Zuschuss zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges
Angewiesensein auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges
Antragstellung vor Erwerb eines Kraftfahrzeuges
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten oder dem Beigeladenen einen Zuschuss zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges.
Der 1987 geborene Kläger leidet an einem sogenannten Goldenhar-Syndrom, bei dem es sich um ein angeborenes Fehlbildungssyndrom
mit vorwiegender Beteiligung des Gesichtes handelt (ICD 10 Q87.0). Seit 1992 ist bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von
100 festgestellt, ferner das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G" und "H" seit 1995
auch "RF". Ihm ist die Pflegestufe I (eins) zuerkannt. Im Bescheid des (B) Landesamtes für Gesundheit und Soziales - Versorgungsamt
- vom 7. März 2003 werden die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt bezeichnet:
a) Multiple Entwicklungsverzögerungen mit Lernbehinderung, Rückstände im sensomotorischen und sprachlichen Bereich, psychosoziale
Störungen bei Goldenhar-Syndrom,
b) Hochgradige Schwerhörigkeit rechts und an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links bei Gehörgangsartresie links, Zustand
nach plastischer Operation im Bereich des linken Mundwinkels, Facialisparese links nach Implantation eines Hörgerätes links.
Seit Juli 2005 ist die Mutter des Klägers zu seiner Betreuerin mit dem Aufgabenkreis "Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge,
Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Postangelegenheiten, Behördenangelegenheiten" bestellt worden. Im Jahr 2007 war Rechtsanwalt
D P vorübergehend zum Ergänzungsbetreuer bestellt.
Der Kläger besuchte bis Juni 2004 eine Hauptschule mit dem Förderschwerpunkt "Körperliche und motorische Entwicklung und Lernen"
in B und schloss diese nach zehnjährigem Schulbesuch mit der 9. Klasse ohne Hauptschulabschluss ab. Von August 2004 bis Juni
2006 besuchte er die L-Oberschule (Berufsschule mit sonderpädagogischer Aufgabe und Berufsschule) in B-. Der Beigeladene übernahm
für die Zeit ab Juli 2005 bis Mai 2006 die Kosten für die sozialpädagogische Einzelfallhilfe des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch
Achtes Buch (SGB VIII) (Bescheide vom 2. Februar und 4. Juli 2006).
In einem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 1. Dezember 2005 kam die Psychologin L nach Untersuchung des Klägers
am 28. November 2005 zu der Beurteilung, dass der Kläger bei ihm unbekannten Wegen (einschließlich der Nutzung von öffentlichen
Verkehrsmitteln) auf ein Wegetraining angewiesen sei. Allerdings gelinge es ihm, diese Wege nach Training auch eigenständig
zu bewältigen. Der Kläger werde auf einen "geschützten" Arbeitsrahmen angewiesen sein. Hierzu zählten vor allem gleich bleibende,
sich wiederholende Arbeitsgänge, anschaulich vermittelte, Arbeitsanweisungen, längere Einarbeitungszeiten, kleinere Arbeitsgruppen
und eine Betreuung. Deshalb werde ein Eingangstraining vorgeschlagen, wobei das notwendige Wegetraining und vor allem das
besondere Interesse des Klägers für Fahrräder beachtet werden solle. In einem weiteren von der Beklagten veranlassten Gutachten
vom 7./19. Februar 2006 führte der Arzt Dr. med. J aus, dass der Kläger aus arbeitsmedizinischer Sicht vollschichtig in Tagschicht
für leichte und zeitweise mittelschwere körperliche Arbeit in wechselnder Arbeitshaltung leistungsfähig sei. Eine Ausbildung
sei lediglich in einem Berufsbildungswerk, das auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers ausgerichtet sei, möglich.
Wege-, Internats- und Gemeinschaftsfähigkeit lägen vor.
Auf den Antrag des Klägers vom 27. Juni 2006 meldete die Beklagte den Kläger zur Förderung der Teilnahme am Arbeitsleben bei
der FSE LW GmbH (im Folgenden: LW für das dreimonatige Eingangsverfahren nach §
40 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) an. Der Kläger nahm die Maßnahme am 4. September 2006 im Bereich Fahrradwerkstatt auf und beendete sie vorzeitig am 30.
November 2006. Die Entfernung zwischen Wohnung und Werkstatt (einfache Wegstrecke) betrug nach Angaben der Betreuerin des
Klägers 26,00 km. Nach einem Praktikum des Klägers in der Werkstatt J der D gGmbH in der Zeit vom 30. Oktober bis 10. November
2006 meldete ihn die Beklagte bei der Diakonie J für den Berufsbildungsbereich1. Jahr ab 1. Dezember 2006 an. Die Beklagte
übernahm die Lehrgangskosten und bewilligte dem Kläger Ausbildungsgeld (Bescheide vom 21. August 2006 und24. April 2008).
Die Maßnahme beendete der Kläger mit Wirkung zum 31. Oktober 2008, planmäßig wäre sie am 30. November 2008 beendet worden.
Im Zeitraum Dezember 2008 bis April 2009 nahm der Kläger an einer Maßnahme in den S-W B gGmbH teil.
