Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2010 aufgehoben.
Der Klägerin wird für das bei dem Sozialgericht Berlin anhängige Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 29 R 4278/09 WA mit Wirkung ab dem 4. August 2009 (Antragseingang) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin B
M, M Str. ..., B, beigeordnet.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2010, mit dem dieses die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 29 R 4278/09 WA abgelehnt hat, ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Nach §
73a Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die
Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Klägerin kann die Kosten des Rechtsstreits nicht aus eigenen Mitteln aufbringen. Sie bezieht Leistungen zum Lebensunterhalt
nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Ihre Rechtsverfolgung bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine hinreichende
Erfolgsaussicht ist u.a. gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers auf Grund der Sachverhaltsschilderung
und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit
der Beweisführung überzeugt ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., § 73a Rn. 7a und Geimer in Zöller, Kommentar zur
ZPO, 28. Aufl. 2010, §
114 Rn. 19 m. w. Nachw.). Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eine andere Beweiserhebung für
notwendig, so kann in der Regel die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht verneint werden (Leitherer,
aaO.).
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Mit ihrer Klage erstrebt die Klägerin die Weitergewährung der ihr bis zum 30. September
2003 gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Insoweit hat das Sozialgericht selbst bereits umfangreiche medizinische Ermittlungen
durchgeführt und mit Schreiben vom 6. September 2007 vom damaligen Bevollmächtigten der Klägerin zusätzliche Angaben erbeten,
um weiter angemessen ermitteln zu können. Eine weitere Anfrage vom 8. November 2007 ist unbeantwortet geblieben. Insoweit
dürfte auch nach Auffassung des Sozialgerichts weiterer Ermittlungsbedarf bestehen.
Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung kann auch nicht mit einer möglichen Hauptsachenerledigung aufgrund
einer fiktiven Klagerücknahme nach §
102 Abs.
2 Satz 1
SGG verneint werden. Denn die Voraussetzungen für den Eintritt einer solchen Rücknahmefiktion dürften vorliegend nicht gegeben
sein. Für eine die Fiktion der Klagerücknahme auslösende Betreibensaufforderung ist nur Raum, wenn zum Zeitpunkt ihres Erlasses
begründete Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses des Klägers bestehen. Es müssen sachlich begründete Anhaltspunkte
für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses vorliegen (vgl. Urteil des Senats vom 15. Oktober 2009 - L 33 R 290/09 WA - zitiert nach Juris m. w. Nachw., Roller in Lüdtke (Hrsg.),
Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage 2008, §
102 RdNr. 18, Leitherer, aaO., §
102 RdNr.8a und Schaffhausen, ASR 2010, S. 112 ff.).
Ein derartiger Sachverhalt dürfte hier nicht gegeben sein. Das Sozialgericht hat den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin
zwar mit Schreiben vom 24. April 2008 aufgefordert, das Verfahren weiter zu betreiben und die gerichtlichen Anfragen zu beantworten.
Der Umstand, dass der Bevollmächtige hierauf nicht geantwortet hat, dürfte aber nicht den Schluss zulassen, dass das Rechtsschutzinteresse
der Klägerin an dem Rechtsstreit weggefallen ist. Eine Verletzung der sich aus §
103 SGG ergebenden prozessualen Mitwirkungspflichten des Klägers kann zwar Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses
liefern, insbesondere dann, wenn das Gericht -wie hier - konkrete Auflagen verfügt hat. Verweigert der Kläger beispielsweise
Angaben zu einem bestimmten Sachverhalt, obwohl ihm dies möglich wäre, legt er vom Gericht näher bezeichnete Unterlagen nicht
vor oder erscheint er nicht zu einer ihm zumutbaren ärztlichen Untersuchung, spricht dies für das Desinteresse des Klägers
an der weiteren Verfolgung seines Begehrens und ist indiziell für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses (vgl. BT-Drucks.
16/7716 zu Nr. 17 (§ 102), S. 910; Leitherer, aaO., Rn. 8 aa). Vorliegend lag zwar eine unzureichende Mitarbeit und eine Nichtbeantwortung
der Anfrage des Gerichts vor, es waren jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin an dem von ihr behaupteten
Anspruch auf Erwerbsminderungrente nicht festhalten wollte, zumal ein Bericht der S Kliniken B, Krankenhaus H vom 6. November
2007 vorlag, aus dem hervorging, dass sie sich dort anderthalb Monate stationär aufgehalten hatte, was zumindest Anhaltspunkt
für das Vorliegen einer gravierenden Erkrankung ist. Ersichtlich ist lediglich, dass die Anfragen des Gerichts, und zwar von
dem Bevollmächtigten, nicht beantwortet wurden. Hierfür könnte auch ursächlich gewesen sein, dass das Gericht mit Beschluss
vom 8. Februar 2008 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des damaligen Prozessbevollmächtigten abgelehnt
hatte. Damit dürften ausreichend Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses nicht vorgelegen haben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§
73a SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).