Gründe:
Wegen der Dringlichkeit der Entscheidung entscheidet der Senat durch den Vorsitzenden, der auch der Berichterstatter ist (§
155 Abs.
2 Satz 2, Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2013 ist gemäß §§
172 Abs.
1,
173 SGG zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat ihren Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
vorläufig die Kosten für ihre Behandlung mit Eigenserum-Augentropfen zu übernehmen, zu Unrecht abgelehnt.
Nach §
86b Abs.
2 S. 2
SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn
der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen auf einem eiligen Regelungsbedürfnis fußenden Anordnungsgrund mit der
für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in der Hauptsache glaubhaft machen
kann (§
86b Abs.
2 Sätze 2 und 4
SGG in Verbindung mit §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Der Antragsgegnerin ist darin zu folgen, dass zum jetzigen Zeitpunkt ohne weitere Ermittlungen nicht abschließend geklärt
ist, ob die Antragstellerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Behandlung nach §
27 Abs.
1 Satz 1, Satz 2 Nr.
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V)in Verbindung mit §§
135 Abs.
1 und
2 Abs.
1a SGB V wegen der bei ihr diagnostizierten Erkrankungen hat. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.
V. (MDK) hat jedenfalls in seinem Gutachten vom 16. Dezember 2013 insoweit ausgeführt, dass "die Prüfung eines Leistungsanspruchs
gemäß § 2 Abs. 1a SGB Verst abschließend erfolgen (könne), wenn die bestehende Erkrankung und der bisherige Behandlungsverlauf
belegt" seien.
In Fällen wie diesen dürfen sich die Sozialgerichte bei der Prüfung des Anordnungsanspruchs in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes,
in denen Leistungsansprüche eines Versicherten gegen eine gesetzliche Krankenkasse streitig sind, nicht schlechthin auf die
summarische Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren beschränken. Drohen dem Versicherten
ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher
Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, verlangt Art.
19 Abs.
4 Satz 1
GG von den Sozialgerichten bei der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache grundsätzlich eine eingehende Prüfung der
Sach- und Rechtslage, die sich von der im Hauptsacheverfahren nicht unterscheidet (vgl. BVerfGE 79, 69 [74]; 94, 166 [216]; NJW 2003, 1236f.). Sind die Sozialgerichte durch eine Vielzahl von anhängigen entscheidungsreifen Rechtsstreitigkeiten
belastet oder besteht die Gefahr, dass die dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu Grunde liegende Beeinträchtigung des Lebens,
der Gesundheit oder der körperlichen Unversehrtheit des Versicherten sich jederzeit verwirklichen kann, verbieten sich zeitraubende
Ermittlungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren; in diesem Fall, der in der Regel vorliegen wird, hat sich die Entscheidung
an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu orientieren (BVerfG NJW 2003, 1236f.). Dabei ist in Anlehnung an die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig
außer Betracht zu bleiben hat. Abzuwägen sind stattdessen die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge,
obwohl dem Versicherten die streitbefangene Leistung zusteht, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte
Anordnung erlassen würde, obwohl er hierauf keinen Anspruch hat (vgl. hierzu Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, § 32 RdNr. 177 mit umfassendem Nachweis zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Hierbei ist insbesondere die in Art.
2 Abs.
2 Satz 2
GG durch den Verfassungsgeber getroffene objektive Wertentscheidung zu berücksichtigen. Danach haben alle staatlichen Organe
die Pflicht, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Lebens, der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit
zu stellen (vgl. BVerfGE 56, 54 [73]). Für das vorläufige Rechtsschutzverfahren vor den Sozialgerichten bedeutet dies, das diese die Grundrechte der Versicherten
auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit zur Geltung zu bringen haben, ohne dabei die ebenfalls der Sicherung
des Art.
2 Abs.
2 Satz 2
GG dienende Pflicht der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. insbesondere aus §§
1,
2 Abs.
1 und 4
SGB V), ihren Versicherten nur wirksame und hinsichtlich der Nebenwirkungen unbedenkliche Leistungen zur Verfügung zu stellen,
sowie die verfassungsrechtlich besonders geschützte finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BVerfGE
68, 193 [218]) aus den Augen zu verlieren. Besteht die Gefahr, dass der Versicherte ohne die Gewährung der umstrittenen Leistung
vor Beendigung des Hauptsacheverfahrens stirbt oder er schwere oder irreversible gesundheitliche Beeinträchtigungen erleidet,
ist ihm die begehrte Leistung regelmäßig zu gewähren, wenn das Gericht nicht auf Grund eindeutiger Erkenntnisse davon überzeugt
ist, dass die begehrte Leistung unwirksam oder medizinisch nicht indiziert ist oder ihr Einsatz mit dem Risiko behaftetet
ist, die abzuwendende Gefahr durch die Nebenwirkungen der Behandlung auf andere Weise zu verwirklichen. Besteht die Beeinträchtigung
des Versicherten dagegen im Wesentlichen nur darin, dass er die begehrte Leistung zu einem späteren Zeitpunkt erhält, ohne
dass sie dadurch für ihn grundsätzlich an Wert verliert, weil die Beeinträchtigung der in Art.
