Anpassung eines Festbetrags für niedermolekulare Heparine
Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Festbetragsanpassung
Begründungspflicht einer Festbetragsanpassung
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Anpassung eines Festbetrags.
Die Antragstellerin bringt als pharmazeutische Unternehmerin niedermolekulare Heparine unter den Handelsnamen Mono-Embolex®,
Fraxiparine® und Fraxodi® mit den Wirkstoffen Certoparin und Nadroparin in den Verkehr. Inhaberin der Zulassung ist die APT
Ltd. I; die zum selben Konzern gehörende Antragstellerin ist Inhaberin der Vertriebsrechte für Deutschland.
Niedermolekulare Heparine werden zur Prophylaxe und Therapie tiefer Venenthrombosen eingesetzt, zur Behandlung der Angina
Pectoris/Myokardinfarkt und zur Antikoagulation bei Hämodialyse. Für die niedermolekularen Heparine gilt seit dem 1. Juli
2005 auf der Grundlage des Beschlusses des Beigeladenen vom 15. Februar 2005 ein Festbetrag der Stufe 2 für pharmakologisch-therapeutisch
vergleichbare Arzneimittel. Dieser Festbetrag war bereits einmal auf der Grundlage des Beschlusses des Beigeladenen vom 13.
März 2008 angepasst worden.
Der Beigeladene beschloss am 8. September 2015, ein Stellungnahmeverfahren zur Aktualisierung der Festbetragsgruppe (u.a.)
der niedermolekularen Heparine durchzuführen. Das Verfahren leitete der Beigeladene durch Schreiben vom 15. September 2015
ein, mit dem er auf seinen Beschluss vom 8. September 2015 verwies, wonach ein Wechsel der Methodik zur Ermittlung der Vergleichsgröße
nach Anlage 1 zum 4. Kapitel der Verfahrensordnung des Beigeladenen (VerfO) von § 2 "Vergleichsgröße für Wirkstoffe mit unterschiedlicher
Applikationsfrequenz" zu § 3 "Vergleichsgröße für Wirkstoffe mit unterschiedlichen Applikationsfrequenzen und Behandlungszeiten"
erfolgt sei, um die unterschiedlichen Behandlungszeiten besser abbilden zu können. Die Antragstellerin gab keine schriftliche
Stellungnahme ab.
Der Beigeladene führte am 12. Januar 2016 eine mündliche Anhörung durch, zu der nur diejenigen pharmazeutischen Unternehmer
geladen waren, welche eine schriftliche Stellungnahme abgegeben hatten. Nach dem Stellungnahmeverfahren beschloss der Beigeladene,
die Vergleichsgrößen für niedermolekulare Heparine weiter nach § 2 der Anlage 1 zum 4. Kapitel der VerfO zu bestimmen. Der
Beigeladene aktualisierte durch Beschluss vom 18. Februar 2016 die Vergleichsgröße (u.a.) für die Festbetragsgruppe der niedermolekularen
Heparine in Anwendung der Methodik nach § 2 der Anlage 1 zum 4. Kapitel VerfO. Die für Certoparin und Tinzaparin neu festgesetzte
Vergleichsgröße unterlag erheblichen Veränderungen gegenüber den Jahren 2005 und 2008. Am 17. Mai 2016 beschloss der Antragsgegner
auf der Grundlage des Beschlusses des Beigeladenen vom 18. Februar 2016 einen Anpassung des Festbetrags für die Festbetragsgruppe
"Heparine, niedermolekular 1", die im Bundesanzeiger am 20. Mai 2016 veröffentlicht wurde.
Mit dem am 25. Juli 2016 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung begehrt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung für die von der API Ltd. gegen den Beschluss
der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2016 am 17. Juni 2016 zum Az L 1 KR 291/16 KL erhobenen Klage. In dem Verfahren L 1 KR 291/16 KL erklärte die Antragstellerin am 25. Juli 2016, dass die Vertriebsrechte für Deutschland mittlerweile auf sie übertragen
worden seien, so dass sie den Rechtsstreit an Stelle der bisherigen Klägerin weiterführe.
Die Antragstellerin hält den gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für zulässig. Das LSG Berlin-Brandenburg sei
sachlich und örtlich zuständig, die Festsetzung eines Festbetrages ein belastender Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung.
Sie - die Antragstellerin - mache Gründe geltend, die auf eine willkürliche Wettbewerbsverfälschung hindeuteten, nämlich das
Unterbleiben einer Anhörung zum Methodenwechsel bei der Bildung der Vergleichsgröße und zur Einführung unterschiedlicher Applikationsfaktoren
für die einzelnen Wirkstoffe, die unzureichende Begründung der vorgenommenen Vergleichsgrößenbildung und die Festlegung der
Vergleichsgröße ohne hinreichende Kontrolle von Verzerrungsfaktoren. Diese Gründe unterlägen im vollen Umfang der richterlichen
Kontrolle (Hinweis auf BSG v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R). Das Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich aus dem Ziel, eine Absenkung der Festbeträge zu verhindern. Die Statthaftigkeit des
Antrags folge daraus, dass die erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung habe. Grundlage der Entscheidung des Gerichts müsse
die Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin sein. Dabei sei an die Erfolgsaussichten
in der Hauptsache anzuknüpfen. Das entspreche dem Prinzip der Bindung der öffentlichen Verwaltung an Recht und Gesetz. Es
liege auch eine erhebliche wirtschaftliche Betroffenheit vor. Der Schaden auf Jahresbasis, berechnet aufgrund der Absatzzahlen
des ersten Halbjahres 2016, betrage mehr als 6 Mio. Euro. Keine Rolle spiele, dass der Festbetrag für Nadroparin erhöht worden
sei. Das rechtfertige nicht die willkürliche Wettbewerbsverfälschung zu Lasten von Certoparin, zumal sie - die Antragstellerin
- den Preis für Nadroparin nicht entsprechend der festgesetzten Anpassung erhöht habe. Die Begründetheit des Antrags ergebe
sich aus der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Festbetragsanpassung. Festbeträge für Arzneimittel dienten dazu, die Wirtschaftlichkeit
der Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Ein Festbetrag solle einen fairen Wettbewerb unter unverfälschten Bedingungen
gewährleisten. Bei seiner Bestimmung sei das Willkürverbot zu beachten, auch könnten pharmazeutische Unternehmer eine Verletzung
ihrer Anhörungsrechte geltend machen. Der den pharmazeutischen Unternehmern im Verfahren der Festbetragsfestsetzung eingeräumte
Möglichkeit zur Stellungnahme komme hohe Bedeutung zu, weil sie wirksamen Grundrechtsschutz durch Verfahren gewährleiste.
Sie diene der verfassungsrechtlich erforderlichen Beteiligtenpartizipation (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG - v. 15. Dezember 2015 - B 1 KR 30/15 R). Auch die durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung in
§
92 Abs.
3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) vorgenommene ausdrückliche Ausweitung der Anhörungsrechte auf pharmazeutische Unternehmer bestätige die hohe Bedeutung des
Anhörungsrechts. Dies sei auch sonst in der Rechtsprechung anerkannt (Hinweis auf BSG v. 1. März 2011 - B 1 KR 7/10R; LSG Berlin-Brandenburg v. 6. Januar 2014 - L 1 KR 40/13 KL ER, v. 22. Juni 2012 - L 1 KR 296/00 KL; v, 27. Mai 2015 - L 7 KL 113/12 KL). Der Beigeladene müsse im Rahmen der Selbstbindung der öffentlichen Verwaltung die Verfahrensregeln einhalten, die er
sich selbst gegeben habe. Er habe das streitbefangene Festbetragsverfahren eingeleitet zur "Aktualisierung von Vergleichsgrößen".
Die dafür maßgebende Verfahrensweise sei in § 7 der Anlage 1 zum vierten Kapitel VerfO festgelegt. Wenn er davon abweichen
wolle, müsse er im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens darauf hinweisen. Nach seiner Geschäftsordnung sei ein erneutes Stellungnahmeverfahren
durchzuführen, wenn es zu wesentlichen Änderungen gegenüber dem zur Stellungnahme gestellten Entwurf gekommen sei. Alternativ
hätten alle betroffenen Firmen, die über die Lauer-Taxe einfach zu ermitteln seien, zur mündlichen Anhörung eingeladen werden
können. Vorliegend habe sich der Beschlussinhalt wesentlich geändert, weil eine andere Methodik Anwendung gefunden habe, die
wesentliche Änderungen bei der Vergleichsgrößenbildung auslöse. Bei der erstmaligen Festsetzung des Festbetrags für niedermolekulare
Heparine am 15. Februar 2005 seien nach ihrem - der Antragstellerin - ursprünglichen Kenntnisstand keine Applikationsfaktoren
zur Anwendung gekommen. Soweit nunmehr erst im Verlauf des vorliegenden Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz Unterlagen
vorgelegt worden seien, dass bereits der Beschluss vom 13. März 2008 unterschiedliche Applikationsfaktoren verwendet habe,
fände sich dafür nichts in den Unterlagen über das Stellungnahmeverfahren des Jahres 2008, so dass sich das Stellungnahmeverfahren
auch nicht darauf habe erstrecken können. Die Bildung der Applikationsfaktoren sei zudem nicht nachvollziehbar. Auch im Jahr
2016 sei kein ordnungsgemäßes Stellungnahmeverfahren zu den Applikationsfaktoren durchgeführt worden. Zudem seien die Applikationsfaktoren
in den Beschlüssen aus den Jahren 2008 und 2016 keineswegs identisch. Außerdem sei die Anhörung zu dem aktuellen Beschluss
und nicht zu dem des Jahres 2008 durchzuführen gewesen. Schließlich habe ihr - der Antragstellerin - Portfolio im Jahre 2008
noch kein niedermolekulares Heparin umfasst.
Sie - die Antragstellerin - sei durch die unterbliebene Anhörung auch betroffen, weil ein nach der ursprünglichen Methode
gebildeter Festbetrag ein für sie günstigeres Ergebnis gehabt hätte. Auch der Umstand, dass die Änderung von einem seinerseits
zur Stellungnahme berechtigten Unternehmen vorgeschlagen worden sei, könne der Einleitung eines erneuten Stellungnahmeverfahrens
nicht entgegenstehen. Der Verzicht auf eine Anhörung sei nur zulässig, wenn die vorgeschlagene Änderung nicht in die Rechte
eines anderen betroffenen Unternehmers eingreife. Zudem liege kein Ausnahmefall vor, in dem nach der Verfahrensordnung von
einem erneuten Stellungnahmeverfahren abgesehen werden dürfe, weil der Beigeladene nicht lediglich dem Vorschlag eines Stellungnahmeberechtigten
gefolgt sei. Es verstoße zudem gegen die übergeordneten Grundsätze des Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), wenn für die Vermeidung eines erneuten Anhörungsverfahrens genügen würde, dass irgendeinem Stellungnahmeberechtigten gefolgt
werde. Denn nach dem SGB X dürfe nur dann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn nicht zu Ungunsten eines Betroffenen von seinen Angaben abgewichen
werde. Weiter verstoße die Vornahme eines Methodenwechsels im Aktualisierungsverfahren gegen §
35 Abs.
2 SGB V iVm §
7 Anlage 1 des 4. Kapitels der VerfO. Das gelte auch für einen Rückwechsel. Es könne dabei nicht darauf ankommen, ob die Änderung
als Wechsel der Methodik oder als Wechsel der Verfahrensweise bezeichnet werde. Die Entscheidungsgrundlage habe sich nämlich
maßgeblich geändert. Das zeige sich daran, dass die verschiedenen Arten der Ermittlung der Vergleichsgröße in der Anlage 1
zum 4. Kapitel der VerfO in zwei unterschiedlichen Paragraphen geregelt seien. Erst recht müsse eine erneute Anhörung erfolgen,
wenn über den normalen Entscheidungsrahmen eines Aktualisierungsverfahrens hinausgegangen werde. Der Beigeladene habe den
Methodenwechsel selbst für erheblich gehalten, was sich daraus ergebe, dass er in dem Anschreiben zur mündlichen Verhandlung
ausdrücklich auf ihn hingewiesen habe. Es handele sich nicht nur um eine rechnerische Anpassung des Festbetrags. Denn es seien
mehr als nur die Verordnungszahlen geändert worden. Auch habe der Beigeladene gegen seine formelle Begründungspflicht verstoßen.