Der Beigeladene übernahm als Träger der Sozialhilfe die Kosten der Teilnahme des Klägers an einer Sportgruppe des S.C.L Sportclub
Le. V. einmal wöchentlich von 17.30 bis 19.00 Uhr (Bescheide vom 15. Juni 2006 und 24. April 2007) sowie Kosten der Einzelfallhilfe
für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2007 im Umfang von sechs Stunden wöchentlich (Bescheid vom 28. Dezember 2006).
Für die Zeit vom 1. November 2008 bis 31. Oktober 2009 übernahm der Beigeladene zudem die Kosten einer ergänzenden heilpädagogischen
Betreuung im Umfang von 4 Stunden wöchentlich (Bescheid vom 30. Oktober 2008).
Vom 1. Mai 2010 bis zum 31. August 2012 war der Kläger im Arbeitsbereich der F Wohn- & Werkstätten im Landesausschuss I beschäftigt.
Der Beigeladene übernahm die Kosten auf der Grundlage des § 56 SGB XII. Danach ist es zu keiner dauerhaften Beschäftigungsmaßnahme mehr gekommen. In der Zeit vom 12. Juni bis 31. Juli 2013 war
der Kläger wegen einer psychischen Erkrankung (Depression) stationär im Evangelischen Krankenhaus K H behandelt worden.
Der Kläger wohnte bis Juli 2007 bei seiner Mutter, in der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 31. Oktober 2008 in einer betreuten
Wohngruppe in einer Einrichtung des E J (Q). Im Zeitraum November 2008 bis August 2010 wohnte er wieder bei seiner Mutter.
Seit September 2010 wohnte er wieder - abgesehen von gelegentlichen Aufenthalten bei seiner Mutter- im Rahmen des betreuten
Wohnens in einer Wohngemeinschaft in einer Einrichtung des J (Mallee). Die Übernahme der Kosten des betreuten Wohnens erfolgte
jeweils durch den Beigeladenen.
Der Kläger erhielt bis zum 31. März 2007 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Für die Zeit ab 1. April 2007 erhielt er fortlaufend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), nachdem die Deutsche Rentenversicherung B-B wegen eines Ersuchens des Beigeladenen nach § 45 Abs. 1 SGB XII aufgrund einer Prüfung nach Aktenlage mit Schreiben vom 21. Juni 2007 mitgeteilt hatte, dass der Kläger seit seiner Geburt
unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des §
43 Abs.
2 SGB VI und es unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.
Bereits am 28. Oktober 2006 hatte die Mutter des Klägers mit einem entsprechenden Vertragsformular bei der Autohaus F GmbH
verbindlich den gebrauchten Personenkraftwagen (PKW) Mazda 6 Sport mit dem Kenneichen B ..., Fahrzeugbriefnummer ..., Datum
der Erstzulassung März 2006, Stand des km-Zählers 36 km, Sonderausstattung Zubehör Bose System, Lichtpaket, metallic Lackierung,
zu einem Preis in Höhe von 20.000,- Euro bestellt. Die von der Mutter des Klägers mit ihrer Unterschrift anerkannten Allgemeinen
Geschäftsbedingungen für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger - Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen - regelten
unter I., dass der Käufer an die Bestellung bis höchstens 10 Tage, bei Nutzfahrzeugen bis zwei Wochen gebunden ist (Satz 1).
Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des Kraftfahrzeuges innerhalb der maßgeblichen
Frist schriftlich bestätigt oder die Lieferung ausführt (Satz 2).
Mit der Bestellung des neuen KfZ verkaufte die Mutter des Klägers zugleich in seinem Namen den bisher genutzten PKW zum Preis
von einem "Satz Winterreifen 195/65-15"an das vorgenannte Autohaus. Zur Finanzierung des Autokaufs nahm sie am 30. Oktober
2006 ein Darlehen in Höhe von 12.000,- Euro (netto) mit einer Laufzeit von 36 Monaten auf. Im Übrigen hatte sie eigenen Angaben
zu Folge zwei Lebensversicherungen zur Finanzierung des PKW aufgelöst. Die Übergabe des PKW und die Zahlung des Kaufpreises
erfolgten am 24. November 2006.Am 28. Dezember 2006 wurde das Fahrzeug auf den Namen des Klägers zugelassen. Wegen seiner
Schwerbehinderung war der Kläger von der Kraftfahrzeugsteuer befreit.
Mit zwei Schreiben vom 29. Juni 2006, eingegangen bei der Deutschen Rentenversicherung B(im Folgenden: DRV) am 30. Oktober
2006und bei der Beklagten am 31. Oktober 2006, beantragte der Kläger die Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines
Kraftfahrzeuges. Mit am 6. November 2006 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 2. November 2006 leitete die DRV den
Antrag an die Beklagte mit der Begründung weiter, dass der Kläger die rentenrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfülle.
