Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung der Entgelte nach § 7 AAÜG
Tatbestand:
Der 1932 geborene Kläger begehrt (jetzt nur noch) eine höhere Rente vom beklagten Träger der Rentenversicherung. Er wendet
sich gegen die Begrenzung seines Einkommens während der Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit bzw. das Amt für
nationale Sicherheit (im Folgenden: MfS/AfNS) nach § 7 Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets -
Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG).
Der Kläger studierte von 1951 bis 1955 Wirtschaftswissenschaften an der wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät der MUniversität
H. Durch Diplom-Zeugnis vom Juli 1955 wurde ihm der Grad "Diplom-Wirtschaftler" verliehen. Nach dem Diplom war er dort als
wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig und wurde im Jahr 1961 zum Dr. rer. oec. promoviert. Ab dem 15. Oktober 1958 war der
Kläger für das MfS zunächst als inoffizieller Mitarbeiter, ab dem 1. Oktober 1969 bis zum 30. Juni 1978 als Offizier im besonderen
Einsatz (im Folgenden: OibE), danach als hauptamtlicher Mitarbeiter im MfS bis zum 31. Januar 1990 tätig. Ferner übte der
Kläger folgende Beschäftigungen aus:
- vom 10. August 1962 bis zum 27. Februar 1967 Leiter der Abteilung Planung, Direktor für Kader und Bildung beim VEB E H,
- vom 1. März 1967 bis zum 31. Januar 1972 Leiter der Inspektion des Generaldirek. beim VVB E H,
- ab dem 1. September 1969 Leiter der Inspektion des Generaldirek. beim VVB A-C in H,
- vom 1. Februar 1972 bis zum 30. Juni 1978 zunächst Mitarbeiter, später Abteilungsleiter im Ministerium für chemische Industrie,
- nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit ab dem 1. Januar 1993 als Angestellter bei der Wach- und Werkschutz K GmbH.
Das Amt für nationale Sicherheit (in Auflösung) bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 11. April 1990 eine Übergangsrente
in Höhe von monatlich 1.032,- M ab dem 1. Februar 1990. Die Zahlung der Übergangsrente wurde zum 1. Januar 1991 eingestellt.
Am 14. März 1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente. Mit Rentenbescheid vom 6. November
1999 bewilligte die Beklagte ihm eine Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 1. Oktober 1996 in Höhe von 1.978,42 DM
(Zahlbetrag: 1.829,06 DM) auf der Grundlage von 3,9057 persönlichen Entgeltpunkten und 46,7989 persönlichen Entgeltpunkten
(Ost). Im Zeitraum vom 1. Oktober 1969 bis zum 31. Januar 1990 berücksichtigte die Beklagte jeweils 0,7000 persönliche Entgeltpunkte
pro Kalenderjahr. Für das Jahr 1968 wurden noch 1,0625 und 0,7084 persönliche Entgeltpunkte berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 22. November 1996 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Rentenbescheid. Der Widerspruch richte sich gegen
die Rentenberechnung infolge der Kürzung des berücksichtigungsfähigen Einkommens nach dem AAÜG. Die Beklagte sehe sich ersichtlich an das AAÜG gebunden. Er sei daher mit dem Ruhen des Widerspruchsverfahrens einverstanden und wolle nur verhindern, dass ihm bei einer
erneuten Berechnung seiner Rente § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entgegen gehalten werde.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 1996 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie als Trägerin der Rentenversicherung an den
Überführungsbescheid des Trägers der Sonderversorgung gebunden sei. Soweit der Kläger mit der Begrenzung nicht einverstanden
sei, müsse er Widerspruch gegen den Entgeltbescheid des Trägers der Sonderversorgung erheben oder dessen Überprüfung nach
§ 44 SGB X beantragen. Sofern er hiermit erfolgreich sei, werde die Rente neu festgesetzt.
Bereits mit Entgeltbescheid vom 8. Oktober 1996 hatte das Bundesverwaltungsamt (im Folgenden: BVA) als Träger der Sonderversorgung
dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 1969 bis zum 31. Januar 1990 dessen Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen
MfS/AfNS sowie die während dieser Zeit erzielten Entgelte festgestellt. Neben der Spalte "Jahresbruttoarbeitsentgelt" enthielt
der Anhang eine Spalte "Entgelt nach dem AAÜG". In den "Erläuterungen zur Entgeltbescheinigung" heißt es, dass die rechte Spalte die nach Anlage 6 des Rentenüberleitungsgesetzes
Artikel 3 - AAÜG - festgesetzten Höchstwerte enthalte.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 1996 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid des BVA und erklärte gleichzeitig sein
Einverständnis damit, das Widerspruchsverfahren ruhen zu lassen und "eine höchstrichterliche Entscheidung oder eine Rechtsänderung
abzuwarten".