Die von ihm gegebene Begründung sei nicht ausreichend, weil sie hinsichtlich der Handhabung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Verfahrensordnung
nicht schlüssig sei. Aus ihr ergebe sich nicht, dass der Beigeladene den Änderungswünschen eines Stellungnahmeberechtigten
gefolgt sei. Und selbst wenn im Jahr 2016 für die Anpassung der Festbeträge die gleiche Methodik wie im Jahr 2008 verwendet
worden sein sollte, stelle sich noch die Frage, warum sich die Standardapplikationsfrequenz und die Applikationsfaktoren der
Wirkstoffe geändert hätten. Wesentliche Änderungen der Entscheidungsgrundlagen seien zu begründen.
Die Festbetragsanpassung verstoße gegen §
35 Abs.
1 Satz 5
SGB V. Wenn der Beigeladene Vergleichsgrößen nicht auf Basis der angenommenen mittleren Tagesdosis bilde, müssten diese geeignet
sein, den Zweck einer Vergleichsgröße zu erfüllen. Nach Auffassung des Beigeladenen müsse die Vergleichsgröße sich weder auf
die therapeutische Wirksamkeit noch auf die Therapiekosten beziehen, sondern allein die Wirkstoffgehalte in ein mathematisches
Verhältnis setzen, um die vorhandenen Preisregulationen mittels regressionsanalytischer Verfahren abbilden zu können. Das
BSG habe zwar die im Durchschnitt tatsächlich von den Ärzten verordnete Tagesdosis als Ausgangspunkt für die Bildung der Vergleichsgröße
akzeptiert, aber auch darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Sachgerechtigkeit der Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen
Wirkstärke entstehen, wenn die Anwendungsgebiete der in einer Festbetragsgruppe erfassten Arzneimittel nicht deckungsgleich
seien, für die unterschiedlichen Anwendungsgebiete unterschiedliche Wirkstärken erforderlich wären und die Arzneimittel in
erheblichem Umfang in den unterschiedlichen Anwendungsgebieten verordnet würden (BSG v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R). Die Bildung von Vergleichsgrößen auf der Grundlage der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke könne nur dann
zu einer richtigen Aussage führen, wenn die gesamten Anwendungsgebiete der Wirkstoffe in ihrer jeweiligen tatsächlichen Breite
im Wesentlichen vergleichbar seien. Insoweit komme es auf das tatsächliche Einsatzgebiet der Wirkstoffe und nicht auf den
Umfang der arzneimittelrechtlichen Zulassung an.
Die Hauptanwendungsgebiete der niedermolekularen Heparine seien die Prophylaxe- und die Therapie-Indikation. In der Therapie-Indikation
werde ca. 5 mal so hoch dosiert wie in der Prophylaxe-Indikation. Die Verordnungsanteile der Prophylaxe- und Therapie-Indikation
seien bei den einzelnen Wirkstoffen unterschiedlich groß. Der hohe Therapieanteil etwa bei Tinzaparin liege daran, dass dieses
Arzneimittel keine arzneimittelrechtliche Zulassung zur Behandlung von Hochrisikopatienten in der Prophylaxe habe. Der angewandte
Applikationsfaktor bilde die grob unterschiedlichen Anwendungsbedingungen der einzelnen Wirkstoffe nicht ab, da zur Therapie
5 mal höher dosiert werde als zur Prophylaxe. Soweit der Beigeladene sich in anderen Verfahren gegen die Berücksichtigung
eines Versorgungsbezugs ausgesprochen habe, weil aus der Anzahl der Verordnungen nicht hergeleitet werden könne, für welche
Indikation das jeweilige Präparat vorwiegend eingesetzt werde, zeige sich eine generelle Schwäche seiner Vergleichsmethodik.
Das BSG habe ihn verpflichtet, das Wirksamwerden von Verzerrungsfaktoren zu prüfen und gegebenenfalls auszugleichen. Bei der Festbetragsgruppe
der niedermolekularen Heparine liege auch deswegen ein Sonderfall vor, weil aus der Wirkstärke der Packung auf den Anwendungsbereich
Prophylaxe oder Therapie geschlossen werden könne. Nur für drei Packungen der betroffenen Arzneimittel ergebe sich eine Anwendungsmöglichkeit
in beiden Therapiegebieten, nämlich für Nadroparin 3.800 I.E.; Nadroparin 5.700 I.E. und Reviparin 3.436 I.E. Hier seien die
Packungsgrößen auf beide Indikationen jeweils zu 50 % aufzuteilen. Die wesentliche Ursache der bei der Berechnung der Vergleichsgröße
eingetretenen Verzerrung liege in den unterschiedlichen Applikationsfaktoren. Die Applikationsfrequenz sei zu Lasten von Certoparin
zu hoch und im Vergleich zu Dalteparin, Nadroparin und Reviparin nicht diskriminierungsfrei berechnet worden. Die Applikationsfrequenz
für Tinzaparin sei dagegen zu niedrig angenommen. Beides wirke sich zu Lasten des Festbetrags für Certoparin aus. Für Certoparin
sei eine Therapie-Indikation von 2,0 statt von 1,5 angenommen worden. Deswegen betrage der Applikationsfaktor 1,33 statt 1,0.
Die Methodik des Beigeladenen berücksichtige nicht die Verordnungsanteile in verschiedenen Indikationen. Trotz unterschiedlicher
Applikationsfrequenz in den beiden Hauptindikationen beachte der angenommene Applikationsfaktor nicht, bei welcher Indikation
der Verordnungsschwerpunkt liege. Wenn ein Präparat in der Therapie-Indikation 2 mal täglich gegeben werde, mache es nach
der derzeitigen Methodik des Beigeladenen für die Berechnung des Applikationsfaktor keinen Unterschied, ob der Verordnungsanteil
der Indikation mit der täglichen Zweimalgabe bei 99 % oder bei 1 % liege. Der Applikationsgröße missachte so die Versorgungsrealität.
Das gehe zu Lasten von Certoparin, wo der Verordnungsanteil in der Prophylaxe mit der Applikationsfrequenz von 1,0 bei 70
% liege.
Der Applikationsfaktor solle sicherstellen, dass therapierelevante Tagesdosen miteinander verglichen würden. Er gleiche aus,
wenn ein Wirkstoff regelhaft zweimal täglich und ein anderer regelhaft nur einmal täglich gegeben werde. Vorliegend verkehre
er sich aber ins Gegenteil, weil er nicht berücksichtige, dass bei den Wirkstoffen Dalteparin, Nadroparin und Reviparin nicht
die Einmal- oder Zweimalgabe am Tag entscheidend sei, sondern die Menge der pro Tag gegebenen Anti-Xa-Einheiten. Certoparin
werde dadurch benachteiligt, dass ihm eine Applikationsfrequenz von 2,0 zugewiesen werde, obwohl auch bei den anderen Substanzen
regelmäßig eine zweimal tägliche Gabe erfolge, diesen aber nur eine Applikationsfrequenz von 1,5 zugewiesen werde. Darin liege
eine systematische Benachteiligung. Falsch sei auch die Annahme einer Applikationsfrequenz von 1,0 für den Wirkstoff Tinzaparin
bei der Therapieindikation, weil sie nicht berücksichtige, dass Tinzaparin wertungsmäßig zweimal täglich gegeben werde, weil
ab dem 2. Behandlungstag oral Gerinnungshemmer gegeben würden. Die falsche Beurteilung von Tinzaparin verzerre die Vergleichsgröße
zu Lasten aller anderen Heparine und damit auch zu Lasten von Certoparin.
Danach sei der Fall gegeben, dass klare Hinweise für eine Verzerrung der Vergleichsgrößenbildung durch den Applikationsfaktor
vorlägen. Für den Fall einer eintretenden Verzerrung verlange das BSG eine "intellektuelle Prüfung" möglicher Korrekturen, die aber nicht dokumentiert sei. Die Begründung des Beigeladenen, wie
sie der zusammenfassenden Dokumentation zu entnehmen sei, enthalte keine Ausführungen zu der Frage, worin er eine Verzerrung
gesehen und wie er sie behoben hat und ob die dabei angewandte Methodik zum Ausgleich etwaiger Verzerrungsfaktoren in der
Lage ist. Begründet sei auch nicht, warum anders als in den Beschlüssen vom 15. Februar 2005 und 13. März 2008 für die einzelnen
Wirkstoffe unterschiedliche Applikationsfaktoren angewandt worden seien.
Damit der ihm zustehende Gestaltungsspielraum überprüfbar werde, schulde der Beigeladene eine Begründung, die verdeutliche,
dass er von seinem Gestaltungsspielraum sachgerecht Gebrauch gemacht habe. Diese fehle in Bezug auf die Frage, wie der eingeführte
Applikationsfaktor Verzerrungen ausgleichen könne. Der Beigeladene habe auch gegen die methodischen Vorgaben aus seiner Verfahrensordnung
verstoßen, indem er von der Methodik nach § 3 auf die nach § 2 der Anlage zur Verfahrensordnung gewechselt habe. Letztere
finde nämlich nur Anwendung für Wirkstoffe mit Dauertherapie oder Mischformen aus Dauertherapie und zyklischer Therapie, die
eine unterschiedliche Applikationsfrequenz innerhalb von 24 Stunden besitzen. Bei der Prophylaxe handele es sich um eine anlassbezogene
Therapie und nicht um eine Dauertherapie. Auch sei die Anwendung der niedermolekularen Heparine nicht durch die unterschiedliche
Applikationsfrequenz geprägt. Entscheidend sei, den notwendigen Anti-Xa-Wert zu erreichen, wobei es keine Rolle spiele, ob
dies im Wege einer Einmal- oder Zweimalgabe geschehe. Danach seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 der Anlage
I zur Verfahrensordnung nicht erfüllt. Die dem Beschluss des Beigeladenen mitgegebene Begründung verdeutliche nicht, dass
die tatbestandlichen Voraussetzungen geprüft und bejaht worden seien, sie liefere auch keine Hinweise dafür, dass die Anwendung
unterschiedlicher Applikationsfaktoren sinnvoll sei. Demnach habe der Beigeladene den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum
nicht widerspruchsfrei ausgeübt und die von ihm festgesetzte Vergleichsgröße nicht willkürfrei gebildet.
Soweit der Antragsgegner vortrage, dass die im Beschluss vom 18. Februar 2016 vorgenommene Anpassung der Vergleichsgröße gegenüber
dem Beschluss vom 13. März 2008 auf einer Änderung der Verordnungsschwerpunkte beruhe, habe er das nicht nachweisen können.
Es sei nicht nur bei Certoparin, sondern auch bei anderen Wirkstoffen der Festbetragsgruppe zu Verordnungsveränderungen gekommen.
