Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Angemessenheit der Bruttokaltmiete in Berlin
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Monate Juli und August 2008 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch
des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Der 1966 geborene Kläger, der seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht, bewohnte seit
dem 1. Februar 2006 mit einem Mitbewohner eine 91,31 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung in der D, Berlin, für die eine Miete
von 549,94 EUR (449,52 EUR Nettokaltmiete, 100,42 EUR kalte Betriebskosten) zu entrichten war. Da die Wohnung mit Gas beheizt
wurde, waren zusätzlich Abschläge an den Gasversorger zu leisten. Der Mitbewohner des Klägers starb am 11. August 2006.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2007 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass dessen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung
den für angemessen gehaltenen Betrag von 360,- EUR überschritten. Er forderte den Kläger zur Stellungnahme bis zum 28. August
2007 auf, ob es ihm möglich und zumutbar sei, seine Aufwendungen zu senken. Vorsorglich teilte er mit, dass der Kläger mit
einer Begrenzung der Leistungen rechnen müsse, wenn er die Frist unbeachtet lasse.
Mit einem am 7. August 2007 abgeschlossenen Mietvertrag mietete der Kläger mit Wirkung ab dem 1. September 2007 unbefristet
eine 66,88 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung im selben Haus an, ohne zuvor die Zustimmung des Beklagten einzuholen. Die
Nettokaltmiete betrug 376,15 EUR, die kalten Betriebskosten 98,96 EUR. An den Gasversorger hatte der Kläger monatlich 60,-
EUR zu entrichten. Heizung und Warmwasserversorgung wurden mit der in der Wohnung eingebauten Gastherme gewährleistet.
Der Beklagte wiederholte mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 seinen Hinweis auf die Unangemessenheit der Aufwendungen für
Unterkunft und Heizung und teilte dem Kläger mit, dass ab dem 1. Juli 2008 nur noch Aufwendungen in Höhe von 360,- EUR berücksichtigt
würden.
Der Kläger bat den Beklagten am 20. November 2007 schriftlich um einen Termin. Es gehe um eine Beihilfe für einen Umzug in
eine kleinere und günstigere Wohnung. Als der Beklagte nicht reagierte, wiederholte der Kläger sein Begehren mit einem Schreiben
vom 13. Dezember 2007, wobei er eine "bevorstehende Wohnungsübergabe zum Anfang Januar" erwähnte.
Nach den Leistungsakten übersandte der Kläger erst mit seinem am 14. Februar 2008 gestellten Weiterbewilligungsantrag den
neuen Mietvertrag und teilte mit, dass der Umzug in der Zeit zwischen dem 27. Dezember 2007 und dem 15. Januar 2008 stattgefunden
habe. Der Umzug sei erforderlich gewesen, weil er Opfer eines Wasserschadens geworden sei. Mit Bescheid vom 3. März 2008 bewilligte
der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. März 2008 bis zum 31. August 2008, und zwar
Regelleistungen in monatlicher Höhe von 347,- EUR für den gesamten Zeitraum sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung in
Höhe von 523,73 EUR monatlich für die Zeit vom 1. März 2008 bis zum 30. Juni 2008 und in Höhe von 360,- EUR monatlich für
die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. August 2008. Gegen diese Absenkung der Leistungen legte der Kläger am 20. März 2008
Widerspruch ein. Er sei der Kostensenkungsaufforderung des Beklagten gefolgt, indem er in die neue Wohnung umgezogen sei.
Der Beklagte müsse nun in eine neue Einzelfallprüfung eintreten und könne erst dann erforderlichenfalls eine neue Kostensenkungsaufforderung
erteilen. Mit Änderungsbescheid vom 18. Mai 2008 erhöhte der Beklagte die Regelleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis
zum 31. August 2008 auf 351,- EUR und behielt die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,- EUR bei. Der Kläger
legte am 28. Mai 2008 ein Attest der ihn behandelnden Fachärztin für Augenheilkunde Dr. U vom 21. Mai 2008 vor, in dem es
heißt, er habe im Rahmen eines stationären Klinikaufenthalts, der vom 17. April 2008 bis zum 23. April 2008 gedauert habe,
wegen einer Netzhautablösung am rechten Auge operiert werden müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 wurde der Widerspruch
des Klägers zurückgewiesen.