In dem am 12. November 2006 ausgefüllten und am 16. November 2006 bei der Beklagten eingegangenen Fragebogen zur Gewährung
von Leistungen zur Kraftfahrzeughilfe gab die Mutter und Betreuerin des Klägers an, dass dieser mit öffentlichen Verkehrsmitteln
zu den L W gelangt sei ("Weg wurde antrainiert"). Als Gründe für das Angewiesensein auf das Kraftfahrzeug gab sie "Behördengänge,
Arzttermine, Koordinierung soziales Umfeld, hauswirtschaftliche Verrichtungen, Freizeitgestaltung etc." an. Die Frage, ob
der Kläger wegen Art oder Schwere der Behinderung für die tägliche Fahrt zwischen Wohnung und Arbeits- bzw. Bildungsstätte
ein Kraftfahrzeug benötige, weil er wegen Art oder Schwere der Behinderung öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen könne,
verneinte sie unter Vorbehalt. Dazu führte sie unter Nr. 14 des Fragebogens (Ergänzende Angaben) aus: "Hilflose Person im
öffentlichen Straßenverkehr, Durch Wahrnehmungsstörung und der Behinderung werden Fahrtwege trainiert! (Wegetraining), siehe
Schwerbehindertenausweis: Begleitung erforderlich". Ferner gab sie an, dass beabsichtigt sei, einen Neuwagen, Mazda 6, Baujahr:
März 2006, Kilometerstand: ca. 150, Preis: 20.000,- Euro, zu kaufen; ein Kaufvertrag sei noch nicht abgeschlossen. Das bisherige
Fahrzeug, ein Mazda 323 F, Kilometerstand 96.000, Baujahr 1993, Tag der Zulassung 2. Dezember 1993, könne sie wegen zu hoher
und den Wert des Fahrzeuges überschreitender Reparaturkosten nicht mehr benutzen.
Mit Bescheid vom 22. November 2006, abgesandt am 23. November 2006,lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dem Kläger sei die Benutzung
öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Arztes J vom 19. Februar 2006.Sonstige Gründe
(z. B. ungünstige Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, Fahrplanregelung, ungünstige Wegstrecken) begründeten keinen Förderanspruch.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 10. Dezember 2006 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9.
Januar 2007 zurück. Der Kläger habe auch bisher öffentliche Verkehrsmittel für die Fahrt zur Arbeitsstätte (Diakoniewerkstätten
in der Wstraße) benutzt. Da nach Auskunft des Arbeitgebers bis auf Weiteres kein Wechsel der örtlichen Gegebenheiten in der
Wstraße geplant sei, sei der Kläger nicht gezwungen, den angelernten Fahrweg in absehbarer Zukunft zu ändern.
Mit der am 9. Februar 2007 bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und zur
Begründung vorgetragen: Im Rahmen der Durchführung der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben sei er auf die Beförderung mit
einem PKW angewiesen. Seine Mutter habe versucht, mit ihm den Weg zu seiner Bildungsstätte in L anzutrainieren. Dies sei jedoch
nicht gelungen, weil er nur in der Lage sei, starre, langfristig eingeübte Wege allein zu bewältigen. Der Weg zu den L W liege
jedoch von seiner Wohnung in S weit entfernt und erfordere mehrfaches Umsteigen. Er habe auch die "flexiblen" Fahrtzeiten
der S-Bahn nicht verarbeiten können. Mehrere Male sei er stundenlang auf dem Bahnsteig sitzen geblieben, weil der Zug nicht
"zur gewohnten Zeit" eingetroffen sei. Auch habe er mehrfach die Werkstätte verlassen, weil er überfordert gewesen sei und
gemeint habe, einen Zug erreichen zu müssen. Neben den festen Zeiten in den Werkstätten habe der Kläger auch weiterhin regelmäßige
Arzt- und Therapietermine wahrnehmen müssen. Dies sei ihm gerade wegen der weiten Entfernung der L W nur durch das Vorhandensein
eines PKW zur täglichen Beförderung möglich gewesen. Wegen der aufgrund der Entfernung der Bildungsstätte vom Wohnort des
Klägers bestehenden Schwierigkeiten sei schließlich seine Verlegung an eine Behindertenwerkstatt in näherer Umgebung beschlossen
worden. Dies entspreche jedoch nicht seinen Neigungen. Die Bildungsstätte in L sei ausgesucht worden, weil er den Wunsch gehabt
habe, an Fahrrädern zu basteln. Diesem Wunsch habe aufgrund der Entfernung der L W nicht länger entsprochen werden können,
weil er (Kläger) damit geistig überfordert gewesen sei. Auch die Fahrten zu der jetzigen Bildungsstätte in S erfolgten überwiegend
mit dem PKW. Auch die umfangreichen Arztbesuche und Therapien seien zu berücksichtigen. Ohne die Nutzung eines PKW sei ihm
eine Teilhabe am Arbeitsleben schon wegen der häufigen Arztbesuche nicht möglich. Das Fahrzeug werde ausschließlich für Fahrten
verwendet, die in seinem unmittelbaren Interesse ständen. Im Zeitraum von Dezember 2006 bis November 2007 seien insoweit 10.450
km mit dem Pkw zurückgelegt worden. Die Neuanschaffung eines PKW sei erforderlich geworden, weil der vorhandene PKW im Oktober
2006 abgenutzt und eine Reparatur nicht mehr rentabel gewesen sei. Nachdem die Beklagte den Antrag auf Kraftfahrzeughilfe
abgelehnt habe, habe seine Mutter den PKW auf eigene Kosten kaufen müssen.
