgebot des §
2 Abs.
2 SGB I schließt in seiner verfahrensrechtlichen Wirkung (vgl. BSG, Urteil vom 16.03.2021, B 2 U 7/19 R, RdNr. 19 m.w.N.) bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit die Verortung der Darlegungs- und
Beweislast auf Seiten des Leistungsberechtigten aus. Vielmehr hat die Sozialverwaltung den Nachweis zu erbringen, dass für
den Betroffenen konkret verfügbarer Wohnraum vorhanden ist (Rudnik in ZFSH/SGB a.a.O. S. 130), zumal die Unangemessenheit
der KdUH eine Einwendung der Behörde ist (vgl. den Wortlaut der Parallelregelung des § 35 SGB XII). Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Behörde nicht verpflichtet ist, den Betroffenen angemessenen Wohnraum zu verschaffen.
Ein Ansatz der Angemessenheitsprüfung, der die reale Wohnungsmarktsituation im Bereich des verfügbaren, also gerade verteilbaren,
nicht dauerhaft belegten Wohnraums nicht auf dem ersten größeren Schritt (abstrakte Angemessenheit), sondern erst im zweiten
größeren Schritt (subjektive Angemessenheit) prüfen will, verkennt das verfassungsrechtliche Realitätsgebot, das auch dem
Begriff der abstrakten Angemessenheit innewohnt. Sie übersieht eine weitere Vorgabe des Gesetzgebers, nämlich § 22a Abs. 3 Nr. 1 SGB II, wonach die Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt im Hinblick auf Mietpreis erhöhende Wirkungen zu berücksichtigen
sind. Dabei gilt es zu bedenken, dass eine zu niedrig angesetzte Mietobergrenze die betroffenen Leistungsberechtigten zur
Wohnungssuche zwingt und damit Nachfrage schafft, was Auswirkungen auf die Marktmieten haben kann (zur Anzahl der Kostensenkungsaufforderungen
weiter unten und Rudnik a.a.O. S. 127 m.w.N.). Das BSG hat dementsprechend auch für den Senat überzeugend die realistische Verfügbarkeit von Wohnraum bei der Bestimmung der abstrakt
angemessenen Mietobergrenzen verlangt (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R, RdNr. 27; Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 22; Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 24, 27).
Treten bei zutreffender Bestimmung der abstrakten Angemessenheit im Einzelfall weitere Wohnraumvermittlungshemmnisse hinzu,
wie Verschuldung, Schwerbehinderung, Familiengröße etc., sind diese im zweiten größeren Schritt auf der subjektiven Prüfebene
zu berücksichtigen.
Bei Anwendung dieser Maßstäbe in dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgegebenen mehrstufigen Verfahren zur Ermittlung
der abstrakt angemessenen Aufwendungen unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit
dem Quadratmeterpreis“) lassen sich zwar die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die leistungsberechtigten Personen (§
22b Abs. 1 Nr. 1 SGB II) und der angemessene Wohnungsstandard bestimmen. Der Senat vermag jedoch nicht, die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine
nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum auf ein schlüssiges Konzept der
Sozialverwaltung zu stützen, das diesen Anforderungen genügt.
Der Senat sieht mit der ganz herrschenden Rechtsprechung für einen Einpersonenhaushalt eine Wohnungsgröße von 50 m als angemessen
an. Hierzu ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen, die zur Referenzgruppe
zählen. Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) i.V.m. §
5 Wohnungsbindungsgesetz (
WoBindG). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs. 4 WoFG auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Da das Land Berlin zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen hat, kann zur Bestimmung der örtlichen Angemessenheitsgrenze an die (unveröffentlichten)
Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 (Mitteilung Nr. 8/2004 vom 15. Dezember 2004, Hinweis
8) zu §
5 WoBindG und § 27 WoFG angeknüpft werden, die ihrerseits auf die Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt
für Berlin Nr. 57 vom 10. November 1995, S. 4462) zurückgreifen. Danach darf an Einpersonenhaushalte Wohnraum von bis zu 50
m und an Zweipersonenhaushalte Wohnraum von bis zu 60 m überlassen werden (so auch für Einpersonenhaushalte in Berlin: BSG, Urteile v. 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 17 und B 14 AS 65/09 R, RdNr. 22 f.).
Die Wohnung des Klägers mit 60 m Wohnfläche ist daher hinsichtlich ihrer Größe ungemessen. Darauf kommt es indes wegen der
anzuwendenden Produkttheorie im Ergebnis nicht an.
Nach der dargestellten Rechtsprechung von BVerfG und BSG und unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 22a Abs. 3 Satz 1 SGB II ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen. Die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung,
Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne einen gehobenen Wohnstandard aufzuweisen.
Mit diesen Vorgaben, hat das BSG geklärt, dass Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand
gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete heranzuziehen ist (BSG, Urt. v. 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R - Dresden, RdNr. 18). Solche Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad sind insbesondere Wohnungen mit Ofenheizung
und Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder
Küche) waschen, aber nicht duschen können (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, Rn. 24), Wohnungen ohne Heizung, ohne Bad, ohne Warmwasser im Bad (BSG, Urteil vom 12.2011, B 4 AS 19/11 R - Duisburg, RdNr. 28); Wohnungen, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht
über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R - München, RdNr. 21). Ein „verfahrensrechtliches Erfordernis“, sämtliche Wohnwertmerkmale regelmäßig und unabhängig von
der Art des schlüssigen Konzepts in einem vorgeschalteten Schritt abschließend (positiv) zu definieren, hat das BSG nicht formuliert (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R - Dresden, RdNr. 19). Dabei kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung oder Lage isoliert als angemessen anzusehen
sind, solange nicht unangemessen hohe Kosten vorliegen (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/11b AS 61/06 R, Rn. 18), weshalb das BSG der Produkttheorie folgt. Nur in diesem Sinne versteht das BSG den Maßstab von Wohnungen im unteren Marktsegment. Diesem Kriterium kommt daher kein besonderer Erkenntniswert zu – auch
nicht etwa dahingehend, dass sich die Mietpreise im unteren Drittel der Marktpreise zu bewegen hätten (so auch Berlit, LPK
SGB II, 6. Aufl. § 22 Rn. 71).
Der Berliner Mietspiegel unterscheidet zwischen einfachen, mittleren und guten Wohnlagen und bestimmt für diese Wohnlagen,
bestimmte Baualtersklassen und Wohnungsgrößen Mittelwerte jeweils als Median-Werte. Für bestimmte – wenige – Ausstattungsvarianten
sieht er konkrete Auf- bzw. Abschläge vor. Im Übrigen erlaubt er im Rahmen von Unter- und Oberspannen pauschale Ab- und Zuschläge
bei vom angesetzten Standard nach unten oder nach oben abweichenden Qualitätsmerkmalen der Wohnungen. Diese Spanneneinordnung
als Schätzgrundlage zählt jedoch nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels. Aussagekraft haben die Merkmale, die nach
dem Mietspiegel zu pauschalen Ab- und Zuschlägen führen, dennoch, weil sie einen Rückschluss auf die Bestimmung des maßgeblichen
Standards für den Mittelwert erlauben. Danach markieren die Mittelwerte aller Wohnlagen recht genau den für die Angemessenheit
zugrunde zu legenden einfachen Standard. Dies zeigt sich daran, welche wohnwertmindernden Merkmale zu Abschlägen vom Mittelwert
führen, wie beispielsweise: kein Handwaschbecken in Bad oder WC, Bad nicht beheizbar oder Holz-/Kohleheizung, keine ausreichende
Warmwasserversorgung im Bad oder in der Küche, keine Kochmöglichkeit oder Gas-/Elektroherd ohne Backofen, keine Spüle, Küche
nicht beheizbar oder Holz-/Kohleheizung, überwiegend Einfachverglasung, unzureichende Elektroinstallation etc. Diese Merkmale
zählen sämtlich zur untersten, d.h. grundsicherungsrechtlich unzumutbaren Unterkunftskategorie oder bestimmen den unteren
Rand des einfachen Standards. Hinzukommt, dass die Mehrheit der Wohnungen mit den geringen Bruttokaltmieten im Sinne der seinerzeitigen
AV-Wohnen in der mittleren und guten Wohnlage in Berlin zu finden sind, die Wohnlage selbst daher kein hinreichendes Abgrenzungskriterium
liefert (Rudnik a.a.O. S. 135 m.w.N.). Der Medianwert kennzeichnet daher den einfachen Standard, also eine typische Wohnung
der Referenzgruppe.