Mit Änderungsbescheid vom 22. Oktober 1999 teilte das BVA dem Kläger mit, dass der Bescheid vom 8. Oktober 1996 abgeändert
werde. Das während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS/AfNS erzielte Arbeitsentgelt werde nunmehr bis zur
Höhe des jeweiligen Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet berücksichtigt. Zur Begründung verwies der Bescheid auf die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97); hiernach sei § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG i. V. m. Anlage 6 verfassungswidrig und nichtig, soweit für die Rentenberechnung das zugrunde zu legende Arbeitseinkommen
unter das jeweilige Durchschnittsentgelt abgesenkt werde. Im Vorgriff auf die zu erwartenden Gesetzesänderungen werde das
während der Zugehörigkeit zum MfS zu berücksichtigende Arbeitsentgelt auf 100 v. H. statt auf 70 v. H. des jeweiligen Durchschnittseinkommens
festgesetzt.
Durch Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2001 wies das BVA den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 8. Oktober
1996 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. Oktober 1999 zurück. Der Widerspruch richte sich gegen die Begrenzung des
maßgebenden Arbeitsentgelts bis zur Höhe von 70 v. H. des jeweiligen Durchschnittsentgelts gemäß § 7 Abs. 1 AAÜG. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht sei die mit dem früheren Bescheid vorgenommene Begrenzung aufgehoben und das
während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS/AfNS erzielte Arbeitseinkommen bis zur Höhe des jeweiligen
Durchschnittseinkommens im Beitrittgebiet berücksichtigt worden. Dies entspreche § 7 Abs. 1 in der Fassung des zweiten AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1939; 2. AAÜG-ÄnderungsG). Der darüber hinaus gehende Widerspruch sei zulässig, aber unbegründet.
Mit Rentenbescheid vom 18. April 2000 stellte die Beklagte die Rente des Klägers von Beginn an neu fest und bewilligte ihm
ab dem 1. Juni 2000 eine Altersrente für langjährig Versicherte in Höhe von monatlich 2.427,98 DM (Zahlbetrag: 2.239,81 DM);
für den Zeitraum vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. Mai 2000 bewilligte sie eine Nachzahlung in Höhe von 10.690,64 DM. Die Rente
sei unter Berücksichtigung des geänderten Bescheids des Versorgungsträgers über die nach AAÜG berücksichtigungsfähigen Entgelte neu festgestellt worden. Der Rentenversicherungsträger sei an die Feststellungen im Überführungsbescheid
des Versorgungsträgers gebunden. Ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens wurden der Berechnung 3,8659 persönliche Entgeltpunkte
und 53,3517 persönliche Entgeltpunkte (Ost) zugrunde gelegt. Für den Zeitraum vom 1. Oktober 1969 bis zum 31. Januar 1990
wurde pro Kalenderjahr jeweils ein Entgeltpunkt berücksichtigt. Der Kläger erhielt seinen Widerspruch jedoch aufrecht.
Am 18. Dezember 2001 hat der Kläger gegen den Bescheid des BVA als Träger der Sonderversorgung vom 16. Oktober 1996 in der
Gestalt des Änderungsbescheids vom 22. Oktober 1999 sowie des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2001 Klage erhoben. Sein
Einkommen als Diplomwirtschaftler habe bereits 1956 - lange vor dem Eintritt in das MfS - mit 190 v. H. des Durchschnittseinkommens
über der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze nach Anlage 3 des AAÜG gelegen. 1967 habe es zuletzt 275 v. H. betragen. Während der Zeit, in der er unmittelbar beim MfS gearbeitet hatte, habe
sein Einkommen 286 v. H. des Durchschnittseinkommens, während der gesamten Zeit der Zugehörigkeit zum MfS habe es 274 v. H.
betragen. Der Versicherungsverlauf spiegele seine Lebensarbeitsleistung wider, die schon vor dem Eintritt in das MfS regelmäßig
überdurchschnittlich hoch gewesen sei. Bereits seit 1956 habe sein Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze gelegen. Während
der gesamten Tätigkeit als OibE sei das Gehalt seines zivilen Arbeitgebers so hoch gewesen, dass er keine ergänzenden Zahlungen
des MfS erhalten habe.
Die weiterhin bestehende Begrenzung der Entgelte auf das Durchschnittseinkommen stelle so keinen Abbau überhöhter Ansprüche
aus überhöhten Verdiensten dar. Durch zwei Gutachten von Prof. Dr. Manfred Kaufmann und Dr. Erich Napierkowski seien die Einkommensstrukturen
des MfS weiter aufgeklärt worden. Diese hätten eine durchschnittliche Überhöhung der den Mitgliedern des MfS gezahlten Löhne
von 24 v. H. festgestellt. Um diese abzubauen, genüge eine Absenkung der Entgelte auf 80 v. H.. Die Begrenzung auf das Durchschnittsentgelt
sei hingegen willkürlich und verletze seinen von Art.
14 Grundgesetz (
GG) geschützten Anspruch aus dem Sonderversorgungssystem. Obgleich diese Gutachten im September 1999 der Bundesregierung bekannt
gegeben worden seien, habe der Gesetzgeber diese nicht im Gesetzgebungsverfahren für das zweite AAÜG-Änderungsgesetz berücksichtigt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 28. Februar 2002 den Träger der Rentenversicherung, die jetzige Berufungsbeklagte,
beigeladen. Dieser hat mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2002 den Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid
vom 6. November 1999, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 18. April 2000 abgeholfen worden sei, als unbegründet zurückgewiesen.