Mit Schriftsatz seiner damaligen Prozessbevollmächtigten vom 22. Mai 2009 ließ der Kläger ergänzend vortragen: Aufgrund seiner
stetigen Beschäftigung in den Werkstätten am EJ (seit Dezember 2006) sei er langfristig auf den Fahrweg "trainiert" worden,
so dass er den Weg inzwischen bewältigen könne. Dies habe dazu geführt, dass er nach seinem Einzug in eine betreute Wohngruppe,
in der er sich sehr unwohl gefühlt habe, ständig unverabredet mit dem Bus zur Wohnung seiner Mutter gefahren sei. Seiner Mutter
sei es zeitlich nicht möglich, ihn mit dem Bus vom J abzuholen und ihn dann zu den regelmäßigen Arztbesuchen und Einzeltherapien
zu bringen, da dies jeweils mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde.
Mit Gerichtsbescheid vom 14. September 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der
Kläger habe weder einen Anspruch auf Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe noch einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages.
Gemäß §
33 Abs.
8 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) umfassten die Leistungen nach Abs. 3 Nr. 1 und 6
SGB IX auch die Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV). Voraussetzung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KfzHV sei, dass der Kläger als behinderter Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges
angewiesen sei, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen.
Diese Voraussetzungen seien weder für die Vergangenheit noch gegenwärtig erfüllt. Selbst wenn mit einem Wegetraining die Wegefähigkeit
des Klägers für das Erreichen der Werkstätte in L nicht hätte herbeigeführt werden können, sei nicht ersichtlich, dass der
Kläger - ggf. in Begleitung - (nicht) in der Lage gewesen wäre, mittels öffentlicher Verkehrsmittel zur Werkstatt zu gelangen.
So sei der Kläger nach eigenem Vortrag in seiner Gehfähigkeit nicht eingeschränkt und in der Lage öffentliche Verkehrsmittel
- ggf. auch nicht selbständig - zu nutzen. Im Übrigen hätten in dem Zeitraum ab Beginn der Teilhabeleistung in L bis zum Wechsel
in die wohnortnähere Werkstatt in S zum 1. Dezember 2006 (und damit vor dem Erwerb des Fahrzeuges durch seine Vertreterin
(Mutter)nur wenige Wochen zur Verfügung gestanden, um ein Wegetraining durchzuführen. Nach den beigezogenen Akten der Beklagten
und des Beigeladenen, insbesondere der Einschätzung der Werkstätten selbst, sei auch nicht ersichtlich, dass der Wechsel nach
Sund die nachfolgende Wohnunterbringung dort aufgrund fehlender Wegefähigkeit herbeigeführt worden wäre. Auch Ermessensfehler
seien nicht ersichtlich.
Gegen den dem Kläger am 22. September 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser durch seine Mutter (Betreuerin) am 21.
Oktober 2011 beim Sozialgericht Berlin Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: In dem Zeitraum von September bis
November 2006 habe ihn seine Mutter mit dem PKW zu den Werkstätten in L gefahren. Wegen häufiger Weglauftendenzen und einer
schwierigen nicht strukturierten Arbeitszeit sei er aus dem Ausbildungsbetrieb in L herausgenommen worden und in den Ausbildungsbetrieb
der DW gGmbH (Wstraße) in B integriert worden. Bereits in den Vorgesprächen, bei denen seine Mutter stets anwesend gewesen
sei, sei darauf hingewiesen worden, dass die Werkstätten zu weit vom klägerischen Umfeld lägen und die Benutzung eines KfZ
für den Arbeitsweg - unabhängig von seinen gesundheitlichen Einschränkungen - schon "wegen fehlender oder unzureichender Verkehrsmittel,
ungünstiger Fahrplangestaltung und besondere(r) Arbeitszeiten notwendig werde. Dass demgegenüber in dem Gutachten der Beklagten
vom 19. Februar 2006 seine Wegefähigkeit attestiert worden sei, sei "eine Lüge". Er sei wegen seiner Behinderung nicht nur
vorübergehend auf die Benutzung eines PKW angewiesen, um seinen Arbeitsort zu erreichen. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln
sei ihm aufgrund seiner Schwerbehinderung nicht möglich. Die Kostenübernahme für die Nutzung eines Behindertenfahrdienstes
habe die Beklagte nicht in Betracht gezogen. Seine Mutter könne mit einer "Schwerbehinderung von 30 %" ebenfalls keine öffentlichen
Verkehrsmittel nutzen und ihn deshalb auch nicht bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln begleiten.
Der Senat hat mit Beschluss vom 10. März 2015 das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Spandau von Berlin, Abteilung
Gesundheit und Soziales - Amt für Soziales - beigeladen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2006
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Zuschuss
zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges, wie im Antrag benannt, in Höhe von mindestens 9.500 Euro zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten
und des Beigeladenen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2011 ist zulässig, aber nicht
begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2007
ist als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§
54 Ab. 4
SGG) zulässig, soweit der Kläger die Kraftfahrzeughilfe als besondere Leistung im Sinne der §§
102 Abs. 2,
103 Satz 1 Nr.
3,
109 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch alter Fassung (
SGB III a. F.) (inhaltsgleich §§
117 Abs.
2,
118 Satz 1 Nr.
3,
127 Abs.
1 SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2011, BGBl. I S. 2854) begehrt (Pflichtleistung ohne Ermessensspielraum). Soweit Ansprüche auf der Grundlage der §§ 19 Abs. 3, 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Betracht kommen(Ermessensleistungen), ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die richtige Klageart.