So sei etwa auch bei Reviparin eine deutliche Steigerung eingetreten, ohne dass dies zu einer Absenkung des Festbetrags geführt
habe. Auch stelle die Vergleichsgröße entgegen ihrer eigentlichen Aufgabe nicht sicher, dass die aufzuwendenden Arzneimittelkosten
unabhängig von dem jeweiligen Wirkstoff bezogen auf die individuell benötigte Tagesdosis annähernd gleich seien. So müsse
die Versichertengemeinschaft bei der Versorgung mit Dalteparin bei gleicher Leistung deutlich mehr zahlen als bei der Versorgung
mit Certoparin. Auch mit Tinzaparin sei Certoparin nicht zu vergleichen, weil Tinzaparin keine Zulassung für die Prophylaxe
bei einem hohen Risiko besitze. Im Sinne der Rechtsprechung des BSG sei entscheidend, ob die rein mathematische Herleitung zu Verzerrungen führe. Die Wirkstoffe müssten in ihrer jeweiligen
tatsächlichen Breite im Wesentlichen vergleichbar sein. Daran fehle es, wenn in der Prophylaxe- und Therapie-Indikation unterschiedlich
hoch dosiert werde und der Anteil beider Anwendungsgebiete bei den Wirkstoffen unterschiedlich hoch sei. Auch sei zu fragen,
warum die weiteren Indikationen der niedermolekularen Heparine (Onkologie und Dialyse) keine Berücksichtigung gefunden hätten.
Soweit der Antragsgegner gegen die Berücksichtigung eines Verordnungsbezugs bei der Bestimmung der Applikationsfaktoren einwende,
dass die Berücksichtigung der Prophylaxe bei onkologischen Patienten Schwierigkeiten bereite, vernachlässige dieser Einwand,
dass es sich bei der onkologischen Prophylaxe um eine Erhaltungstherapie und somit eine therapeutische Anwendung handele.
Soweit der Antragsgegner auf den Vorwurf, die Versorgungsrealität zu verkennen, entgegnet habe, dass der Applikationsfaktor
anhand der kleinstmöglichsten Applikationsfrequenz pro Indikationsbereich ermittelt werde, entspreche das nicht der tatsächlichen
Vorgehensweise. Bei Certoparin habe der Beigeladene einen Mischwert aus Prophylaxe- und Therapieindikation zugrunde gelegt
und zusätzlich eine Standardapplikationsfrequenz von 1,5 berücksichtigt. Offen bleibe aber, warum nicht alle Indikationen
zumindest in die Bildung der Standardapplikationsfrequenz mit eingehen würden. Soweit der Antragsgegner für die Bildung des
Applikationsfaktors bei Certoparin darauf verweise, dass er ausschließlich die Angaben aus Kapitel 4.3 der Fachinformation
zugrunde gelegt habe, sei ihm zu entgegen, dass nach der Verfahrensordnung die gesamte Fachinformation zu berücksichtigen
sei. Diese sehe in ihrem Kapitel 4.4 aber eine Reduzierung der Dosis vor. Auch für Tinzaparin sei der Applikationsfaktor falsch
berechnet worden. Denn Tinzaparin werde nur deshalb lediglich einmal täglich gegeben, weil zusätzlich ab dem 2. Tag ein orales
Antikoagulanz einzunehmen sei. Der Antragsgegner halte das für nicht relevant, ohne dafür aber Gründe anzugeben. Wenn auch
bei anderen Wirkstoffen der Festbetragsgruppe innerhalb von 2-3 Tagen mit der Gabe von oralen Antikoagulantien begonnen werden
müsse, zeige das nur, dass das Problem noch viel umfassender sei. Es könne bei der Festbetragsfestsetzung nicht außer Acht
gelassen werden, dass der eine Wirkstoff frühzeitig in Kombination mit einem anderen Arzneimittel eingesetzt werden müsse,
der andere jedoch erst zu einem viel späteren Zeitpunkt. Bei Certoparin werde die orale Antikoagulation erst am Ende des Therapiezeitraums
gegeben. Certoparin sei das einzige niedermolekulare Heparin, das nicht gewichtsadaptiert angewendet werde. Die nach der Fachinformation
bei der Niereninsuffizienz notwendige Dosisanpassung könne also nur durch eine Einmalgabe statt einer Zweimalgabe erfolgen.
Davon seien immerhin 13 % der Patienten betroffen. Deswegen sei bei Certoparin die Möglichkeit der Einmalgabe bei der Therapie
im Rahmen der Festlegung des Applikationsfaktors zu berücksichtigen.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 17. Juni 2016 (L 1 KR 291/16 KL) gegen den Festbetragsbeschluss des Antragsgegners vom 17. Mai 2016 für die Festbetragsgruppe "Heparine, niedermolekular
1", veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 20. Mai 2016, vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens
anzuordnen, soweit dadurch die Wirkstoffe Certoparin und Nadroparin betroffen sind.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.
Eine Antragsbefugnis der Antragstellerin sei nur für den Wirkstoff Certoparin anzuerkennen, weil in Bezuge auf den Wirkstoff
Nadroparin der Festbetrag erhöht worden sei. Im Übrigen sei der Antrag nicht begründet. Die am 17. Mai 2016 beschlossene Anpassung
des Festbetrages sei rechtmäßig. Die Antragstellerin gehe in Bezug auf die von ihr gerügten Verstöße bei der Aktualisierung
der Vergleichsgröße von einem falschen Sachverhalt aus. Bereits bei der Aktualisierung der Vergleichsgrößenbestimmung durch
Beschluss des Beigeladenen vom 13. März 2008 seien unterschiedliche Applikationsfaktoren angewandt worden. Die Vergleichsgrößenbeschlüsse
vom 13. März 2008 und 18. Februar 2016 seien nach demselben Verfahren erfolgt. Soweit die Antragstellerin einwende, dass dem
Beschluss vom 13. März 2008 kein ordnungsgemäßes Stellungnahmeverfahren vorausgegangen sei, werde darauf verwiesen, dass der
Beschluss gerichtlich nicht angegriffen und bestandskräftig geworden sei. Davon ganz abgesehen habe das Stellungnahmeverfahren
auch ordnungsgemäß stattgefunden. Auf die Applikationsfaktoren sei hingewiesen worden. Bei der Rückkehr zur Berechnung der
Vergleichsgrößen nach § 2 der Anlage I des 4. Kapitels der VerfO habe der Beigeladene Einwänden und entsprechenden Forderungen
von Stellungnehmern Rechnung getragen. Nach § 14 Abs. 2 VerfO habe das Stellungnahmeverfahren deswegen nicht erneut durchgeführt
werden müssen. Die Bestimmung der Applikationsfaktoren ergebe sich aus § 2 VerfO. Der Beigeladene sei für deren Ermittlung
nicht auf die Sachkunde der Sachverständigen angewiesen gewesen.
Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift des §
35 Abs.
2 SGB V iVm §
7 Anlage I des 4. Kapitels der VerfO lasse sich entnehmen, dass eine Aktualisierung der Vergleichsgröße nur vorliege, wenn
die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen (bis auf die Verordnungszahlen) identisch blieben. Vielmehr habe eine Aktualisierung
stets den zum Zeitpunkt des Beschlusses maßgeblichen Änderungsbedarf zu berücksichtigen. Der Beigeladene habe sich in seinen
tragenden Gründen nicht mit einer Abweichung zu früheren Applikationsfaktoren auseinandersetzen müssen.
Die Vergleichsgrößen würden als verordnungsgewichtete durchschnittliche Wirkstärken ermittelt. Sie dienten dazu, die Wirkstoffgehalte
der Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen in ein mathematisches Verhältnis zu setzen. Der Beigeladene gehe bei der Ermittlung
der Vergleichsgrößen davon aus, dass nur therapeutisch sinnvolle Wirkstärken zugelassen würden. Die Gewichtung aller Wirkstärkenausprägungen
berücksichtige die Therapiemöglichkeiten und die therapeutisch notwendigen Dosierungen und sei Ausdruck der realen Marktverhältnisse
und Verordnungsgewohnheiten. Zusätzliche Faktoren wie Applikationsfaktor und wirkstoffbezogenes Therapieintervall dienten
dem Ausgleich von Sachverhalten, die über die Verordnungsgewichtung nicht hinreichend abgedeckt würden. Dies sei der Fall,
wenn ein Wirkstoff anders als andere regelhaft mehrfach am Tage verabreicht werde (Applikation) oder seine Wirkung einen deutlich
längeren Behandlungszeitraum abdecke (Therapieintervall). Unterschiedliche Anwendungsgebiete und Dosierungen würden dagegen
über die Verordnungsgewichtung erfasst. Die Änderung der Vergleichsgrößen begründe sich aus Änderungen des ärztlichen Verordnungsverhaltens,
neuen Wirkstärken oder Änderungen der Applikationsvorgaben.
Das Stellungnahmeverfahren diene vorrangig dem öffentlichen Interesse, es solle sichergestellt werden, dass die Sachkunde
der pharmazeutischen Unternehmer, der Apotheker sowie der Sachverständigen der besonderen Therapierichtungen Berücksichtigung
findet. Es diene nicht dem Schutz privater Interessen einzelner pharmazeutischer Unternehmer (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg
v. 27. Februar 2008 - L 7 B 112/07). Die Antragstellerin habe auch Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, davon aber keinen Gebrauch gemacht. Schon aus dem Gesetz
ergebe sich, dass sie nicht zur mündlichen Anhörung einzuladen gewesen sei, weil sie keine schriftliche Stellungnahme abgegeben
habe. Es habe auch nicht die Notwendigkeit bestanden, das Stellungnahmeverfahren erneut durchzuführen. Die von der Antragstellerin
benannte Änderung der Methodik bewirke lediglich die Anwendung einer anderen Verfahrensweise zur Ermittlung der Vergleichsgrößen,
bedeute jedoch keine Abkehr von der Methode der verordnungsgewichteten Wirkstärke. Der Beigeladene habe zwar zunächst die
Bildung der Vergleichsgrößen nach § 3 der Anlage I der Verfahrensordnung vorgesehen, sei nach Auswertung der Stellungnahmen
aber zur Anwendung des bereits im Jahre 2008 praktizierten Verfahren nach § 2 der Anlage I zur VerfO zurückgekehrt. Da die
Methode der verordnungsgewichteten Wirkstärke nicht geändert worden sei, sei die Durchführung eines erneuten Stellungnahmeverfahrens
nicht notwendig gewesen. Die Sachverständigenanhörung sei keine Anhörung im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts (Hinweis
auf LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22. Mai 2008 - L 24 KR 1227/05). Deswegen seien die Verfahrensvorschriften des SGB X nicht anwendbar. Der Beigeladene müsse die eingegangenen Stellungnahmen zwar in seine Entscheidung mit einbeziehen, er müsse
aber nicht erneut ein Stellungnahmeverfahren einleiten, wenn er aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen von seiner ursprünglichen
Konzeption wieder abweichen wolle (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22. Mai 2008 - L 24 KR 1227/05). Die VerfO des Beigeladenen sehe in ihren §§ 1 - 6 der Anlage 1 zum 4. Kapitel sechs Ansätze zur Ermittlung von Vergleichsgrößen
nach der Methode der verordnungsgewichteten Wirkstärken vor, von denen für den streitgegenständlichen Festbetrag lediglich
die §§ 2 und 3 in Frage kämen. Wenn einer von zwei möglichen Ansätzen von den Stellungnehmern abgelehnt werde, bleibe nur
der andere. Außerdem sei auch von einem Stellungnehmer ausdrücklich gefordert worden, nach § 2 vorzugehen. Im Hinblick auf den Umfang der Begründungspflicht sei auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu verweisen
(BSG v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R). Der Beigeladene habe seine diesbezüglichen Pflichten durch die zusammenfassende Dokumentation erfüllt. Das BSG habe die vom Beigeladenen zugrunde gelegte Methode der verordnungsgewichteten Wirkstärke auch bereits anerkannt (Hinweis
auf BSG v. 1. März 2011 - B 1 KR 10/10 R und v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R). Der Beigeladene habe für die Ermittlung der Vergleichsgröße einen Beurteilungsspielraum.