Hiergegen hat er am 9. Juni 2008 bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Er hat dem Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
der ihn behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin K vom 22. Juli 2008 übersandt, mit dem seine Arbeitsunfähigkeit für die
Zeit vom 14. April 2008 bis voraussichtlich zum 21. August 2008 attestiert worden ist. Im weiteren Verlauf des Verfahrens
hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 15. September 2008 eine Betriebskostennachforderung des Vermieters vom 1. Juli
2008 für das Jahr 2006 in Höhe von 183,48 EUR übernommen und als Bedarf für den Monat August 2008 berücksichtigt. In der mündlichen
Verhandlung vom 26. Mai 2009 hat der Kläger weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in monatlicher Höhe von 175,11 EUR
für die Monate Juli und August 2008 begehrt. Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom selben Tag unter Änderung
des Bescheides vom 3. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2008 verpflichtet, dem Kläger für die
Monate Juli und August 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 31,67 EUR zu zahlen, und die Klage im
Übrigen abgewiesen. Das Sozialgericht ist dabei davon ausgegangen, dass unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2007
vom 11. Juli 2007 (ABl. S. 1797) im vorliegenden Fall angemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 391,67
EUR zu berücksichtigen seien. Eine Kostensenkung sei dem Kläger möglich und zumutbar gewesen. Die Berufung hat das Sozialgericht
mit der Begründung zugelassen, dass die Höhe der angemessenen Aufwendungen im Land Berlin nicht obergerichtlich geklärt sei
und diese Frage grundsätzliche Bedeutung habe.
Der Beklagte hat gegen die ihm am 19. Juni 2009 zugestellte Entscheidung am 16. Juli 2009 Berufung eingelegt. Er hat gerügt,
dass aus dem Urteilstenor nicht ersichtlich sei, ob für den streitgegenständlichen Zeitraum insgesamt oder monatlich 31,67
EUR zu zahlen seien. Darüber hinaus habe das Sozialgericht bei seiner Berechnung nicht die zutreffenden Werte für die Kaltmiete
und die Nebenkosten berücksichtigt. Der Kläger, dem das Urteil am 22. Juni 2009 zugestellt worden ist, hat am 21. Juli 2009
Anschlussberufung eingelegt. Weil der Beklagte die tatsächlichen Aufwendungen nach dem Umzug übernommen habe, habe der Kläger
von einer "Zusicherung durch Billigung" ausgehen können. Der Kläger sei zudem aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage
gewesen, sich eine günstigere Wohnung zu suchen. Erst nach einem Jahr Vertragsverhältnis habe er den Mietvertrag kündigen
können.
Der Senat hat den von der GEWOS Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung GmbH herausgegebenen "Endbericht" mit der
Überschrift "Berliner Mietspiegel 2007 Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel" (GEWOS-Endbericht) zu den Gerichtsakten
genommen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2009 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Anschlussberufung
des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und diesen unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2009
und des Bescheides vom 3. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2008 und des Änderungsbescheides
vom 15. September 2008 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. August 2008 weitere Leistungen für Unterkunft
und Heizung in monatlicher Höhe von 175,11 EUR zu gewähren.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten
und die Leistungsakten des Beklagten, die vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die zulässige Anschlussberufung des Klägers ist dagegen unbegründet. Das
Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der Bescheid des Beklagten vom 3. März 2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2008 und des Änderungsbescheides vom 15. September 2008 ist in dem angefochtenen Umfang
rechtmäßig. Der Kläger hat hinsichtlich der Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. August 2008 keinen Anspruch auf weitere Leistungen
für Unterkunft und Heizung in monatlicher Höhe von 175,11 EUR.
