Höhe des GdB und gesundheitliche Voraussetzungen für die Merkzeichen G und RF
Folgen fehlender Mitwirkung des Betroffenen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei dem Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) sowie über das Vorliegen
der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr) und "RF".
Der Beklagte stellte 1995 bei dem 1953 geborenen Kläger einen GdB von 50 für die Behinderung "erworbene Immunschwäche" fest.
Widerspruch, Klage und Berufung, mit denen der Kläger neben einem GdB von 100 die Merkzeichen "aG" (hilfsweise "G"), "B" und
"H" begehrte, blieben zunächst erfolglos. In dem nach Zurückverweisung durch das Bundessozialgericht wiederaufgenommenen Berufungsverfahren
holte das Landessozialgericht Berlin das Gutachten der Internistin Dr. K vom 19. Mai 2000 ein, die die Behinderung "erworbene
Immunschwäche" weiterhin mit einem GdB von 50 bewertete, aber ausführte, die bei dem Kläger bestehende Polyneuropathie und
ein möglicherweise vorliegendes psychisches Leiden seien durch ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten aufzuklären. Der
hiermit gerichtlich beauftrage Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G sah sich jedoch nicht in der Lage, ein Gutachten
zu erstellen, da der Kläger wiederholt zu den Untersuchungsterminen nicht erschienen war und der Sachverständige eine gutachterliche
Stellungnahme nur nach einer Untersuchung für möglich hielt.
Auf der Grundlage der Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 30. April 2001 stellte der Beklagte
im Berufungsverfahren mit Bescheid vom 15. Mai 2001 bei dem Kläger für die Behinderungen
- erworbene Immunschwäche - Polyneuropathie
mit Wirkung ab November 1999 einen GdB von 60 sowie ab Mai 2000 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G"
fest.
Mit Urteil vom 30. Oktober 2001 wies das Landessozialgericht Berlin die Berufung des Klägers zurück und dessen Klage gegen
den Bescheid vom 15. Mai 2001 ab. Zur Begründung führte es insbesondere aus: Der Beklagte habe 1995 bei dem Kläger zu Recht
einen GdB von 50 für die Immunschwäche festgestellt. Der Verschlimmerung durch die hinzugetretene Polyneuropathie, die im
Mai 2000 durch die Sachverständige Dr. K nachgewiesen worden sei, habe der Beklagte mit der Erhöhung des GdB auf 60 Rechnung
getragen. Ein höherer GdB bestehe bei dem Kläger nicht. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG", "B"
und "H" seien nicht erfüllt.
Im Hinblick auf den bereits am 2. September 1997 gestellten Verschlimmerungsantrag des Klägers holte der Beklagte das Gutachten
des Arztes H vom 27. Januar 2003 ein, das nach Aktenlage erstellt wurde, da der Kläger zu dem Untersuchungstermin nicht erschienen
war. Der Gutachter schätzte den GdB bei dem Kläger weiterhin mit 60 ein. Daraufhin wies der Beklagte mit Bescheid vom 31.
Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2005 den Verschlimmerungsantrag zurück.
Mit der bei dem Sozialgericht hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger einen GdB von 70 ab August 1997, einen GdB von 90 ab
Januar 2002, das Merkzeichen "G" ab August 1997 sowie das Merkzeichen "RF" ab Januar 2002 begehrt.
Das die Erledigung des Rechtsstreits feststellende Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2012 ist vom Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 14. Februar 2013 aufgehoben worden. Im daraufhin fortgesetzten Klageverfahren hat der Kläger
die ihm übersandten Formulare über die Entbindung von der Geheimhaltungs- bzw. ärztlichen Schweigepflicht und über die Angabe
der ihn behandelnden Ärzte nicht an das Gericht zurückgesandt, ohne hierfür Gründe zu nennen.
