Feststellung von Arbeitsentgelten als Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz; Prüfung der Steuerpflicht von Zulagen und Zuschüssen
Auf die Berufung und die Klage des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. Dezember 2010 und der Bescheid
der Beklagten vom 5. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2009 geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 12. Juni 1998 ab 1. September 2008 teilweise
zurückzunehmen und als weitere tatsächlich erzielte Arbeitsentgelte
Verpflegungsgeld für die Zeiträume
a) 15. Januar bis 31. Dezember 1969 in Höhe von 703,69 Mark der DDR (M),
b) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1970 in Höhe von 736,83 M,
c) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1971 in Höhe von 1.023,00 M,
d) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1972 in Höhe von 1.372,56 M,
e) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1979 in Höhe von 1.551,24 M,
f) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1980 in Höhe von 1.555,44 M,
g) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1983 in Höhe von 1.551,24 M,
h) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1984 in Höhe von 1.481,99 M,
i) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1985 in Höhe von 1,564,20 M,
j) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1986 in Höhe von 1.514,77 M,
k) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1987 in Höhe von 1.503,48 M,
l) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1988 in Höhe von 1.643,64 M,
m) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1989 in Höhe von 1.643,64 M,
n) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1990 in Höhe von 1.643,64 M
sowie
Reinigungszuschüsse für die Zeit vom 1. Mai 1969 bis 31. Dezember 1972, 1. Januar 1979 bis 31. Dezember 1980 und 1. Januar
1983 bis 31. Dezember 1990 in Höhe von monatlich 3,50 M
festzustellen.
Für die Zeit vor dem 1. September 2008 wird die Beklagte verpflichtet, den Kläger über die Rücknahme des Bescheides vom 12.
Juni 1998 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu zwei Dritteln zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Zugunstenverfahren (= Überprüfungsverfahren), ob die Beklagte weitere Arbeitsentgelte als Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz festzustellen hat (AAÜG).
Der Kläger wurde 1937 geboren und hat sein Berufsleben bis zum 2. Oktober 1990 in der DDR zurückgelegt. Dort war er am 15.
Januar 1969 in den Dienst der Zollverwaltung eingetreten und bis Juli 1981 bei verschiedenen Dienststellen als Offizier für
Zollrecht, in der Zeit danach als Lehrer (im Offiziersrang) beim Institut der Zollverwaltung tätig. In den vorhandenen Besoldungsstammkarten
sind neben Einträgen für Besoldung und Abzügen für den Versorgungsfonds bzw. die Sozialversicherung zeitweise gesonderte -
keinen Beiträgen oder Abgaben unterliegende - Zahlungen für Reinigungszuschüsse, Wohnungsgeld und Verpflegungsgeld dokumentiert.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens beim Träger der Rentenversicherung stellte die Oberfinanzdirektion Berlin als damaliger
Träger des Sonderversorgungssystems der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR (Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr.
3 zum AAÜG) durch Bescheid vom 12. Juni 1998 der Sache nach die Zugehörigkeit des Klägers zu diesem Sonderversorgungssystem sowie Entgelte
für den Zeitraum 15. Januar 1969 bis 31. Dezember 1991 fest. Als "unbegrenztes Gesamtentgelt" berücksichtigte sie dabei für
die Zeit bis zum 31. Dezember 1990 die jeweiligen Jahressummen der in den Besoldungsstammkarten ausgewiesenen Bruttobesoldung
und des Wohngeldes. Der Bescheid, der unter dem Vorbehalt stand, dass eine noch ausstehende Auskunft des Bundesbeauftragten
für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR Auswirkungen auf die festgestellte Zugehörigkeit zu dem
Sonderversorgungssystem habe, wurde vom Kläger nicht angefochten.
Seit 1. Juli 2002 bezieht der Kläger Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Bescheid der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte vom 26. April 2002). Bei der Berechnung des Höchstwerts der Rente wurden die in dem Bescheid vom 12. Juni
1998 ausgewiesenen Entgelte - teils begrenzt durch die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze - berücksichtigt.