Die Voraussetzungen der als Anspruchsgrundlage ausschließlich in Betracht kommenden §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a. F.) des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende
vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706, 1709) sind nicht vollständig erfüllt. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen
sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind
sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II a. F. als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem
allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel,
durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers waren im streitigen Zeitraum unangemessen hoch. Der vom Beklagten für angemessen
gehaltene Betrag von 360,- EUR war jedenfalls nicht zu knapp angesetzt. Der Begriff der Angemessenheit nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Ob die Aufwendungen für die
Wohnung angemessen sind, ist daher nicht anhand der Ausführungsvorschriften des Beklagten zu bestimmen (Bundessozialgericht,
Urteile vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R, B 14 AS 65/09 R; B 14 AS 2/10 R). Die Angemessenheitsprüfung setzt vielmehr eine Einzelfallprüfung voraus und hat für die Unterkunftskosten sowie für die
Heizkosten getrennt zu erfolgen (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 18/06 R; Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit der Unterkunft das Produkt
aus angemessener Wohnfläche und der Summe von angemessener Kaltmiete je Quadratmeter und angemessenen kalten Betriebskosten
je Quadratmeter zu ermitteln (Produkttheorie, vgl. Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 65/09 R, Urteil vom 21. September 2009, B 4 AS 18/09 R; Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R; Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R).
In einem ersten Schritt ist demnach die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen. Im Ergebnis ist im Land Berlin für
einen Einpersonenhaushalt eine Wohnfläche von höchstens 50 Quadratmetern angemessen. Hierbei ist nach dem Bundessozialgericht
auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen Hinsichtlich der Überlassung
von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) vom 13. September 2001 (BGBI. I S. 2376) in Verbindung mit §
5 des
Wohnungsbindungsgesetzes (
WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2404) Hinsichtlich der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs. 4 WoFG auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Im Land Berlin liegen zu §
5 WoBindG und § 27 WoFG nur unveröffentlichte Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 vor, die wegen der
maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen Danach darf entsprechend der Bekanntmachung
der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20. Oktober 1995 (ABl. 1995, S. 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu
50 Quadratmetern und an Zweipersonenhaushalte Wohnraum von bis zu 60 Quadratmetern überlassen werden (Bundessozialgericht,
Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 85/09 R; Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 32/09 R).
In einem zweiten Schritt ist die angemessene Nettokaltmiete je Quadratmeter festzustellen. Als maßgeblicher Vergleichsraum
ist dabei in Berlin das gesamte Stadtgebiet heranzuziehen, da auch ein Arbeitnehmer mit vergleichbar geringem Einkommen eine
Ersatzwohnung innerhalb des gesamten Stadtgebiets für den Fall suchen würde, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln
eine Wohnung nicht mehr finanzieren kann. Den besonderen Belangen und der konkreten Situation des jeweiligen Hilfebedürftigen
ist nicht bereits bei der abstrakt-generell vorzunehmenden Festlegung der Vergleichsräume, sondern erst im Rahmen der Zumutbarkeitsregelung
des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II a. F. Rechnung zu tragen (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 85/09 R; Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 2/10 R).
Der weiteren Prüfung ist nach dem Bundessozialgericht ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu
legen. Die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen.
Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich
ist, im konkreten Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist auf Grundlage eines diese Vorgaben
beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln Zur Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. können qualifizierte Mietspiegel im Sinne des §
558d des
Bürgerlichen Gesetzbuches herangezogen werden. Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden,
ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich nicht zulässig. Die Daten für Baualtersklassen mit
besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) sind jedoch, unabhängig davon, mit welcher
Häufigkeit solche Wohnungen noch verfügbar sind, zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes nicht heranzuziehen,
da Hilfebedürftige auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen
werden dürfen. Darüber hinaus sind die Grundlagendaten zu dem jeweiligen Mietspiegel zu berücksichtigen. Es könnten sich daraus
nämlich Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so
häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (gegebenenfalls
um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht
ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach der Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten
Wohnungen in den jeweiligen Baualtersklassen zu bilden, da ein solcher Mittelwert gewährleistet, dass ein einzelner Wert für
eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt einfließt (Bundessozialgericht,
Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 85/09 R; Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 2/10 R; Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R).
Nach diesen Vorgaben hat der Senat den Berliner Mietspiegel 2007 und den GEWOS-Endbericht zur Grundlage seiner Prüfung gemacht.