Mit Urteil vom 17. September 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Die
Klage sei unzulässig, soweit sie die Höhe des GdB für den Zeitraum von August 1997 bis Oktober 2001 betreffe, da hierüber
das Landessozialgericht Berlin mit Urteil vom 30. Oktober 2001 rechtskräftig entschieden habe. Der Kläger habe keinen Anspruch
auf die Feststellung eines GdB von 70 ab November 2001. Insoweit sei die Klage unbegründet. Denn eine wesentliche Verschlechterung
des Gesundheitszustandes des Klägers sei nicht zu objektivieren. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen
"G" und "RF" lägen nicht vor.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Den Erörterungstermin des Berichterstatters hat der Kläger ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen. Auch ist er zu dem
Untersuchungstermin des von dem Senat zum Sachverständigen ernannten Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G nicht erschienen.
Auf die mit dem Hinweis auf seine Mitwirkungsobliegenheiten verbundene Anfrage vom 2. Februar 2015, ob er zu einer gutachterlichen
Untersuchung bereit sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14. Mai 2015 erklärt, hierzu nicht in der Lage zu sein.
Der Kläger beantragt seinem schriftlichen Vorbringen zufolge,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom
31. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2005 zu verpflichten, bei ihm mit Wirkung - ab August
1997 einen GdB von 70, - ab Januar 2002 einen GdB von 90, - auch für den Zeitraum von August 1997 bis April 2000 das Vorliegen
gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" und - ab Januar 2002 das Vorliegen gesundheitlichen
Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge
des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, da das Sozialgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger Anspruch auf Feststellung eines GdB von 70 ab August
1997 und eines GdB von 90 ab Januar 2002 hat.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts steht das rechtskräftige Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2001
einer gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich der Höhe des GdB für den Zeitraum von August 1997 bis 30. Oktober 2001 nicht
entgegen. Denn der Beklagte wies den am 2. September 1997 gestellten Verschlimmerungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 31.
Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2005 ohne zeitliche Begrenzung (in die Vergangenheit) zurück
und eröffnete ihm hinsichtlich des Zeitraums vor dem genannten Urteil des Landessozialgerichts Berlin erneut die Möglichkeit,
sozialgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Mit seinem Begehren, dass bei ihm ein höherer GdB festgestellt werde, dringt der Kläger nicht durch. Der Senat folgt den zutreffenden
Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2013 und sieht nach §
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Ausführungen des Sozialgerichts beziehen sich zwar auf den
Zeitraum ab November 2001; für den Zeitraum davor gilt jedoch in der Sache nichts anderes.
Die erforderlichen Ermittlungen konnten auch im Berufungsverfahren nicht durchgeführt werden, da der Kläger trotz ausdrücklicher
Belehrung über die Mitwirkungsobliegenheiten der Beteiligten zu dem Untersuchungstermin des von dem Senat zum Sachverständigen
ernannten Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G ohne Angabe von Gründen nicht erschienen ist und auf die gerichtliche
Anfrage vom 2. Februar 2015, ob er zu einer gutachterlichen Untersuchung bereit sei, mit Schriftsatz vom 14. Mai 2015 erklärt
hat, hierzu nicht in der Lage zu sein. Von einer Begutachtung nach Aktenlage hat der Senat abgesehen, da der Sachverständige
eine gutachterliche Stellungnahme nur nach einer Untersuchung des Klägers für möglich gehalten hat.
Aus den genannten Gründen ist es dem Senat auch nicht möglich, den Sachverhalt dahingehend aufzuklären, ob bei dem Kläger
bereits im Zeitraum von August 1997 bis April 2000 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens
"G" vorlagen. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen reichen, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, für eine
sichere Feststellung der erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht aus.
Abgesehen davon, dass das Merkzeichen "RF" nicht Gegenstand des versorgungsamtlichen Verfahrens war und die hierauf gerichtete
Klage damit mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig gewesen ist, kommt die Zuerkennung dieses Merkzeichens schon deshalb
nicht in Betracht, weil nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger den notwendigen GdB von 80 erreicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) sind nicht erfüllt.