Die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine Verzerrung der Vergleichsgröße lägen nicht vor. Das BSG habe für rechtlich unbedenklich gehalten, als Ausgangspunkt die im Durchschnitt tatsächlich von den Ärzten verordnete Tagesdosis
zu wählen, wenn die unterschiedlichen Wirkstoffe im Wesentlichen für gleiche Anwendungsgebiete vorgesehen seien oder Abweichungen
bei den zugelassenen Anwendungsgebieten unwesentlich seien. Alle Wirkstoffe der streitigen Festbetragsgruppe seien für die
Prophylaxe und Therapie tiefer Venenthrombosen zugelassen. Es handele sich um zwei gemeinsame Anwendungsgebiete. Der Beigeladene
habe in seiner Dokumentation ebenfalls eine Verzerrung verneint.
Die Vergleichsgrößen und die diesen zugrunde liegenden Applikationsfaktoren seien zutreffend ermittelt. Applikationsfaktoren
sollten unterschiedliche Applikationsfrequenzen der von einer Festbetragsgruppe erfassten Wirkstoffe ausgleichen. Für die
Wirkstoffe Certoparin und Enoxaparin sei ausschließlich eine zweimal tägliche Gabe vorgesehen, der Wirkstoff Tinzaparin sei
dagegen in allen Anwendungsgebieten ausschließlich einmal täglich anzuwenden. Die Vergleichsgrößen sollten nach der Rechtsprechung
des BSG sicherstellen, dass die aufzuwendenden Arzneimittelkosten unabhängig vom jeweiligen Wirkstoff für die von jedem Versicherten
benötigte Arzneimitteldosis ungefähr gleich seien. Das leisteten die nach der Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen
Wirkstärke ermittelten Vergleichsgrößen. Im Durchschnitt betrage die Arzneimitteldosis, die einem Versicherten für alle zugelassenen
Indikationen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Applikationshäufigkeit verordnet werde, für Certoparin 6097 Anti-Xa
I.E. und für Tinzaparin 7385 Anti-Xa I.E. In diese Werte sei jede individuell benötigte (und verordnete) Arzneimitteldosis
eingeflossen. Die von den Krankenkassen dafür aufzuwendenden Arzneimittelkosten seien annähernd gleich, nämlich höchstens
der Festbetrag. Entgegen der Antragstellerin sei die Applikationsfrequenz für Certoparin nicht fehlerhaft ermittelt worden.
Der Beigeladene habe entsprechend seiner Verfahrensordnung auf die Fachinformationen abgestellt. Deren Struktur sei arzneimittelrechtlich
vorgegeben, die relevanten Angaben fänden sich unter 4.2 "Dosierung, Art und Dauer der Anwendung". Die Fachinformation für
das Arzneimittel Mono-Embolex® 8000 I.E. mit dem Wirkstoff Certoparin sehe ausschließlich eine zweimal tägliche Gabe vor.
Unklar bleibe, ob im Hinblick auf die Formulierung, dass die Dosis bei bestimmten Patienten individuell anzupassen sei, auch
im Bereich der Therapie eine einmal tägliche Gabe möglich sei. Die Ausweisung der Applikationsfrequenzen von 1 und 2 für die
Wirkstoffe Dalteparin und Nadroparin habe ihren Grund in den entsprechenden Angaben der jeweiligen Fachinformation. Zu Unrecht
verlange die Antragstellerin für die Bestimmung des Applikationsfaktors zu berücksichtigen, dass 70% der Verordnungen von
Certoparin im Bereich der Prophylaxe erfolgten, bei dem die tägliche Einmalgabe die Regel sei. Der Rückgriff auf die Fachinformation
erfolge deswegen, weil in der Regel nicht bekannt sei, welche tägliche Anwendungshäufigkeit eines Wirkstoffes welche Relevanz
in der ärztlichen Verordnungspraxis habe. Zwar sei für Certoparin ein Rückschluss von der Wirkstärke auf die in der Fachinformation
ausgewiesenen Anwendungshäufigkeiten möglich, dass sei jedoch nicht für alle Wirkstoffe der Festbetragsgruppe der Fall. Im
Hinblick auf die bemängelte Nichtberücksichtigung der Versorgungsrealität ergebe sich aus der Verfahrensordnung des Beigeladenen,
dass der Applikationsfaktor pro Wirkstoff anhand der kleinstmöglichsten Applikationsfrequenzen pro Indikationsbereich ermittelt
werde. Denn die Relevanz der jeweiligen Anwendungshäufigkeit eines Wirkstoffes in der ärztlichen Verordnungspraxis sei nicht
bekannt. In der Regel werde bei mehreren Möglichkeiten eine häufige Anwendung eher der Ausnahmefall sein. Soweit die Antragstellerin
geltend mache, dass der Applikationsfaktor für Tinzaparin fehlerhaft sei, weil zusätzlich weitere Arzneimittel verabreicht
würden, sei darauf hinzuweisen, dass der Applikationsfaktor nach der Verfahrensordnung grundsätzlich entsprechend den Angaben
in der Fachinformation zu bestimmen sei. Die Verabreichung weiterer Arzneimittel sei daneben nicht relevant. Im Übrigen übersehe
die Antragstellerin, dass nicht nur bei Tinzaparin, sondern auch bei den in die Festbetragsgruppe gehörenden Arzneimitteln
Clexane und Fraxodi orale Antikoagulanzien gegeben werden sollten. Die von der Antragstellerin vorgenommene Zuweisung von
Verordnungsanteilen zur Prophylaxe und Therapie-Indikation sei nicht sachgerecht. So ergebe sich aus den Fachinformationen,
dass bei onkologischen Patienten zur Prophylaxe erheblich höhere Dosierungen über längere Zeiträume eingesetzt würden. Neben
den von der Antragstellerin genannten Wirkstärken seien also weitere Wirkstärken in beiden Bereichen anwendbar. Lediglich
bei Certoparin und Enoxaparin lasse sich den Wirkstärken ein eindeutiger Anwendungsbereich zuordnen.
Soweit die Antragstellerin eine Schlechterstellung von Certoparin im Verhältnis zu Dalteparin bemängele, sei darauf hinzuweisen,
dass der Festbetrag annähernd gleich sei. Falsch sei die Vorstellung, dass das Verhältnis der Festbeträge unterschiedliche
Risiken innerhalb eines Anwendungsgebietes abbilden müsse. Es werde maßgeblich vom Markt bestimmt, welchen Festbetrag ein
Arzneimittel erhalte. Auch seien die drei Wirkstoffe Certoparin, Tinzaparin und Dalteparin übereinstimmend für das mittlere
Risiko zugelassen.
Die Vergleichsgrößen der Festbeträge seien entgegen den Vorstellungen der Antragstellerin nicht indikationsbezogen zu ermitteln.
Die gewählte Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke errechne für jeden Wirkstoff einen Einzelwert
als Vergleichsgröße, der sich am ärztlichen Verordnungsverhalten orientiere. Alle Verordnungen würden in die Vergleichsgröße
einfließen. Die Festbetragsregelung in §
35 SGB V unterscheide nicht zwischen unterschiedlichen Indikationen. Festbeträge könnten gerade nicht nur bei Identität der Indikationen
gebildet werden. Es gebe keine gesonderten Festbeträge für bestimmte Indikationen. Eine solche Differenzierung sei auch nicht
umsetzbar, weil die Indikation nicht in der Verordnung angegeben werde. Auch die Preisgestaltung des pharmazeutischen Unternehmers
unterscheide sich nicht nach einzelnen Indikationen. Deswegen sei auch der Festbetrag nicht indikationsspezifisch zu ermitteln.
Soweit die Antragstellerin eine Verzerrung geltend mache, weil die Anwendungsgebiete Prophylaxe tiefer Venenthrombosen und
Therapie tiefer Venenthrombosen miteinander verglichen würden, sei darauf hinzuweisen, dass alle Wirkstoffe für beide Anwendungsgebiete
zugelassen seien. Es träfe auch für alle Wirkstoffe zu, dass sie im Anwendungsgebiet Prophylaxe niedriger dosiert würden.
Demnach wären vorliegend gleiche Sachverhalte miteinander verglichen worden. Der Hinweis darauf, dass Certoparin bei Patienten
mit schwerer Beeinträchtigung der Nierenfunktion im Bereich der Therapie nur einmal täglich verabreicht werde, betreffe nur
einen sehr kleinen Personenkreis und sei schon deswegen nicht geeignet, die regelhafte zweimal tägliche Anwendung in Frage
zu stellen.
Die Festsetzung des Festbetrags sei danach rechtmäßig. Die Antragstellerin habe auch kein überwiegendes Interesse an der Anordnung
der aufschiebenden Wirkung geltend gemacht. Die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin sei nicht bedroht. Ihr verbleibe
trotz des berechneten Umsatzrückgangs noch ein erhebliches Umsatzvolumen. Auch habe die Antragstellerin eine Gegenrechnung
mit der für den Wirkstoff Nadroparin erfolgten Erhöhung des Festbetrags unterlassen sowie keine Angaben zu ihren Gesamtumsätzen
gemacht. Dahingegen stehe für die gesetzlichen Krankenkassen ein Einsparvolumen von 14 Mio Euro auf dem Spiel, das auf der
Basis der Annahme eines unveränderten Verordnungsverhaltens der Ärzte errechnet worden sei. Jedenfalls könnte die aufschiebende
Wirkung der Klage nur beschränkt auf die Arzneimittel der Antragstellerin mit dem Wirkstoff Certoparin angeordnet werden.
Der Beigeladene beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Stellungnahme des Antragsgegners schließe er sich vollumfänglich an. Die Festsetzung des Festbetrages sei nicht offensichtlich
rechtswidrig. Der Gesetzgeber habe der schnellen Umsetzung der Festbeträge den Vorrang gegenüber dem Rechtsschutzinteresse
der pharmazeutischen Unternehmer eingeräumt. Die Anpassung der Festbeträge erfolge als normale Reaktion auf Veränderungen
der Marktlage. Ein überwiegendes Interesse an der Aussetzung habe die Antragstellerin nicht geltend gemacht. Die Heparine
machten an ihrem Portfolio keinen überwiegenden Anteil aus, der es rechtfertigen würde, ihre wirtschaftlichen Interessen über
die der Beitragszahler zu stellen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Festbetrag für den Wirkstoff Nadroparin, mit
dem die Antragstellerin ebenfalls am Markt sei, erhöht worden ist. Deswegen bleibe die Darstellung ihrer wirtschaftlichen
Betroffenheit unvollständig.