Zwar sei der Widerspruch zulässig, da die damals Beigeladene und jetzige Beklagte der zuständige Funktionsträger sei, um über
die Änderung von Verwaltungsakten hinsichtlich der Rentenhöhe zu entscheiden. Jedoch sei der Widerspruch unbegründet, da das
Begehren des Klägers weder im einfachen Gesetzesrecht noch in der Verfassung eine hinreichende Anspruchsgrundlage finde. Der
Kläger hat mit Schriftsatz vom 2. November 2002, bei Gericht am 5. November 2002 eingegangen, seine Klage auch gegen diesen
Widerspruchsbescheid gerichtet.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 26. April 2004 das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage
vorgelegt, ob § 7 AAÜG mit dem
Grundgesetz, insbesondere Art.
3 Abs.
1 und Art.
14 Abs.
1 GG zu vereinbaren sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen. Durch Beschluss vom 11. November 2004
hat das Sozialgericht den Beschluss vom 26. April 2004 unter Verweis auf den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 22. Juni 2004 - 1 BvR 1070/02 - aufgehoben.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei auch gegen den ursprünglich
nur beigeladenen und nunmehr beklagten Träger der Rentenversicherung nach §
99 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Der Träger der Sonderversorgung als ursprünglich alleinige Beklagte und die ursprünglich Beigeladene seien der
Klageänderung nicht entgegengetreten und hätten sich rügelos eingelassen. Die Klage gegen den Träger der Sonderversorgung
sei unzulässig, soweit der Kläger begehre, die Begrenzungen unterhalb der Anlage 3 zum AAÜG aufzuheben. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts habe der Träger der Sonderversorgung aufgrund der
Bestimmungen des AAÜG lediglich
- die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem,
- die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze
in Betracht komme,
- die Summe der Arbeitsausfalltage, soweit diese nicht in einem Sozialversicherungsausweis eingetragen sind,
- die Höhe des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, soweit es in der vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung oder
Tätigkeit erzielt worden ist,
für den Träger der Rentenversicherung verbindlich festzustellen. Über die Begrenzung der Entgelte selbst entscheide jedoch
der Träger der Sonderversorgung nicht. Der Feststellungsbescheid nach § 8 AAÜG enthalte keine Feststellungen über weitere Anspruchselemente rentenversicherungsrechtlicher Leistungen oder Feststellungen
hinsichtlich der Höhe und des Wertes der solchen Leistungen zugrunde liegenden Ansprüche und Anwartschaften. Soweit der Kläger
von dem Träger der Sonderversorgung begehre, den Feststellungsbescheid abzuändern, sei der Antrag zwar zulässig, die Klage
jedoch insoweit unbegründet. Der Kläger habe zwar während der Zeit vom 1. Oktober 1969 bis zum 30. Juni 1978 außerhalb des
Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet, als Offizier im besonderen Einsatz habe er jedoch während dieser Zeit
zu den von § 7 Abs. 2 und 1 AAÜG erfassten Personen gezählt. Die Klage gegen den Träger der Rentenversicherung sei unzulässig, da sie letztlich auf die Änderung
der bestehenden gesetzlichen Regelung ziele. Der Kläger begehre die Berechnung seiner Rente unter Berücksichtigung höherer
als der im 2. AAÜG-Änderungsgesetz und dessen Anlagen vorgesehenen Werte. Eine auf die Änderung der bestehenden Rechtslage gerichtete Klage
sei unzulässig, da die Änderung von Gesetzen nicht in die Kompetenz der Rechtsprechung falle, sondern dies ausschließlich
der Legislative vorbehalten sei.
Am 9. März 2005 hat der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 22. Februar 2005 eingelegt. Dabei
hat er als Berufungsbeklagte nur den Träger der Rentenversicherung bezeichnet; das Verfahren gegen den Träger der Sonderversorgung
solle nicht weitergeführt werden. Er erweitert und vertieft sein Vorbringen aus dem Verfahren vor dem Sozialgericht. Seiner
Auffassung nach sei § 7 Abs. 1 und 2 AAÜG verfassungswidrig, die Vorschrift verstoße insbesondere gegen Art.
3 Abs.
1 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 22. Juni 2004 über die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde
zu § 7 Abs. 1 AAÜG ausgeführt, dass eine erneute verfassungsrechtliche Prüfung zulässig sei, wenn neue rechtserhebliche Tatsachen vorlägen,
welche geeignet seien, die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen des Urteils vom 28. April 1999 in Frage zu stellen. Aufgrund
eines neuen Gutachtens vom Juni 2008, welches im Auftrag der Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger
Angehöriger der bewaffneten Organe und der Zollverwaltung der DDR (ISOR e. V) von Dr. Horst Miethe und Prof. Dr. Hans-Jürgen
Weißbach erstellt worden sei, stelle sich diese Frage in einem anderen Licht dar. Im Vergleich zum übrigen "X-Bereich", das
heißt insbesondere den Angestellten des Ministeriums des Innern und der NVA seien die beim Ministerium für Staatssicherheit
bzw. dem Amt für Nationale Sicherheit gezahlten Einkommen nicht überhöht gewesen.
