Rentenversicherung
Einbehalt einer Schweizer Invalidenrente
Erstattungspflicht unter Leistungsträgern unterschiedlicher Staaten
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Einbehaltung eines Teils seiner Schweizer Invalidenrente und die Auszahlung an die Beigeladene
durch die Beklagte und begehrt die Auszahlung an sich.
Der 1941 geborene, also jetzt 75 Jahre alte Kläger hat einen Teil seines Berufslebens, und zwar in der Zeit von Juni 1960
bis September 1977, in der Schweiz verbracht.
Von der Beigeladenen bezog der Kläger in der Zeit vom 28. November 2002 bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Am 01. September 2004 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen
ab 01. Januar 2005, der zugleich als Antrag auf Invalidenrente aus der schweizer Eidgenossenschaftlichen Invalidenversicherung
(IV) gelten sollte. In dem Formular "E 204 D: Bearbeitung eines Antrags auf Invaliditätsrente, VO 1408/71: Art. 44 bis 51a;
Art. 77, VO 574/72: Art. 36 bis 38; Art. 41 bis 43; Art. 45 bis 47; Art. 49; Art. 90 (***); Art. 111", das die Beklagte mit
Datum vom 14. September 2004 an die Schweizerische Ausgleichskasse (SAK) sandte, kreuzte die Beklagte unter Punkt 16 an, dass
eine Verrechnung von Überzahlungen gemäß Art. 111 VO 574/72 vorzunehmen sei und unter Punkt 16.1, dass etwaige Rentenzahlungen
nicht dem Berechtigten unmittelbar ausgezahlt werden könnten. Die mit Bescheid vom 31. März 2005 zunächst abgelehnte schweizerische
Rente wurde dem Kläger nach einer Einsprache mit Bescheid vom 22. Februar 2007 für die Zeit vom 01. September 2003 bis 31.
Dezember 2005 bewilligt, und zwar für die Zeit von September 2003 bis Dezember 2004 in Höhe von 11.776 Schweizer Franken (SF)
und für das Jahr 2005 in Höhe von 9.000 SF. Es wurde festgestellt, dass der Grad der Invalidität des Klägers 70 % beträgt.
Weiter wurde angegeben, dass die Nachzahlung in Höhe von insgesamt 20.776 SF an die Deutsche Rentenversicherung Bund überwiesen
werde. "Um ggf. zu viel bezahlte Pensionsleistungen verrechnen zu können, hat der Deutsche Versicherungsträger verlangt, ihm
unsere Nachzahlung zu überweisen. Diese Stelle wird direkt mit ihnen abrechnen".
Die Beklagte zahlt dem Kläger seit dem 01. Januar 2005 die beantragte Altersrente. Ab dem 01. Januar 2006 bezieht der Kläger
von der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV-IV) eine ordentliche Altersrente.
Mit Eingang bei der Beklagten am 19. April 2007 meldete die Beigeladene einen Erstattungsanspruch an. Sie habe dem Kläger
bis zum 31. Dezember 2004 Alhi bewilligt. Er habe jedoch Altersrente zu beanspruchen ab 01. September 2003. Die Bewilligungsentscheidung
der Agentur für Arbeit sei deshalb gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. §
330 Abs.
3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) bereits aufgehoben worden. Es bestünde ein Erstattungsanspruch insgesamt in Höhe von 7.327,52 Euro. Sie führte aus, dass
der Kläger in der Zeit vom 01. September 2003 bis 27. November 2003 wöchentlich 138,18 Euro, in der Zeit vom 28. November
2003 bis 31. Dezember 2003 wöchentlich 135,59 Euro, in der Zeit vom 01. Januar 2004 bis 27. November 2004 wöchentlich 138,60
Euro und in der Zeit vom 28. November 2004 bis 31. Dezember 2004 wöchentlich 134,68 Euro an Alhi bezogen habe.
Am 26. April 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger die Abrechnung der (schweizerischen) Rentenzahlung und teilte mit, dass
wegen einer Erstattungsforderung in Höhe von 7.620,87 Euro für die Zeit vom 01. September 2003 bis 31. Dezember 2004 dieser
Betrag an die Beigeladene überwiesen worden sei. Dem Kläger stünde noch ein Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von 5.202,24
Euro zu. Diesen Betrag überwies die Beklagte an den Kläger und den Betrag von 7.620,87 Euro an die Beigeladene.
Nachdem der Kläger telefonisch am 02. Mai 2007 eingewandt hatte, dass der Umrechnungskurs falsch sei und die Beigeladene nur
7.327,52 Euro geltend gemacht habe und nachdem er am 03. Mai 2007 gegen das Schreiben vom 26. April 2007 (Rentennachzahlung)
Widerspruch eingelegt hatte, erteilte die Beklagte am 15. Mai 2007 eine neue Abrechnung der Nachzahlung und überwies an den
Kläger weitere 352,71 Euro. Diesen Betrag zahlte die Beigeladene an die Beklagte zurück. Eine Bescheidung des Widerspruches
erfolgte - zunächst - nicht.
Mit Schreiben vom 21. November 2008 forderte der Kläger die Rückzahlung der an die Beigeladene weitergeleiteten 7.268,16 Euro
aus seiner Invalidenrentenleistung der schweizerischen Invalidenversicherung. Er legte das Protokoll der mündlichen Verhandlung
vom 24. Oktober 2008 in dem Verfahren S 70 AL 2885/07 des Sozialgerichts Berlin vor, in der die Beigeladene ihren Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 09. Juli 2007 bezüglich
der Aufhebung und Erstattung der Alhi für die Zeit vom 01. September 2003 bis 31. Dezember 2004 aufgrund eines Hinweises des
Vorsitzenden Richters, dass dieser rechtswidrig sein dürfte, weil aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X seitens der Beigeladenen als erstattungsberechtigter Leistungsträgerin eine Aufhebung und Erstattung gegenüber dem Kläger
nicht zulässig sei, sondern sie sich wegen der erhobenen Erstattungsforderung an die Rentenversicherung als endgültig verpflichtetem
Leistungsträger halten müsse, aufgehoben hatte.