Im September 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten, den Bescheid vom 12. Juni 1998 zu überprüfen und auch die weiteren
von der Zollverwaltung der DDR an ihn ausgezahlten Zulagen und Zuschläge als tatsächlich erzielte Arbeitsentgelte festzustellen.
Zur Begründung verwies er auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R, in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] 4-8570 § 6 Nr. 4. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 5. Januar
2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2009 ab. Der Bescheid vom 12. Juni 1998 sei nicht rechtswidrig.
Leistungen, die dem Grunde nach nicht versicherbar gewesen seien und auch nach dem Versorgungsrecht keinerlei versorgungsrechtliche
Bedeutung gehabt hätten, könne keine Überführungsrelevanz beigemessen werden, sodass sie auch nicht als Entgelt im Sinne des
AAÜG anzusehen seien.
Mit seiner Klage hat der Kläger erstinstanzlich das Anliegen weiterverfolgt, für den Zeitraum 15. Januar 1969 bis 31. Dezember
1990 auch die Zahlbeträge des Verpflegungsgeldes und des Reinigungszuschlages als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen,
ergänzend ferner den Gegenwert für Zeiten kostenloser Verpflegung. Auf beide Zahlungen und die Sachleistung habe er einen
Anspruch gehabt. Sie seien bis 31. Dezember 1990 nicht sozialversicherungs- und steuerpflichtig gewesen. Ab 1. Januar 1991
seien das Wohnungs- und das Verpflegungsgeld den steuerpflichtigen Einnahmen zugerechnet worden. Die Beklagte verwende einen
Entgeltbegriff, der mit den Vorschriften des Vierten und
Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB IV und VI) nicht in Übereinstimmung zu bringen sei. Es bleibe auch offen, nach welchen Kriterien Besoldungsbestandteile bisher
überführt worden seien. Werde der Auffassung der Beklagten gefolgt, würden die Angehörigen der Sonderversorgung letztlich
auf die Rechtspositionen beschränkt, die sie in der Sozialversicherung und gegebenenfalls der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung
(FZR) erworben hätten. Einer besonderen Überführungsregelung habe es dann aber nicht bedurft. Entgegen der Ansicht der Beklagten
stütze das Urteil des BSG in SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 das Klagebegehren. Das Urteil betreffe alle Versorgungssysteme ohne Unterschied. Das Verpflegungsgeld und der Reinigungszuschuss
seien Arbeitsentgelt, weil sie dem Kläger für die Dauer und nur im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis und für eine erbrachte
Arbeitsleistung gewährt worden seien.
Die Beklagte hat der Klage entgegen gehalten, dass die Zahlungen selbst unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG nicht als Arbeitsentgelt anzusehen seien, weil sie nicht als Gegenwert oder Gegenleistung für eine erbrachte Arbeitsleistung
gezahlt worden seien. Verpflegungsgeld hätten Bedienstete dann erhalten, wenn sie nicht an der Gemeinschaftsverpflegung teilgenommen
hätten. Die Anweisung, dass es nach vorheriger taggenauer Meldung über die Anspruchsdauer zusammen mit der Besoldung auszuzahlen,
aber nicht rentenbeitragspflichtig gewesen sei, zeige, dass es nicht Teil der Besoldung, widerruflich und nicht ruhegehaltsfähig
gewesen sei. Der Reinigungszuschuss sei für die Reinigung von dienstlich angemessener Kleidung gewährt worden und habe damit
den Charakter einer Aufwandsentschädigung, nicht einer Gegenleistung für erbrachte Arbeit gehabt. Er sei ebenfalls widerruflich
und nicht ruhegehaltsfähig gewesen. Im konkreten Fall sei die Zahlung des Reinigungszuschusses außerdem erst ab 1. Mai 1969
nachgewiesen.
Im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Beteiligten ihre jeweiligen Auffassungen zum Begriff des (überführungsfähigen)
Entgelts weiter ausgeführt; auf die gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.