Eine willkürliche Benachteiligung der Antragstellerin sei nicht feststellbar. Er - der Beigeladene - habe nicht pflichtwidrig
unterlassen, die Antragstellerin zur mündlichen Anhörung einzuladen. Das Recht zur Stellungnahme sei kein verfahrensbezogenes
Mitwirkungsrecht. Das Stellungnahmeverfahren diene dazu, ihm - den Beigeladenen einen Überblick über das Für und Wider einer
beabsichtigten Richtlinienänderung und die bestehende Interessenlage zu verschaffen. Die Antragstellerin habe von der auch
ihr eröffneten Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht. Dass sie dann nicht zur Teilnahme
an der mündlichen Anhörung eingeladen wurde, stehe in Übereinstimmung mit §
91 Abs.
9 Satz 1
SGB V. Im Gesetz sei keine Diskussion von Fragestellungen vorgesehen, die sich unabhängig von den eingereichten schriftlichen Stellungnahmen
stellten. Auch könne die Antragstellerin nicht aus der Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens ableiten, dass genau die beabsichtigte
Richtlinienänderung umgesetzt werden müsse. Vielmehr handele es sich um Entwürfe, die nach Auswertung und Beratung der Stellungnahmen
noch Änderungen unterliegen könnten. Ein Stellungnahmeentwurf sei keine verbindliche Vorabfestlegung des Beschlussgremiums
(Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27. Februar 2008 - L 7 B 112/07 KA ER). Die Antragstellerin werde auch nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass nach den gegenüber dem Beschlussentwurf
vorgenommenen Änderungen kein erneutes Stellungnahmeverfahren durchgeführt worden sei. Mit den Änderungen sei kein Methodenwechsel
eingeleitet, sondern das bereits im Jahre 2008 zugrunde gelegte Berechnungsverfahren fortgeführt worden. Er - der Beigeladene
- sei auch nicht auf die rechnerische Anpassung aktueller Jahresdaten beschränkt. Bereits in dem Beschlussentwurf seien nämlich
notwendige Anpassungen der Gruppenbildung und der Vergleichsgrößenbestimmung vorgenommen worden. Die aufgrund der Abgabe einer
schriftlichen Stellungnahme zur mündlichen Anhörung einzuladenden Unternehmen und Organisationen seien ohne rechtliche Verpflichtung
darauf hingewiesen worden, dass er - der Beigeladene - aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen eine Rückkehr zu der ursprünglichen
Berechnungsweise erwäge. Es entspräche dem Wesen des Stellungnahmeverfahrens, erhobenen Einwendungen Rechnung zu tragen und
vorgeschlagene Änderungen am Beschlussentwurf zu erwägen. Nach dem 1. Kapitel § 14 Satz 2 der VerfO würden Änderungen am Beschlussentwurf,
die von Stellungnahmeberechtigten vorgeschlagen würden, daher kein erneutes Stellungnahmerecht auslösen. Anderenfalls würde
die Entscheidungsfindung unangemessen verzögert. Die Verfahrenshoheit liege beim Beschlussgremium. Die Beibehaltung der ursprünglichen
Berechnungsweise sei von anderen Stellungnehmern ausdrücklich gefordert worden. Er - der Beigeladene - habe diesen berechtigten
Einwänden Rechnung getragen.
Soweit die Antragstellerin die Sachgerechtigkeit der Vergleichsgrößenermittlung in Frage stelle, habe er - der Beigeladene
- sich dazu bereits in den tragenden Gründen zu seinem Beschluss positioniert. Ungeachtet des ihm - dem Beigeladenen - zustehenden
Gestaltungsspielraums trage die Antragstellerin Verzerrungsaspekte vor, die bei Anwendung der Methodik nach § 3 der Anlage
I zur VerfO gegeben sein könnten und deswegen Veranlassung gegeben hätten, die Vergleichsgrößenbildung weiter nach § 2 der
Anlage I zur VerfO vorzunehmen. Das entspreche auch der Vorgehensweise bei der Beschlussfassung im Jahr 2008. In Bezug auf
die Applikationsfaktoren liege bei den Heparinen die Besonderheit vor, dass sie sich hinsichtlich ihrer Applikationsfrequenz
nur in der Therapie unterschieden. Die so ermittelten Ausprägungen der Applikationsfrequenz und der daraus ermittelte Durchschnittswert
könne generell als Applikationsfaktor des Wirkstoffs herangezogen werden. Es werde eine Standardapplikationsfrequenz ermittelt,
welche die Abweichungen vom Durchschnitt eines Merkmals berücksichtige, um den Unterschieden der Wirkstoffe Rechnung zu tragen.
Nach den jeweiligen Fachinformationen lägen unterschiedliche Applikationsfrequenzen der Wirkstoffe nur im gemeinsamen Anwendungsgebiet
der Therapie tiefer Venenthrombosen vor, weswegen die Ermittlung einer Standardapplikationsfrequenz entsprechend § 2 Nr. 3
Abs. 5 Anlage I zur VerfO erfolge. Diese Standardapplikationsfrequenz werde zu den entsprechenden Durchschnittswerten für
das Anwendungsgebiet ins Verhältnis gesetzt. Der Applikationsfaktor ergebe sich also nicht nur aus dem gruppenbezogen ermittelten
Durchschnittswert pro Wirkstoff. Die Vergleichsgröße sei nicht in einer Weise wettbewerbsverzerrend, dass sie mit einer am
Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar wäre. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Differenzierungsmerkmale
gegenüber anderen Wirkstoffen würden deutlich machen, dass sich die Heparine seit der Beschlussfassung im Jahr 2008 hinsichtlich
ihrer Anwendungsspektren noch einmal erheblich angenähert hätten. Bespielhaft werde darauf hingewiesen, dass bei Niereninsuffizienten
eine Anpassung der Dosierung nicht nur bei dem Wirkstoff Certoparin erfolgen müsse, sondern bei dieser Patientengruppe alle
Heparine mit Vorsicht und Dosiskontrolle einzusetzen seien. Die Antragstellerin greife Detailaspekte heraus, deren Klärung
dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben sollte. Hinsichtlich der Sachgerechtigkeit der Vergleichsgrößenbestimmung sei
der Ausgang des Hauptsacheverfahrens zumindest offen. Die Interessenabwägung gehe dann zu Lasten der Antragstellerin.
Die Ermittlung der Standardapplikationsfrequenzen sei bereits Gegenstand des Stellungnahmeverfahrens im Jahre 2008 gewesen.
Soweit sich die Standardapplikationsfrequenzen des Jahres 2016 von diesen unterschieden, sei darauf hinzuweisen, dass die
in die Festbetragsgruppen einbezogenen Wirkstoffe sich in ihren Anwendungsgebieten, insbesondere hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten
in Therapie und Prophylaxe angeglichen hätten. Die Berechnung sei wieder anhand der Vorgaben § 2 Nr. 3 Absatz 5 der Anlage
1 zum 4. Kapitel der VerfO erfolgt. Er - der Beigeladene - sei bei der Aktualisierung der Vergleichsgrößen nicht in seinem
Beschlussgegenstand beschränkt. Die im Hinblick auf die Applikationsfrequenz vorgetragenen Einwände wegen Dosisabweichungen
bei eingeschränkter Nierenfunktion sowie der Berücksichtigung der gleichzeitigen Gabe von Antikoagulantien überzeugten nicht,
weil diese Umstände alle Wirkstoffe gleichermaßen betreffen würden. Es fehle auch Vortrag dazu, welche konkreten Auswirkung
auf die Festbetragssetzung sich ergebe, die zu einer mit dem Gerechtigkeitsdenken nicht mehr zu vereinbarenden Verzerrung
führe. Allein dass die Anpassung für die Antragstellerin zu einem ungünstigeren Ergebnis führe, reiche nicht aus.
Der Gegenstand des Verfahrens sei zu beschränken auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Änderungen, die gegenüber dem ursprünglichen
auf der Basis des Verfahrens aus dem Jahre 2008 in Rechtskraft erwachsenen Festbetrags vorgenommen worden seien. In die Abwägung
seien auch die Vorteile einzubeziehen, welche die Antragstellerin aus der Anpassung des Festbetrags ziehe. Wesentlich sei,
dass sich das Stellungnahmerecht nach §
92 Abs.
3a SGB V erheblich von anderen verfahrensbezogenen Mitwirkungsrechten unterscheide. Es sei nämlich Sache des Stellungnahmeberechtigten,
sich über eine schriftliche Einlassung das Recht auf mündliche Anhörung und Einbeziehung in den weiteren Verfahrensverlaufs
zu sichern. Die Antragstellerin habe von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
Für die vorgenommene Vergleichsgrößenbestimmung gebe es gute Gründe. Die Angriffe wegen etwaiger Verzerrungen blieben dagegen
pauschal. Die Auseinandersetzung darüber solle dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners
Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, soweit die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Festbetragsbeschluss
des Antragsgegners vom 17. Mai 2016 mit Bezug auf den Wirkstoff Certoparin begehrt. Nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist Gericht der Hauptsache,
da es nach §
29 Abs.
4 Nr.
3 SGG ausschließlich zuständig für eine Klage gegen einen von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen festgesetzten Festbetrag
ist. Die Antragstellerin führt seit dem 25. Juli 2016 die am 17. Juni 2016 erhobene Klage gegen die am 17. Mai 2016 erfolgte
Anpassung des Festbetrages für die Festbetragsgruppe "Heparine, niedermolekular 1" durch den Antragsgegner. Klagen gegen die
Festsetzung eines Festbetrages haben nach §
35 Abs.
7 Satz 2
SGG keine aufschiebende Wirkung. Ein vorheriges Widerspruchsverfahren findet nach §
54 Abs.
1 Satz 2
SGG iVm §
35 Abs.
7 Satz 3
SGB V nicht statt. Richtige Klageart ist eine Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 Satz 1 Alternative 1
SGG. Die Festsetzung eines Festbetrags ist Verwaltungsakt in der Erscheinungsform der in § 31 Satz 2 SGB X geregelten Allgemeinverfügung (BVerfG Urt. v. 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95; 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - juris Rn 31; BSG Urt. v. 22. November 2012 - B 3 KR 19/11 R - juris Rn 21, v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R - juris Rn 12).
Der Antragstellerin fehlt nicht die entsprechend §
54 Abs.
1 Satz 2
SGG auch für einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage erforderliche Beschwer. Sie
ist Inhaberin der Vertriebsrechte für die Arzneimittel Mono-Emolex®, Fraxiparine® und Fraxodi® mit den Wirkstoffen Certoparin
und Nadroparin. Die Möglichkeit, dass die Antragstellerin durch die angegriffene Festsetzung des Festbetrags in eigenen Rechten
verletzt wird, kann nicht ausgeschlossen werden, soweit der Wirkstoff Certoparin betroffen ist ...
Für die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten verweist der erkennende Senat auf seine bisherige Rechtsprechung,
wonach die Hersteller und Vertriebsfirmen von Arzneimitteln jedenfalls gerichtlich geltend machen können, dass die Festsetzung
eines Festbetrages gegen ihre Grundrechte aus Art.
3 Abs.
1 und 12
Grundgesetz -
GG - (ggfls. iVm. Art.
19 Abs.
3 GG) verstößt (Urt. v. 4. Mai 2016 - L 1 KR 54/14 KL ZVW - juris Rn. 92; v. 22. Juni 2012 - L 1 KR 296/09 KL - juris Rn 80; Beschluss v. 6. Dezember 2011 - L 1 KR 184/11 ER - juris Rn. 73). Auch wenn die in §
35 SGB V enthaltenen Vorgaben über die Festsetzung von Festbeträgen keinen drittschützenden Charakter haben, ihr Zweck offensichtlich
nicht ist, die Interessen der pharmazeutischen Industrie zu schützen, kann sich doch aus der mit der Festsetzung von Festbeträgen
einhergehenden Einflussnahme auf den Wettbewerb eine grundrechtsrelevante Rechtsverletzung ergeben. Zwar konkretisiert die
Festsetzung von Festbeträgen nur den ohnehin im
SGB V angelegten Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und damit auch den Wettbewerb der pharmazeutischen Unternehmer untereinander (BVerfG
Urt. v. 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95; 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - juris Rn 110). Die in Art.
12 GG geschützte Berufsfreiheit geht auch nicht soweit, den Unternehmern das Recht einzuräumen, vom Wettbewerb verschont zu bleiben
(BVerfG Urt. v. 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95; 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - juris Rn 123). Sie schützt zwar die Freiheit der Unternehmer, selbst über die Preise der von ihnen angebotenen Waren zu
bestimmen. Gleichsam geschützt ist aber auch das Recht der Abnehmer, selbst darüber zu entscheiden, ob sie zu diesen Preisen
kaufen wollen oder nicht (BVerfG, Urt. v. 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95; 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - juris Rn. 105). Wegen der mit der Festsetzung von Festbeträgen einhergehenden steuernden Wirkung ist jedoch auch insoweit
das aus Art.