Ein schlüssiges Konzept für derart charakterisierte Wohnungen ist für Berlin im hier relevanten Zeitraum im Jahr 2014 nicht
vorhanden. Die Beklagte hat auch rückwirkend kein Konzept vorgelegt/verbessert. Der Senat sieht sich nicht in der Lage eigenständig
einen Grenzwert für die Angemessenheit der Unterkunftskosten, der den gesetzlichen Vorgaben entspricht, zu bestimmen. Dies
ist im vorliegenden Fall auch entbehrlich, weil sich die Bruttokaltmiete des Klägers unter Beachtung der normativen Vorprägung
des unbestimmten Begriffs der Angemessenheit i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als angemessen erweist.
Die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII vom 10. Februar 2009 (Amtsblatt für Berlin 2009, 502 – AV-Wohnen), bei denen es sich um bloße Verwaltungsvorschriften handelt,
die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten, sind zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet,
weil sie eine Bruttowarmmiete auswiesen (§ 22 Abs. 10 SGB II galt im fraglichen Zeitraum noch nicht), obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten
unabhängig zu erfolgen hatte (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R, RdNr. 26), lediglich die Mittelwerte der einfachen Wohnlage zur Grundlage der Bestimmungen gemacht wurden, ohne die dafür
relevanten Gesichtspunkte erkennbar zu machen (dazu unten), und ihnen also kein schlüssiges Konzept i.S. der Rechtsprechung
des BSG zugrunde liegt (BSG, Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 32/09 R, RdNr. 22).
Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Wohnung ist auch nicht anhand der Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (WAV) zu messen, wie es die Beklagte für den gesamten betroffenen Zeitraum getan hat. Die WAV ist unwirksam. Die Unwirksamkeitserklärung
erstreckt sich zwar nur auf den Geltungszeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Juli 2013 (BSG, Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 53/13 R, RdNr. 15, 16). Jedoch ist die WAV auch für die Folgezeiträume aufgehoben worden (WAV-Aufhebungsverordnung vom 16.06.2015,
GVBl Berlin S. 275). Die sodann vom Beklagten wieder angewandte AV-Wohnen stellt kein schlüssiges Konzept dar (s.o.).
Auf die ihm durch den Senat eingeräumte Gelegenheit zur Nachbesserung hat der Beklagte dies unter Bezugnahme auf die Stellungnahme
der SVwIAS vom 3. März 2021 abgelehnt.
Der Senat sieht sich nicht in der Lage, einen Grenzwert für die grundsicherungs-rechtliche Angemessenheit für Wohnungen von
Einpersonenhaushalten im Jahr 2014 zu bestimmen. Es fehlt dafür an überzeugungskräftigen Daten. Insbesondere können die Grundlagendaten
der Mietspiegel 2013 und 2015 dafür nicht herangezogen werden.
Sofern die höchstrichterliche Rechtsprechung für zulässig hält, dass für städtische Vergleichsräume unter Auswertung qualifizierter
Mietspiegel Angemessenheitsgrenzwerte zu bestimmen (BSG, Urteile vom 19.10.2010, B 14 AS 65/09 R, RdNr. 29, B 14 AS 50/10 R, RdNr. 27; Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 30), scheidet dies für Berlin aus. Das sogenannte Schifferdecker-Modell, das von einem Teil der Richterschaft des
Sozialgerichts Berlin auf der Grundlage der Basisdaten der qualifizierten Mietspiegel für Berlin entwickelt (Schifferdecker/Irgang/Silbermann,
Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28) und fortgeschrieben worden ist, genügt den Anforderungen
nicht. Zum einen macht es die Mittelwerte der einfachen Wohnlage zum Angemessenheitsgrenzwert. Dies überzeugt schon deshalb
nicht, weil die Mittelwerte der einfachen Wohnlage des Mietspiegels am ehesten die typische Bestandswohnung der Referenzgruppe,
nicht aber deren Obergrenze markieren (Rudnik a.a.O. S. 135). Zudem hat das BSG wiederholt klargestellt, dass wenn der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen der einfachen Wohnlage
bzw. des einfachen Standards zu Grunde legt, er nachvollziehbar offen legen muss, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die
Auswahl getroffen hat (BSG, Urteile vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R, RdNr. 21; vom 23.08.2011, B 14 AS 91/10 R - Cuxhaven, RdNr. 24; vom 20.12.2011, B 4 AS 19/11 R - Duisburg, RdNr. 33). Dies lässt sich weder für das richterliche Angemessenheitsmodell noch für die auf gleicher Grundlage
vorgehende WAV und AV-Wohnen vor 2018 feststellen. Schließlich liefern die für den hier relevanten Zeitraum vorhandenen Berliner
Mietspiegeldaten keine geeignete Grundlage für eine Bestimmung der Angemessenheitsgrenze.
Soweit zur Bestimmung der angemessenen Referenzmiete ein Mietspiegel herangezogen wird, ist zu beachten, dass sich aus der
Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§
558 ff.
BGB einige Vorgaben ergeben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung
haben. Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach §
558 Abs.
2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten
vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach §
560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei
dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§
558 ff.
BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter
Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise,
nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings
ist bei der Prüfung nach § 22 Abs. 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine „angemessene“ Wohnung für den Fall anzumieten wäre, dass die
Bestandswohnung unangemessen teuer ist. (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R, RdNr. 27, m.w.N., vgl. auch Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt-
und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 1. Auflage 2002, 2., inhaltlich unveränderte Auflage 2014).
Liegt ein qualifizierter Mietspiegel i.S. des §
558d Abs.
1 und
2 BGB vor, so wird vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben
(§
558d Abs.
3 BGB). Die Rechtsprechung des BSG berücksichtigt dies, denn es kann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren
aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert
dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis
entnommen werden können, davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung
für die Unterkunft gibt (BSG, Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 106/10 R, RdNr. 30; BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R, RdNr. 38). Für die grundsicherungsrechtliche Wertung bleibt indes zu beachten, dass die Funktion des Mietspiegels, qualifiziert
oder einfach, zivilrechtlich in der Begrenzung der Mietkostenentwicklung liegt und dass in erheblichem Umfang die Mietpreise
von Bestandswohnungen wiedergegeben werden. Der Mietspiegel gibt keine Auskunft darüber, inwieweit jeweils aktuell Wohnungen
zur Neuvermietung zur Verfügung stehen, also tatsächlich verfügbar sind. Einen relevanten Beweiswert insofern hat ein Mietspiegel
schon angesichts der Methode der Datenerhebung nicht. Lediglich für die Situation eines ausgeglichenen, (aus Mietersicht)
entspannten Wohnungsmarktes ohne erkennbaren starken Mietanstieg kann aus Mietspiegeldaten ein Rückschluss auf jeweils aktuelle
Angemessenheitsgrenzen geschlossen werden. Dies wird durch die Rechtsprechung des BSG bestätigt, die für den Fall von unvorhersehbaren Preissprüngen auf dem Wohnungsmarkt eine entsprechende Anpassung der Ausgangsdaten
für die Bestimmung der Grenzwerte durch die Gerichte erwartet (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 21). Daraus folgt zugleich, dass vorhersehbare Preisentwicklungen in das jeweilige Konzept einzustellen sind.
Einem Mietspiegel i.S. des §
558c Abs.
1 BGB, der die Voraussetzungen des §
558d Abs.
1 BGB nicht erfüllt (einfacher Mietspiegel), kommt zwar nicht die in §
558d Abs.