In den Akten der Beklagten finden sich Vorlagen an die dortige Grundsatzabteilung bezüglich der Frage, ob die Erstattungsforderung
durch einen Verwaltungsakt geltend gemacht werden müsse. Diese verwies auf eine Entscheidung der Arbeitsgruppe des Fachausschusses
für Versicherung und Rente (AGFAVR) in der Sitzung 2/2007 am 21./22. Mai 2007. Im Juli 2007 wurde durch den Vorstand der Beklagten
"verbindlich geregelt", dass die Mitteilung über die Abrechnung einer Rentennachzahlung bei gleichzeitiger Abrechnung eines
Erstattungsanspruchs nach den § 102 ff SGB X nicht in Form eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 31 SGB X ergehe. Zur Begründung, dass die Abrechnung einer Nachzahlung auch dann nicht in Form eines Bescheides zu erfolgen habe,
wenn eine Erstattungsforderung nach den § 102 ff SGB X im Raum stünde, wurde angegeben, dass die Erstattungsforderung nach den §§ 102 ff SGB X kraft Gesetzes entstünde. Es handele sich bei der Abrechnung einer Nachzahlung um schlichtes Verwaltungshandeln. Soweit Erstattungsansprüche
bestünden, gelte der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger nach § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt. Diese Erfüllungsfiktion trete kraft Gesetzes ein und werde in der Mitteilung über die Abrechnung der Rentennachzahlung
lediglich rechnerisch dargestellt. Dies beinhalte jedoch keine Regelung, sodass kein Verwaltungsakt vorliege.
Mit Schreiben vom 04. August 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie einen Verwaltungsakt nicht für erforderlich
halte und keinen Bescheid erteilen werde. Der Kläger könne Leistungsklage erheben. Gleichzeitig teilte sie mit, dass sie die
von dem Vorsitzenden der 70. Kammer des Sozialgerichts Berlin im Verhandlungstermin vom 24. Oktober 2008 geäußerte Auffassung,
dass die Beigeladene keinen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid hätte erteilen dürfen, nicht teile.
Mit der am 18. September 2009 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Er hat zunächst die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die Auszahlung des Restbetrages von 7.268,16 Euro zu bewilligen.
Er begehrte den Erlass eines Verwaltungsaktes und erhob Untätigkeitsklage. Zur Begründung machte er Ausführungen zur Zahlung
durch die Beklagte nach europarechtlichen Vorschriften. Die Vorschrift des §
142 SGB III sei nur auf Arbeitslosengeldansprüche anwendbar. Bis zum 31. Dezember 2004 habe § 198 Satz 2 Nr. 6
SGB III alte Fassung geregelt, dass §
142 SGB III auch für die Arbeitslosenhilfe entsprechend gegolten habe. Diese Vorschrift sei nicht in das neue Recht ab 01. Januar 2005
übernommen und außer Kraft gesetzt worden, noch bevor der Schweizer Träger die Rente am 22. Februar 2007 bewilligt habe. Eine
Übergangsregelung bestünde nicht. Da kein Erstattungsanspruch der Beigeladenen nach § 103 SGB X bestanden habe, gelte der Anspruch des Klägers auch nicht nach § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt. Er müsse noch erfüllt werden. Es müsse ein Bescheid erteilt werden.
Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 12. November 2009 mitgeteilt, dass eigentlich die SAK den nach schweizerischem Recht
zulässigen Umfang der Erstattungsforderung nach Art. 111 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 festlegen müsse. Die deutschen
Rentenversicherungsträger hätten jedoch vereinbart, es anders zu machen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund melde mögliche
Erstattungsansprüche der Bundesagentur bei der SAK mittels Formblatts E 202/204 an. Mit der Überweisung der schweizerischen
Nachzahlung an die Beklagte habe die SAK ihre generelle Zustimmung zur Abrechnung der Nachzahlung mit der Beigeladenen durch
die Beklagte erteilt.
Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2009 mitgeteilt, sie könne keine Gründe erkennen, aus denen der Kläger
nunmehr neben der bereits erhaltenen Alhi für denselben Zeitraum die Auszahlung der Rentennachzahlung an ihn selbst begehre.
§ 198 Satz 2 Nr. 6
SGB III a. F. i.V.m. §
142 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III sei bei Einsetzen der laufenden Rentenzahlung nach dem 31. Dezember 2004 nicht mehr einschlägig gewesen. Die Alhi sei jedoch
eine bedürftigkeitsabhängige Leistung gewesen. Einkommen des Klägers sei gemäß § 194
SGB III a. F. auf die Alhi anzurechnen gewesen. Die dem Kläger bewilligte Rente sei nachträglich gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. §
330 Abs.
3 SGB III anzurechnen und führe zur Aufhebung und Erstattung. Insoweit bedürfe es keiner gesonderten arbeitsförderungsrechtlichen Übergangsregelung.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. März 2012 hat der Kläger (nur noch) einen Leistungsantrag gestellt.
