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LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.12.2016 - 8 R 462/15
Berechnung der Rente Berücksichtigung von Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto Begriff der Zwangsarbeit
1. Nach der Rechtsprechung des BSG dient das Merkmal einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung der tatsächlichen Abgrenzung zur Zwangsarbeit.
2. Im Lichte dessen ist Zwangsarbeit die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichem) Zwang, wie z.B. bei Kriegsgefangenen; typisch ist dabei die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeitern an bestimmte Unternehmen, ohne dass die Arbeiter selbst hierauf Einfluss haben.
3. Eine verrichtete Arbeit entfernt sich um so mehr von dem Typus des Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses und nähert sich dem Typus der Zwangsarbeit an, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann.
4. Ob eine aus eigenem Willensentschluss im Sinne des ZRBG zustande gekommene Beschäftigung oder eine den eigenen Willensentschluss ausschließende Zwangsarbeit vorlag, ist vor dem Hintergrund der wirklichen Lebenslage im Ghetto zu beurteilen; dabei sind die Sphären "Lebensbereich" und "Beschäftigungsverhältnis" grundsätzlich zu trennen; ebenso spielen die Beweggründe zur Aufnahme der Beschäftigung keine Rolle.
5. Eine aus eigenem Willensentschluss aufgenommene Beschäftigung liegt vor, wenn der Ghetto-Bewohner noch eine Dispositionsbefugnis zumindest in der Gestalt hatte, dass er die Annahme oder Ausführung der Arbeit auch ohne unmittelbare Gefahr für Leib, Leben oder seine Restfreiheit ablehnen konnte.
Normenkette:
SGB VI § 35 S. 1
,
ZRBG § 1 Abs. 1 S. 1
Vorinstanzen: SG Berlin 19.05.2015 S 23 R 1216/13
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2013 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Regelaltersrente ab dem 1. Juli 1997 zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

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