3 BGB dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene Vermutungswirkung zu. Er stellt jedoch ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen
Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben. Wie weit diese Indizwirkung reicht, hängt von den konkreten
Umständen des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere der Qualität des Mietspiegels ab. Voraussetzung für die Berücksichtigung
des Mietspiegels als Indiz oder als Vermutung im Rahmen der Überzeugungsbildung des Tatrichters ist jedoch, dass der Mietspiegel
die Tatbestandsmerkmale des §
558c Abs.
1 BGB beziehungsweise des §
558d Abs.
1 BGB erfüllt (BGH, Urteil vom 21.11.2012, VIII ZR 46/12, RdNr. 16, 17).
Die Rechtsprechung des BSG basiert, soweit sie am qualifizierten Mietspiegel anknüpft, damit auf einer doppelten Tatsachenvermutung (Senatsurteil vom
31.01.2018, L 32 AS 1223/15 , juris-RdNr. 80). Die erste Tatsachenvermutung hat ihre Grundlage in §
558d BGB. Danach wird vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben,
wenn die Vorschrift des §
558d Abs.
2 BGB eingehalten ist, also ein qualifizierter Mietspiegel, mithin ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen
erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist (§
558d Abs.
1 BGB), vorhanden ist, der im Abstand von zwei Jahren aufgrund einer Stichprobe oder der Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt
ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland der Marktentwicklung angepasst und
nach vier Jahren neu erstellt wurde.
Die zweite Tatsachenvermutung hat ihre Grundlage im Beweis des ersten Anscheins. Wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der
in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für
die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen
zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, so kann davon ausgegangen werden,
dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt (so ausdrücklich im
Sinne des Anscheinsbeweises: BSG, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 106/10 R, RdNr. 30 und 32).
Beide Tatsachenvermutungen sind bezogen auf die Berliner Mietspiegel 2013 und auch 2015 (dem Datenerhebungen des hier relevanten
Jahres 2014 zur Grundlage hatte) erschüttert. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die überwiegend aus Mieten für
Bestandswohnungen abgeleiteten Mietspiegeldaten keinen ausreichenden Bezug zu den tatsächlich am Wohnungsmarkt bei Neuabschlüssen
zu verzeichnenden Mietpreisen aufweisen und dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu aus den Mietspiegeldaten abgeleiteten
Mieten geben soll.
Der Senat bleibt bei seiner Einschätzung, dass hinreichende objektive Umstände erkennbar sind, die für Berlin auf eine Abkoppelung
des Marktgeschehens vom Mietspiegel hindeuten (Senatsurteil vom 31.01.2018, L 32 AS 1223/15 , juris-RdNr. 109). Mietspiegeldaten sind nur dann als Rohdaten zu verwenden, wenn sie die Marktverhältnisse im maßgebenden
Beobachtungszeitraum realistisch widerspiegeln („getreues Abbild des Wohnungsmarktes“). Bleibt der Mietspiegel hinter der
tatsächlichen Marktentwicklung deutlich zurück (sog. verzögerte Marktabbildung), beschreibt er nicht (mehr) die realen Marktverhältnisse.
Die Gewichtung von Mietspiegeldaten kann die verzögerten Marktabbildung bei Bezugnahme auf einen Mietspiegel, d. h. auf Neuvertragsmieten
nicht preisgebundenen Wohnraums aus den letzten vier Jahren, nicht ausgleichen. Ausgehend von der aufgezeigten Vermutung als
Beweis des ersten Anscheins, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft
gibt, bedarf es somit nicht des Nachweises des Betroffenen, dass es (objektiv) keine Wohnungen zum Richtwert gibt; vielmehr
genügt, dass die vom BSG aufgezeigte Vermutung erschüttert wird (Senatsurteil vom 31.01.2018 ebd.).
Dies kann für den Berliner Wohnungsmarkt, der nach BSG-Rechtsprechung einen einheitlichen Vergleichsraum bildet, eindeutig festgestellt werden: Schon die im Zusammenhang mit dem
Mietnovellierungsgesetz (Mietpreisbremse) ausgewerteten Daten zu angespannten Wohnungsmärkten weisen ganz Berlin als einen
angespannten Wohnungsmarkt aus (BR-Drucksache 447/14, S. 7 ff). In Berlin beträgt die Abweichung der Angebotsmiete von 7,02
Euro/m (Quelle: BBSR-Wohnungsmarktbeobachtung, IDN Immodaten GmbH: Wiedervermietungsmieten, 50-80 m² Wohnfläche, mittlere
Ausstattung) zur Vergleichsmiete des Mietspiegels 2013 von 5,90 Euro/m (Quelle: F+B-Mietspiegelindex: Musterwohnung 65 m ,
normale Ausstattung und Lage) 1,12 Euro und 19 Prozent (a.a.O., S. 7).
In der Begründung der Berliner Verordnung zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn gemäß §
556d Absatz
2 BGB (Mietenbegrenzungsverordnung) vom 28. April 2015 (GVBl Nr.
9,
101) wird ausgeführt, dass 1. die Mieten in Berlin deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt, 2. die durchschnittliche
Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt, 3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch
Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, und dass 4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
Auf diese Umstände verweist zutreffend auch der Sachverständige Dr. von Malottki (S. 5 des Gutachtens). Nach der Begründung
zur Mietenbegrenzungsverordnung (Ziffer 4.1.1, S. 6) sind im Zeitraum 2010 bis 2014 die Nettokaltmieten im Bundesdurchschnitt
um 5,4 % gestiegen. Im Land Berlin haben sich im Betrachtungszeitraum die Nettokaltmieten um 7,7 % erhöht. Die Nettokaltmieten
sind damit im Zeitraum 2010 bis 2014 im Land Berlin um rund 43 % schneller gestiegen als im Bundesdurchschnitt. Die Angebotsmieten
haben sich im Zeitraum IV. Quartal 2009 bis IV. Quartal 2014 in Deutschland von 6,00 Euro/ m um 0,90 Euro/ m auf 6,90 Euro/m
, d.h. um 15,0 Prozent, und in Berlin von 6,00 Euro/m um 2,59 Euro/m auf 8,59 Euro/m , d.h. um 43,2 Prozent erhöht (Begründung
zur Mietenbegrenzungsverordnung Ziff. 4.1.2, S. 7). Im Zeitraum 2011 bis 2013 wuchs die Bevölkerung in Berlin um 129.038 Personen.
Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,74 Personen entspricht dies einer Anzahl von 74.026 Haushalten. Dagegen
betrug die Zahl der fertig gestellten Wohnungen (einschließlich der fertig gestellten Wohnungen durch Baumaßnahmen an bestehenden
Gebäuden) lediglich 16.549 Wohnungen. Die Zahl der neugebauten Wohnungen lag dagegen sogar nur bei 12.369.
Dieser Prozess bestand schon seit einigen Jahren. Nach der Anlage zur Begründung der Kappungsgrenzen-Verordnung 7. Mai 2013
(https://www.parlament-berlin.de/ados/17/BauVerk/vorgang/bv17-0131-v.pdf) standen im Jahr 2010 1.898.807 Wohnungen 1.988.400
Haushalte und im Jahr 2011 1.903.231 Wohnungen 1.995.200 Haushalte gegenüber. Die Wohnungsversorgungsquote betrug mithin in
beiden Jahren bereits ohne Berücksichtigung der Fluktuationsreserve deutlich weniger als 100 % und dokumentierte damit nach
der Begründung der Verordnung (Ziff. 4.1) eine nicht ausreichende Versorgung mit Wohnraum. Die im Verband Berlin-Brandenburgischer
Wohnungsunternehmen (BBU) organisierten städtischen, genossenschaftlichen und sonstigen Wohnungsunternehmen, deren Bestand
40 % aller Berliner Mietwohnungen umfasst, wiesen im Jahr 2011 eine Leerstandsquote von 2,6 % aus. Auch der CBRE-empirica-Leerstandsindex,
der sich auf moderne vollausgestattete Neubauwohnungen bezieht, weist für Berlin eine seit 2011 weiter sinkende Leerstandsquote
aus. Lag sie für das Jahr 2011 noch bei 2,3 %, sank sie für das Jahr 2013 auf nur noch 1,8 % bzw. 29.500 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern.