Mit Urteil vom 23. März 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eines Verwaltungsaktes habe es nicht bedurft. Es
fehle sowohl an einem Regelungsinhalt als auch an der entsprechenden Form, da lediglich eine Erstattung der Beklagten an die
Beigeladene vollzogen und abgerechnet worden sei. Die Abrechnung sei auch rechtmäßig gewesen. Laut Art. 111 Abs. 2 VO-EWG
574/72 sei die Beklagte als Verbindungsstelle zuständig für die Abrechnung gewesen. Dies ergebe sich aus Art. 53 Abs. 1 Satz
1 Halbsatz 1 der VO 574/72. Anspruchsgrundlage sei Art. 111 Abs. 2 VO-EWG 574/72 i.V.m. §§
142 Abs. 1 Satz 1 Nr.
3, Abs.
3 Satz 2,
125 Abs.
3 SGB III a. F. i. V. m. § 103 SGB X. Diese Vorschrift sei zwar außer Kraft getreten, sei aber noch anwendbar aufgrund des allgemeinen Grundsatzes, dass für Sachverhalte
in der Vergangenheit das zum jeweiligen vergangenen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden sei. Daran ändere auch der von dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführte Umkehrschluss aus §
422 SGB III nichts. Die Invalidenrente sei auch vergleichbar mit einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der schweizerische Rentenversicherungsträger
habe im Rentenbescheid vom 22. Februar 2007 sein grundsätzliches Einverständnis mit der Abrechnung erklärt.
Gegen das am 25. April 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Mai 2012 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
eingelegt. Wegen der Begründung wird auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten des Klägers verwiesen.
Der Kläger, der zunächst beantragt hatte, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 2012 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, an ihn 7.268,16 Euro auszuzahlen, hat in der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2015, nach Hinweis des Senats,
dass in den "Schreiben" der Beklagten vom 26. April 2007 und 15. Mai 2007 möglicherweise Verwaltungsakte zu sehen sind, seinen
Antrag geändert.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 2012 und die Bescheide der Beklagten vom 26. April
2007 und 15. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
an ihn 7.268,16 Euro auszuzahlen,
hilfsweise,
die Beigeladene zu verurteilen, an ihn den genannten Betrag auszuzahlen,
weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf das erstinstanzliche Urteil bezogen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Mit Beschluss vom 15. Mai 2015 hat der Senat das Verfahren ausgesetzt bis zur
Entscheidung der Beklagten über den Widerspruch des Klägers vom 03. Mai 2007.
Mit Schreiben vom 04. August 2015 hat der Senat bei der SAK angefragt, ob Bedenken gegen ihre Beiladung zu diesem Rechtsstreit
bestehen. Die Beiladung war in Erwägung gezogen worden, weil in Frage steht, ob die Abrechnung und Auszahlung des Nachzahlungsbetrages
der Schweizerischen Rente durch die Beklagte erfolgen durfte oder ob die SAK diese hätte vornehmen müssen. Mit Schreiben vom
27. August 2015 hat die SAK geantwortet, dass entsprechend dem Antrag der Beklagten die Nachzahlungen an diese ausbezahlt
worden seien. Die entsprechende Verfügung sei in Rechtskraft erwachsen und entziehe sich jeder richterlichen Prüfung. Eine
Beiladung der SAK erscheine ihr daher nicht angezeigt. Ob außerdem prozessuale oder allenfalls völkerrechtliche Gründe entgegenstünden,
habe sie nicht geprüft. Sie fügte ihrem Schreiben u.a. eine Kopie des oben bereits angeführten "E 204 D" bei, mit dem die
Beklagte die Auszahlung einer etwaigen Rentennachzahlung an sich beantragt hatte.
Im Hinblick auf das Schreiben der SAK hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, dass, wenn die SAK die Rente
nachweislich nach den beiden Verordnungen VO 574/72 und 987/2009 an die Beklagte ausgezahlt habe und nicht an den Kläger,
sie also bei ihrer Entscheidung über Art und Umfang der auszuzahlenden Rente die Rechtsvorschriften der Art. 111 Abs. 2 bzw.
72 Abs. 1 der beiden genannten Verordnungen gekannt haben müsse. Wenn man nun einerseits mit dem Gericht der Rechtsauffassung
sei, dass die SAK in Ansehung dieser Rechtsnormen den Rentenanspruch des Klägers geprüft und in diesem Zusammenhang den Anteil
der Rente so einzubehalten gehabt hätte, wie es nach diesen Vorschriften von jenem Rentenversicherungsträger verlangt werde,
und andererseits in seinem Schreiben vom 27. August 2015 anmerke, dass der Rentenbescheid unangreifbar und in Rechtskraft
erwachsen sei, dann könne nur davon ausgegangen werden, dass die SAK bei Gewährung dieser Rente diesen Einbehalt bereits vorgenommen
und nur noch die Rente zugesprochen hätte, die dem Kläger aber auch tatsächlich und vollumfänglich zustehe. Andererseits würde
man der SAK unterstellen, sie hätte in offensichtlicher Kenntnis der Rechtsvorschriften der Verordnung gegen diese gehandelt
und den Einbehalt schlicht nicht vorgenommen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wandte weiter ein, dass dem Kläger ein Betrag an Alhi aus den Jahren 1986 bis 1991
zustünde. Dies habe die Beigeladene in dem ersten Verfahren vor dem Sozialgericht im Jahr 2008 unumwunden zugegeben und sich
auf die Verjährung der Ansprüche berufen. Die jetzige Forderung habe daher auch eine "moralische" Rechtfertigung. Der Kläger
rechne mit seinen Gegenansprüchen auf.