2 Abs.
2 Satz 2
GG genannten Rechtsgüter durch eine spätere Leistungsgewährung beseitigt werden kann, dürfen die Sozialgerichte die begehrte
Leistung im Rahmen der Folgenabwägung versagen. Nur durch eine an diesen Grundsätzen orientierte Vorgehensweise bei der Folgeabwägung
wird dem vom Gesetzgeber in allen Prozessordnungen vorgesehenen Vorrang des nachgehenden Rechtschutzes vor dem vorläufigen
Rechtsschutz, sowie dem sich aus Art.
20 Abs.
3 GG abzuleitenden Grundsatz Rechnung getragen, dass die Leistungsgewährung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Ausnahme
und nicht die Regel sein soll.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Antragsgegnerin vorläufig zur Leistungserbringung verpflichtet. Nach der Stellungnahme
von Prof. Dr. med. UP (C, Augen- und HNO Heilkunde)vom 24. Oktober 2013 liegt bei der Antragstellerin ein komplexer, schwerwiegender
Krankheitsverlauf mit Aniridie, sekundäre Hornhautstammzelleninsuffizienz, Sjögren-Syndrom und Nystagmus vor. Diese, nach
Darstellung des Arztes sehr ungewöhnliche Kombination, führt zu schwersten Oberflächenstörungen mit ausgeprägter Keratokonjunktivitis
beidseits. Der Antragstellerin droht bei einem schweren Verlauf ihrer Erkrankungen der Verlust ihrer Sehfähigkeit. Trotz verschiedenster
therapeutischer Maßnahmen hätte der Krankheitsverlauf kaum beeinflusst werden können. Allein durch Verwendung der streitbefangenen
Behandlung, sei ein Stillstand der progressiven Erkrankung erreicht worden. Bei Versagen der konventionellen Therapie sei
noch als einzig verbleibende Therapieoption die Serum-Augentropfen-Applikation eingesetzt worden.
Diese Gefahr für die Gesundheit der Antragstellerin und insbesondere für ihre Sehfähigkeit, die sich bei einem ungehinderten
Fortgang ihrer Erkrankung nicht ausschließen lassen können, lassen eine Verpflichtung der Antragsgegnerin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
angezeigt erscheinen, denn die Antragsgegnerin hat - dem MDK folgend - das Vorliegen der geschilderten gegenwärtigen erheblichen
Gefahren für die Gesundheit der Antragstellerin nicht widerlegen können.
Den erheblichen und schwerwiegenden Gefahren für die Gesundheit und insbesondere die Sehfähigkeit der Antragstellerin stehen
bei einer Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin für diese nur finanzielle Beeinträchtigungen gegenüber. Demgegenüber
wiegen die Folgen für die Antragsgegnerin, die Antragstellerin für einen begrenzten Zeitraum mit krankenversicherungsrechtlichen
Leistungen versorgen zu müssen, nicht schwer genug, um diese befristete Leistung versagen zu müssen.
Soweit die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vorträgt, dass der "Sachverhalt (deshalb) noch nicht abschließend geprüft
werden konnte", weil "weder die Antragstellerin noch die behandelnden Ärzte der C im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens
die zur Beurteilung des konkreten medizinischen Sachverhalts notwendigen Befundberichte beigebracht" und insbesondere ein
Schreiben des MDK vom 16. November 2013 noch nicht beantwortet hätten, vermag dieses Vorbringen den Anspruch der Antragstellerin
nicht auszuschließen. Es ist Sache der Antragsgegnerin bereits im Verwaltungsverfahren den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln
(§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch). Dem ist die Antragsgegnerin auch insoweit nachgekommen, als es bereits im Verwaltungsverfahren
den MDK eingeschaltet hat. Dieser hat auch am 17. Juli 2013 ein sozialmedizinisches Gutachten erstellt. Er hat aber am 16.
November 2013 Prof. Dr. med. U P (C) um Übersendung weiterer "Unterlagen und Informationen" gebeten. Dies offensichtlich deshalb,
weil im Verwaltungsverfahren der Sachverhalt nicht in dem notwendigen und gebotenen Umfang aufgeklärt worden ist, um eine
abschließende Stellungnahme abgeben zu können. Dieses soll und muss nunmehr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nachgeholt
werden. Dieser zeitliche Verzug kann aber nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen, der schwere gesundheitliche Nachteile
drohen.
Wegen der Vorläufigkeit der Anordnung hat der Senat diese befristet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).