Das Land Berlin war gemäß §
75 Abs.
2 1. Alt. des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) notwendig beizuladen, weil es als "eigentlich" leistungspflichtiger Rehabilitationsträger in Betracht kommt. Somit kann
die vorliegende Entscheidung in seine Rechtssphäre eingreifen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 - B 11 AL 6/13 R - SozR 4-3500 § 14 Nr. 1).
Der mit der Klage angegriffene Bescheid der Beklagten vom 22. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
9. Januar 2007ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung
eines Zuschusses zur Anschaffung eines KfZ.
Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten als zweitangegangenen Rehabilitationsträger ergibt sich aus §
14 Abs.
2 Sätze 3 bis 5
SGB IX (vgl. dazu BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 16/04 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 1).
1. Ein Anspruch des Klägers auf den von ihm begehrten Zuschuss zur Anschaffung eines Kraftfahrzeuges ergibt sich zunächst
nicht aus den §§ 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 Nr.
2,
102 Abs.
2,
103 Satz 1 Nr.
3 und
109 SGB III a. F. bzw. §§
112 Abs.
1,
113 Abs. 1 Nr.
2,
117 Abs.
2,
118 Satz 1 Nr.
3 und §
127 SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) i. V. m. § 33 Abs. 1, Abs.
3 Nr.
1 und 6 sowie Abs.
8 Satz 1 Nr. 1
SGB IX und der Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (Kraftfahrzeughilfe-Verordnung - KfzHV -).
Gemäß §
97 Abs.
1 SGB III a. F. können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art und
Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern oder wiederherzustellen und ihre
Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Hierzu gehören insbesondere auch die besonderen Leistungen nach §
98 Abs.
1 Nr.
2,
102 Abs.
2 SGB III a. F. und diese ergänzende Leistungen.
Gemäß §
102 Abs.
2 SGB III a. F. werden Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach §
40 SGB IX erbracht. Diese umfassen nach §
103 Abs.
1 Nr.
3 SGB III a. F. auch die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme im Sinne des §
102 SGB III a. F. Gemäß §
109 Abs.
1 SGB III a. F. bestimmen sich die Teilnahmekosten nach den §§
33,
44,
53 und
54 SGB IX.
Vorliegend sind die Vorschriften der §§ 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und Nr.
6 i. V. m. Abs.
8 Satz 1 Nr.
1 SGB IX maßgeblich. Gemäß §
33 Abs.
1 SGB IX werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen
entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen, oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe
am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Gemäß §
33 Abs.
3 Nr.
1 und Nr.
6 SGB IX umfassen die Leistungen insbesondere auch Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen
zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung sowie sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten
Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten. Gemäß
§
33 Abs.
8 Satz 1 Nr.
1 SGB IX umfassen die Leistungen nach §
33 Abs.
3 Nr.
1 und Nr.
6 SGB IX auch die Kraftfahrzeughilfe nach der KfzHV.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KfzHV umfasst die Kraftfahrzeughilfe auch Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges. Wie § 1 KfzHV und auch der Name der Verordnung selbst zum Ausdruck bringt, dient die aufgrund der KfzHV gewährte Kraftfahrzeughilfe ausschließlich der beruflichen Rehabilitation im Sinne der Eingliederung Behinderter in das Arbeitsleben.
Gemäß § 3 Abs. 1 KfZHV setzen die Leistungen voraus, dass
1. der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen
ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen, und
2. der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug führen kann oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn
führt.
Nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, wer wegen seiner Behinderung die in der Vorschrift
genannten Orte nicht oder nicht zumutbar zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderweitig erreichen kann. Das
ist nicht nur dann der Fall, wenn er öffentliche, regelmäßig verkehrende Verkehrsmittel nicht benutzen kann, sondern auch
dann, wenn ihm dies zwar möglich wäre, er jedoch die Fußwege von seiner Wohnung zur Haltestelle und von der Haltestelle zu
seinem Arbeits- oder Ausbildungsort oder dem Ort einer sonstigen beruflichen Bildungsmaßnahme nicht zurücklegen kann. Ferner
trifft die Voraussetzung nach Nr. 1 zu, wenn der Behinderte zwar öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann, ihm dies jedoch
wegen der Art seiner Behinderung, beispielsweise einer besonderes schweren Gesichtsentstellung, nicht zuzumuten ist. Im Einzelfall
muss geprüft werden, ob der Behinderte sein Fahrziel nicht auf andere, kostengünstigere und ihm zumutbare Weise erreichen
kann. Als nicht vorübergehend im Sinne des Absatzes 1 ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten anzusehen. Ort der sonstigen
Leistung der beruflichen Bildung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KfzHV ist insbesondere auch eine Werkstatt für Behinderte (BR-Drucksache 266/87 S. 16, siehe auch Karmanski in Brand,