3 Abs.
1 GG herzuleitende Willkürverbot zu beachten, dass für dirigistische Maßnahmen der öffentlichen Hand hinreichende sachliche Gründe
verlangt. Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt nach der sog. "neuen Formel" des BVerfG, dass Gründe von solcher Art und
Gewicht vorhanden sind, welche die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Diese Gründe müssen im Falle der Festsetzung von Festbeträgen
für Arzneimittel insbesondere auch vor der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Pharmazeutischen Unternehmer
bestehen können. Demnach können die Antragsteller hier insoweit in eigenen Rechten betroffen sein, als sie geltend machen,
dass die streitige Festsetzung des Festbetrages sachwidrig, nämlich willkürlich erfolgt sei. Eine darüber hinausgehende Darlegung
einer Wettbewerbsbeeinträchtigung ist nicht erforderlich.
Die Rechtsprechung des BVerfG steht dem nicht entgegen. Soweit das BVerfG ausgeführt hat, dass die im Gesetz verankerte Ermächtigung
der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Festsetzung von Festbeträgen die pharmazeutischen Unternehmer nicht in ihrer Berufsfreiheit
verletze (BVerfG Urt. v. 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95; 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - juris Rn. 101), meinte es die Ermächtigung an sich. Das BVerfG wollte damit nicht Möglichkeiten beschneiden, gegen eine
willkürlich erfolgte Umsetzung der gesetzlichen Ermächtigung gerichtlich vorzugehen, wenn die Umsetzung erhebliche tatsächliche
Auswirkungen für betroffene Unternehmer mit sich bringt. Auch das BSG geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass die von den Auswirkungen von Festbetragsfestsetzungen betroffenen Unternehmer
das Recht haben, die Entscheidungen auf Willkür hin überprüfen zu können (BSG Urt. v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R - juris Rn. 13; Urt. v. 22. November 2012 - B 3 KR 19/11 R - juris Rn. 38).
Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass die pharmazeutischen Unternehmer eine Verletzung des in §
35 Abs.
3 Satz 3 iVm §
35 Abs.
2 SGB V verankerten Anhörungsrechts gerichtlich geltend machen können (BSG v. 17. September 2013 - B - 1 KR 54/12 R; juris Rn. 20; Urt. v. 1. März 2011 - B 1 KR 7/10 R - juris Rn. 13). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung, da das Anhörungsrecht nur für einen begrenzten, nämlich dem in §
35 Abs.
2 SGB V genannten Kreis der an der Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung Mitwirkenden und erkennbar in
deren Interesse eingeführt worden ist (vgl. bereits Urt. v. 8. April 2016 - L 1 KR 476/12 KL - juris Rn. 32). Soweit der 7. Senat des LSG Berlin-Brandenburg die Auffassung vertreten hat, dass das Anhörungsrecht
ausschließlich im öffentlichen Interesse bestehe (Beschluss v. 27. Februar 2008 - L 7 B 112/07 KA ER - juris Rn. 23), kann daran angesichts der jetzigen Fassung des §
91 Abs.
9 SGB V nicht festgehalten werden (Wiegand in jurisPK
SGB V, 3. Aufl., §
92 Rn. 71).
Der Antragstellerin hat schließlich auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihr beantragte Anordnung der aufschiebenden
Wirkung der Klage, soweit es den Wirkstoff Certoparin betrifft. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Antragstellerin
durch die Festbetragsanpassung nachteilig betroffen wird. Sie verweist darauf, dass die die Preise für das von ihr vertriebene
Arzneimittel Mono Embolex® mit dem Wirkstoff Certoparin um 11,6 % bis 14,9 % (je nach Packungsgröße) absenken musste, um den
neuen Festbetrag zu erreichen. Daraus errechnet sie einen Schaden von gut 6,389 Mio EUR. Eine erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigung
ist schon durch die prozentuale Höhe der vorgetragenen Preissenkung glaubhaft gemacht, ohne dass es darauf ankommt, auf welcher
Grundlage die Absatzzahlen die für das Jahr 2016 zu besorgenden Umsatzeinbußen zu schätzen sind. Über die drohenden Umsatzeinbußen
hinaus muss die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht im Einzelnen weiter glaubhaft gemacht werden.
Der Senat bleibt dazu bei seiner Rechtsprechung, dass im Rahmen des §
86 Abs.
1 SGG nicht wie für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86 Abs.
2 SGG ein besonderer Anordnungsgrund erforderlich ist (Beschluss v. 6. Dezember 2011 - L 1 KR 184/11 ER - juris Rn. 86).
Ausgeschlossen ist eine Beeinträchtigung der Antragstellerin dagegen insoweit, als der Wirkstoff Nadroparin betroffen ist.
Der angefochtene Beschluss hat insoweit den Festbetrag erhöht, so dass in Bezug auf Nadroparin keinerlei Nachteile für die
Antragstellerin zu besorgen sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob möglicherweise Anspruch auf einen noch höheren Festbetrag
besteht, weil Maßstab des Rechtsschutzziels bei einer Anfechtungsklage die Abwehr einer Belastung, nicht der Gewinn einer
Begünstigung ist. Die Antragstellerin kann durch ihre gegen den Anpassungsbeschluss des Antragsgegners vom 17. Mai 2016 gerichtete
Klage nicht mehr erreichen, als dass wieder der alte niedrigere Festbetrag für Nadroparin gilt. Bezeichnender Weise hat sie
in Bezug auf Nadroparin davon abgesehen, einen möglichen Schaden zu beziffern.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nicht begründet, soweit er zulässig ist. Nach welchen
Maßstäben über die Aussetzung einer sofortigen Vollziehung zu entscheiden ist, gibt der Gesetzgeber in §
86b Abs.
1 Satz Nr.
1 SGG nicht ausdrücklich vor. Hat der Gesetzgeber aber - wie es §
86b Abs.
1 Satz Nr.
1 SGG voraussetzt - an anderer Stelle die sofortige Vollziehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung angeordnet, nimmt er damit grundsätzlich
in Kauf, dass eine angefochtene Entscheidung wirksam bleibt, obwohl über ihre Rechtmäßigkeit noch nicht abschließend entschieden
worden ist. Soweit er von diesem Grundsatz in §
86b Abs.
1 Nr.
1 SGG Ausnahmen ermöglicht, müssen dafür besondere Voraussetzungen gegeben sein: Zunächst ist in den Fällen einer offensichtlichen
Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes die Vollziehbarkeit auszusetzen, weil dann kein öffentliches Interesse
an einer Vollziehung erkennbar ist. Unterbleiben muss die Aussetzung dagegen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich
aussichtslos ist. Hier gibt es keine Veranlassung, von dem vom Gesetzgeber für richtig gehaltenen Grundsatz der sofortigen
Vollziehbarkeit abzuweichen. In den übrigen Fällen, in denen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht klar
erkennbar ist, kommt es auf eine Interessenabwägung an (BT-Drs 11/3480, S. 54). Je geringer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs
sind, desto mehr muss für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, damit trotz bloßer Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer angefochtenen
Maßnahme entgegen der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers die aufschiebende Wirkung angeordnet werden kann (vgl.
zum ganzen Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 11. Aufl., §
86b Rn. 12f mit weit. Nachw.).
Bei Beachtung dieser Maßstäbe kann der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hier keinen Erfolg haben. Die Antragstellerin
hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie durch die sofortige Vollziehbarkeit der Festbetragsanpassung schwer und unwiederbringlich
getroffen wird. Offensichtlich ist sie in der Lage, die Abgabepreise für Mono Embolex® an den neuen Festbetrag anzupassen,
ohne dass dadurch ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet wird. Die Antragstellerin hat nichts Gegenteiliges vorgetragen,
geschweige denn glaubhaft gemacht. Deswegen könnte nur die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Antragsgegners
vom 17. Mai 2016 die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen. Nach Auffassung des Senats ist die vorgenommen Anpassung der
Festbeträge für niedermolekulare Heparine aber jedenfalls nicht eindeutig und offensichtlich rechtswidrig. Bestehende Zweifel
an der Rechtmäßigkeit der Festbetragsanpassung reichen für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach dem eben
gesagten nicht aus.
Rechtgrundlage für die mit Beschluss vom 17. Mai 2016 erfolgte Anpassung des Festbetrages für die Festbetragsgruppe "Heparine,
niedermolekular 1" durch den Antragsgegner ist §
35 Abs.
3 Satz 1
SGB V iVm §
35 Abs.
5 Satz 3
SGB V. Die Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel ist in §
35 SGB V in einem mehrstufigen Verfahren geregelt. Nachdem der Beigeladene gemäß §
35 Abs.
1 SGB V bestimmt hat, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festzusetzen sind, setzt der Antragsgegner gemäß §
35 Abs.
3 SGB V den jeweiligen Festbetrag auf der Grundlage von rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderer geeigneter Vergleichsgrößen
fest. Dabei ist die Ermittlung der rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderer geeigneter Vergleichsgrößen
gemäß §
35 Abs.
1 Satz 5
SGB V Sache des Beigeladenen. Näheres über die von dem Beigeladenen zu beachtende Vorgehensweise ergibt sich aus der von ihm nach
§
91 Abs.
4 SGB V zu beschließenden Verfahrensordnung. Nach §
35 Abs.
5 Satz 3
SGB V sind Festbeträge mindestens einmal im Jahr zu überprüfen und in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen.
Besondere Vorschriften für die Durchführung dieser Überprüfung enthält das
SGB V nicht. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Überprüfung nach den für die erstmalige Festsetzung eines Festbetrags
geltenden Vorschriften zu erfolgen hat. Damit stehen alle Faktoren, die in der Vergangenheit zur Bildung eines Festbetrags
geführt haben, wieder zur Disposition des Beigeladenen und des Antragsgegners. Soweit in § 7 der Anlage 1 zum 4. Kapitel der
VerfO vorgesehen ist, dass eine Aktualisierung der Vergleichsgrößen durch rechnerische Anpassung zu erfolgen hat, wird dem
Beigeladenen eine vereinfachte Möglichkeit der Anpassung eröffnet, ohne ihn aber darauf zu beschränken. Das ergibt sich schon
aus dem höheren Rang des
SGB V. Es gibt folglich keine Rechtsgrundlage für die Annahme der Antragstellerin, dass sich die Überprüfung auf einige bestimmte
Faktoren zu beschränken habe. Die von ihr in dem vorliegenden Verfahren erhobenen Einwendungen zielen sämtlich auf die dem
Beigeladenen obliegenden Bestimmung der Vergleichsgröße, ohne dass der Senat aber insoweit eine offensichtlich und eindeutig
rechtswidrige Vorgehensweise erkennen könnte.
Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin hat der Beigeladene die maßgeblichen Verfahrensvorschriften für die Anpassung
des Festbetrages (noch) eingehalten. Er leitete durch Beschluss vom 8. Dezember 2015 ein Stellungnahmeverfahren eingeleitet,
nachdem er im Jahr 2014 für die Festbetragsgruppe "Heparine, niedermolekular 1" eine Marktdynamik festgestellt hatte. Insoweit
entsprach sein Verhalten den ihm in §
35 Abs.
1, Abs.
5 Satz 3
SGB V zugewiesenen Aufgaben. Das Stellungnahmeverfahren bezog sich auf die Bildung der Vergleichsgröße sowie auf Änderungen der
Gruppenbeschreibung, so dass der Beigeladene innerhalb seiner Kompetenzen blieb. Die Notwendigkeit einer Anhörung und der
Kreis der zu Beteiligenden ergibt sich aus §
35 Abs.
2 SGB V, ihre Durchführung aus §
91 Abs.
9 SGB V sowie den §§
8-
14 des 1. Kapitels der Verfahrensordnung des Beigeladenen (VerfO). Die Antragstellerin ist schriftlich von dem Beigeladenen
angehört worden. Für den Umfang einer Anhörungspflicht ist die Einschätzung der zur Anhörung verpflichteten Stelle maßgeblich.