Der GEWOS-Endbericht enthält keine Angaben, die den Schluss zulassen, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar
über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist, dass sie einen einfachen Standard nachvollziehbar abbildet. Die Daten des
GEWOS-Endberichts beziehen sich stets auf das gesamte Land Berlin, jedoch nicht auf dessen Bezirke (vgl. insbesondere die
Tabellen 25 bis 32b). Differenziert wird in einigen Tabellen des GEWOS-Endberichts nur zwischen den "westlichen" und den "östlichen"
Bezirken (vgl. die Tabellen 13, 14b, 15b, 19b, 20b, 32b). Daher hat der Senat nach einer von Richtern des Sozialgerichts Berlin
entwickelten (Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2011, S. 28-42) und
vom Bundessozialgericht gebilligten Methode (Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 85/09 R; Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 2/10 R) einen gewichteten arithmetischen Mittelwert gebildet. Ausgangspunkt sind dabei die Daten für Wohnungen der Größe von 40
bis unter 60 Quadratmetern in einfachen Wohnlagen, wie sie in Zeile D der Mietspiegeltabelle angegeben werden. Da Hilfebedürftige
jedoch nicht auf Wohnungen verwiesen werden dürfen, die entweder nicht über ein Bad oder nicht über eine Sammelheizung verfügen,
hat der Senat die Werte der Spalten 1 und 3 für unterdurchschnittliche Ausstattung sowie die in den Fußnoten zur Mietspiegeltabelle
ausgewiesenen Abschläge auf die Spalten 1, 3, 5 und 6 für weit unterdurchschnittliche Ausstattungen nicht berücksichtigt.
Auch die Spalten 8 und 9 konnten nicht einfließen, da die Mietspiegeltabelle hier in Zeile D keine Angaben enthält. Der Berechnung
sind die Mittel- und nicht die Spannenoberwerte der einfachen Wohnlage zugrunde gelegt worden (Bundessozialgericht, Urteil
vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 2/10 R). Es war also von folgenden Werten auszugehen: 4,35 EUR (Spalte 2), 4,77 EUR (Spalte 4), 4,43 (Spalte 5), 4,41 EUR (Spalte
6), 4,56 EUR (Spalte 7), 4,96 EUR (Spalte 10), 6,70 EUR (Spalte 11). Die Gewichtung der einzelnen Mietspiegelwerte wird anhand
der auf die berücksichtigten Spalten des Berliner Mietspiegels entfallenden Wohnungen vorgenommen, die sich aus dem GEWOS-Endbericht
ergeben (Tabelle 1 "Fortschreibung der Grundgesamtheit zum Berliner Mietspiegel 2007"). Danach entfallen 40.500 Wohnungen
auf Spalte 2, 20.500 Wohnungen auf Spalte 4, 8.600 auf Spalte 5, 14.800 auf Spalte 6, 2.800 auf Spalte 7, 27.600 auf Spalte
10 und 4.300 auf Spalte 11. Insgesamt handelt es sich um 119.100 Wohnungen. Zur Gewichtung werden die auf die einzelnen Tabellenzeilen
entfallenden Wohnungen pro Zeile ins Verhältnis zur Summe der insgesamt pro Zeile berücksichtigten Wohnungen gesetzt. Anschließend
werden die so ermittelten Anteile mit den zugehörigen, in den einzelnen Mietspiegelzeilen angegebenen Kaltmietwerten multipliziert
und die Produkte je Zeile addiert, um jedem einzelnen Mietspiegelwert sein dem Wohnungsbestand entsprechendes Gewicht beimessen
zu können. Daraus ergibt sich die folgende Berechnung:
([40.500 : 119.100] x 4,35 EUR = 1,48 EUR) +
([20.500 : 119.100] x 4,77 EUR = 0,82 EUR) +
([8.600 : 119.100] x 4,43 EUR = 0,32 EUR) +
([14.800 : 119.100] x 4,41 EUR = 0,55 EUR) +
([2.800 : 119.100] x 4,56 EUR = 0,11 EUR) +
([27.600 : 119.100] x 4,96 EUR = 1,15 EUR) +
([4.300 : 119.100] x 6,70 EUR = 0,24 EUR) = 4,67 EUR Nettokaltmiete.
In einem letzten Schritt sind die kalten Betriebskosten je Quadratmeter zu ermitteln. Das Bundessozialgericht hat hierzu ausgeführt:
"Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten
zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte.
Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen
werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen weitergehenden
Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten" (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 2/10 R). Der Senat hat gleichwohl auch hinsichtlich der kalten Betriebskosten einen gewichteten arithmetischen Mittelwert gebildet.
Der Zweck dieses Vorgehens bei der Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete liegt - wie bereits ausgeführt - darin, dass
einzelne Werte für bestimmte Baualtersklassen entsprechend ihrer tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in die Prüfung einfließen
können. Da die jeweiligen Baualtersklassen nicht nur unterschiedliche Kaltmieten, sondern auch unterschiedliche kalte Betriebskosten
aufweisen, ist es folgerichtig, auch in dieser Hinsicht eine Gewichtung vorzunehmen. Der Senat hat wiederum die Wohnungen
mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad ausgenommen und ist von den folgenden Daten der Tabelle 5 des GEWOS-Endberichts ("Durchschnittliche
kalte Betriebskosten zum Berliner Mietspiegel 2007") ausgegangen: 1,23 EUR (Spalte 2), 1,47 EUR (Spalte 4), 1,54 EUR (Spalte
5), 1,56 EUR (Spalte 6), 1,50 EUR (Spalte 7), 1,82 EUR (Spalte 8), 1,70 EUR (Spalte 9), 1,46 EUR (Spalte 10), 1,53 EUR (Spalte
11). Nach Tabelle 1 des GEWOS-Endberichts entfielen 281.900 Wohnungen auf Spalte 2, 154.700 auf Spalte 4, 77.900 auf Spalte
5, 149.100 auf Spalte 6, 65.700 auf Spalte 7, 19.200 auf Spalte 8, 12.900 auf Spalte 9, 204.400 auf Spalte 10 und 56.900 auf
Spalte 11. Insgesamt waren 1.022.700 Wohnungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage hat der Senat die folgende Berechnung
vorgenommen:
([281.900 : 1.022.700] x 1,23 EUR = 0,34 EUR) +
([154.700 : 1.022.700] x 1,47 EUR = 0,22 EUR) +
([77.900 : 1.022.700] x 1,54 EUR = 0,12 EUR) +
([149.100 : 1.022.700] x 1,56 EUR = 0,23 EUR) +
([65.700 : 1.022.700] x 1,50 EUR = 0,1 EUR) +
([19.200 : 1.022.700] x 1,82 EUR = 0,03 EUR) +
([12.900 : 1.022.700] x 1,70 EUR = 0,02 EUR) +
([204.400 : 1.022.700] x 1,46 EUR = 0,29 EUR) +
([56.900 : 1.022.700] x 1,53 EUR = 0,09 EUR) = 1,44 EUR kalte Betriebskosten
Aus den vorstehenden Berechnungen ergibt sich eine angemessene Bruttokaltmiete pro Quadratmeter in Höhe von 6,11 EUR (4,67
EUR + 1,44 EUR). Daraus folgt bei 50 Quadratmetern eine angemessene Bruttokaltmiete von 305,50 EUR.
Welche Heizkosten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. angemessen waren (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/06 R; Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 2/10 R), kann im Ergebnis offen bleiben. Ausgehend von einer angemessenen Bruttokaltmiete von 305,50 EUR und einem tatsächlichen
monatlichen Gasabschlag von 60,- EUR, war bei einer Regelleistung von 351,- EUR jedenfalls noch eine Warmwasserpauschale von
6,33 EUR abzuziehen, da diese Energiekosten bereits in den Regelleistungen enthalten sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil
vom 13. April 2011, B 14 AS 106/10 R). Daraus ergibt sich ein zu berücksichtigender Betrag von 359,17 EUR (305,50 EUR + 60,- EUR - 6,33 EUR). Da der Beklagte
360,- EUR bewilligt hat, kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob auch noch ein Abzug für Kochgas vorzunehmen war (vgl. Bundessozialgericht,
Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R).