Er hat außerdem eine kommentierte Fassung des Gutachtens von Dr. Miethe und Prof. Dr. Weißbach vom Juli 2009 sowie mehrere
Stellungnahmen hierzu von Dr. Jens Gieseke (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam) aus anderen Gerichtsverfahren vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. April
2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine höhere
Altersente unter Berücksichtigung von Versicherungszeiten für die Zeit vom 1. Oktober 1969 bis 31. Januar 1990 auf der Grundlage
der vom Versorgungsträger ausgewiesenen Jahresbruttoarbeitentgelte nach Vervielfältigung mit den Werten Anlage 10
SGB VI bis höchstens zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze (§
260 SGB VI) zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die gesetzlichen Bestimmungen, deren Vereinbarkeit mit dem
Grundgesetz ihr nicht zu prüfen obliege.
Der Verwaltungsvorgang der Beklagten (1 Bd., Bl. 141) sowie derjenige des Bundesverwaltungsamtes haben in der mündlichen Verhandlung
vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Auf diese sowie den Inhalt der Gerichtsakte wird ergänzend
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zwar statthaft (§
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§
151 SGG). Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Berlin hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts ist die Klage gegen den Träger der Rentenversicherung jedoch nicht bereits deshalb
unzulässig, weil eine Änderung der Rechtslage nicht den Gerichten obliege. Vielmehr ist die Klage gegen den Rentenbescheid
als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach §
54 Abs.
1 SGG zulässig. Soweit das Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift überzeugt ist, muss es gegebenenfalls nach Art.
100 GG das Verfahren aussetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Die Prüfung der Verfassungswidrigkeit der angewendeten
Gesetze obliegt jedem Gericht, lediglich die Aufhebung von Gesetzen ist grundsätzlich dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
Die Zulässigkeit der Klage ist indes nicht von vornherein ausgeschlossen. Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass
die Einbeziehung der jetzigen Beklagten eine Klageänderung im Sinne des §
99 SGG darstellt, und das Vorliegen der Voraussetzungen von §
99 SGG bejaht.
Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf eine höhere Rente unter Berücksichtigung der ihm vom 1. Oktober 1969 bis zum 31. Januar
1990 gezahlten Entgelte in voller, nicht begrenzter Höhe. Es ist nicht zu beanstanden, dass der beklagte Träger der Rentenversicherung
nur die nach § 7 AAÜG i. V. m. Anlage 6 begrenzten Entgelte bei der Berechnung der Altersrente des Klägers gemäß §
259 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) berücksichtigt hat. Dabei kann es dahinstehen, ob die Beklagte selbst die Beitragsbegrenzung entsprechend der besonderen
Beitragsbemessungsgrenze nach § 7 Abs. 1 AAÜG vornimmt (so Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juli 1996 - B 4 RA 7/95, juris; Urteil vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 6/01 R, juris jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen) oder aber insoweit an die Mitteilungen des Trägers der Sonderversorgung
in dem bestandskräftigen Bescheid vom 13. Dezember 1999 gebunden ist (so insbesondere Landessozialgericht Berlin-Brandenburg,
Urt. v. 27. November 2008 - L 33 R 1199/08; Urt. v. 10. Dezember 2009 - L 33 R 1162/08, beide juris). Denn soweit keine Bindung an den Entgeltbescheid besteht, ist die Beklagte an die zwingende gesetzliche Regelung
des § 7 Abs. 1 AAÜG i. V. m. Anlage 6 gebunden.
Dass der Kläger im Zeitraum vom 1. Oktober 1969 bis zum 31. Januar 1990 dem Sonderversorgungssystem des MfS/AfNS angehörte
und damit in den Regelungsbereich von § 7 Abs. 1 S. 1 und 2 bzw. 2 AAÜG fällt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und im Übrigen durch den Entgeltbescheid des Bundesverwaltungsamtes bindend
festgestellt. Denn auch nach der insoweit weniger weit reichenden Auffassung des Bundessozialgerichts ist der Träger der Sonderversorgung
jedenfalls berechtigt, die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem für den Träger der Rentenversicherung bindend
festzustellen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil v. 20. Dezember 2001 - B 4 RA 6/01 R, juris, Rn. 33). Der Kläger behauptet nicht, dass die Beklagte die Rente auf der Grundlage der teilweise begrenzten Entgelte
falsch berechnet habe. Derlei ist auch für den Senat nicht zu ersehen.
Der Kläger hält vielmehr die angefochtenen Bescheide ausschließlich deshalb für rechtswidrig, weil seiner Auffassung nach
die Vorschrift des § 7 Abs. 1 AAÜG i. V. m. Anlage 6 in der Fassung des 2. AAÜG-ÄnderungsG nicht mit der Verfassung, insbesondere dem Gleichbehandlungsgebot aus Art.