Auf Nachfrage des Senats hat die Beigeladene mit Schriftsatz vom 06. Januar 2016 mitgeteilt, dass dem Kläger mit Bescheid
vom 29. November 2002 ab dem 28. November 2002 Alhi bewilligt worden sei. Die Alhi sei dem Kläger auch bis zum 31. Dezember
2004 gezahlt worden, also auch in dem Zeitraum, wegen dem ein Erstattungsanspruch geltend gemacht worden sei. Soweit der Kläger
gegenüber der Beigeladenen Ansprüche auf Alhi für die Zeit 1986 bis 1991 geltend mache, sei darauf hinzuweisen, dass Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens allein der Erstattungsanspruch für den Zeitraum vom 01. September 2003 bis zum 31. Dezember 2004
sei.
Auf die Anfrage des Senats vom 15. Mai 2015, wonach die Argumentation der Beklagten widersprüchlich sei, wenn sie einerseits
der Auffassung sei, dass ein Bescheid über die Abrechnung der Nachzahlung nicht zu ergehen habe, weil Erfüllung gemäß § 107 SGB X kraft Gesetzes eintrete und es sich nur noch um einen reinen Rechenvorgang handele und damit um schlichtes Verwaltungshandeln,
andererseits bei einer Erstattung in Beziehung zwischenstaatlicher Träger die §§ 102 ff SGB X, also auch § 107 SGB X, nicht gelten würden, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. September 2016 Stellung genommen. Sie hat ausgeführt, dass
wegen der für die deutschen fordernden Stellen schwierigen Handhabung (z.B. Probleme mit der Sprache, keine europaweit abgestimmten
Verfahren und Vordrucke) die deutschen Rentenversicherungsträger seinerzeit mir verschiedenen mitgliedstaatlichen Rentenversicherungsträgern
vereinbart hätten, von dem in Art. 111 Abs. 2 Satz 1 VO 574/72 vorgesehenen Verfahren abzuweichen. Mit Einverständnis des
ausländischen Trägers sollte die Abrechnung der an den deutschen Rentenversicherungsträger überwiesenen ausländischen Nachzahlung
mit den deutschen erstattungsbegehrenden Stellen vorgenommen werden; dies sollte jedoch nur gelten, wenn das ausländische
Recht auch einen Forderungsausgleich für entsprechende Stellen vorsah. Die Schweizerische AHV habe dazu im Rahmen einer Verbindungsstellenbesprechung
vom 10. bis 11. April 2003 in Genf erklärt, dass nach Art. 20 Abs. 2 AHVG fällige Rentenleistungen mit Rückforderungen der
Arbeitslosenversicherung verrechnet werden könnten. Im Nachgang zu dieser Besprechung sei ferner mitgeteilt worden, dass für
die Abrechnung der schweizerischen Nachzahlung generell keine zusätzliche Abtretungserklärung des Betreffenden erforderlich
sei. Art. 111 Abs. 2 VO 574/72 erlaube und koordiniere einen grenzüberschreitenden Forderungsübergang über eine Analogie,
sofern die Erstattungsforderung nach dem Recht beider beteiligter Mitgliedstaaten zulässig sei, als handele es sich um einen
nationalen Forderungsübergang. Insofern dürfte der Aufhebungsbescheid der Beigeladenen, der anlässlich der Gerichtsverhandlung
wieder aufgehoben worden sei, ursprünglich (zumindest dem Grunde und der Systematik nach) zutreffend gewesen sein. Dies ändere
im Ergebnis nichts an der berechtigten Forderung der Beigeladenen, die wegen des Zusammentreffens von schweizerischer Rente
mit Alhi entstanden sei. Bei der Abrechnung einer Erstattungsforderung in Aushilfe für den schweizerischen Träger müsse die
Deutsche Rentenversicherung sich auf die formalrechtliche Richtigkeit und die zutreffende Höhe der Forderung, die die Beigeladene
u.a. mit Schreiben vom 20. März 2009 und 04. Januar 2010 erneut bestätigt habe, verlassen.
Mitteilungen über die Abrechnung einer deutschen Rentennachzahlung bei gleichzeitiger Abrechnung eines deutschen Erstattungsanspruchs
nach §§ 102ff SGB X würden nicht in Form eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 31 SGB X erlassen, da diese Teil der Erfüllungshandlung seien und somit schlichtes Verwaltungshandeln darstellten. Hierzu habe der
Vorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund im Juli 2007 eine für alle Träger der Deutschen Rentenversicherung verbindliche
Entscheidung getroffen. Gleichfalls könne daher die Abrechnung einer schweizerischen Rentennachzahlung in Aushilfe für den
schweizerischen Träger nicht in Bescheidform erfolgen. Die Beklagte fügte ihrer Stellungnahme u.a. das Protokoll über die
schweizerisch-deutsche Verbindungstellenbesprechung vom 10. bis 11. April 2003 in Genf und die Veröffentlichung der o.g. Entscheidung
des Vorstands der Deutschen Rentenversicherung Bund von Juli 2007 darüber, dass die Mitteilung über die Abrechnung einer Rentennachzahlung
bei gleichzeitiger Abrechnung eines Erstattungsanspruchs nach §§ 102 ff SGB X nicht in Form eines Verwaltungsaktes i.S. des § 31 SGB X ergeht, bei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2016 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die von ihr als Mitteilung
bezeichneten Schreiben vom 26. April 2007 und 15. Mai 2007 als unzulässig zurückgewiesen. Sie verwies auf die Entscheidung
des Vorstands der Deutschen Rentenversicherung Bund von Juli 2007, wonach die Abrechnung einer Rentennachzahlung bei gleichzeitiger
Abrechnung eines Erstattungsanspruches nicht in Form eines Verwaltungsaktes erginge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten
und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie die Gerichtakte aus dem Verfahren S 70 AL 2885/07 des Sozialgerichts Berlin haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Sie ist auch insoweit zulässig, als der Kläger in der Berufungsinstanz den Klageantrag von einer reinen Leistungsklage
auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage umgestellt hat. Dies stellt gemäß §§
153 Abs.
1,
99 Abs.
3 Nr.
2 SGG keine Klageänderung dar. Die zuletzt genannte Vorschrift lautet:
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes (...) 2. der Klageantrag in der Hauptsache
oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Der Übergang von einer Klageart auf eine andere gilt in
der Regel nicht als Klageänderung. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Antrag bei unklarer Rechtslage an die
Rechtsauffassung des Gerichts angepasst wird (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 24. November 1998 - B 1 A 1/96 R, juris Rn. 17 = SozR 3-2500 §
145 Nr. 1; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum
SGG, 12. Auflage 2017, §
99 Rn. 4). Vorliegend hat der Kläger nach dem Hinweis des Gerichts, dass die "Schreiben" vom 26. April 2007 und 15. Mai 2007
als Verwaltungsakte anzusehen sein könnten, seinen Antrag angepasst. Letztlich war jedoch von Anfang an fraglich gewesen,
ob die Beklagte einen Bescheid zu erteilen hatte, dies zeigt sich bereits daran, dass der Kläger zunächst Untätigkeitsklage
erhoben hatte, weil er davon ausging, dass ein Bescheid zu erteilen sei. Das Sozialgericht hat sich mit dieser Frage ebenfalls
befasst und hat die Auffassung der Beklagten bestätigt, dass es sich bei der Auszahlung einer Nachzahlung an einen anderen
Sozialleistungsträger nicht um einen Verwaltungsakt handele. Der Senat vertritt jedoch die Auffassung, dass die Beklagte mit
den Schreiben vom 26. April 2007 und 15. Mai 2007 Regelungen getroffen hat und es sich daher um Verwaltungsakte handelt, worauf
unten noch einzugehen sein wird.
Die Berufung ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil die in der ersten Instanz erfolgte Klageänderung (§
99 SGG) von einer Untätigkeitsklage in eine Leistungsklage unzulässig war. Zumindest hat sich die Beklagte auf die geänderte Klage
eingelassen, so dass diese gemäß §
99 Abs.
1 SGG zulässig war (vgl. zur stillschweigenden Einwilligung durch Einlassung B. Schmidt, aaO., § 99 Rdnr. 9).
Rechtsgrundlage für die Auszahlung der einbehaltenen Nachzahlung ist der Bescheid der SAK vom 22. Februar 2007, mit dem dem
Kläger für die Zeit vom 01. September 2003 bis 31. Dezember 2005 Invalidenrente bewilligt wurde, in Verbindung mit Art. 53
Abs. 1, 55, 56 Abs.1 der EWG-V 574/72 vom 21. März 1972 über die Durchführung der EWG-V 1408/71 i.V.m. ihrem Anhang 6/Allgemeine Bemerkungen Satz 1. Nach diesen Bestimmungen übermittelt der Rentenversicherungsträger (hier
der schweizerische) die dem Rentenberechtigten in der Bundesrepublik zustehenden "Nachzahlungen und sonstigen einmaligen Leistungen"
der Verbindungsstelle, die sie sodann als "Zahlstelle für Rechnung des leistungspflichtigen Trägers dem Berechtigten" in der
Bundesrepublik auszuzahlen hat. Dieser gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur Auszahlung der für den Kläger aufgelaufenen Rentennachzahlung
ist die Beklagte, die hier gemäß Anhang 4 E. 4. Deutschland VO 574/72 i.V.m. §
127a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) Verbindungs- und Zahlstelle war und ist, nur zum Teil nachgekommen, indem sie einen Teil der Nachzahlung der SAK - den hier
streitigen Betrag - entgegen den genannten Vorschriften des EU-Gemeinschaftsrechts nicht dem Kläger, sondern der Beigeladenen
ausgezahlt hat. Für diese Vorenthaltung der Rente gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Beklagte war für die Erstattung der Nachzahlung
nicht, zumindest nicht rechtsgültig, ermächtigt.
Es sind nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts noch die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 (im Folgenden
VO 574/72), die inzwischen außer Kraft getreten sind, und nicht die Folgevorschriften der Verordnung (EG) Nr. 987/09 (im Folgenden
VO 987/2009), anzuwenden, in denen den Art. 53 Abs. 1, 55, 56 Abs.1 VO 574/92 entsprechende Vorschriften nicht mehr geregelt
sind. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass bzgl. einer Nachzahlung das Recht angewandt werden soll, dass in dem Zeitpunkt
galt, in dem die Nachzahlung entstanden ist, da die Verwaltung naturgemäß nur das im Zeitpunkt ihres Tätigwerdens geltende
Recht beachten kann (vgl. zu den - z.T. ungeklärten und schwierigen - Fragen des intertemporalen Rechts Kopp, Grundsätze des
intertemporalen Verwaltungsrechts, Die Sozialgerichtsbarkeit 1993, Seite 593). Auch sollte sich eine im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Zuständigkeit nicht im Nachhinein ändern, weil dann Rechtsverhältnisse,
die noch nicht abgeschlossen sind, nach den dann geltenden Zuständigkeitsregelungen neu bewertet werden müssten, was mit zusätzlichem
Aufwand verbunden ist. Im Verhältnis zur Schweiz war die VO 574/72 bis zum 31. März 2011 anzuwenden (vgl. Soziale Sicherheit
in Europa Rentenversicherung, herausgegeben von der Deutschen Rentenversicherung Bund, 2. Auflage Juli 2013, I Übersicht 4.,
Seite 29).