Durch Urteil vom 7. Dezember 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger könne von der Beklagten nicht die
Feststellung von Verpflegungsgeld und Reinigungszuschlag als weiteres Arbeitsentgelt beanspruchen. Bei beiden Leistungen habe
es sich nicht um Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen im Sinne des Gesetzes gehandelt. Diese beiden Begriffe stimmten mit
denen der §§
14,
15 SGB IV überein, wie auch das BSG entschieden habe. Das Verpflegungsgeld und der Reinigungszuschlag seien vor diesem Hintergrund bereits deshalb kein Arbeitsentgelt,
weil für beides keine Lohnsteuer gezahlt worden sei. Nichts anderes gelte, wenn sie nach dem am 1. August 1991 in der Bundesrepublik
Deutschland geltenden Einkommensteuerrecht steuerpflichtig gewesen wären. Die beitragsrechtlichen Vorschriften des Bundesrechts
seien nicht wörtlich, sondern nur entsprechend den darin verwirklichten Grundsätzen anzuwenden. Die Übertragung der Auslegungen
des BSG in dessen Urteil in SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 auf den vorliegenden Sachverhalt laufe dem Grundsatz der Parallelität von Steuer- und Beitragspflicht zuwider. Nach
Auffassung der Kammer seien deshalb Arbeitsentgelte im Sinne des AAÜG alle Geld- und geldwerten Sachleistungen, die dem Versicherten im ursächlichen Zusammenhang mit einer abhängigen Beschäftigung
in der Zeit der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem zugeflossen seien, sofern hierauf Lohnsteuer entsprechend den im
Zuflusszeitpunkt geltenden steuerrechtlichen Regelungen gezahlt worden sei. Der bundesdeutsche Steuergesetzgeber habe zum
maßgeblichen Zeitpunkt 1. August 1991 keine Regelungen zu vor diesem Zeitpunkt zugeflossenen "Besoldungsbestandteilen" der
Zollverwaltung der DDR treffen wollen. Damit komme es zu einer vom bloßen Zufall abhängenden, schier uferlosen Ausweitung
dessen, was ein Versorgungsträger als Arbeitsentgelt feststellen solle. Eine andere Auslegung verstoße nach Überzeugung der
Kammer auch gegen die Regelungen des Einigungsvertrages, wonach Ansprüche und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet unter Berücksichtigung
der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen seien und eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften
aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen dürfe. Der Rückgriff auf Rechtsvorschriften der DDR zur Auslegung
eines Rechtsbegriffs stehe dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen, zumal auch das BSG in anderem Zusammenhang auf Rechtsvorschriften der DDR als sekundär geltendem Bundesrecht zurückgreife. Die Gesetzesmaterialien
zum 2. AAÜG-Änderungsgesetz führten schließlich ebenso wenig zu einem anderen Ergebnis wie der Umstand, dass die Beklagte Wohngeld und
andere in der DDR nicht steuerpflichtige Besoldungsbestandteile als Arbeitsentgelt überführt habe.