3 Abs.
1 GG und dem Eigentumsgrundrecht aus Art.
14 GG zu vereinbaren und daher nichtig sei.
Das Bundesverfassungsgericht hat - nach § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) für das erkennende Gericht bindend - festgestellt, dass die Kürzung der berücksichtigungsfähigen Entgelte nach § 7 Abs. 1 AAÜG grundsätzlich in Einklang mit dem
Grundgesetz steht. Nach dem Urteil v. 28. April 1999 (1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95,1 BvR 1560/97, juris) war der Gesetzgeber entsprechend Anlage II Kap VIII Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Ziff. 9 berechtigt, die bei
der Rentenberechnung zu berücksichtigenden Entgelte der Angehörigen des Sonderversorgungssystems des MfS/AfNS zu begrenzen.
Hiernach war auch die Einbeziehung solcher Personen sachgerecht, welche zwar - wie der Kläger von 1969 bis 1978 - formal nicht
Angehörige des Sonderversorgungssystems waren, jedoch dem MfS/AfNS durch Dienst- bzw. Arbeitsverträge verbunden waren. Der
Gesetzgeber durfte sich bei dieser Entscheidung einerseits auf die Ergebnisse der zeitgeschichtlichen Forschung, andererseits
auf die Kenntnisse des mit den Verhältnissen besonders vertrauten DDR-Gesetzgebers stützen, welcher in §§ 2 f. Gesetz über
die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit vom 29.
Juni 1990 (GBl. I S. 501; im Folgenden: AufhebG) die Versorgungsleistungen im Bereich des MfS/AfNS erheblich gekürzt hatte.
Lediglich eine Kürzung unter das Niveau der Durchschnittsrente (nach einem vollen Erwerbsleben) war dem Gesetzgeber nach dem
Bundesverfassungsgericht nicht gestattet, da nicht davon auszugehen sei, dass beim MfS/AfNS durchweg unterdurchschnittlich
qualifizierte Personen tätig waren. Zudem schränke eine Kürzung unter das Durchschnittsentgelt das Eigentumsgrundrecht nach
Art.
14 Abs.
1 GG unverhältnismäßig ein, da der verbleibende Leistungsrest in diesem Fall nicht mehr den Zweck einer bedürftigkeitsunabhängigen
Sicherung nach einem vollen Erwerbsleben erfülle.
Diese Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 22. Juni 2004 (1 BvR 1070/02, juris) bekräftigt und ausdrücklich bestätigt, dass § 7 Abs. 1 AAÜG i. V. m. Anlage 6 in der Fassung des zweiten AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1939; 2. AAÜG-ÄnderungsG) mit dem
Grundgesetz vereinbar sei. Anlass für die neuerliche Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit dieser Frage waren die Gutachten von
Prof. Dr. habil. Manfred Kaufmann und von Dr. Erich Napierkowski aus dem Jahr 1999, welche diese im Auftrag des ISOR e. V.
erstellt hatten und die der Kläger auch im vorliegenden Verfahren vorgelegt hat. Das Bundesverfassungsgericht betont in dem
Beschluss, dass von generell überhöhten Entgelten im Bereich des MfS/AfNS auszugehen sei. Eine erneute verfassungsrechtliche
Überprüfung der Vorschrift des § 7 Abs. 1 AAÜG sei - entsprechend allgemeinen Grundsätzen - erst dann zulässig, wenn neue rechtserhebliche Tatsachen gegen die tragenden
Feststellungen des Urteil vom 28. April 1999 vorlägen. Solche ergäben sich aus den damals vorgelegten Gutachten nicht. Diese
erfassten nur begrenzte Zeiträume und stellten ihre Ergebnisse unter zahlreiche Vorbehalte. Die Beschäftigten- und Qualifikationsstruktur
des MfS/AfNS sei in der DDR geheim gehalten worden und dementsprechend nicht statistisch erfasst gewesen. Aufgrund dieses
Umstandes sei dem Gesetzgeber in diesem Bereich das Recht zur pauschalen Einstufung und Bewertung zuzugestehen.
Nach der Überzeugung des Senats ergeben sich aus dem Gutachten von Dr. Horst Miethe und Prof. Dr. Hans-Jürgen Weißbach im
Auftrag des ISOR e. V. vom Juni 2008 sowie der kommentierten Fassung des Gutachtens vom Juli 2009 keine Gesichtspunkte, welche
geeignet wären, die allgemeine Annahme überhöhter Einkommen im Bereich des MfS/AfNS zu widerlegen. Dementsprechend sieht der
Senat keine Veranlassung, das Gerichtsverfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht nach Art.
100 Abs.
1 GG die Frage vorzulegen, ob Art. 7 Abs. 1 AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-ÄnderungsG mit dem
Grundgesetz vereinbar ist.
Keine Berücksichtigung findet dabei die individuelle Erwerbsbiografie des Klägers. Insbesondere ist die Frage ohne Bedeutung,
ob der Kläger vor dem Eintritt in das MfS bereits überdurchschnittlich verdient hat. Durch § 7 Abs. 1 AAÜG i. V. m. Anlage 6 werden die berücksichtigungsfähigen Entgelte während der Zugehörigkeit zur Sonderversorgung des MfS/AfNS
pauschal gekürzt. Qualifikation oder das tatsächlich erzielte Entgelt spielen dabei keine Rolle, solange das Entgelt - wie
hier - über der besonderen Beitragsbemessungsgrenze liegt.