SGB III, 6. Auflage, §
127 Anhang Rn. 7 f., Luik in jurisPK-
SGB IX, 2. Auflage, §
33 Rn. 199).
Ob ein behinderter Mensch auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder
den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Einzelfall. Die
Beurteilung richtet sich dabei nach dem im konkreten Fall zurückzulegenden Weg. Bei Behinderten, denen - wie vorliegend dem
Kläger - das Merkzeichen "G" zuerkannt ist, bei dem also festgestellt ist, dass er eine übliche Wegstrecke (von 2 km bei einer
Gehdauer von etwa einer halben Stunde) nicht mehr bewältigen kann, ist jedenfalls dann, wenn die tägliche Wegstrecke mindestens
2 km beträgt, nicht mehr zu prüfen, ob sie auch ohne Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen wären oder ob auch andere
Ursachen (etwa ungünstige Verkehrs- oder Arbeitsplatzlage) nicht die sich aus der Behinderung ergebende Notwendigkeit verdrängen,
ein Kraftfahrzeug zu nutzen. Bei diesem Personenkreis ist lediglich im Einzelfall zu prüfen, ob sie tatsächlich auf ein Kraftfahrzeug
angewiesen sind, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn es öffentliche Verkehrsverbindungen
zwischen Wohnung und Arbeitsplatz oder Beförderungsdienste des Arbeitgebers oder sonstige Transportmöglichkeiten gibt, die
trotz der Behinderung benutzt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1992 - 9b Rar 14/91 - SozR 3-5765 § 3 Nr. 1, Urteil vom 21. März 2001 - B 5 RJ 8/00 R - juris).
Gemäß § 4 Abs. 1 KfzHV setzt die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges voraus, dass der behinderte Mensch nicht über ein Kraftfahrzeug verfügt,
das die Voraussetzungen nach Abs. 2 erfüllt und dessen weitere Benutzung ihm zumutbar ist. Gemäß § 4 Abs. 2 KfzHV muss das Kraftfahrzeug nach Größe und Ausstattung den Anforderungen entsprechen, die sich im Einzelfall aus der Behinderung
ergeben und, soweit erforderlich, eine behindertenbedingte Zusatzausstattung ohne unverhältnismäßigen Aufwand ermöglichen.
Gemäß § 5 KfzHV wird die Beschaffung eines Kraftfahrzeuges bis zu einem Betrag des Kaufpreises, höchstens jedoch bis zu einem Betrag von
9.500 Euro gefördert, wobei die Kosten einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung unberücksichtigt bleiben (Abs. 1). Im
Einzelfall wird ein höherer Betrag zugrunde gelegt, wenn Art oder Schwere der Behinderung ein Kraftfahrzeug mit höherem Kaufpreis
zwingend erfordert.
Gemäß § 10 Satz 1 KfzHV sollen die Leistungen vor dem Abschluss eines Kaufvertrages über das Kraftfahrzeug und die behindertenbedingte Zusatzausstattung
beantragt werden. Lediglich in Ausnahmefällen, bei Vorliegen eines atypischen Sachverhalts, bei dem ein objektiv unaufschiebbarer
berufs- oder funktionsbedingter Bedarf besteht, kann der Antrag noch im Nachhinein gestellt werden, wenn der Antragsteller
den Bedarf bereits selbst gedeckt hat. Grundsätzlich ist aber ein Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe von vornherein ausgeschlossen,
wenn der Rehabilitationsbedarf bereits vor Eingang des Antrages beim Rehabilitationsträger selbst befriedigt worden ist. Darüber
hinaus ist es dem Antragsteller in der Regel zuzumuten, die Bescheidung seines Antrages abzuwarten, bevor er zur Selbsthilfe
greift (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 1982 - 5b RJ 18/91 - SozR 2200 § 1236 Nr. 37, Urteil vom 16. November 1993 - 4 RA 22/93 - SozR 3-5765 § 10 Nr. 1, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 4 RA 16/93 - SozR 3-5765 § 10 Nr. 2, Urteil vom 15. Dezember 1994 - 4 RA 44/93 - SozR 3-5765 § 10 Nr. 3, Urteil vom 29. April 1997 - 8 RKn321/95 - SozR 3-5765 § 3 Nr. 2, zu § 5 BSHG: BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 - 5 C 12/87 - BVerwGE 90, 154).
Nach dem Vorstehenden war der vorliegend geltend gemachte Rehabilitationsbedarf des Klägers bereits vor seiner Antragstellung
am 30. Oktober 2006 gedeckt. Denn bereits am 28. Oktober 2006 hatte die Mutter des Klägers bei dem Autohaus F das KfZ, für
das der hier streitgegenständliche Zuschuss begehrt wird, verbindlich für einen Preis von 20.000 Euro bestellt und gleichzeitig
das abgenutzte Fahrzeug an das Autohaus gegen einen Satz neuer Winterreifen für das neue Fahrzeug verkauft. Zudem schloss
sie am 30. Oktober 2006, also am Tag der Antragstellung einen Kreditvertrag über einen Nettokredit in Höhe von 12.000 Euro
zur Finanzierung des Autokaufs ab. Diese Umstände lassen nur den Schluss zu, dass die Mutter des Klägers mit dem Autohaus
bereits am 28. Oktober 2006 eine verbindliche Vereinbarung über den Kauf des Fahrzeuges zu einem Preis von 20.000 Euro getroffen
hatte, an die auch das Autohaus gebunden war. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass die auf der Rückseite des Formulars
für die verbindliche Bestellung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges abgedruckten "Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Verkauf
gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger" eine Bindung des Käufers an die Bestellung höchstens bis 10 Tage bzw. bei Nutzfahrzeugen
bis zwei Wochen vorsah, zumal - die allgemeinen Verkaufsbedingungen zu Grunde gelegt - am Tag der Antragstellung die Bindungswirkung
einer verbindlichen Bestellung noch bestanden hätte.