Die Beteiligten haben die vom Sozialgericht zugelassene Sprungrevision nicht eingelegt.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen dem Grunde nach weiter, so weit Zeiträume in Frage stehen, in denen ausweislich
des dem Rentenbescheid vom 26. April 2002 anliegenden Versicherungsverlaufs Arbeitsentgelte noch nicht bis zur Beitragsbemessungsgrenze
rentensteigernd berücksichtigt worden sind. Er wiederholt und vertieft seine Rechtsauffassung. Hinsichtlich der Berücksichtigung
von Reinigungszuschüssen für die Zeit vom 15. Januar bis zum 30. April 1969 hat er die Berufung in der mündlichen Verhandlung
vom 22. November 2012 zurückgenommen. Eine von der Beklagten gefertigte Aufstellung der nach den Besoldungsstammkarten tatsächlich
gezahlten Verpflegungsgelder sowie eine im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. November 2012 mitgeteilte Berichtigung
berücksichtigend, beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. Dezember 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2009 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2009 zu ändern sowie die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid der Oberfinanzdirektion
Berlin vom 12. Juni 1998 teilweise zurückzunehmen und als weitere tatsächlich erzielte Arbeitsentgelte
Verpflegungsgeld für die Zeiträume
a) 15. Januar bis 31. Dezember 1969 in Höhe von 703,69 Mark,
b) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1970 in Höhe von 736,83 Mark,
c) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1971 in Höhe von 1.023,00 Mark,
d) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1972 in Höhe von 1.372,56 Mark,
e) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1979 in Höhe von 1.551,24 Mark,
f) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1980 in Höhe von 1.555,44 Mark,
g) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1983 in Höhe von 1.551,24 Mark,
h) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1984 in Höhe von 1.481,99 Mark,
i) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1985 in Höhe von 1.564,20 Mark,
j) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1986 in Höhe von 1.514,77 Mark,
k) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1987 in Höhe von 1.503,48 Mark,
l) om 1. Januar bis 31. Dezember 1988 in Höhe von 1.643,64 M,
m) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1989 in Höhe von 1.643,64 M,
n) vom 1. Januar bis 31. Dezember 1990 in Höhe von 1.643,64 M,
Reinigungszuschüsse für die Zeit vom 1. Mai 1969 bis 31. Dezember 1972, 1. Januar 1979 bis 31. Dezember 1980 und 1. Januar
1983 bis 31. Dezember 1990 in Höhe von monatlich 3,50 Mark, sowie
als Geldwert für Verpflegung
a) für den Zeitraum 25. Juli bis 6. November 1969 weitere 224,40 Mark (2,20 Mark je Kalendertag),
b) für den Zeitraum 2. bis 29. Februar 1970 weitere 61,60 Mark und
c) für den Zeitraum 7. bis 26. März 1987 weitere 80,75 Mark
festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung und ihre Bescheide für zutreffend. Auch sie wiederholt und vertieft ihre rechtliche
Auffassung.
Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen Einzelheiten des
Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist teilweise begründet. Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. Dezember
2010 wie tenoriert zu ändern.
So weit der Kläger jedoch für die Zeiträume 25. Juli bis 6. November 1969, 2. bis 29. Februar 1970 und 7. bis 26. März 1987
die Feststellung des Gegenwerts von kostenloser Verpflegung als weiteres Arbeitsentgelt geltend macht, ist die Berufung unbegründet,
weil die Klage unzulässig ist. Der Kläger hatte eine Überprüfung des Ausgangsbescheides unter diesem Aspekt im Verwaltungsverfahren
über den Zugunstenantrag weder ausdrücklich noch sinngemäß geltend gemacht und die Beklagte hat - vor diesem Hintergrund folgerichtig
- insoweit keine Verwaltungsentscheidung getroffen, die einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich wäre. Das Begehren ist
nicht in dem Antrag enthalten, Entgelt in Bezug auf bezogenes Verpflegungsgeld zu berücksichtigen, da gerade kein Entgelt
gezahlt wurde, sondern es sich, wenn überhaupt, um einen als Entgelt zu behandelnden Sachbezug handelt. Allein der Umstand,
dass sich die Beklagte auf die Klage eingelassen hat, führt nicht zu deren Zulässigkeit (zur Möglichkeit und den prozessualen
Folgen des "Aufteilens" von Überprüfungsgründen s. etwa BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 - B 13 R 82/09 R, SozR 4-6480 Art. 22 Nr. 2; zu Sachverhalten, in denen unentgeltliche Verpflegung nicht als Arbeitsentgelt anzusehen ist,
s. BFH, Urteil vom 5. Mai 1994 - VI R 55/92 u.a., BFHE 174, 425, und im Anschluss daran Urteil vom 21. Januar 2010 - VI R 51/08, BFHE 228,85).