Ein Leerstand in der vorgenannten Größenordnung liegt zudem unterhalb der als notwendig erachteten Fluktuationsreserve für
einen funktionierenden Wohnungsmarkt, welche mit 3 Prozent anzunehmen ist (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R - Dresden, RdNr. 28; FB Unterkunftsbedarfe S. 77; IBB Wohnungsmarktbericht 2015, S.70). Die verstärkte Nachfrage nach Wohnungen
aufgrund der Bevölkerungszunahme bzw. der Zunahme der Haushalte (Begründung zur Mietenbegrenzungsverordnung Ziff. 4.3) kann
durch den Wohnungsleerstand nicht mehr befriedigt werden (Begründung zur Mietenbegrenzungsverordnung Ziff. 4.4, S. 9). Aus
dem Leerstand kann entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht auf die Verfügbarkeit der Wohnungen geschlossen werden,
weil diese häufig durch Modernisierungs-/Sanierungsmaßnahmen, der Vorbereitung und Durchführung von Umzügen etc. ausgeschlossen
ist ( SG Berlin, Urteil vom 06.07.2021, S 179 AS 1083/19 , juris- RdNr. 45 – 47).
Sowohl die Wohnungsversorgungsquote wie auch die niedrige und weiter abnehmende Fluktuationsreserve belegen, dass in Berlin
jedenfalls ab dem Jahr 2011 der Wohnungsmarkt sehr angespannt ist. 2014 lag die Wohnungsversorgungsquote (inkl. Fluktuationsreserve
unter 94 Prozent (Wohnraumbedarfsbericht 2019, S. 42). Dies führte zu einer deutlichen Erhöhung der Neuvertrags- bzw. Angebotsmieten
im Vergleich zu den Bestandsmieten. Zudem fehlen in Berlin in erheblicher Zahl über erhebliche Zeiträume bereits vor dem streitbefangenen
Zeitraum und danach Wohnungen gerade für Ein- und Zweipersonenhaushalte. So fehlten nach dem Wohnraumbedarfsbericht 2019,
der die Daten des Mietspiegels 2017, mithin die Daten von 2016 auswertet (Wohnraumbedarfsbericht 2019, S. 68) ca. 375.000
leistbare Wohnungen insbesondere für die Ein- und Zweipersonenhaushalte (ebd. S. 74). Dies kann angesichts geringer Bautätigkeit
bei Bevölkerungswachstum auch auf das Jahr 2014 zurückgerechnet werden (Wohnraumbedarfsbericht 2019, S. 16: durchgehend deutlich
wachsende Bevölkerung zwischen 2011 und 2017, S. 20 schwach wachsende Anzahl von Haushalten auch im Vergleich zwischen 2014
und 2016 – Differenz ca. 1.000, S. 28: fertiggestellte Wohnungen 2014: 8.744, 2015: 10.722, 2016: 13.659), wonach 2014 sogar
über 25.000 Wohnungen mehr gefehlt haben müssen als 2016.
In der Gesamtbetrachtung der Indikatoren zeigt sich (so die Begründung zur Mietenbegrenzungsverordnung Ziff. 4.6., S. 10),
dass die Mieten in den letzten Jahren in Berlin deutlich schneller gestiegen sind als im Bundesdurchschnitt. Auch im Vergleich
der Entwicklungen zwischen der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete und der durchschnittlichen Angebotsmiete zeigt
sich im Zeitverlauf ein immer stärkeres Auseinanderdriften der Entwicklungen. Der Abstand zwischen der durchschnittlichen
ortsüblichen Vergleichsmiete und der durchschnittlichen Angebotsmiete in Berlin wird immer größer. Das ist insbesondere ein
Indiz für einen angespannten Wohnungsmarkt, da für die immer knapper werden freien Wohnungen höhere Mieten gefordert werden
können. Dies bestätigt der Sachverständige Dr. von Malottki (S. 9 des Gutachtens).
Nach dem Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland (BT-Drucksache 17/11200 vom 22. Oktober 2012,
S. 18) ist zur Entwicklung der Mieten ausgeführt: „Die Neu- und Wiedervermietungsmieten vermitteln ein realistischeres Bild
des aktuellen Marktgeschehens, da sie die aktuellen Angebote von Wohnungen bei Mieterwechsel oder Neuvermietung wiedergeben.
Diese Mieten steigen seit 2006 in immer mehr Kreisen in Deutschland, während die Zahl der Kreise mit sinkenden Mieten abnimmt.
Diese Entwicklung hat sich seit 2010 beschleunigt. Dennoch bestehen weiterhin deutliche regionale Unterschiede. In einigen
Landkreisen in den neuen Ländern und auch in strukturschwachen Regionen in den alten Ländern gehen die Mieten weiter zurück.
Nachdem einige Metropolen (Berlin, Frankfurt, Hamburg) und ostdeutsche Städte (Jena, Weimar) bereits ab 2008/2009 deutliche
Steigerungen der Neu- und Wiedervermietungsmieten verzeichneten, schlug sich 2011 die steigende Nachfrage erstmals deutschlandweit
nieder – mit einem Plus von 2,9 Prozent. Die höchsten Mietpreissteigerungen gab es 2011 vor allem in den Großstädten und Metropolkernen
(Berlin + 7,4 Prozent, Bremen + 8,8 Prozent, Hamburg + 7,5 Prozent, Freiburg + 8,1 Prozent, Greifswald + 10,4 Prozent).“
Die aufgezeigte Entwicklung hat sich danach fortgesetzt, wie dem Wohngeld- und Mietenbericht 2014 (Bundestag-Drucksache 18/6540
vom 29. Oktober 2015, S. 12) zu entnehmen ist. Darin ist dargelegt: Die bereits im Wohngeld- und Mietenbericht 2010 festgestellten
Verknappungserscheinungen auf den Wohnungsmärkten haben sich weiter verschärft. Die seit 2009 zu verzeichnende zunehmende
Dynamik auf den Wohnungsmärkten der wirtschaftsstarken Zuzugsräume und vieler Groß- und Universitätsstädte hält weiter an.
In vielen Ballungsräumen, Groß- und Universitätsstädten sind weiterhin deutliche Mietsteigerungen und vielerorts spürbare
Wohnungsmarktengpässe zu verzeichnen. Die höchsten Steigerungen der Angebotsmieten gab es 2014 vor allem in Ballungsregionen
und Universitätsstädten. Beispielsweise stiegen die Angebotsmieten 2014 gegenüber dem Vorjahr in Berlin um 9,1 Prozent, in
Stuttgart um 6,8 Prozent, in Wolfsburg um 19,1 Prozent und in Braunschweig um 10,0 Prozent. Vor allem einkommensschwächere
Haushalte, aber auch zunehmend Haushalte mit mittleren Einkommen haben nach diesem Bericht Schwierigkeiten, eine bezahlbare
Wohnung zu finden.
In ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses vom 13. Februar 2012 führte die Senatsverwaltung
für Gesundheit und Soziales (Abgeordnetenhaus-Drs. 17/10149) aus: Im Jahr 2010 ergingen von den Jobcentern 71.187 Aufforderungen,
die Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken. Im Jahr 2011 seien 65.511 Kostensenkungsaufforderungen ergangen. Im Jahr
2010 seien 1.195 Bedarfsgemeinschaften umgezogen, im Jahr 2011 seien es 1.313 gewesen. 1.797 Bedarfsgemeinschaften hätten
durch andere Maßnahmen (Untervermietung oder Kostensenkung durch den Vermieter) oder durch Kostentragung aus den Einkommensfreibeträgen
gesenkt; im Jahr 2011 seien dies 1.036 Haushalte gewesen. Daraus ergibt sich, dass die Anzahl der preisgünstigen Wohnungsangebote
nicht ausreichend war, die durch die Kostensenkungsaufforderungen begründete Nachfrage allein durch Leistungsberechtigte in
Wohnungen mit Kosten oberhalb der vorgegebenen Grenzwerte zu decken. Dass es jeweils über 1.000 Haushalten gelungen ist, eine
günstige Wohnung zu erlangen, bedeutet angesichts der um ein Vielfaches höheren Zahl an Kostensenkungsaufforderungen ausgesetzten
Haushalten, dass hinreichend Wohnraum tatsächlich verfügbar war. Finden 1.313 Haushalte von 65.511 Haushalten in einem Jahr
eine Wohnung, bedeutet dies, dass statistisch für die Versorgung aller Haushalte ein Zeitraum von ca. 50 Jahren anzusetzen
ist. Dabei ist überdies zu berücksichtigen, dass die Grundsicherungsberechtigen mit einer Vielzahl anderer Bewerber konkurrieren:
Nach dem IBB Wohnungsmarktbericht 2012 waren 2011 rund 1,14 Mio. Berliner Haushalte (57 %) berechtigt, eine Sozialwohnung
zu beziehen (S. 42). Zudem ist zu bedenken, dass Haushalte, denen Kostensenkungsaufforderungen in einem Jahr zugehen, diesen
Aufforderungen auch in den Folgejahren ausgesetzt sind, sofern sie keine Kostensenkung erreichen können, wofür der Fall des
Klägers mit einer in das Jahr 2014 fortwirkenden Kostensenkungsaufforderung aus dem Jahr 2009 ein Beleg ist.
Nach der Antwort der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vom 19. Juli 2017 auf eine schriftliche Anfrage
von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses (Abgeordnetenhaus-Drs. 18/11700) hatten im Dezember 2014 von 306.461 Bedarfsgemeinschaften,
davon 293.472 Bedarfsgemeinschaften mit laufenden KdU-Bedarf, 71.644 Unterkunftskosten über den Richtwertobergrenzen. Demgegenüber
sanken zum Dezember 2015 die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften auf 299.868 und die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften mit laufenden
KdU-Bedarf auf 285.952, während die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften mit Unterkunftskosten über dem Richtwert der AV-Wohnen
auf 121.371 stieg. Über 70.000 Haushalte über den Richtwerten der Sozialverwaltung (2014) entsprechen einem gesamten Stadtteil
wie Friedrichshain, der auf die Wohnungssuche geschickt wird.
Der Mietspiegel 2013 beruhte nur zu 21,2 Prozent auf Mietverträgen mit einem Alter bis zu 2 Jahren, also auf Neuvertragsmieten,
das Durchschnittsalter der Mietverträge betrug 12,5 Jahre (Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel und Aktualisierung
des Wohnlagenverzeichnisses zum Berliner Mietspiegel 2013 – Methodenbericht, S. 44). Der Mietspiegel 2015 berücksichtigte
sogar nur zu 20,3 Prozent Mietverträge bis zu einem Alter von 2 Jahren, während das Durchschnittsalter der Mietverträge 12,1
Jahre betrug (Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel und Aktualisierung des Wohnlagenverzeichnisses zum Berliner
Mietspiegel 2015 – Methodenbericht, S. 47). Die Neuvertragsmieten werden in beiden Methodenberichten nicht ihrer Höhe nach
ausgewiesen. Da sie nur zu ca. einem Fünftel in die Bewertung eingehen, ca. vier Fünftel jedoch Bestandsmieten die von den
Mietspiegeln berechneten Mittelwerte (d.h. Medianwerte, nicht Durchschnittswerte) prägen, lässt sich feststellen, dass die
Neuvertragsmieten keinen bestimmenden Einfluss auf die Mietspiegelwerte haben.
Insgesamt wird ersichtlich, dass spätestens seit 2010 ein hoher Nachfragedruck auf dem Berliner Wohnungsmarkt bestand, so
dass eine hohe Dynamik in der Entwicklung der Mietpreise mit einem sich zunehmend vergrößerndem Abstand zwischen Bestands-
und Neuvertragsmieten zu verzeichnen war, die in den Mietspiegeldaten nicht hinreichend erfasst wurden und in den Grundlagendaten
nicht separat ausgewiesen wurden. Eine Abkopplung der Mietspiegelwerte vom realen Wohnungsmarktgeschehen erfolgte in einem
erheblichen Ausmaß. Wohnungssuchende konnten in der 2014 bestehenden angespannten sich deutlich verschärfenden Wohnmarktlage
in der Regel keine Neuvertragsmiete in Höhe der Vergleichsmiete des Berliner Mietspiegels aushandeln. Vielmehr sprechen die
vorliegenden Daten dafür, dass die Neuvertragsmieten regelmäßig auf dem Niveau der Angebotsmieten lagen, weil bei hohem Nachfragedruck
der Spielraum für Mieter zu Mietpreisverhandlungen denkbar gering war.
Der Methodenbericht zum Mietspiegel 2013 weist für eine Stichprobe von 163.650 Wohnungen Rückläufe für rund 12.800 Wohnungen
aus (S. 13), während bei 8.403 Rücklaufen aus eine Stichprobe von 99.000 Wohnungen für den Mietspiegel 2015 (Methodenbericht
S. 17 f.) berücksichtigt wurden. Davon waren mithin jeweils nur ca. ein Fünftel Neuvertragsmieten. Unter diesen Umständen
und mangels insofern fehlender weiterer Angaben der Grundlagendaten lässt sich für die Verfügbarkeit von günstigem Wohnraum,
insbesondere zur Anzahl der im Jahr 2014 erfolgten Mietvertragsabschlüsse keine hinreichend sichere Aussage treffen, wenn
man zugleich die Anzahl der Kostensenkungsaufforderungen in den letzten Jahren bis einschließlich 2014 berücksichtigt.
Die Vermutung, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu einem aus den durch Mieten von Bestandswohnungen geprägten Mietspiegeldaten
ableitbaren abstrakt angemessenen Mietpreis für die Unterkunft gab, ist damit bezogen auf die Berliner Mietspiegel 2013 und
2015 erschüttert.
Andere Daten, aus denen eine Angemessenheitsgrenze mit einer vollen gerichtlichen Überzeugung gewonnen werden könnte, stehen
nicht zur Verfügung, so dass es an einer Tatsachengrundlage mangelt, die Ausgangspunkt für die gerichtliche Bestimmung der
Angemessenheitsgrenze sein könnte. Das vom Sozialgericht Berlin herangezogene Sachverständigengutachten der e AG zur Beweisanordnung
im Verfahren des SG Berlin vom 28.06.2021 (S 150 AS 7397/17 WA) liefert kein Datenmaterial, das für die Bestimmung einer Angemessenheitsgrenze geeignet wäre (a.A. SG Berlin, Urteile
vom 19.07.2021, S 155 AS 14941/16 , RdNr. 40 und vom 06.07.2021, S 179 AS 1083/19 , RdNr. 40 in anderen Haushaltskonstellationen aber mit vergleichbarem Herangehen der dort verwerteten Gutachten derselben
Sachverständigen). Anders, als in den genannten Entscheidungen des Sozialgerichts angenommen, kann zumindest die Größenordnung
der wohnraumsuchenden Grundsicherungshaushalte ermittelt werden. Dazu kann auf die Zahlen der Kostensenkungsaufforderungen
zurückgegriffen werden. Die Zahl der tatsächlich Wohnungssuchenden für das relevante Preissegment ist dann in beträchtlichem
Umfange darüber anzunehmen, weil geringverdienende Haushalte, Studierende etc. ebenfalls zum im Preissegment wohnungssuchenden
Personenkreis gehören.
Zwischen 2010 (Zahlen siehe oben) und 2018 (Wohnraumbedarfsbericht 2019 S. 52, s.a. Abgeordnetenhaus-Drs. 18/11700) waren
erkennbar durchgehend mindestens 60.000 Haushalte im Leistungsbezug der Berliner Jobcenter Kostensenkungsaufforderungen ausgesetzt,
von denen ca. die Hälfte Einpersonenhaushalte ausmachten. Diese Zahl übersteigt um ein Vielfaches die im Gutachten der e AG
für den hier relevanten Zeitraum von Juni bis November 2014 im Gutachten ausdrücklich angegebenen 7.247 Wohnungsangebote.