Für den Zeitraum vom 30. Oktober bis (jedenfalls) 24. November 2006 steht dem Anspruch des Klägers zudem § 4 Abs. 1 KfzHV entgegen. Denn in diesem Zeitraum verfügte der Kläger noch über das alte KfZ, welches nach seinen Angaben auch in dem Zeitraum
September bis November 2006 für seine Beförderung zu den L W genutzt wurde. Dass das Fahrzeug die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 KfzHV nicht mehr erfüllt hätte, hat der Kläger nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus dem sonstigen Inhalt der Akten.
Zudem ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger die weitere Nutzung des Fahrzeuges aus anderen Gründen unzumutbar gewesen
wäre.
Unabhängig davon war der Kläger in dem Zeitraum ab Antragstellung am 30. Oktober 2006 infolge seiner Behinderung nicht im
Sinne des § 3 Abs. 1 KfZHV auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen, um an den von ihm wahrgenommenen Maßnahmen
der beruflichen Bildung im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen gemäß §
40 SGB IX teilzunehmen.
Dies gilt zunächst für den Zeitraum vom 30. Oktober bis 30. November 2006, indem sich der Kläger noch bei den L W im dreimonatigen
Eingangsverfahren nach §
40 SGB Abs.
1 Nr.
1 SGB IX befand. So ist dem Informationsbericht/Eingliederungsplan der FSE L W für die Sitzung des Fachausschusses am 15. November
2006 zu entnehmen, dass sich die Fahrradwerkstatt bereits in dem Beurteilungszeitraum 4. September bis 23. Oktober 2006 als
nicht geeignet für die Teilhabe des Klägers am Arbeitsleben erwiesen hatte. Gründe hierfür waren die Größe der Arbeitsgruppen,
die für den Kläger schwierige Zusammenarbeit mit erwachsenen Männern (Vermerk vom 16. November 2006, Blatt 14 der Verwaltungsakte
zum Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) und die Entfernung der Werkstätte zum Wohnort des Klägers.
Aus diesem Grunde wurde für den Kläger kurzfristig ein Praktikum im (wohnortnäheren) J in der Zeit vom 30. Oktober bis 10.
November 2006 organisiert und nach positivem Verlauf der Wechsel des Klägers in die Werkstatt J zum 1. Dezember 2006 vereinbart.
Abgesehen davon, dass dem Kläger in der Zeit vom 30. Oktober bis 10. November noch das alte KfZ zur Verfügung stand, wäre
es ihm auch zuzumuten gewesen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu der Werkstatt J zu gelangen. Dies ergibt sich aus den aktenkundigen
Unterlagen, insbesondere dem psychologischen Gutachten der Diplom-Psychologin L vom 1. Dezember 2005, dem ärztlichen Gutachten
des Arztes Dr. J vom 19. Februar 2006, dem Gutachten der Ärztin im sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirksamtes S H vom 27.
April 2006 sowie den Informationsberichten der D-WB gGmbH für die Beurteilungszeitraume vom 4. Dezember 2006 bis 3. Dezember
2007 und 4. Dezember 2007 bis 3. Dezember 2008.
So hatte bereits die Psychologin L in ihrem Gutachten vom 1. Dezember 2005 festgestellt, dass der Kläger bei ihm unbekannten
Wegen (einschließlich der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln) zwar auf ein Wegetraining angewiesen sei, mit Hilfe dieses
Trainings es ihm aber auch gelinge, diese Wege eigenständig zu bewältigen. Ebenso hielten der Arzt Dr. J und die Ärztin H
den Kläger für wegefähig bzw. für fähig, die Wegefähigkeit für bestimmte Wege anzutrainieren. Eine Wegefähigkeit auf antrainierten
Wegen wird dem Kläger auch in den vorgenannten Informationsberichten der D-W bescheinigt. Dies steht auch in Übereinstimmung
mit den Ausführungen der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers in ihrem Schriftsatz vom 22. Mai 2009. Danach beherrschte
der Kläger nach einem entsprechenden Wegetraining den Weg mit dem Bus zu den Werkstätten am E J und - nach seinem Einzug in
eine betreute Wohngruppe im Q am 1. Oktober 2007 - auch den Weg mit dem Bus vom Q zur Wohnung seiner Mutter.