So weit der Kläger für den Zeitraum 15. Januar bis 31. Dezember 1969 in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2012 einen
höheren Betrag geltend gemacht hat als noch mit dem Schriftsatz vom 31. Juli 2011, war dies dagegen auch im Berufungsverfahren
statthaft, zumal sich die Beklagte hiermit einverstanden erklärt hat (§§
153 Abs.
1,
99 Abs.
3 Nr.
2 und Abs.
1 erster Teilsatz
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Insoweit handelt es sich um ein in der Berufungsinstanz anhängig gemachtes Klageverfahren.
So weit die Klage zulässig ist, sie in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 5.
Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2009 ist bezüglich des Teils, in dem er noch angefochten
ist, rechtswidrig.
Die Beklagte ist teils verpflichtet, den Bescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 12. Juni 1998 teilweise zurückzunehmen,
teils, über die Rücknahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Als Rechtsgrundlage für den
angefochtenen Verwaltungsakt kommt nur § 44 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über das sogenannte Zugunstenverfahren in Betracht (s. stellvertretend BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R, in "Juris" und in SozR 4-8570 § 6 Nr. 4). Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass
des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig
erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Gemäß
§ 44 Abs. 2 SGB X ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt im Übrigen - also in den nicht von Abs. 1 erfassten Fällen -,
auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann
auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2).
Der Feststellungsbescheid vom 12. Juni 1998 ist zurückzunehmen, so weit das Verpflegungsgeld für alle geltend gemachten Zeiträume
und der Reinigungszuschuss für die geltend gemachten Zeiträume ab 1. Mai 1969 nicht als weitere (Arbeits-)Entgelte im Sinne
des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG berücksichtigt wurde. Das Verpflegungsgeld und der Reinigungszuschuss stellen tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt dar, das
die Beklagte festzustellen verpflichtet ist (§ 8 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 AAÜG). Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG an, wie sie in dessen Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R, SozR 4-8570 § 6 Nr. 4, zusammengefasst worden ist. Danach bestimmt sich der Begriff des "Arbeitsentgelts" im Sinne des
§ 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach §
14 SGB IV. Soweit die Begriffsbestimmung aufgrund des § 1 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) von Vorschriften des Steuerrechts abhängt, ist das am 1. August 1991 - dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG - geltende Steuerrecht maßgeblich.
Die gegen die Rechtsprechung des BSG vonseiten des Sozialgerichts und der Beklagten vorgetragene Kritik (in deren Sinn z. B. auch Urteile des Sozialgerichts Leipzig
vom 28. Juli 2010 - S 24 R 1318/08, des Sozialgerichts Potsdam vom 7. Dezember 2010 - S 36 R 121/09 und des Sozialgericht Dresden vom 30. Juni 2011 - S 35 RS 2129/09, alle dokumentiert in "Juris") richtet sich im Wesentlichen dagegen, dass das am 1. August 1991 geltende bundesdeutsche Steuerrecht
zur Beantwortung der Frage herangezogen wird, ob die begehrten Zulagen und Zuschüsse der Steuerpflicht unterlagen. Diese Kritik
greift aber nicht durch.
Das BSG hat in seiner Rechtsprechung zur "Rentenüberleitung" stets betont, dass die Anwartschaften und Ansprüche, die sich aufgrund
einer tatsächlichen oder "fiktiven" Zugehörigkeit zu einem Sonder- oder Zusatzversorgungssystem in der gesetzlichen Rentenversicherung
ergeben, solche des bundesdeutschen Rechts sind (s. stellvertretend etwa BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 7). Nichts anderes ergibt sich daraus, dass es Vorschriften des DDR-Versorgungsrechts als "sekundäres
und partielles" Bundesrecht ansieht. Insoweit musste zwangsläufig eine Lücke gefüllt werden, weil das Recht der Bundesrepublik
Deutschland keine gleichartigen Regelungen kennt.