Die genannte Ermächtigung nach Art. 53 Abs. 1, 55, 56 Abs.1 der VO 574/72 bezog sich aber lediglich auf die Auszahlung der
Rentennachzahlung und ggfs. auf die Einbehaltung gemäß Art. 111 Abs. 1 VO 574/72 (s.u.), nicht aber auf eine Abrechnung und
Erstattung der Nachzahlung mit bzw. an die Beigeladene. Eine Ermächtigung zur Einbehaltung, Abrechnung und Erstattung an die
Beigeladene durch die Beklagte ergibt sich auch nicht aus Art. 111 Abs. 2 VO 574/72 in Verbindung mit einer Zustimmung der
SAK hierzu. Art. 111 Abs. 2 VO 574/72 lautete:
Hat der Träger eines Mitgliedstaates einem Leistungsempfänger einen höheren Betrag gezahlt als den, auf den dieser Anspruch
hat, so kann dieser Träger unter den Bedingungen und in den Grenzen, die in den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften vorgesehen
sind, vom Träger jedes anderen Mitgliedsstaats, der gegenüber dem Leistungsempfänger zu Leistungen verpflichtet ist, verlangen,
den zuviel gezahlten Betrag von den Beträgen einzubehalten, die er dem Leistungsempfänger zahlt. Dieser letztgenannte Träger
behält den entsprechenden Betrag unter den Bedingungen und in den Grenzen ein, die nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften
für einen solchen Ausgleich vorgesehen sind, als ob es sich um von ihm selbst zuviel gezahlte Beträge handeln würde; er überweist
den einbehaltenen Betrag dem forderungsberechtigten Träger.
Die Beklagte ist für die Entscheidung, ob eine Erstattung nach der genannten Vorschrift vorzunehmen ist, nicht zuständig.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 111 Abs. 2 VO 574/72 entscheidet der schweizerische Träger über die Erstattung nach
den für ihn geltenden, also den schweizerischen Rechtsvorschriften. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Beklagte, über die
Auszahlung zu entscheiden, ist nicht ersichtlich, sie wird von der Beklagten auch nicht behauptet, im Gegenteil hat sie mit
Schriftsatz vom 12. November 2009 mitgeteilt, dass "eigentlich" der schweizerische Träger den nach schweizerischem Recht zulässigen
Umfang der Erstattungsforderung nach Art. 111 Abs. 2 VO 574/72 festlegen müsse. Eine Ermächtigungsnorm für sich selbst hat
sie nicht benannt, sondern nur mitgeteilt, dass "die deutschen Rentenversicherungsträger" vereinbart hätten, es anders zu
machen. Auch liegt, im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten, in der Überweisung der Nachzahlung durch den schweizerischen
Träger keine "generelle Zustimmung" zur Abrechnung der Nachzahlung. Im Gegenteil hat der schweizerische Träger in seinem Bescheid
vom 22. Februar 2007 angegeben, der Deutsche Versicherungsträger habe, um ggf. zu viel bezahlte Pensionsleistungen verrechnen
zu können, verlangt, ihm die Nachzahlung zu überweisen. Die Ermächtigung zur Verrechnung hat sich damit nur auf eine Verrechnung
nach Art. 111 Abs. 1 VO 574/72 bezogen, bei der es nur um Ansprüche aus Rentenleistungen geht.
Eine Ermächtigung zur Abrechnung und Erstattung an die Beigeladene ergibt sich auch nicht aus der Antwort der SAK auf die
Anfrage des Senats vom 04. August 2015. Auch wenn man diese Antwort so verstehen kann, dass die SAK mit einer Abrechnung der
Nachzahlung durch die Beklagte und Erstattung an die Beigeladene einverstanden ist, so kann dies eine Abweichung von der in
Art. 111 Abs. 2 VO 574/72 normierten Verfahrensweise nicht rechtfertigen. Eine solche Abweichung wäre allenfalls gemäß Art.
121 Abs. 1 VO 574/72 zulässig. Diese Vorschrift lautete:
Zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten können erforderlichenfalls zusätzliche
Vereinbarungen über die verwaltungsmäßige Durchführung der Verordnung schließen. Diese Vereinbarungen sind in Anhang 5 der
Durchführungsverordnung aufzunehmen.
Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der Ermächtigung zur Abrechnung und Erstattung von Nachzahlungen an dritte Leistungsträger,
hier der Beigeladenen, um eine "zusätzliche" Vereinbarung im Sinne dieser Vorschrift handeln würde und nicht vielmehr um eine
abweichende (von Art. 111 Abs. 2 VO 574/72), und ob diese ggfs. auch umfasst wäre. Jedenfalls wäre eine solche Vereinbarung,
um Gültigkeit zu erlangen, in den Anhang 5 der VO 574/72 aufzunehmen gewesen. Diese Aufnahme ist nicht erfolgt. Auch aus dem
von der Beklagten eingereichten Protokoll über die schweizerisch-deutsche Verbindungstellenbesprechung vom 10. bis 11. April
2003 in Genf ergibt sich eine solche Aufnahme nicht. Im Gegenteil ist dort nicht einmal eine Einigung erfolgt, sondern es
wurde festgehalten, dass die SAK zusammen mit dem BSV prüfen werde, wie eine generelle Zustimmung für Erstattungsansprüche
im Hinblick auf Art. 111 Abs. 2 und 3 VO 574/72 erteilt werden könnte. Das Resultat werde im Nachtrag den Betroffenen übermittelt.