Selbst bei zurückhaltender Rechnung muss man von drei Bewerbern auf jede Wohnung ausgehen, wobei die ebenfalls wohnungssuchenden
Geringverdiener und Studierenden noch nicht berücksichtigt sind. An dieser Stelle ist nochmals daran zu erinnern, dass ca.
die Hälfte der Berliner Haushalte sozialwohnungsberechtigt war (2011 ca. 57 %). Leistungsberechtigte, die zur Kostensenkung
aufgefordert sind und sich eine günstigere Wohnung suchen müssen, können diese nur zu den stark erhöhten Angebots-/Neuvertragsmieten
erlangen, weshalb diese auch auf die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze wesentlich durchschlagen müssen.
Bezogen auf die Berliner Situation erscheint auch der Ansatz verfehlt, unter Hinweis auf das RBEG auf die unteren 20 Prozent
der verfügbaren Wohnungen abzustellen oder den gegriffenen Wert von 33 Prozent heranzuziehen. Wollte man die Referenzgruppe
wie nach dem RBEG bestimmen, müsste die Referenzgruppe unter Ausgliederung der Grundsicherungsempfänger bereinigt werden,
um Zirkelschlüsse zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, RdNr. 168; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, RdNr. 102). In Berlin hatten 2014 von 1.963.000 Haushalten 293.472 Haushalte in SGB II-Bedarfsgemeinschaften einen KdUH-Bedarf (s.o.), also 15,0 Prozent. Am 31.12.2014 erhielten 21.705 Haushalte in Berlin Hilfe
zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII (Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales: Leistungen der Grundsicherung nach dem 3. Kapitel SGB XII, in Berlin Datenüberblick, Stand 31.12.2017, S. 18) und 70.684 Haushalte Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapital
des SGB XII (Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales: Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII, in Berlin Datenüberblick, Stand 31.12.2017, S. 19), insgesamt 92.389 Haushalte mit Sozialhilfeleistungen (ohne Eingliederungshilfe,
Hilfe zur Pflege etc.) sowie 24.541 nach dem
AsylbLG (Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales: (Leistungen nach dem
AsylbLG in Berlin, Datenüberblick, Stand 31.12.2016, Stand 31.12.2016, S. 5), also insgesamt weitere 6,0 Prozent der Haushalte. Mithin
bezogen in Berlin 21 Prozent der Haushalte Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII/
AsylbLG. Die unteren 20 Prozent wären praktisch durch Grundsicherungshaushalte belegt. Wollte man mit dem Gedanken des RBEG die Referenzgruppe
bestimmen, wären mithin für Single-Haushalte (obwohl gerade für diese erwiesener Maßen massiv Wohnungen fehlen) 21 plus 15
Prozent, also 36 Prozent der Haushalte zu berücksichtigen, bei Haushalten mit Kindern, mindestens 41 Prozent (21 + 20). Dies
würde bedeuten, dass als angemessen mindestens die Wohnungen anzusehen wären, die 2014 von den untersten 36 Prozent bzw. 41
Prozent der Haushalte angemietet wurden und zwar jeweils die von dieser Personengruppe angemieteten teuersten Wohnungen, weil
diese - als von der Referenzgruppe angemietet - noch als angemessen anzusehen wären, wobei sodann die Anmietungen durch Grundsicherungsempfänger
wieder herauszunehmen wären. Dazu liefert das Gutachten der e AG jedoch keine Daten. Es erscheint schon unklar, wie für die
weit zurückliegenden Zeiträume die Haushalte an der Obergrenze der 36 Prozent bzw. 41 Prozent identifiziert werden sollen,
erst recht, wie dann weitergehend ein Bezug zu den relevanten Angebots- bzw. Neuvertragsmieten hergestellt werden könnte.
Schließlich wäre dann immer noch die Frage offen, ob in einem Zeitraum von sechs Monaten (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II) zu den so ermittelten Mietpreisen eine Wohnung für die nachfragenden Grundsicherungsempfänger neben den Nachfrage-Konkurrenten
realistisch verfügbar sein konnte.
Eine reale Verfügbarkeit innerhalb des durch § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vorgegebenen Sechsmonatszeitraums kann daher nicht angenommen werden, ohne dass die Suchkriterien den Wohnungsmarktverhältnissen
angepasst werden (also insbesondere größere und teurere Wohnungen angesichts des massiven Wohnungsmangels für Ein- und Zweipersonenhaushalte).
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass auch die Rechtsprechung des BSG bislang keine Maßstäbe dafür aufzeigt, wie Verfügbarkeit in einem hoch angespannten Wohnungsmarkt bestimmt werden soll.
Auch wenn sich der Senat nicht in der Lage sieht, für das Jahr 2014 für Einpersonenhaushalte eine Angemessenheitsgrenze zu
bestimmen, lässt sich feststellen, dass im Falle des Klägers die Bruttokaltmiete der von ihm gemieteten Wohnung angemessen
war.
Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit sind, wie ausgeführt, die normativen Vorprägungen dieses
Begriffs zu berücksichtigen. Insofern sind die gesetzgeberischen Entscheidungen zur Sicherung angemessenen Wohnraums für Hilfebedürftige
zu beachten, um sicherzustellen, dass der Vergleich mit der Referenzgruppe gelingt. Dazu gehört in angespannten Wohnungsmärkten
der Vergleich mit den Angemessenheitsgrenzen nach dem Wohngeldrecht und auch der Vergleich mit den Mieten im sozialen Wohnungsbau,
weil beide Systeme normative gesetzgeberische Vorprägungen für den hier betroffenen Bereich der grundsicherungsrechtlichen
Angemessenheitsprüfung liefern. Beide Systeme zielen unmittelbar gesetzlich auf die Sicherstellung angemessenen Wohnraums
ab (Rudnik a.a.O. 139 f.). Insbesondere aus dem Recht des sozialen Wohnungsbaus ergeben sich im Rahmen der Auslegung des unbestimmten
Rechtsbegriffs der grundsicherungsrechtlichen Angemessenheit systematisch zu berücksichtigende Wertungen. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WoFG, bestimmt als die Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen
können und auf Unterstützung angewiesen sind; unter diesen Voraussetzungen unterstützt die Förderung von Mietwohnraum insbesondere
Haushalte mit geringem Einkommen sowie Familien und andere Haushalte mit Kindern, Alleinerziehende, Schwangere, ältere Menschen,
behinderte Menschen, Wohnungslose und sonstige hilfebedürftige Personen. Sozialwohnungen wurden und werden gerade für Grundsicherungshaushalte
geschaffen. Wohnraum der nach den Vorgaben des WoGG und des sozialen Wohnungsbaus angemessen ist, kann jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten nicht unangemessen sein (vgl.
Rudnik a.a.O. S. 139 f.). Dabei kommt die weitere Überlegung zum Tragen, dass die insofern vorhandenen Daten stets nur bzw.
ganz überwiegend auf Bestandswohnungen im jeweiligen Regelungssystem zurückgreifen und im angespannten Wohnungsmarkt die Verteuerung
durch das ungünstige Nachfrage-Angebot-Verhältnis nicht aktuell widerspiegeln. Gerade wegen dieser normativen Vorprägung greift
das BSG für die Bestimmung der angemessenen Wohnfläche auf die regionalen Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus zurück.
Nach diesen Maßstäben erweist sich die Bruttokaltmiete des Klägers im angespannten Wohnungsmarkt von Berlin im Jahr 2014
als angemessen. Die Begründung der Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 enthält die Aussage (Ziff. 61., S. 11),
dass die Nettokaltmieten in seit 2014 nunmehr wieder nach dem WoFG geförderten Wohnungen anfangs zwischen 6,00 Euro/m und 7,50 Euro/m liegen. Dazu merkt der Sachverständige Dr. von Malottki
an, dass damit die Sozialwohnungsmieten zu gewissen Teilen im unangemessenen Bereich (nach den Vorgaben der AV-Wohnen) liegen
würden, was im Rhein-Main-Gebiet undenkbar wäre (S. 5 des Gutachtens). Vom Normgeber wurden mithin für die durch das WoFG geförderten, hilfebedürftigen Haushalte Nettokaltmieten von 6,00 bis zu 7,50 Euro für angemessen gehalten, während die durchschnittliche
Nettokaltmiete (der Bestandsmieten) im sozialen Wohnungsbau 2014 bei 6,47 Euro/m (Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung)
lag (IBB Wohnungsmarktbericht 2019, S. 71). Mit den durchschnittlichen Betriebskosten von 2,01 Euro/m (Sozialwohnungen mit
Anschlussförderung) errechnet sich bezogen auf eine angemessene Fläche von 50 m mithin für Einpersonenhaushalte ein Betrag
von 424,00 Euro/m.Nimmt man einen den Mittelwert der vom Berliner Verordnungsgeber für angemessen gehaltenen Sozialwohnungsmieten
(nettokalt) nur geringfügig übersteigenden Quadratmeterpreis der Sozialwohnung von 6,80 Euro/m (der Mittelwert liegt bei 6,75
Euro/m ), ist der Abstand zum Durchschnittswert der bisherigen Bestandswohnungen mit 0,33 Euro/m recht gering und erkennbar
deutlich innerhalb der Spanne von auch vom Verordnungsgeber als angemessen angesehenen Sozialwohnungsmieten. Es errechnet
sich mit den durchschnittlichen (und damit jedenfalls angemessenen) Betriebskosten von 2,01 Euro/m eine bei normativer Betrachtung
als mit Sicherheit als angemessen anzunehmende Bruttokaltmiete von 440,50 Euro (wenn man mit der Obergrenze von 7,50 Euro/m
rechnet von 475,50 Euro/m ). Da es sich dabei um Mietpreise ganz dicht an den Durchschnittswerten der Sozialwohnungen handelt,
können sie nicht die Angemessenheitsobergrenze für Sozialwohnungen und deren Bruttokaltmietenkosten und auch nicht der Angemessenheitsgrenze
nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II erreichen. Die Bruttokaltmiete des Klägers betrug 440 Euro, kann mithin nicht die für Sozialwohnungen vom Berliner Verordnungsgeber
als angemessen angesehenen Wohnungskosten überschreiten.
Der Rückgriff auf die Durchschnittswerte Berliner Sozialwohnungen als Bezugswerte der Angemessenheit (nicht deren Grenze)
ist aus Sicht des Senats auch statistisch zulässig. Die Daten zu den Sozialwohnungen weisen eine deutlich bessere statistische
Qualität als die Mietspiegeldaten auf. Sie beruhen auf ca. 75 Prozent der Daten des Sozialwohnungsbestandes in Berlin. Die
IBB teilte dem Senat mit, dass den entsprechenden Daten des Wohnungsmarktberichtes 2019 etwa für 68.800 Wohnungen (vgl. Mietspiegel
ca. 12.000 bzw. 8.000) und für die Vorjahre in vergleichbarer Höhe zugrunde lagen (Schreiben vom 04.01.2021 im Verfahren L
32 AS 946/17), davon betrafen ca. 61.000 Datensätze die Wohnungen mit Anschlussförderung und 7.600 Wohnungen ohne Anschlussförderung.
Damit sind diese Daten auch im Hinblick auf die Betriebskosten der Wohnungen mit Anschlussförderung valide und weisen eine
deutliche bessere statistische Qualität als die Daten des Betriebskostenspiegels zum Berliner Mietspiegel auf, für den lediglich
2.072 Datensätze (Methodenbericht zum Mietspiegel 2015 S. 19) bzw. 2.226 Datensätze für den Betriebskostenspiegel des Berliner
Mietspiegels 2014 (Methodenbericht S. 14) ausgewertet wurden. Durchschnittliche Betriebskosten für ca. 60.000 Sozialwohnungen
können nicht als unangemessen bewertet werden.
Weil sich feststellen lässt, dass die Bruttokaltmiete des Klägers jedenfalls nicht unangemessen war, kommt es nicht darauf
an, wie hoch im streitbefangenen Zeitraum die Angemessenheitsgrenze war.
Der Anspruch auf Leistungen für die Heizung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen,
soweit sie angemessen sind. Von unangemessen hohen Heizkosten ist auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden,
die den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw. dem "Bundesweiten Heizspiegel" zu entnehmen
sind. Solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine differenzierte Datenermittlung für den konkreten
Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten
in seinem Zuständigkeitsbereich zulassen, ist die Heranziehung eines Grenzwertes aus Gründen der Praktikabilität geboten.
Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der hohe Grenzwert der energiepolitischen Zielsetzung eines Heizspiegels zuwiderläuft.
Solche Zielsetzungen sind im Anwendungsbereich des SGB II aber nach den gesetzgeberischen Vorgaben unbeachtlich (BSG, Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 60/12 R, RdNr. 22, m.w.N.).
Dem Grenzwert aus einem (bundesweiten oder kommunalen) Heizkostenspiegel kommt nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze
zu mit der Folge, dass bei unangemessen hohen Heizkosten die Aufwendungen für Heizung bis zu dieser Höhe, aber nur diese übernommen
werden müssten. Auch diesem Wert liegt nämlich keine Auswertung von Daten zugrunde, die den Schluss zuließe, es handele sich
insoweit um angemessene Kosten. Der Grenzwert markiert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass
von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende
Angemessenheit angesehen werden ("im Regelfall"). Dies hat im Streitfall zur Folge, dass es dem Leistungsberechtigten obliegt
vorzutragen, warum seine Aufwendungen gleichwohl als angemessen anzusehen sind. Insofern führt das Überschreiten des Grenzwertes
zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des Leistungsberechtigten dahin, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist. Lässt
sich nicht feststellen, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind, treffen ihn die Folgen im Sinne
der materiellen Beweislast (BSG, Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 60/12 R, RdNr. 23, m.w.N.).
Der Grenzwert errechnet sich aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche (und nicht aus der Wohnfläche der konkret innegehabten
Wohnung) und, wenn ein kommunaler Heizspiegel - wie vorliegend für Berlin - nicht existiert, den entsprechenden Werten der
Spalte "zu hoch" für Heizöl, Erdgas bzw. Fernwärme des "Bundesweiten Heizspiegels", der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung
veröffentlicht war. Bei Wohnungen, die mit einer Etagenheizung beheizt werden, erscheint es sachgerecht, zugunsten der Leistungsberechtigten
den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 m zugrunde zu legen, weil diese den Verbrauchswerten einer Einzelheizanlage
am nächsten kommen. Schließlich liegt nahe, für Energieträger, die im Heizspiegel nicht gesondert aufgeführt sind (Strom,
Holz, Solarenergie o. ä.), den jeweils kostenaufwändigsten Energieträger des Heizspiegels vergleichend zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 60/12 R, RdNr. 25).
Maßgebend ist vorliegend der Bundesweite Heizspiegel 2013. Dieser Heizspiegel war bei Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung
(Widerspruchsbescheid vom 21.07.2014) bereits veröffentlicht (Veröffentlichung am 01.10.2013, der Heizkostenspiegel 2014 wurde
erst am 13.10.2014 veröffentlicht). Es ergibt sich bei einer Erdgasheizung ein Betrag von 18,00 Euro/m (bei Gasetagenheizung
ist von der geringsten Gebäudefläche auszugehen) im Jahr, also bei 50 m insgesamt 900,00 Euro für das Jahr 2014, mithin 75,00
Euro je Monat. Dieser Wert beinhaltet nicht die Kosten der Warmwasserbereitung (anders bereits der Heizkostenspiegel 2014
S. 7), denn er bezieht sich ausschließlich auf die reine Raumwärme (S. 11).
Aus dem Mietvertrag ergibt sich, dass das Warmwasser durch die Gasetagenheizung erzeugt wird. Daher liegt nach der Rechtsprechung
des BSG (Urt. v. 07.12.2017, B 14 AS 6/17 R, RdNr. 17,18) keine dezentrale Warmwasserversorgung vor, für die die Regelung des § 21 Abs. 7 SGB II gelten würde. Vielmehr gilt dann für die Warmwasserkosten, § 22 Abs. 1 SGB II. Zwar wird der Anspruch auf Übernahme der Kosten der Warmwasserbereitung bei zentraler Warmwasserversorgung zusammen mit
den Bedarfen für Unterkunft und Heizung nicht ausdrücklich in § 22 Abs. 1 SGB II genannt; die Parallelregelung in § 35 Abs. 4 SGB XII zeigt jedoch, dass es sich dabei um ein gesetzgeberisches Versehen handelt (Behrend in jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand: 14.10.2019, § 21 SGB II, RdNr. 139 m.w.N.). § 22 Abs. 1 SGB II verlangt die Angemessenheit der Heiz- und Warmwasserkosten.
Die Angemessenheitsgrenze für die Heizkosten ist deswegen um angemessene Aufwendungen für die Erzeugung von Warmwasser zu
ergänzen. Der Senat sieht aus Kombination regionaler und bundesweiter Angemessenheitswerte für das Jahr 2014 für Einpersonenhaushalte
in Berlin den Grenzwert der Angemessenheit des Warmwasserverbrauchs bei 24,49 Euro monatlich.
Wie die maßgebliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen ist, wird unterschiedlich diskutiert (Behrend a.a.O. RdNr. 140.3).
Ein unmittelbarer Rückgriff auf die Pauschalwerte des § 21 Abs. 7 SGB II scheidet aus, weil dieser Vorschrift ein anderes Regelungskonzept zugrunde liegt. Sie regelt bei einer personenbezogenen
verbrauchsbegründeten Betrachtung pauschal einen Regelbedarf der Warmwasserkosten, wobei die Pauschale eine Durchschnittsbetrachtung
und nicht die Bestimmung eines Angemessenheitsgrenzwertes zum Gegenstand hat, wie die Ausnahmemöglichkeiten verdeutlichen.
Der Vorschlag im Aufsatz Brehm/Schifferdecker (SGb 2011, 505 ff.), die Durchschnittswerte aus dem Berliner Betriebskostenspiegel zu verdoppeln und mit der zulässigen Höchstwohnfläche
zu vervielfältigen, übersteigt schon die Höchstwerte der im Berliner Betriebskostenspiegel zu verzeichnenden Spannbreite der
Warmwasserkosten je Quadratmeter und überzeugt deshalb nicht. Die Grundannahme erscheint dagegen sehr nachvollziehbar. Aus
Sicht des Senats müssen bei der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze die folgenden Aspekte bedacht werden. Zum einen ist gerade
beim Warmwasserverbrauch das subjektiv sehr unterschiedliche Reinlichkeitsgefühl der Menschen für die eigene Körperhygiene
und die Reinigung von Lebensmitteln, Küchenzubehör (Geschirr, Besteck, Küchengerätschaften etc) und der Wohnungseinrichtung
zu berücksichtigen, was zu der von Brehm/Schifferdecker angesprochenen weiten Spannbreite der Werte führt. So wird dermatologisch
empfohlen, zweimal wöchentlich zu duschen, während tägliches Duschen weitverbreitet ist und deshalb aus Sicht des Senats noch
nicht als unangemessen angesehen werden kann. Zum anderen ist zu bedenken, dass die Spannbreite des Berliner Mietspiegels
auch daraus resultieren dürfte, dass es sich um einen auf den Quadratmeter bezogenen Wert handelt, während die Körperhygiene
als wohl wichtigster Verbrauchsposten der Warmwassernutzung nur wenig Bezug zur Wohnfläche hat. Ein Einpersonenhaushalt in
einer großen Wohnung dürfte daher einen deutlich geringeren Warmwasserverbrauch pro Quadratmeter haben als ein Zweipersonenhaushalt
in einer kleinen Wohnung. Andererseits liefert der Durchschnittswert der Anlage zum Berliner Mietspiegel eine hinreichende
Grundlage für einen Durchschnittsverbrauch bei Nutzung von Wohnraum in angemessener Größe.
Eine Kombination beider Systeme für die Bestimmung der Grenze der Angemessenheit, die einen bei Überschreitung unangemessenen
Kostenaufwand der Warmwasserbereitung indiziert, erscheint daher auch unter Berücksichtigung der obigen verschiedenen Erwägungen
sachgerecht. Danach ist die Angemessenheitsgrenze derart zu bestimmen, dass zunächst die in Abhängigkeit von der Personenzahl
zu bestimmende Wohnfläche nach den Vorgaben für eine angemessene Wohnungsgröße ermittelt wird. Nach ständiger Rechtsprechung
werden – wie bereits ausgeführt – für Berlin 50 m als angemessene Wohnfläche für einen Einpersonenhaushalt im Sinne eines
oberen Grenzwertes angenommen. Für diese Fläche wird durch Vervielfältigung mit dem Durchschnittswert der Warmwasserkosten
in der Betriebskostenanlage zum Berliner Mietspiegel der Durchschnittsverbrauch einer nach Anzahl der Personen angemessenen
Wohnung ermittelt. Da es sich um einen angemessenen regionalen Durchschnittswert handelt, kann dessen Überschreitung noch
nicht unangemessen sein. Die Grenze, die dann Unangemessenheit indiziert, wird durch Addition der bundesgesetzlichen Pauschalwerte
nach § 21 Abs. 7 SGB II zum regionalen Durchschnittswert ermittelt, wobei für jeden Erwachsenen der Pauschalwert für einen Erwachsenen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II (ohne Rundung auf volle Eurobeträge) verwendet wird. Diese Grenzziehung berücksichtigt das sehr unterschiedliche Reinlichkeitsbedürfnis,
ohne dass sie zu statistisch schwer nachvollziehbaren Ergebnissen führen würde.
Die Grenze, die dann die Unangemessenheit indiziert, liegt für 2014 (Mietspiegel 2013, S. 26: Mittelwert 0,31 Euro/m ) dann
bei 24,49 EUR monatlich (50 m x 0,31 Euro/m + 0,023 x 391 Euro). Der Obere Spannenwert nach dem Mietspiegel 2013 betrug 0,58
Euro/m.Bei einer 50 m –Wohnung wäre der Obere Spannenwert dann bei monatlichen Warmwasserkosten von 29 Euro, der dann bereits
extrem hohe Verbrauche beinhaltet.
Es ergibt sich mithin ein Angemessenheitsgrenzwert für die Heiz- und Warmwasserkosten von insgesamt 99,49 Euro (75,00 + 24,49).
Es sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die das deutliche Überschreiten der Höchstwerte des Heizspiegels oder
der hier gezogenen Angemessenheitsgrenze für die Warmwasserkosten nachvollziehbar begründen würden, weshalb Heiz- und Warmwasserkosten
nur in Höhe des genannten Grenzwertes als angemessen anerkannt werden können. Da damit nicht die vollen Kosten für die Gasversorgung
übernommen werden, kommt es nicht darauf an, dass der Kläger diesen Energieträger auch für die Kochenergie nutzt.
Im Fall des Klägers ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Teil des Warmwasserbedarfs bereits durch eine Mehrbedarfsleistung
für die Warmwasserversorgung abgedeckt ist. Insofern hat der Beklagte dem Kläger für den Warmwasserbedarf einen Mehrbedarf
von 8,79 Euro monatlich gewährt. Um diesen Betrag sind die angemessenen Warmwasserleistungen zu bereinigen.
Angemessene Leistungen für KdUH und für Warmwasser im Falle des Klägers sind mithin insgesamt 440,00 Euro + 99,49 Euro - 8,79
Euro = 530,70 Euro monatlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG und berücksichtigt den überwiegenden Erfolg der Rechtsverfolgung.
Der Senat lässt die Revision im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache zu.