Gerade deshalb, weil die Rentenüberleitung mit der sogenannten Systementscheidung verbunden war, alle Ansprüche und Anwartschaften
aus der Sozialversicherung und den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen einheitlich in die gesetzliche Rentenversicherung
der Bundesrepublik zu überführen, gibt es keinen zwingenden Grund, Recht der DDR auf Sachverhalte anzuwenden, die grundsätzlich
nach Bundesrecht zu beurteilen sind. Folgerichtig führt das BSG deshalb in dem Urteil in SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 aus, dass die Maßgeblichkeit der am 1. August 1991 gegebenen Rechtslage schon daraus folge, "dass das AAÜG infolge fehlender abweichender Anordnungen allein an das bei seinem Inkrafttreten geltende Bundesrecht angeknüpft hat. Darüber
hinaus ergibt sich dies auch aus dem sofortigen Anwendungsbefehl. Der Versorgungsberechtigte konnte erst mit Inkrafttreten
des AAÜG, aber damit auch schon ab diesem Zeitpunkt, von der Beklagten die Feststellungen gemäß § 8 AAÜG beanspruchen. Zugleich stellt das Gesetz mit dem Abstellen auf das zu diesem Zeitpunkt geltende Bundesrecht sicher, dass
die fiktiven Vorleistungen der ehemals Versorgungsberechtigten (nach Herstellung der Gleichwertigkeit der Arbeitsentgelte
durch Um- und Hochwertung bis zur Beitragsbemessungsgrenze) grundsätzlich nach den gleichen Maßstäben wie die der sonstigen
Versicherten im alten Bundesgebiet bestimmt werden".
Das Urteil steht im Übrigen nicht isoliert da. Die Rechtsprechung des BSG hat schon früh die Beitragspflicht zur Sozialversicherung in der DDR nicht als Voraussetzung für die Anerkennung von Versorgungszeiten
angesehen (s. etwa BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 7/96, SozR 3-8570 § 5 Nr. 2). Dies ist vor dem Hintergrund folgerichtig, dass der Überführungsauftrag des Einigungsvertrages auch die Versorgungssysteme erfasste, die nicht beitragspflichtig waren, wie z.B. die zusätzlichen Versorgungen der technischen
und wissenschaftlichen Intelligenz.
Keine Bedenken hat der Senat auch dagegen, dass nach der Rechtsprechung des BSG statisch das Bundesrecht anzuwenden ist, welches im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG galt. Die "Statik" der Rechtslage fördert gerade die Praktikabilität der vom BSG gefundenen Lösung, da nicht ermittelt werden muss, welches Steuerrecht zum jeweiligen Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitsentgelts
galt.
Entgegen mancher geäußerter Kritik kann der Senat auch nicht erkennen, dass die Rechtsprechung des BSG "Nachweisprobleme" mit sich brächte. Ob ein Recht im Gesetz vorgesehen ist, ist stets von der Frage zu unterscheiden, ob
die tatsächlichen Voraussetzungen für ein solches Recht bestehen. Der Gesetzgeber des AAÜG hat im Übrigen unabhängig von der hier konkret interessierenden Problemstellung die Möglichkeit von Beweisschwierigkeiten
gesehen und mit § 6 Abs. 4 AAÜG die Möglichkeit geschaffen, die Erzielung von Arbeitsentgelten glaubhaft zu machen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund,
dass für in der DDR zurückgelegte Beitragszeiten von jeher als einziges Beweismittel der Sozialversicherungsausweis dient.
Geht dieser verloren, besteht auch keine Möglichkeit bzw. nur eine erschwerte, des Nachweises. Von vornherein steht dieses
Beweismittel für Entgelte nicht zur Verfügung, die über den in der Sozialversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung
versicherten liegen. Der Gesetzgeber hat schließlich auch für andere Umbrüche in der Geschichte, aus denen sich Nachweisschwierigkeiten
bzgl. der Versicherung ergaben, speziell nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Möglichkeit von Beweiserleichterungen (Glaubhaftmachung)
reagiert. Im Übrigen ist die Beweislage gerade für den hier in Rede stehenden Personenkreis gut, da in der Regel die Besoldungsstammkarten
vorhanden sind.