Ein solches Resultat hat die Beklagte nicht vorgelegt, selbst wenn es existiert wäre es nicht verbindlich, weil es, wie oben
erläutert, nicht in den Anhang 5 der VO 574/72 aufgenommen wurde.
Eine solche Vereinbarung würde auch grundsätzlichen Bedenken begegnen. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte, auch wenn
sie Verbindungsstelle zur Schweiz ist, die Kompetenz besitzt, über oder gemäß schweizerischen Rechts zu entscheiden, was sie
jedoch müsste, um zu prüfen, ob und inwieweit eine Erstattung an die Beigeladene in Betracht kommt. Diese Regelung, dass der
eine Leistung einbehaltende Träger, hier also der Schweizer Träger, nach seinem Recht zu prüfen hat, geht auf eine Absichtserklärung
der Mitgliedsstaaten zurück, wonach die Mitgliedsstaaten, in deren Hoheitsgebiet vollstreckt werden soll, nicht zu mehr verpflichtet
werden dürfen, als nach deren einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen ist (Gemeinsame Erklärung Nr. 19 im Protokoll
über die 2549. Tagung des Rates Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz, zitiert nach Hauschild in
Hauck/Noftz, Kommentar zum EU-Sozialrecht, VO 883/04 - K Art. 84, Stand Mai 2010, Rn. 6). Das BSG hat zwar in einer älteren Entscheidung mit ähnlichem Sachverhalt wie dem vorliegenden zu der Vorschrift des Art. 111 VO 574/72
ausgeführt, dass die deutsche Verbindungsstelle auf keinen Fall darüber entscheiden kann, ob und in welchem Umfang ein Ersatzanspruch
gegen den Träger des anderen Mitgliedstaates besteht, dies wäre nur dann möglich, wenn der mitgliedstaatliche Träger (hier
die SAK) dazu in jedem einzelnen Fall seine Zustimmung gegeben habe (BSG, Urteil vom 17. Februar 1982 - 1 RJ 42/81 -, juris Rn. 27 = SozR 6050 Art. 12 Nr. 6 m w.N.). Der erkennende Senat versteht diese Möglichkeit der Zustimmung so, dass
diese nur dann vorliegt, wenn der Träger, der die Leistung gewährt, geprüft hat, ob nach seinen Rechtsvorschriften die Erstattung
möglich ist und zwar in jedem Einzelfall. Eine Prüfung hat die SAK jedoch nicht vorgenommen, sie hat von dem geltend gemachten
Erstattungsanspruch der Beigeladenen erst durch den Senat erfahren und konnte mangels Kenntnissen bzgl. des Sachverhalts auch
zu diesem Zeitpunkt keine Prüfung durchführen.
Es ist auch nicht gemäß § 107 SGB X Erfüllung bzgl. des Rentenanspruchs des Klägers gegen die SAK eingetreten. Wenn sich die Berechtigung zur Erstattung einer
Schweizer Rentennachzahlung, wie eben erläutert, nach den Rechtsvorschriften der EU, hier Art. 111 Abs. 2 VO 574/72, richtet
und laut der zuletzt genannten Vorschrift das nationale Recht des eine Leistung einbehaltenden Staates, hier der Schweiz,
bei der Beantwortung, ob eine Nachzahlung erstattet werden kann, zu beachten ist, sind die §§102 ff SGB X nicht anwendbar. Es tritt demnach auch nicht gemäß § 107 SGB X kraft Gesetzes Erfüllung ein, was dazu führen würde, dass die "Abrechnung" der Erstattungsforderung nur noch ein Rechenvorgang
wäre, wie von der Beklagten angenommen. Hinzu kommt, dass das BSG in der oben bereits zitierten Entscheidung aus dem Jahr 1982 ausgeführt hat, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
ein Vorrang des Rechts der Europäischen Gemeinschaften vor dem innerstaatlichen Recht der ihnen angehörigen europäischen Staaten
besteht. Eine bundesdeutsche Norm kann als rangniedrigere Norm des nationalen Rechts daher die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften,
hier des Art. 111 Abs. 2 VO 574/72, nicht beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 17. Februar 1982, aaO., juris Rn. 24). Weiter hat das BSG in dem genannten Urteil zur Vorschrift des § 183 Abs. 3 Satz 2
Reichsversicherungsordnung (
RVO) ausgeführt, dass eine innerstaatliche deutsche Vorschrift nach den Grundsätzen und Normen des Völkerrechts nicht kompetent
ist, von einem ausländischen Träger der Rentenversicherung bewilligte Renten in Beschlag zu nehmen: Der deutsche Träger würde
hierdurch die Souveränität des ausländischen Staates, für den der ausländische Träger arbeitet, evident verletzen. Der deutsche
Träger könnte auf eine ausländische Rente für einen Dritten nur dann zugreifen, wenn der ausländische Staat hiermit ausdrücklich
einverstanden wäre oder spezielle Normen des Völkerrechts - zwischenstaatliche Abkommen, übernationales Recht - dies gestatteten
(BSG, Urteil vom 17. Februar 1982aaO., juris Rn. 24). Eine solche Gestattung liegt hier jedoch, wie erläutert, nicht bzw. nicht
rechtswirksam vor.
Die "Abrechnung" der Nachzahlung muss nach Auffassung des Senats (nur) dann durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine Entscheidung
auf Grund von Rechtsvorschriften, die zu prüfen sind, vorzunehmen ist, so dass es sich dann nicht nur um einen Rechenvorgang
handelt und schlichtes Verwaltungshandeln vorliegt. Dies (die Notwendigkeit zur Handlung per Verwaltungsakt) wäre gegeben,
wenn die Beklagte ermächtigt wäre, die Nachzahlung abzurechnen und an Dritte zu erstatten, was aber hier nicht gegeben ist.