Das Gutachten bestätigt, dass die Einkommen beim MfS/AfNS deutlich über den Durchschnittseinkommen innerhalb der zivilen DDR-Volkswirtschaft
lagen. So wird etwa für das Jahr 1988 angegeben, dass das Durchschnittseinkommen beim MfS/AfNS 59 v. H. über demjenigen der
zivilen DDR-Volkswirtschaft lag. Ähnliche, teilweise auch höhere Werte ergeben sich für den gesamten in dem Gutachten ausgewerteten
Zeitraum seit 1960 (vgl. S. 21 f. des Gutachtens). Selbst im Vergleich zu gut verdienenden Branchen des produzierenden Gewerbes
wie der Metallurgie bzw. der Energie- und Brennstoffindustrie ergeben sich noch Unterschiede von 35 bzw. 45 v. H..
Soweit in der kommentierten Fassung des Gutachtens in Fußnote 177 eine "Simulationsrechnung" angestellt wird, ist diese ersichtlich
fehlerhaft. Mit der Rechnung wird versucht darzulegen, dass bei Zugrundelegung des gleichen Anteils an Hochschulabsolventen
in der Volkswirtschaft (wie im MfS) im Jahr 1988 das Durchschnittseinkommen 1.228,- M (statt 1.035,- M) betrage. Indes wird
bei der Berechnung das Einkommen des Bevölkerungsanteils mit Hochschulabschluss überhöht, da das Durchschnittseinkommen von
Hochschulabsolventen in Höhe von 1.506,- M mit dem Faktor 1,455 multipliziert wird. Richtigerweise hätten die Verfasser jedoch
entweder das Durchschnittseinkommen der Hochschulabsolventen in Höhe von 1.506,- M berücksichtigen müssen, ohne dieses mit
dem Faktor 1,455 zu multiplizieren, oder aber das Durchschnittseinkommen aller Beschäftigten der Volkswirtschaft in Höhe von
1.035,- M mit 1,455 multiplizieren müssen (was ebenfalls den Betrag 1.506,- M ergibt). Bei richtiger Berechnung ergibt sich
nur ein geringfügig erhöhtes Durchschnittseinkommen der zivilen Volkswirtschaft in Höhe von etwa 1.044,- M.
Zu beachten ist zudem, dass die Quellen, aus denen das Gutachten seine Kenntnisse über die Einkommenshöhe beim MfS bezieht,
tendenziell zu einem zu niedrigen Durchschnittseinkommen führen. Das Gutachten stützt sich auf Datensätze des Bundesverwaltungsamtes
als Träger der Sonderversorgung. Dr. Jens Gieseke (Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam) hat in seiner Stellungnahme
nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass hierbei die Entgelte derjenigen Personen nicht berücksichtigt wurden, für welche
keine Entgeltbescheide erstellt wurden, da sie bereits verstorben waren und keine anspruchsberechtigten Angehörigen hatten.
Dies sind jedoch in der Regel lebensältere Personen, welche meist ein höheres Einkommen erzielt haben dürften.
Sogar gegenüber den Beschäftigten der NVA bzw. des Ministeriums des Innern (MdI) ergeben sich nach dem Gutachten noch signifikante
Unterschiede. So betrug das Durchschnittseinkommen - ohne Berücksichtigung der unter drei Jahre dienenden Angehörigen - im
Jahr 1975 beim MdI 83,3 v. H. und bei der NVA 85,5 v. H. des Durchschnittseinkommens beim MfS; im Jahr 1986 86,4 v. H. bzw.
88,7 v. H.. Entgegen der Auffassung des Klägers müssen bei diesem Vergleich keinesfalls Alterszulagen unberücksichtigt bleiben.
Dies lässt sich dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 23. Juni 2004 (1 BvL 3/98; 1 BvL 9/02; 1 BvL 2/03, juris, dort Rz. 76) nicht entnehmen. Dort stellt das Bundesverfassungsgericht lediglich fest, dass im Einzelfall der Schluss
auf ein überhöhtes Entgelt nicht berechtigt ist, wenn ein bestimmter Grenzwert allein aufgrund des Anstiegs der Dienstaltervergütung
überschritten wird. Allein aus einem hohen Dienstalter und der daraus resultierenden höheren Vergütung für das Dienstalter
lasse sich nicht auf überhöhtes Entgelt aufgrund besonderer Systemnähe schließen. Selbstverständlich dürfen aber bei dem Vergleich
der Durchschnittsentgelte insgesamt auch die Vergütungsanteile für das Dienstalter berücksichtigt werden. Keinesfalls kann
außer Betracht bleiben, dass diese Vergütungsbestandteile beim MfS/AfNS höher als beim MdI bzw. der NVA waren (vgl. zu der
Höhe im einzelnen die Angaben S. 61 des Gutachtens).