Gemäß §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch
auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus
der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Diese Voraussetzungen erfüllt das Verpflegungsgeld. Es steht
jedenfalls im Zusammenhang mit der Beschäftigung, da es dem Kläger nur deshalb gewährt wurde, weil er in einem Dienstverhältnis
mit der Zollverwaltung stand. Der vom Sozialgericht Chemnitz in seinem Urteil vom 16. Oktober 2012 (Aktenzeichen S 7 RS 1837/09) geäußerten Auffassung, dass das Verpflegungsgeld deshalb nicht als Entgelt im Sinne des AAÜG berücksichtigt werden könne, weil es keine Gegenleistung des Arbeitgebers für die erbrachte Arbeitsleistung des Versicherten
darstelle, kann sich der Senat nicht anschließen. Das Sozialgericht lässt außer Acht, dass bereits der "Zusammenhang" einer
Zahlung mit der Beschäftigung ausreicht, damit begrifflich ein Arbeitsentgelt vorliegt. Entgegen seiner Prämisse weicht es
deshalb von der Legaldefinition des §
14 SGB IV ab.
Die Höhe der zusätzlich zu berücksichtigenden Entgelte ist durch die in der Verwaltungsakte enthaltenen Besoldungsstammkarten
nachgewiesen. Die Angaben des Klägers zu den sich danach ergebenden Entgelten beruhen auf den Mitteilungen der Beklagten.
Sie sind nach eigener Prüfung durch den Senat rechnerisch richtig.
Die Beklagte ist verpflichtet, den Bescheid vom 12. Juni 1998 ab 1. September 2008 teilweise zurückzunehmen.
Die Verpflichtung der Beklagten war mit Wirkung für die Zukunft im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X jedenfalls ab dem Zeitpunkt auszusprechen, ab dem der Bescheid über den Zugunstenantrag dem Kläger gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als zugegangen gilt, das heißt, ausgehend von dem in der Verwaltungsakte vermerkten Absendedatum 6. Januar 2009, ab 9. Januar
2009. Ob der Bezugspunkt des Begriffs "Zukunft" darüber hinaus bereits der Zeitpunkt des Zugunstenantrags beziehungsweise
des Monats, in dem der Antrag gestellt worden ist, sein kann, kann dahingestellt bleiben. Denn in jedem Fall wäre das Ermessen
der Beklagten, welches ihr im Rahmen der Rücknahme für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X zustünde, insoweit im Sinne eines Anspruchs auf Rücknahme ab dem Beginn des Antragsmonats reduziert. Es ist keine Ermessenserwägung
erkennbar, welche sie einer Rücknahme entgegen halten könnte. Mit dem Zugunstenantrag dokumentiert der Empfänger des Ausgangsbescheides,
dass er rechtliche Überprüfung geltend machen will. Der weitere Verfahrensgang kann - soweit nicht Mitwirkungshandlungen erforderlich
sind, was hier nicht der Fall war - von ihm nicht beeinflusst werden. Es würde deshalb zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden
Ungleichbehandlung führen, wenn die Behörde, die über den Antrag zu entscheiden hat, den Beginn des Rücknahmezeitraums, für
den ihr Ermessen zusteht, durch ihr Verhalten festlegen könnte. Indem auf den Beginn des Antragsmonats abgestellt wird, wird
einem allgemeinen Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung gefolgt (s. im besonderen §
99 Abs.
1 Satz 2
SGB VI).
Für die Zeit vor dem 1. September 2008 gibt es dagegen keinen Anlass, von einer Ermessensreduzierung auszugehen. Insoweit
kann die Beklagte, die in den angefochtenen Bescheiden keinerlei Ermessen ausgeübt hat, deshalb nur zur Neubescheidung unter
Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet werden. Die Folge ist, dass die Berufung auch insoweit zurückzuweisen
ist, als weitergehend eine Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme auch für die Zeit vor dem Zugunstenantrag beantragt worden
ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt.