Arbeitsförderungsrecht
Förderungsfähigkeit eines Zweit-Versuchs bei missglückter Abschlussprüfung
Prozesskostenhilfebewilligungsanspruch
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
Der erstinstanzliche gestellte Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv §
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu verpflichten, für die Zeit ab 1. November 2012 für mindestens sechs weitere Monate die Kosten der Weiterbildungsmaßnahme
(Umschulung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin) zu übernehmen, hatte bei der im Prozesskostenhilfe (PKH)-Verfahren (nur)
gebotenen summarischen Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Zivilprozessordnung). Dies gilt ungeachtet der vom Sozialgericht (SG) getroffenen Sachentscheidung schon deshalb, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen
eine im Rahmen der Förderung einer Weiterbildungsmaßnahme erfolgte (positive) Ermessensausübung die Antragsgegnerin bei der
Ausübung ihres Ermessens anlässlich einer Entscheidung über die Förderung der Verlängerung dieser Maßnahme bindet, und wenn
ja, in welchem Umfang, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.
Nach §
77 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (
SGB III) alter Fassung (aF) bzw der gleichlautenden, seit 1. April 2012 geltenden Nachfolgeregelung in §
81 Abs.
1 Nr.
1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung
notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil
bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist. Weitere Voraussetzungen dafür
sind, dass vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und die Maßnahme und der Träger
der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind (vgl §
77 aF bzw §
81 Abs.
1 Satz 1 Nrn. 2 und 3
SGB III). Als Weiterbildung gilt die Zeit vom ersten Tag bis zum letzten Tag der Maßnahme mit Unterrichtsveranstaltungen, es sei
denn, die Maßnahme ist vorzeitig beendet worden (§
71 Abs.
1 Satz 2 aF bzw §
81 Abs.
1 Satz 2
SGB III).
Im Rahmen des §
77 Abs.
1 Nr.
1 aF bzw des §
81 Abs.
1 Nr.
1 SGB III ist zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzung (Notwendigkeit der beruflichen Weiterbildung, um den Arbeitnehmer
bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern) überdies eine Prognoseentscheidung erforderlich, ob die Bildungsmaßnahme die
Eingliederungschancen erhöht. Der Antragsgegnerin steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu; der gerichtlichen Kontrolle
unterliegt lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise
erarbeitet worden ist (vgl BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 - B 7 AL 66/02 R = SozR 4-4300 § 77 Nr. 1 mwN). Die Antragsgegnerin hatte vorliegend für die geförderte Umschulungsmaßnahme eine positive
Eingliederungsprognose abgegeben. Liegen die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 aF bzw des §
81 Abs.
1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3
SGB III vor, so hat die Beklagte ihr pflichtgemäßes Ermessen auszuüben, ob die Teilnahme an einer Maßnahme und, wenn ja, zu welcher
und in welchem Umfang gefördert wird (vgl. BSG aaO. mwN). Abzustellen ist dabei als Beurteilungszeitpunkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides
(vgl BSG aaO.; BSG SozR 3-4100 § 36 Nrn. 1, 5). Auch dieses Ermessen hatte die Antragsgegnerin im Sinne einer Bewilligung der Umschulung zur Gesundheits- und
Krankenpflegerin ausgeübt.
Streitig war vorliegend ua, ob ein Anordnungsanspruch auf Förderung der Verlängerung der Maßnahme möglicherweise deshalb besteht,
weil das der Antragsgegnerin grundsätzlich zustehende Ermessen, auch die Verlängerung der Umschulungsmaßnahme zu fördern,
durch die bei Bewilligung der Maßnahme erfolgte Ausübung des Ermessens auf "Null" reduziert ist. Grundsätzlich umfasst die
Ermessensentscheidung, die Umschulung als solche zu fördern, nur den gesetzlich geregelten Weiterbildungszeitraum des §
77 Abs.
1 Satz 2 aF bzw des §
81 Abs.
1 Satz 2
SGB III. Allerdings ist schon nicht geklärt, ob der "letzte Tag der Maßnahme mit Unterrichtsveranstaltungen" immer nur den Zeitraum
bis zum regulären Unterrichtsabschluss (so Stratmann in: Niesel/Brand,
SGB III, 5. Auflage 2010, §
71 Rn 21) oder - wie im Falle der Antragstellerin - auch ggfs Unterrichtsveranstaltungen während einer Verlängerung der Maßnahme
umfasst. Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat sich bislang ersichtlich nur mit der Rechtsfrage befasst, wann die Voraussetzungen einer Teilnahme an einer beruflichen
Fortbildung und somit ein Anspruch auf Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz vorlagen (vgl BSG SozR 4100 § 44 Nr 7) vorlagen, wobei nur der Beginn der Maßnahme in Streit stand. Zur Frage, ob die Verlängerung einer Weiterbildungsmaßnahme
aus Gründen, die der Teilnehmer zu vertreten hat, als Weiterbildung iSv §
77 Abs.
1 Satz 1 aF bzw §
81 Abs.
1 Satz 1
SGB III gilt, hat sich das BSG bislang ersichtlich nicht verhalten. Sollte die Ermessensentscheidung, die Weiterbildungsmaßnahme der Antragstellerin zu
fördern, von vornherein auch den Zeitraum einer ggfs wegen Nichtbestehens der Prüfung erforderlichen Verlängerung "mit Unterrichtsveranstaltungen"
(vorliegend vier Monate) umfassen, wäre ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin ohnehin gegeben. Sollte hingegen eine neue
Ermessensentscheidung erforderlich sein, spricht einiges dafür, dass sich die Antragsgegnerin zumindest in der vorliegenden
Fallkonstellation des erstmaligen Nichtbestehens einer Abschlussprüfung durch ihre bei Bewilligung der Maßnahme erfolgte Ermessensausübung
gebunden hat. Hierbei dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass die Antragsgegnerin in ihrem "Teilablehnungsbescheid" vom
21. September 2012 grundsätzlich eine Förderungswürdigkeit der Ausbildungsverlängerung anerkannt hat, die im Hinblick auf
den erstrebten Abschluss als Gesundheits- und Krankenpflegerin auch außer Frage stehen dürfte.
Von hinreichenden Erfolgsaussichten in Bezug auf den zu fordernden Anordnungsgrund war schon deshalb auszugehen, weil die
mittlerweile im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) stehende Antragstellerin außerstande sein dürfte, die hohen Fahrkosten für die werktäglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort
und Eisenhüttenstadt aufzubringen. Ggfs wäre das SG zumindest gehalten gewesen, Sachermittlungen anzustellen, ob die Antragstellerin über Vermögen oder andere Einnahmen verfügt,
aus denen sie die Kosten der verlängerten Maßnahme bestreiten kann. Auch insoweit hätte dem Antrag aber die hinreichende Erfolgsaussicht
nicht abgesprochen werden können.
Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl §
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§
177 SGG).