Eine Behörde kann einen Betroffenen nur zu den Tatsachen anhören, die sie selbst für entscheidungserheblich hält. Insoweit
kann die Antragstellerin nichts daraus herleiten, dass ihr zusammen mit dem Anhörungsschreiben der Beschluss des Beigeladenen
vom 8. September 2015 übersandt worden ist, wonach für die Festbetragsgruppe "Heparine, niedermolekular, Gruppe 1" ein Wechsel
der Methodik zur Ermittlung defr Vergleichsgröße von § 2 der Anlage 1 zur VerO nach § 3 der Anlage 1 zum 4. Kapitel der VerfO
erfolgen sollte. Denn dies entsprach dem Stand der Überlegungen des Beigeladenen zum Zeitpunkt der Einleitung des Stellungnahmeverfahrens.
Das Stellungnahmeverfahren ist nicht deswegen rechtswidrig, weil die Antragstellerin nicht zu der am 12. Januar 2016 stattgefunden
habenden mündlichen Anhörung eingeladen worden ist. Denn nach § 12 Abs. 1 des 1. Kapitels der VerfO muss nur denjenigen Gelegenheit
zu einer mündlichen Stellungnahme gegeben werden, die eine schriftliche Stellungnahme abgegeben haben. Das steht in Übereinstimmung
mit der gesetzlichen Vorgabe in §
91 Abs.
9 Satz 1
SGB V. Da die Antragstellerin keine schriftliche Stellungnahme zu dem Vorhaben des Beigeladenen abgegeben hatte, war der Beigeladene
nicht gehalten, sie zur mündlichen Anhörung einzuladen.
Schließlich ist das Anhörungsverfahren auch nicht deswegen offensichtlich rechtswidrig gewesen, weil der Beigeladene davon
abgesehen hat, ein erneutes Stellungnahmeverfahren durchzuführen, nachdem er sich entschlossen hatte, zur Ermittlung der Vergleichsgröße
weiter nach § 2 der Anlage 1 zum 4. Kapitel der VerfO vorzugehen. § 14 Abs. 1 des 1. Kapitels der VerfO bestimmt dazu, dass
ein Stellungnahmeverfahren erneut durchzuführen ist, wenn sich die Tatsachengrundlage oder der Beschlussinhalt gegenüber dem
zur Stellungnahme gestellten Entwurf wesentlich verändert haben und die Stellungnahmeberechtigten von den Änderungen unmittelbar
betroffen sind. Änderungen, die von Stellungnahmeberechtigten vorgeschlagen werden, lösen kein erneutes Stellungnahmeverfahren
aus. Nach dieser in § 14 Abs. 1 Satz 2 des 1. Kapitels der VerfO zu findenden Regelung war ein erneutes Stellungnahmeverfahren
schon deswegen entbehrlich, weil ausweislich der vom Beigeladenen vorgelegten zusammenfassenden Dokumentation über die Änderung
der Arzneimittel-Richtlinie vom 18. Februar 2016 der Beigeladene in Reaktion auf die eingegangenen Stellungnahmen entschieden
hat, bei der Vergleichsgrößenbildung weiter nach § 2 der Anlage 1 zum 4. Kapitel der VerfO vorzugehen. Das verstößt auch nicht
gegen höherrangiges Recht. Der Senat lässt in diesem Zusammenhang ausdrücklich dahingestellt sein, ob das auf § 35 Abs. 2
beruhende Stellungnahmeverfahren als eine den Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts unterliegende Anhörung anzusehen ist
(dagegen etwa LSG Berlin-Brandenburg v. 22. Mai 2008 - L 24 KA 1227/05 - juris Rn. 72). Auf diese Frage kommt es nicht entscheidend an. Denn schon nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht
(§ 24 Abs. 2 Nr. 4 SGB X) gelten die Vorschriften über die Anhörung nur eingeschränkt bei dem Erlass einer Allgemeinverfügung, zu der die Festbetragsfestsetzung
gehört. Davon ganz abgesehen ist das Verfahren einer Stellungnahme vor dem Beigeladenen in §
91 Abs.
9 SGB V spezialgesetzlich geregelt. Dort wird ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, dass eine mündliche Erörterung nur mit den
Stellungnahmeberechtigten durchgeführt wird, welche bereits eine schriftliche Stellungnahme abgegeben haben. Da nicht anzunehmen
ist, dass der Gesetzgeber die mündliche Erörterung mit einem solcherart beschränkten Teilnehmerkreis gänzlich funktionslos
lassen wollte, impliziert diese Regelung, dass der Beigeladene im Interesse der Verfahrensbeschleunigung auch auf erst dort
vorgebrachte Einwendungen reagieren darf, ohne deswegen erneut ein schriftliches Stellungnahmeverfahren einleiten zu müssen.
Eine Grenze ist dieser Befugnis zum Schutz der Nichtteilnehmenden allerdings möglicherweise insoweit zu ziehen, als ohne erneutes
Stellungnahmeverfahren keine Gestaltungen aufgegriffen werden dürfen, mit denen die Nichtteilnehmer billigerweise nicht rechnen
mussten.
Diese Grenze ist vorliegend nicht eindeutig und zweifelsfrei überschritten. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht,
dass dem Beschluss des Beigeladenen vom 8. September 2015, der Gegenstand der schriftlichen Anhörung war, Anlagen beigefügt
waren, in denen die neuen anzupassenden Vergleichsgrößen bereits konkret berechnet waren. Demnach hätte es dem Gebot der Fairness
und der möglichst weitgehenden Einbeziehung der Beteiligten sicher mehr entsprochen, die nach §
35 Abs.
2 SGB V Anzuhörenden vorab von einer zu erwartenden Veränderung der Vergleichsgrößen in Kenntnis zu setzen und ihnen Gelegenheit
zu einer erneuten ergebnisbezogenen Stellungnahme zu geben. Indessen ist die Beschleunigung des Anpassungsverfahrens auch
ein legitimes Ziel für den Beigeladenen. Es kommt hinzu, dass der Beigeladene im schriftlichen Stellungnahmeverfahren im Kern
nur auf die Möglichkeit hingewiesen hatte, bei der Bildung der Vergleichsgröße in Abkehr von dem bisherigen Verfahren künftig
nach § 3 der Anlage 1 zum 4. Kapitel der VerfO vorzugehen. Damit war dann im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens auch die Frage
aufgeworfen, ob es nicht besser bei der bisherigen Vorgehensweise verbleiben sollte. Insoweit war Gegenstand der Anhörung
auch die bisherige Methodik, nämlich die Anwendung des § 2 der Anlage 1 zum 4. Kapitel der VerfO. Unstreitig ist mittlerweile
zwischen den Beteiligten, dass die Vergleichsgröße für niedermolekulare Heparine schon bei der Anpassung des Festbetrags im
Jahre 2008 unter Anwendung der Methodik nach § 2 der Anlage 1 zum 4. Kapitel der VerfO berechnet wurde. Dann kann die Antragstellerin
nicht damit gehört werden, dass ihr zunächst unklar gewesen sei, nach welchen Grundsätzen die Vergleichsgrößenbildung bislang
vorgenommen wurde. Die Frage war mit der Einleitung eines neuen Stellungnahmeverfahrens erkennbar aufgeworfen. Zur Vorzugswürdigkeit
der vom Beigeladenen zunächst angedachten neuen Lösung konnten sich die Stellungnahmeberechtigten sinnvoll nur äußern, wenn
ihnen der bisherige Weg bekannt war. Bei Unklarheiten wäre es Sache der Antragstellerin gewesen, eine nachfragende Stellungnahme
zu der ihr nicht erkennbaren bisherigen Verfahrensweise zu verfassen. Angesichts des Umstandes, dass die Vergleichsgröße letztlich
unter Rückkehr zur bisherigen Methodik berechnet worden ist, hält der Senat einen Verstoß des Beklagten gegen die Anhörungspflicht
nicht für eindeutig gegeben.
Der Beigeladene hat seine Begründungspflicht nach §
94 Abs.
2 SGB V nicht verletzt. Soweit §
94 Abs.
2 Satz 1
SGB V die Bekanntmachung der Richtlinien und der tragenden Gründe verlangt, folgt daraus nach der Rechtsprechung des BSG weder die Verpflichtung, alle Unterlagen, Erwägungen und Gründe anzugeben noch eine umfassende, abschließende und wissenschaftlichen
Ansprüchen genügende Auseinandersetzung mit allen möglichen Argumenten und allen denkbaren Problemkonstellationen vorzulegen
(BSG v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R - juris Rn. 23). Es sind lediglich die aus der Sicht des Beigeladenen maßgeblichen Gründe für den Inhalt des Beschlusses
mitzuteilen. Es kommt dagegen nicht darauf an, dass die Gründe rechtmäßig sind. Inhaltliche Fehler verletzen weder die förmliche
Begründungspflicht noch das Transparenzgebot. Nach diesen Grundsätzen ist es kein Fehler, dass der Beigeladene nicht mitgeteilt
hat, wie die Änderung der Standardapplikationsfrequenzfaktoren gegenüber den bisherigen Werten zu rechtfertigen ist. Auf Seite
4 der tragenden Gründe zum Beschluss des Beigeladenen ist erläutert, wie die Applikationsfaktoren bestimmt worden sind und
welche Überlegungen dabei maßgeblich waren. Den dortigen Ausführungen ist zu entnehmen, dass für die unterschiedlichen Applikationsfrequenzen
auf die jeweiligen Fachinformationen und im Übrigen auf die in § 2 Nr. 3 Abs. 5 Anlage 1 zum 4. Kapitel der VerfO beschriebene
Verfahrensweise abgestellt worden ist. Weitergehende Ausführungen zu Abweichungen gegenüber dem Jahre 2008 waren dann schon
deswegen nicht erforderlich, weil die Werte aus dem Jahre 2008 nicht der Aufsatzpunkt für die Berechnung des Jahres 2016 waren.
Und selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre die Begründung bestenfalls inhaltlich unschlüssig. Es kommt aber nur darauf
an, dass die aus Sicht der Beigeladenen tragenden Gründe mitgeteilt worden sind, und nicht, ob diese tragenden Gründe inhaltlich
zutreffend sind und einer Überprüfung standhalten. Entsprechendes gilt für den Vorwurf, dass nicht nachvollziehbar sei, welchen
Änderungswünschen der Beigeladene gefolgt sei und worin er genau das Risiko einer Verzerrung gesehen habe. Insoweit beziehen
sich die Vorwürfe darauf, dass die Tiefe der Begründung gerügt wird. Entscheidend ist aber nur, dass überhaupt eine Begründung
vorliegt.
Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, dass der Beigeladene die Vergleichsgröße nach §
35 Abs.
3 Satz 1
SGB V unzutreffend bestimmt hat. Er hat insoweit ohnehin keine umfassende Prüfungskompetenz. Die gerichtliche Kontrolle der Ermittlung
von Vergleichsgrößen ist beschränkt. Dem Beigeladenen steht bei der Entscheidung über die Vergleichsgrößenbildung ein Gestaltungsspielraum
zu. Er kann darüber entscheiden, anhand welcher Kriterien er die Vergleichsgrößen bestimmt. Das Gesetz gibt nicht vor, ob
der Tagesdosis, der Einzeldosis oder aber einer gänzlich anderen geeigneten Vergleichsgröße der Vorrang gebührt (BSG, Urt. v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R - juris Rn. 56). Die Gerichte haben lediglich zu kontrollieren, ob der Beigeladene hierbei auf der Grundlage eines vollständig
ermittelten Sachverhalts den Zweck der Vergleichsgrößenbildung nachvollziehbar beachtet hat, die Arzneimittel mit verschiedenen
Wirkstoffen innerhalb einer Gruppe vergleichbar zu machen. Die vom Beigeladenen hier gewählte Methode der verordnungsgewichteten
durchschnittlichen Wirkstärke, die jedem Wirkstoff einen bestimmten Zahlenwert zuweist, ist nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich geeignet, eine sachgerechte mengenbezogene Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Wirkstoffen herzustellen
(BSG v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R - juris Rn. 57). Diese Vergleichsgröße bildet ab, was bezogen auf den Wirkstoff über alle seine Anwendungsgebiete und erfassten
Versicherten hinweg als errechnete Durchschnittsdosis je Verordnung erforderlich ist, um das erfasste Patientenkollektiv therapeutisch
wirksam zu behandeln. Hierbei werden die jeweiligen Packungsgröße-Wirkstärke-Kombinationen einer Grundeinheit (Standardpackung)
gegenübergestellt, der ein Festbetrag zugewiesen wird. Da eine Verordnung keine Indikation enthält, kann es immer nur eine
Vergleichsgröße je Wirkstoff geben. Die unterschiedlichen Packungsgrößen mit unterschiedlichen Wirkstärken werden auf diesem
Weg grundsätzlich sachgerecht miteinander vergleichbar. Auch soweit der Beigeladene bestrebt gewesen ist, unterschiedliche
Applikationsfrequenzen der in einer Festbetragsgruppe zusammengefassten Wirkstoffe bei der Bildung einer Vergleichsgröße durch
die Einführung eines Applikationsfaktors entsprechend den Regelungen in § 2 Anlage 1 zum 4. Kapitel der VerfO abzubilden,
hat er das zu billigende Ziel verfolgt, eine Vergleichbarkeit der Wirkstoffe herzustellen. Ob die Voraussetzungen der Anwendung
dieser Regelungen gegeben sind, musste er nach seinem Verfahrensrecht nicht erneut prüfen, da er sich nach § 7 der Anlage
1 zum 4. Kapitel der VerfO auf eine rechnerische Anpassung beschränken durfte.
Der Beigeladene hat für die Ermittlung der Vergleichsgröße danach auf eine grundsätzlich anerkannte Methodik zurückgegriffen.
Auch die Voraussetzungen, unter denen die Methodik zu sachgerechten Ergebnissen führt, sind nach Einschätzung des Senats grundsätzlich
gegeben: So haben alle in der Festbetragsgruppe zusammengefassten Wirkstoffe mit der Prophylaxe tiefer Venenthrombosen und
der Therapie tiefer Venenthrombosen zwei (Haupt-)Anwendungsgebiete gemeinsam. Auch gibt es ausweislich der den betroffenen
Arzneimitteln beigegebenen Fachinformationen unterschiedliche Applikationsfrequenzen: So soll Mono-Embolex® mit dem Wirkstoff
Certoparin zur Therapie ausschließlich 2mal täglich (alle 12 Stunden) genommen werden (ebenso wie der Wirkstoff Enoxaparin),
während für den Wirkstoff Tinzaparin auch zur Therapie lediglich eine einmal tägliche Anwendung erfolgen soll und für die
Wirkstoffe Dalteparin, Nadroparin und Reviparin beide Möglichkeiten eröffnet werden ... Das lässt die Annahme zutreffend erscheinen,
dass Certoparin häufiger als andere Wirkstoffe appliziert wird, wenn es zu Therapiezwecken eingesetzt wird.
Die Antragstellerin macht dazu geltend, dass es aus besonderen Gründen bei der Vergleichsgrößenbildung zu sie belastenden
Verzerrungen gekommen sei. Solche Verzerrungen hält der Senat aber nicht für eindeutig und offensichtlich gegeben. Zwar ist
im Ausgangspunkt richtig, dass nach der Rechtsprechung des BSG die Bildung von Vergleichsgrößen nur dann zu einer richtigen Aussage führen kann, wenn die Gesamtanwendungsgebiete der Wirkstoffe
in ihrer jeweiligen tatsächlichen Breite im Wesentlichen vergleichbar sind, weil nur so sichergestellt ist, dass annähernd
gleiche Sachverhalte verglichen werden (BSG v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R - Rn. 61). Deswegen erwachsen Zweifel an der Sachgerechtigkeit der Methode und ihrer Ergebnisse, wenn die Anwendungsgebiete
der in der Festbetragsgruppe zusammengefassten Arzneimittel nicht deckungsgleich sind, für die unterschiedlichen Anwendungsgebiete
eine Therapie mit unterschiedlichen Wirkstärken erforderlich sind und die betroffenen Arzneimittel in erheblichem Umfang in
den unterschiedlichen Anwendungsgebieten verordnet würden. Der Beigeladene muss in Fällen, in denen sich Zweifel der aufgezeigten
Art aufdrängen, er aber dennoch der Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke folgen will, das rechnerisch
gefundene Ergebnis im Wege einer "intellektuellen Prüfung" daraufhin überprüfen, ob die Gleichbehandlung gleichwohl auf einem
einleuchtenden Grund beruht und gegebenenfalls nach Wegen suchen, um eine sachwidrige Gleichbehandlung zu vermeiden (BSG v. 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R - Rn. 62).
Die Berufung der Antragstellerin auf diese Rechtsprechung überzeugt nicht. Soweit die Antragstellerin gegen die Vergleichbarkeit
einwendet, dass die Wirkstoffe in weit unterschiedlicher Ausprägung entweder zur Therapie oder zur Prophylaxe verordnet werden,
übersieht sie, dass Voraussetzung für die Verzerrungsrechtsprechung des BSG gewesen ist, dass die in einer Festbetragsgruppe zusammen gefassten Wirkstoffe für unterschiedliche Anwendungsgebiete zugelassen
gewesen sind. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass dem gleichsteht, wenn bestimmte Medikamente nur tatsächlich überwiegend
für bestimmte Anwendungsgebiete eingesetzt werden. Denn die ausweislich der Zulassung übereinstimmenden Anwendungsgebiete
deuten auf eine therapeutische Austauschbarkeit der Wirkstoffe hin, welche durch die Bildung von Festbeträgen eher gefördert
werden soll. Die Festbetragsgruppen sind gerade nicht anwendungsbezogen definiert, so dass eine Vergleichbarkeit der Wirkstoffe
über alle (zugelassenen) Anwendungsgebiete hergestellt werden soll. Damit wäre nicht zu vereinbaren, wenn nur die Verordnungen
in die Berechnung der Vergleichsgrößen eingestellt werden, die für bestimmte therapeutische Zwecke erfolgen.
Auch die Festsetzung des Applikationsfaktors für Certoparin kann nicht als offensichtliche Verzerrung angesehen werden. Der
Beigeladene geht nicht willkürlich vor, wenn er sich bei der Bestimmung des Applikationsfaktors auf die den Arzneimitteln
jeweils zugeordnete Fachinformation stützt. Zuzugeben ist der Antragstellerin zwar, dass der Beigeladene bei der Bestimmung
des Applikationsfaktors den bisherigen Weg verlässt, die Vergleichsgröße orientiert an dem tatsächlichen Verordnungsverhalten
zu ermitteln. Das ist aber deswegen gerechtfertigt, weil die Zahl der Applikationen von der Indikation abhängt und den Verordnungen
nicht entnommen werden kann, für welche Indikation sie erfolgen. Weil es um die Vergleichbarkeit aller Wirkstoffe untereinander
geht, reicht auch nicht aus, dass - wie von der Antragstellerin vorgetragen - bei dem Wirkstoff Certoparin sich im Wesentlichen
schon aus der verordneten Packungsgröße ergibt, für welche Indikation seine Verordnung erfolgt ist. Es ist nicht glaubhaft
gemacht, dass dies gleichermaßen für alle der Festbetragsgruppe angehörenden Wirkstoffe der Fall ist. Der Beigeladene weicht
demnach wohl mit Recht auf andere Erkenntnisquellen aus. Es besteht auch ein Sachzusammenhang. Wenn sich der Fachinformation
mit Bezug zu dem Wirkstoff Certoparin entnehmen lässt, dass Certoparin zu Therapiezwecken zweimal täglich appliziert werden
muss und Certoparin auch tatsächlich zu Therapiezwecken eingesetzt wird, erscheint der Schluss nachvollziehbar, dass bei der
Verwendung von Certoparin jedenfalls in einem bestimmten Umfang eine zweimal tägliche Applikation erfolgt, welche ihren Niederschlag
in einem zuzuordnenden Applikationsfaktor finden kann.
Offen bleibt dabei letztlich, in welchem Umfang Certoparin tatsächlich zweimal täglich appliziert wird. Der Beigeladene hat
den bestehenden Ungewissheiten in gewissem Umfang Rechnung getragen indem er den Applikationsfaktor für Certoparin unter Berücksichtigung
einer Standardapplikationsfrequenz ermittelt hat. Der zugewiesene Faktor von 1,3 drückt gerade nicht die Annahme aus, dass
(allein) Certoparin in der Hälfte aller Verordnungsfälle zur Therapie eingesetzt wird und eine Applikation zweimal täglich
erfolgt. Eine Verzerrung würde die Antragstellerin nur nachweisen, wenn sie darlegen könnte, dass die zweimal tägliche Applikation
von Certoparin tatsächlich weitaus weniger häufig erfolgt, als von dem Beigeladenen bei der Bestimmung der Vergleichsgröße
angenommen. Das ist ihr indessen nicht gelungen. Ihre Vermutung, dass Certoparin bei der Behandlung von nierenkranken Patienten
auch zur Therapie nur einmal täglich gegeben wird, reicht dafür nicht aus. Weder ist die Anzahl aller Patienten glaubhaft
gemacht, denen Certoparin zur Therapie verordnet worden ist, noch welchen Anteil die nierenkranken Patienten an dieser Gruppe
haben. Die Antragstellerin möchte mit diesem Hinweis im Kern die vom Beigeladenen verwendete Methodik für die Bestimmung des
Applikationsfaktors verbessern. Dabei verkennt sie aber, dass die Auswahl insoweit Sache des Beigeladenen ist und sie selbst
auf eine Ergebniskontrolle beschränkt wird.
Eine Verzerrung wird schließlich nicht dadurch hinreichend belegt, dass auf die die Notwendigkeit der begleitenden Gabe von
oralen Antikoagulantien bei bestimmten Wirkstoffen hingewiesen wird. Die Frage, ob durch die Verwendung eines bestimmten Wirkstoffes
Folgekosten entstehen, weil der Einsatz anderer ergänzender Medikamente erforderlich wird, steht zunächst außerhalb des Verfahrens
der Festbetragsbildung. Zuzugeben ist der Antragstellerin, dass es mit dem Gerechtigkeitsdenken nur schwer vereinbar wäre,
wenn Einsparungen nicht berücksichtigt werden würden, welche durch die Verwendung bestimmter Wirkstoffe an anderer Stelle
entstehen. Die grundsätzliche Frage, inwieweit und auf welchem Wege solche Einsparungen aus Billigkeitsgründen in die Berechnung
von Festbeträgen eingehen müssen, kann aber nicht Gegenstand eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sein. Im Übrigen
ist nicht glaubhaft gemacht, dass Certoparin tatsächlich ein Einsparpotenzial hat. Nach der Stellungnahme des Beigeladenen
werden bei einer Versorgung mit Certoparin die oralen Antikoagulantien nur später gegeben, so dass keine dauerhafte Einsparung
sondern nur eine zeitliche Verschiebung der entstehenden Kosten in Frage steht.
Nach alledem war der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Absatz
1 Satz 1
SGG iVm §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat ist dabei von dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der angegriffenen Festbetragsfestsetzung
ausgegangen, das sie in Höhe von rund 6,389 Mio EUR beziffert hat. Da vorliegend nur eine vorläufige Regelung erstritten werden
sollte, war nur die Hälfte des Betrages anzusetzen, der nach § 52 Abs. 4 Nr. 2 GKG auf den Maximalstreitwert in Höhe von 2,5 Mio zu kürzen war.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden, §
177 SGG.