Insbesondere gegenüber dem Ministerium des Innern dürfte indes die tatsächliche Einkommensdifferenz noch deutlich höher gewesen
sein, als dies im Gutachten ausgewiesen wurde. Denn die Verfasser haben bei dieser Gruppe nur diejenigen Personen berücksichtigt,
die ihre Dienstlaufbahn im Ministerium des Innern beendeten (S. 6 des Gutachtens). Hierbei dürfte es sich in aller Regel um
- im Vergleich zu den Beschäftigten der regionalen Strukturen - besser verdienende Beschäftigte gehandelt haben. Bei Berücksichtigung
des Personals der Präsidien der Volkspolizei, der Bezirksbehörden und der Kreisämter der Volkspolizei dürfte das Durchschnittseinkommen
merklich niedriger ausfallen, was auch die Verfasser des Gutachtens einräumen (Gutachten S. 36). Die Werte für das Ministerium
des Innern sind jedoch insgesamt nicht aussagekräftig, da noch nicht einmal 7 % der Beschäftigten erfasst werden und diese
nach dem zuvor Gesagten keinen repräsentativen Querschnitt der Beschäftigten darstellen.
Gegenüber den bei der NVA erzielten Einkommen ergeben sich noch größere Differenzen. Die Einkommensdifferenzen bestanden nach
dem Gutachten seit der Gründung des MfS in den 1950er Jahren und verringerten sich später geringfügig. Insofern bestätigt
das Gutachten, dass den Beschäftigten des MfS sowohl im Vergleich zu Beschäftigten in der zivilen Volkswirtschaft wie auch
gegenüber der NVA deutlich höhere Entgelte bezahlt wurden.
Für die im Gutachten festgestellten höheren Entgelte der Beschäftigten des MfS findet sich keine sachliche Rechtfertigung,
welche die Annahme überhöhter Entgelte zu widerlegen vermag. Insbesondere schließt die in dem Gutachten als Rechtfertigung
bemühte "politisch gewollte Differenzierung der Einkommen" (vgl. S. 70 ff. des Gutachtens) überhöhte Einkommen im Bereich
des MfS/AfNS keinesfalls aus. Zwar hatte die DDR bekanntermaßen kein marktwirtschaftliches System mit der Folge, dass sich
die Einkommen für unterschiedliche Tätigkeiten nicht nach den Gesetzen der Marktwirtschaft ausdifferenzieren konnten. Gleichwohl
vermag eine politische Entscheidung der Staatsführung höhere Entgelte nicht ohne weiteres zu rechtfertigen. Entgegen der Auffassung
der Verfasser des Gutachtens liegen überhöhte Entgelte keinesfalls nur bei höheren Einkommen "aufgrund interner Festlegungen
des MfS" bzw. aufgrund Selbstprivilegierung des MfS vor. Vielmehr rechtfertigt gerade die politische Entscheidung für höhere
Einkommen, ohne dass diesen entsprechend höherwertige Arbeit oder Qualifikation gegenüberstand, die Annahme "überhöhter Einkommen"
und damit die Begrenzung durch § 7 Abs. 1 AAÜG. Das Gutachten selbst betont, dass es sich hierbei um eine "politisch motivierte finanzielle Belohnung" handelt. Gerade diese
Vorteile, welche durch die Staatsführung dem MfS/AfNS wegen dessen herausragender Rolle als Instrument der Repression politischer
Gegner in der Bevölkerung und der Machtsicherung zugedacht wurden, sollen durch die Regelung des § 7 AAÜG nicht bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden.
Einen Nachweis dafür, dass es sich bei der höheren Entlohnung von Geheimdiensten - wie behauptet - um gängige Praxis auch
demokratisch verfasster Staaten handele, bleibt das Gutachten schuldig. Im Übrigen wäre das MfS/AfNS bereits aufgrund seiner
enormen Größe und seiner besonderen Rolle als Repressionsapparat vor allem im Innern nicht mit Geheimdiensten demokratischer
Staaten zu vergleichen.
Entgegen dem Gutachten vermag nicht die vermeintlich höhere durchschnittliche Qualifikation der Mitarbeiter die deutlich höheren
Einkommen zu erklären. Auch nach Auffassung des Gutachtens korrespondierte in der DDR eine höhere Qualifikation regelmäßig
mit einem höheren Einkommen. Allerdings stellt das Gutachten selbst fest, dass das durchschnittliche Bruttoeinkommen eines
Hochschulabsolventen in der DDR im Jahr 1989 unterhalb des Niveaus des Durchschnittseinkommens aller Beschäftigten des MfS/AfNS
(also auch derjenigen ohne Hochschulabschluss) im Jahr 1987 lag. Das Gutachten weist maximal 31,6 v. H. Hochschulabsolventen
unter den Beschäftigten des MfS im Jahr 1988 aus (S. 74 des Gutachtens). Diese Zahl kommt allerdings allein durch die nicht
substantiiert belegte Annahme zustande, dass Studierende an den Fachhochschulen des MfS in vielen Fällen bereits über einen
Hochschulabschluss verfügt haben sollen. Selbst bei Zugrundelegung der Zahlen des Gutachtens bedeutet dies jedoch nichts anderes,
als dass für die Angehörigen des MfS/AfNS, von denen über zwei Drittel keinen Hochschulabschluss besaßen, durchschnittlich
höhere Löhne gezahlt wurden als sonst für Hochschulabsolventen. Schließlich räumt das Gutachten ein (S. 78 des Gutachtens),
dass in den besonders wissensintensiven nicht produzierenden Bereichen der Volkswirtschaft die Quote der Hochschulabsolventen
um 8 v. H., diejenige der Fachschulabsolventen sogar um 19 v. H. über derjenigen der Angehörigen des MfS gelegen habe. Gleichwohl
lag das Einkommensniveau 66 v. H. unterhalb desjenigen des MfS. Soweit das Gutachten auf ein höheres Qualifikationsniveau
als in der zivilen Volkswirtschaft aufgrund stetiger Fortbildung verweist, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn diese Erkenntnis
beruht auf einer "Fallstudie" des Brandenburgischen Instituts für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung e. V., welche
lediglich auf der Befragung von 4.200 ehemaligen Angehörigen des MfS beruht. Diese bezeichnen jedoch auch die Verfasser nicht
als repräsentativ (Gutachten S. 8). Das Gutachten räumt schließlich im Vergleich zur NVA eine deutlich geringere Qualifikation
des Offizierskorps des MfS/AfNS ein (Gutachten S. 76), geht hierauf jedoch nicht weiter ein.