Sie ist nur zur einfachen Auszahlung an den Kläger ermächtigt bzw. zu einer Einbehaltung für sich selbst. Insofern ist die
Beklagte auch in ihrer Argumentation bzgl. der Frage, ob die Entscheidung vorliegend durch Verwaltungsakt zu ergehen hatte,
widersprüchlich. Denn diese geht dahin, dass eine Entscheidung bei der Abrechnung der Nachzahlung nicht ergeht, weil Erfüllung
gemäß § 107 SGB X kraft Gesetzes eintritt und keine Prüfung und Entscheidung mehr notwendig ist. Nach der eigenen Argumentation der Beklagten
ist dies jedoch bei einer Erstattung in Beziehung zwischenstaatlicher Träger nicht der Fall, eben weil die §§ 102 ff SGB X nicht gelten.
Die Beklagte hat mit den "Abrechnungen" vom 26. April 2007 bzw. 15. Mai 2007 jedoch Entscheidungen getroffen und damit Verwaltungsakte
erlassen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Beklagte einen Verwaltungsakt setzen wollte, sondern wie die "Abrechnungen"
nach dem Empfängerhorizont zu verstehen sind. Maßgebend ist die im Verfügungssatz getroffene Regelung, die darin abgegebene
Erklärung und der aus dem Inhalt ersichtliche Erklärungswille, wie er für den Adressaten des Verwaltungsaktes erkennbar ist;
Maßstab für die Erkennbarkeit aus Sicht des Adressaten ist derobjektive Empfängerhorizont(Mutschler in Kasseler Kommentar
zum Sozialversicherungsrecht, Stand März 2017, § 31 Rn. 21 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). Auch kann nicht
von dem Vorstand der Beklagten verbindlich festgelegt werden, dass die Abrechnung von Erstattungsforderungen nicht per Verwaltungsakt
erfolgt, sondern es kommt darauf an, ob ein Regelungsgehalt gegeben ist. Eine solche Festlegung ist auch nicht von §
138 Abs.
1 Satz 1 und Satz 2 Nr.
4 SGB VI gedeckt. Diese Vorschrift lautet:
Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung wahr.
Dazu gehören:
(1.-3.)
4. Klärung von grundsätzlichen Fach- und Rechtsfragen zur Sicherung der einheitlichen Rechtsanwendung aus den Bereichen
a) Rehabilitation und Teilhabe,
b) Sozialmedizin,
c) Versicherung,
d) Beitrag,
e) Beitragsüberwachung,
f) Rente,
g) Auslandsrecht, Sozialversicherungsabkommen, Recht der Europäischen Union,
soweit es die Rentenversicherung betrifft.
Dahinstehen kann, ob der Vorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund nach dieser Vorschrift verbindlich regeln kann, dass
Mitteilungen von Abrechnungen von Rentennachzahlungen nicht in Form eines Verwaltungsaktes ergehen. Ein solcher Fall liegt
hier, wie oben erläutert, nicht vor. Es wird mit den Schreiben der Beklagten vom 26. April 2007 bzw. 15. Mai 2007 eine Regelung
getroffen. Sie hat entschieden, die Nachzahlung an die Beigeladene und nicht an den Kläger auszuzahlen, weil sie von einer
Erstattungsberechtigung der Beigeladenen ausging. Dabei handelt es sich nicht um einen bloßen Gesetzesvollzug. Der Kläger
musste dies auch als Entscheidung ansehen und hat dies zunächst auch getan, da er gegen die "Abrechnung" Widerspruch eingelegt
hat.
Die Bescheide der Beklagten sind nicht wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit für die Entscheidung nichtig. Dies ist nur
dann der Fall, wenn grobe, absurde Zuständigkeitsmängel vorliegen, zum Beispiel das Forstamt statt der Krankenkasse entscheidet
(vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand März 2017, § 40 Rn. 15). Zumindest mangelt es hier
an der für eine Nichtigkeit gemäß § 40 Abs. 1 SGB X notwendigen Offensichtlichkeit der Unzuständigkeit. Diese ist nicht gegeben, weil die Beklagte nach dem bis Ende März 2011
im Verhältnis zur Schweiz anwendbaren Recht, nämlich Anhang 6 VO 574/72, "Allgemeine Bemerkungen" Satz 1, grundsätzlich für
die Leistung einer Nachzahlung zuständig war (nicht jedoch, wie erläutert, für die Entscheidung über eine Erstattungsforderung
Dritter).
Die Bescheide der Beklagten sind daher aufzuheben und die Beklagte hat den restlichen Nachzahlungsbetrag an den Kläger auszuzahlen.
Eine Beiladung des schweizerischen Trägers hatte nicht zu erfolgen. Eine solche ist zwar wohl grundsätzlich möglich (vgl.
Beschluss des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Dezember 2011, Az. L 1 KR 158/11 B, dokumentiert in juris). Hier steht jedoch - neben der Anfechtungsklage - eine Leistungsklage im Raum, der schweizerische
Träger könnte nach bundesdeutschem Recht (§
75 Abs.
5 SGG) nicht zur Leistung verurteilt werden, eine Prüfungskompetenz bzgl. schweizerischen Rechts hat das deutsche Gericht nicht.
Auch zu der - nach der oben begründeten Auffassung notwendigen - Entscheidung über die Nachzahlung kann der schweizerische
Träger von einem deutschen Gericht nicht verpflichtet werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 und 4
SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG) zuzulassen.