Für die Zeit nach Beendigung der Maßnahme in der Werkstatt J am 31. Oktober 2008 gilt nichts anderes. Dies ergibt sich aus
den Entwicklungsberichten der F Werkstatt in F vom 7. Mai 2010 und 7. Mai 2012 für die Zeiträume vom 1. Mai 2009 bis 30. April
2010und 1. Mai 2010 bis 30. April 2012 sowie den Anträgen des Jstift - Behindertenhilfe - auf Kostenübernahme der sozialpädagogischen
Betreuung des Klägers vom 12. Mai 2010, 4. Juni 2011, 2. Juni 2012, 21. Juli 2013 und 19. Juli 2014.
So ist in den Berichten der F Werkstatt in F vom 7. Mai 2010 und 7. Mai 2012 zur Mobilität des Klägers jeweils ausgeführt:
"Beschreibung:
ist selbständig in allen Lage- und Ortsveränderungen
Individualisierung:
Herr H ist mobil in seinem Umfeld und kann sich in größeren bekannten Zusammenhängen orientieren. Der öffentliche Nahverkehr
der Stadt ist ihm vertraut. Er nutzt diesen für sich und seine mobilen Bedürfnisse."
Zur Orientierung des Klägers heißt es jeweils:
"benutzt selbständig und sicher öffentliche Verkehrsmittel und findet selbständig in die Wohnung/Schule/Arbeitsstelle zurück".
In dem Antrag des Jstift - Behindertenhilfe - auf Kostenübernahme der sozialpädagogischen Betreuung des Klägers vom 12. Mai
2010 ist zur räumlichen Orientierung des Klägers ausgeführt:
"Herr H kann sich in vertrauter Umgebung weitgehend gut orientieren... Durch den Einzug in die Wohngemeinschaft und die damit
verbundenen Veränderungen seines sozialen Umfeldes benötigt der junge Mann umfassende Unterstützung, z. B. in Form von Wegetraining."
In dem Verlängerungsantrag vom 4. Juni 2011 wird sodann zur räumlichen Orientierung des Klägers ausgeführt:
"In vertrauter Umgebung kann sich Herr H sicher bewegen und orientieren. In der Mallee hat er sich schnell eingelebt. Auch
kennt er die Einkaufsmöglichkeiten im S-Center. Herr H fährt selbständig mit dem Bus bis zur F und wird dort vom Zubringer
der Firma G abgeholt und zur Arbeit gebracht. In fremder Umgebung braucht Herr H Begleitung, bis er sich selbst zurechtfindet."
In den Verlängerungsanträgen vom 2. Juni 2012, 21. Juli 2013 und 19. Juli 2014 wird insoweit ein gleich gebliebener Zustand
beschrieben.
Danach war der Kläger über den gesamten Zeitraum ab 30. Oktober 2006 mit Hilfe eines Wegetrainings in der Lage, den öffentlichen
Nahverkehr zu nutzen.
2. Nach dem Vorstehenden liegen auch die Voraussetzungen für eine Förderung des Klägers nach § 19 Abs. 3 i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, §
55 SGB IX und § 8 der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Eingliederungshilfe-Verordnung - EinglHV) nicht vor. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Träger der Sozialhilfe Reha-Träger nicht nur für Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben (§
5 Nr. 2
SGB IX), sondern auch zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§
5 Nr.
4 SGB IX) sind. Dies ergibt sich ausdrücklich auch aus § 8 Abs. 1 Eingliederungshilfe-VO (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 18/12 R - juris, Urteil vom 14. Mai 2014 - B 11 AL 6/13 R - aaO.). (vgl. juris).
Gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer
sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geleistet, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften
des Elften Kapitels nicht zuzumuten ist. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach
Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Gemäß §
54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe u. a. auch die Leistungen nach §§
33,
55 SGB IX.
§ 8 Abs. 1 der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Eingliederungshilfe-Verordnung - EinglHV) gilt die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben
in der Gemeinschaft im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit den §§
33 und
55 SGB IX (Satz 1).Sie wird in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere der Behinderung insbesondere
zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuge angewiesen ist; bei Teilhabe am Arbeitsleben findet die
Kraftfahrzeughilfe-Verordnung Anwendung (Satz 2).
In seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2013 (B 8 SO 18/12 R, juris) hat das BSG zu dem Tatbestandsmerkmal des Angewiesen seins auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges im Sinne vom § 8 Abs. 1 EinglHV ausgeführt:
"In Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§
4 Abs
1 SGB IX) ist dies nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der
Eingliederungsziele ist (BSGE 112, 67 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1), die darin liegen (vgl § 53 Abs 3 Satz 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern.
Dabei ist dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die
Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn so weit wie möglich
unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs 2 Satz 2 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm §
55 Abs
1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig
von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs 2 SGB XII), bei behinderten Kindern der Wünsche seiner Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls. Es gilt
mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls
entgegensteht (BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22; SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25 f)."
Dies zu Grunde gelegt, kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass für den Kläger das Kfz als grundsätzlich geeignete
Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist. Denn dagegen spricht, dass er nach den vorliegenden
Berichten der Maßnahmeträger nicht nur in der Lage ist, sich in gewohnter Umgebung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurechtzufinden,
sondern auch befähigt ist, sich mit Hilfe eines Wegetrainings ihm bisher unbekannte Örtlichkeiten in der Stadt zu erschließen,
in dem er sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufsucht.
Demnach musste der Berufung der Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgte dem Ausgang des Verfahrens.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Revisionsgründe im Sinne des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.