Sozialdatenschutz
Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen
Weitergabe der Namen von Pflegepersonen an eine Betreuerin
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Pflegekasse berechtigt war, ein Gutachten und die Namen von Pflegepersonen
gegenüber der beigeladenen Betreuerin der Klägerin bekanntzugeben.
Die im Jahre 1922 geborene Klägerin beantragte am 28. Juni 2007 bei der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld. Im Auftrage
der Beklagten erstattete am 03. September 2007 der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK)
ein medizinisches Gutachten und bejahte darin die Voraussetzungen der Pflegestufe 1. In der Folgezeit gewährte die Beklagte
der Klägerin Pflegegeld nach der Pflegestufe 1.
Am 09. Oktober 2007 bestellte das Amtsgericht Schöneberg die Beigeladene zur Betreuerin der Klägerin mit dem Aufgabenkreis
"Wahrnehmung der Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten". Am 18. Oktober 2007 wandte sich die Beigeladene an die Beklagte
und bat, ihr das Gutachten des MDK zu übersenden und die Namen der Pflegepersonen mitzuteilen. Am 19. Oktober 2007 teilte
die Beklagte der Beigeladenen die Namen der Pflegepersonen mit und übersandte offenbar auch das Gutachten des MDK an die Beigeladene.
In ihrer zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin u. a. geltend gemacht, die Übersendung des Gutachtens und
die Mitteilung der Namen der Pflegepersonen verstoße gegen Bestimmungen des Datenschutzes und verletze sie in ihren Rechten.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2010 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klage sei unzulässig,
da die Frage der Übersendung des Gutachtens des MDK und der Weitergabe der Namen der Pflegepersonen nicht Gegenstand von Bescheiden
gewesen sei, die die Klägerin vor dem Sozialgericht angegriffen hatte.
Mit ihrer zum Landessozialgericht erhobenen Berufung macht die Klägerin geltend, es liege entgegen der Auffassung des Sozialgerichts
ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vor, weil die Beigeladene nicht mit entsprechendem Aufgabenkreis bestellt
worden sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2010 zu ändern und festzustellen, dass die Übersendung des Gutachtens
des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. vom 3. September 2007 durch die Beklagte an die
Beigeladene und die Mitteilung der Namen der Pflegepersonen durch die Beklagte an die Beigeladene rechtswidrig waren und die
Klägerin in ihren Rechten verletzt haben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen
haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die Klägerin besitzt den aus dem Tenor
ersichtlichen Feststellungsanspruch.
So fehlt es insbesondere auch nicht an einer Zulässigkeit der Klage. Die Voraussetzungen einer zulässigen Feststellungsklage
nach §§
55 Absatz
1 Nr.
1 SGG sind erfüllt, denn die Klägerin besitzt ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Rechtsverhältnisses, welches durch
die Weitergabe der vorliegend streitbefangenen Sozialdaten entstanden ist. Insoweit ist eine konkrete Wiederholungsgefahr
gegeben, zumal die Beklagte auch weiterhin die Weitergabe der Daten als rechtmäßig erachtet und auch zukünftig im Grundsatz
ähnlich zu verfahren beabsichtigt. Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen, weil dieses für eine Feststellungsklage nach
§
55 SGG nicht vorgeschrieben ist.
Die Klage ist auch begründet, denn die Weitergabe der Sozialdaten war rechtswidrig Maßgebliche Rechtsnorm, an der sich die
Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten bemisst, ist § 67 d Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X). Danach ist eine Übermittlung von Sozialdaten nur zulässig, soweit eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis nach den §§ 68 bis 77 SGB X oder nach einer anderen Rechtsvorschrift im SGB X vorliegt.
Zunächst handelt es sich sowohl bei dem Gutachten des MdK als auch bei den Namen der Pflegepersonen der Klägerin um Sozialdaten.