Die vermeintlichen Besonderheiten der Organisationsstruktur des MfS/AfNS vermögen ebenso wenig die Einkommensdifferenzen zu
erklären. Insbesondere ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die "mit einem entsprechenden Bedarf an Spezialisten einhergehende
Aufgabenfächerung sowie die organisationale Gliederung des Dienstes ..., mit der die Präsenz des DDR-Geheimdienstes umfassend
auf allen territorialen Ebenen gesichert werden sollte", ein entsprechend höheres Einkommen rechtfertigen sollte. Zum einen
ist diese in ihrer Allgemeinheit nichts sagende Floskel nur durch Interviews mit ehemaligen Funktionären des MfS/AfNS belegt.
Zum anderen erscheint es insbesondere in Anbetracht der Anzahl der Beschäftigten des MfS vollkommen unwahrscheinlich, dass
es sich hierbei überwiegend um Experten gehandelt hat, welche im zivilen Bereich ein entsprechend höheres Einkommen hätten
erzielen können. Dies wird im Übrigen auch durch die vorherigen Ausführungen zur Qualifikationsstruktur widerlegt.
Die von den Verfassern als Rechtfertigung bemühten "Quasi-Marktbedingungen", wonach die erhöhten Entgelte die vermeintlichen
Erschwernisse kompensieren sollten, können ebenfalls nicht die höheren Entgelte rechtfertigen. Diese sind zum einen im Vergleich
zu den häufig kasernierten Angehörigen der NVA nicht zu erkennen. Zum anderen lassen die Verfasser außer Betracht, dass die
Angehörigen des MfS/AfNS neben höheren Entgelten, welche bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden, zahlreiche andere
Privilegien wie etwa bei der Wohnungsversorgung genossen. Die vermeintlichen Erschwernisse, so sie denn überhaupt vorhanden
waren, dürften bereits hierdurch ausreichend kompensiert gewesen sein.
Da bereits bei Zugrundelegung der Daten des Gutachtens von überhöhten Entgelten im Bereich des MfS auszugehen ist, bedarf
es keiner Auseinandersetzung mit der Stellungnahme von Dr. Jens Gieseke zu dem Gutachten vom 11. März 2009. Dieser führt in
seiner Stellungnahme im Einzelnen aus, dass eher von noch höheren Entgelten im Bereich des MfS auszugehen und die Qualifikationsstruktur
noch geringer gewesen sei.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass das im hiesigen Verfahren vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Hans-Jürgen Weißbach
und Dr. Horst Miethe nicht geeignet ist, die dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 28. April 1999 zugrunde liegende
Annahme überhöhter Einkommen beim MfS/AfNS zu widerlegen; im Gegenteil stützt das Gutachten diese Annahme. Die Aussetzung
des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art.
100 GG kommen so nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG vorliegen. Weder weicht die Entscheidung von einer Entscheidung der dort genannten Gerichte ab, noch hat sie grundsätzliche
Bedeutung. Allein der Umstand, dass nach Angaben des Verfahrensbevollmächtigen des Klägers zahlreiche weitere gleich gelagerte
Rechtsstreitigkeiten anhängig sind, rechtfertigt nicht die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung. Denn es fehlt an der ebenfalls
erforderlichen Klärungsbedürftigkeit der zugrunde liegenden Rechtsfrage (vgl. dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, §
160 Rn. 8). Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 sowie dem Nichtannahmebeschluss vom 22. Juni 2004
ist die entscheidende Rechtsfrage, ob § 7 Abs. 1 AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-ÄnderungsG verfassungsgemäß ist, geklärt. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten ändert hieran nichts, da es die diese Entscheidungen
tragende Annahme, dass den Bediensteten des MfS/AfNS überhöhte Entgelte bezahlt wurden, stützt, nicht aber widerlegt. Angesichts
dieser Sachlage vermag der Senat keinen Klärungsbedarf zu erkennen.