Die unangemessenen Aufwendungen des Klägers konnten im streitigen Zeitraum auch nicht mehr auf der Grundlage des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vorübergehend übernommen werden, da die vorgesehene Übergangsfrist, die in der Regel sechs Monate beträgt, abgelaufen war.
Dem Kläger war es sowohl subjektiv als auch objektiv möglich und zumutbar, seine Aufwendungen zu senken. Die subjektive Möglichkeit
der Kostensenkung, die voraussetzt, dass der Hilfesuchende Kenntnis von seiner Obliegenheit zur Kostensenkung hat (Bundessozialgericht,
Urteil vom 1. Juni 2010, B 4 AS 78/09 R; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 19/09 R), ist dadurch eingetreten, dass der Kläger mit den Schreiben des Beklagten vom 27. Juli 2007 und 10. Dezember 2007 darauf
hingewiesen wurde, dass seine Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien, wobei der Beklagte zuletzt mitteilte, dass ab
dem 1. Juli 2008 nur noch Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,- EUR berücksichtigt würden. Der Kläger kann
hiergegen nicht geltend machen, dass sich die Schreiben des Beklagten auf die alte Wohnung bezogen hätten. Abgesehen davon,
dass es sich hierbei um einen treuwidrigen Einwand handelt, da der Kläger entgegen seinen Mitteilungspflichten aus §
60 des
Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB I) dem Beklagten die Neuanmietung nicht bekannt gegeben hatte, erfordert die Aufklärungs- und Warnfunktion einer Kostensenkungsaufforderung
grundsätzlich nur, dass der aus der Sicht des Grundsicherungsträgers angemessene Mietpreis mitgeteilt wird, weil dies nach
der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 1. Juni
2010, B 4 AS 78/09 R; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 19/09 R; Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R). Diesem Erfordernis ist der Beklagte gerecht geworden. Damit wurde insgesamt eine Übergangsfrist von elf Monaten eingeräumt.
Der Kläger genießt auch keinen Vertrauensschutz aus einer "Zusicherung durch Billigung", die seiner Meinung nach darin liegt,
dass der Beklagte die Aufwendung für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe bis zum 30. Juni 2008 übernommen hat. Der
Kläger durfte schon deswegen nicht auf eine weitere Übernahme dieser Aufwendungen vertrauen, weil der Beklagte ausdrücklich
angekündigt hatte, die Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 1. Juli 2008 auf 360,- EUR zu verringern. Soweit der Kläger
vorgebracht hat, er habe das Mietverhältnis erst nach einem Jahr kündigen können, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Mietvertrag
vom 7. August 2007 eine solche Regelung nicht enthält. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass ihm
eine Kostensenkung aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar gewesen sei. Zwar wurde ihm für die Zeit vom 14. April 2008
bis voraussichtlich zum 21. August 2008 Arbeitsunfähigkeit attestiert. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass in der
davor liegenden Zeit Hinderungsgründe für eine Kostensenkung vorlagen, zumal der Kläger offensichtlich in der Lage war, den
Umzug in die neue Wohnung zu bewerkstelligen. Er hätte demnach auch in eine angemessene Unterkunft umziehen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
2 SGG nicht vorliegen. Auch hinsichtlich der Frage, ob bei der Berechnung der kalten Betriebskosten ein gewichteter arithmetischer
Mittelwert zu bilden ist, liegt weder eine Abweichung von der obergerichtlichen Rechtsprechung noch grundsätzliche Bedeutung
vor. Eine Abweichung ist zu verneinen, da das Bundessozialgericht insoweit keinen seine Entscheidung tragenden Rechtssatz
formuliert hat. Grundsätzliche Bedeutung kann der Frage nicht beigemessen werden, da das Bundessozialgericht eine Gewichtung
der kalten Betriebskosten lediglich als "nicht notwendig" angesehen hat. Demnach hat eine solche Gewichtung auf die Beantwortung
der Frage, ob ein "schlüssiges Konzept" zur Angemessenheit der Leistungen für Unterkunft und Heizung im Sinne der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts vorliegt, keinen Einfluss.