Sozialdaten sind gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener),
die von einer in §
35 des
Ersten Buches des Sozialgesetzbuches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Bei dem MDK-Gutachten
wie auch bei den Namen der Pflegepersonen handelt es sich um solche Einzelangaben über persönliche Verhältnisse der bestimmten
natürlichen Person der Klägerin, diese Angaben sind von der Beklagten im Rahmen ihres Aufgabenkreises erhoben worden.
Es liegt auch eine Übermittlung im Rechtssinne vor. Ein Übermitteln im Rechtssinne ist nach § 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 SGB X das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener Sozialdaten an einen Dritten. Dritter ist gemäß §
67 Abs. 10 Satz 3 SGB X nicht der Betroffene. Somit wäre die Klägerin selbst keine Dritte gewesen. Hingegen handelte es sich bei der beigeladenen
Betreuerin um eine solche Dritte im Rechtssinne. Hierbei lässt der Senat ausdrücklich offen, ob und inwieweit ein Betreuer,
der innerhalb seines zugewiesenen Aufgabenkreises handelt, im Einzelfall als Dritter im Sinne der vorgenannten Vorschriften
anzusehen sein kann, denn vorliegend hat die Beigeladene außerhalb ihres zugewiesenen Aufgabenkreises gehandelt und ist bereits
aus diesem Grunde als Dritte im Sinne der vorgenannten Vorschriften anzusehen. Sowohl das Gutachten des MdK als auch die Namen
der Pflegepersonen stehen in keinem direkten Zusammenhang mit Wohnungs- oder Vermögensangelegenheiten, sondern stellen sich
als Sozialdaten im Zusammenhang mit der Gesundheitssorge dar, die der Beigeladenen nicht zugewiesen war. Soweit diese Daten
Auswirkungen auf die Höhe des Pflegegeldes haben, wirken sie sich zwar mittelbar in Vermögensangelegenheiten aus, werden aber
dadurch nicht selbst zu Daten aus diesem Bereich.
Dementsprechend hätte eine Vorschrift im Bereich der §§ 68 bis 77 oder sonst im SGB X die Übermittlung an die Beigeladene gesondert rechtfertigen müssen. Eine solche Vorschrift ist indessen nicht gegeben. Sie
liegt insbesondere auch nicht in § 71 Abs. 3 SGB X. Danach ist eine Übermittlung von Sozialdaten auch zulässig, soweit es nach pflichtgemäßem Ermessen eines Leistungsträgers
erforderlich ist, dem Betreuungsgericht die Bestellung eines Betreuers oder eine andere Maßnahme in Betreuungssachen zu ermöglichen.
Hieraus folgt, dass die Beklagte etwa dann, wenn sie die Notwendigkeit einer Erstreckung des Aufgabenkreises eines Betreuers
auch auf Angelegenheiten der Gesundheit für notwendig erachten sollte, eine solche Mitteilung nach pflichtgemäßem Ermessen
unmittelbar gegenüber dem Betreuungsgericht machen dürfte. Nicht gerechtfertigt ist hierdurch indessen die Übermittlung solcher
Informationen an einen Betreuer mit gesondertem Aufgabenkreis, zumal vorliegend auch nicht beabsichtigt war, dem Betreuungsgericht
eine entsprechende Mitteilung zukommen zu lassen.
Auch nach § 21 SGB X, wonach das Recht auf Akteneinsicht geregelt ist, ist die Weitergabe der Sozialdaten durch die Beklagte an die Beigeladene
nicht gerechtfertigt gewesen, denn die Beigeladene war weder Verfahrensbeteiligte noch - wegen beschränkten Aufgabenkreises
- Vertreterin der am Verfahren beteiligten Klägerin.
Die Kostenentscheidung im Hinblick auf die Hauptbeteiligten beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst. Im Hinblick auf die Beigeladene beruht die Kostenentscheidung
auf §
197a SGG in Verbindung mit den §§
154 Absatz
3,
156 Absatz
3 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt, dass die Beigeladene keine Anträge gestellt hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach §
160 Absatz
2 SGG nicht vorliegen.