Rechtswegbestimmung
Zuständigkeitsklärung zur Entscheidung über Unterlassung von Negativbewertungen über Pflegeheime
Rechtswegeröffnung zur Sozialgerichtsbarkeit
Gründe:
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht München zu
verweisen,
hilfsweise,
die Rechtsbeschwerde zum Bundessozialgericht zuzulassen,
ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht, das auf Antrag der Beklagten im Wege der Vorabentscheidung gemäß §
202 SGG i. V. m. §17 a Abs. 3 Satz 2
GVG über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zu entscheiden hatte, festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten
eröffnet ist.
Gemäß §
51 Abs.
1 Nr.
2, Abs.
2 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sowohl über öffentlich-rechtliche als auch privat-rechtliche Streitigkeiten
in Angelegenheiten der sozialen und privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB XI -), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden.
Unter Berücksichtigung des für die Bestimmung des Rechtsweges maßgeblichen Vorbringens der Klägerin ist für ihr Klagebegehren,
die Beklagten - unter Androhung von Zwangsmitteln für jeden Fall der Zuwiderhandlung - zu verurteilen,
es zu unterlassen, in Bezug auf die in der Trägerschaft der Klägerin stehenden Pflegeheime "Seniorenresidenz S" und Seniorenheim
E" in A wörtlich oder sinngemäß in der Öffentlichkeit zu behaupten, die Pflege in den beiden Einrichtungen sei mangelhaft,
der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß §
51 Abs.
1 Nr.
2 SGG eröffnet. Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass diesem Begehren eine Streitigkeit in Angelegenheiten der sozialen
Pflegeversicherung zugrunde liegt.
Der Senat folgt der Einschätzung des Sozialgerichts, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten zu 2) im unmittelbaren
Zusammenhang mit den dem Beklagten zu 1) zugewiesenen hoheitlichen Aufgaben der sozialen Pflegeversicherung und deren Erfüllung
auch durch die Beklagte zu 2) als für den Bereich der Pflege zuständigen stellvertretenden Geschäftsführerin und leitenden
Ärztin des Beklagten zu 1) steht; das Verhalten der Beklagten zu 2) muss sich der Beklagte zu 1) als eigenes zurechnen lassen.
Dem Beklagten zu 1) obliegt gemäß §
114 a SGB XI im Rahmen seines Prüfauftrages nach §
114 SGB XI die Prüfung, ob die zugelassenen Pflegeeinrichtungen die Leistungs- und Qualitätsanforderungen nach dem
SGB XI erfüllen. Soweit im Rahmen der Prüfung in den von der Klägerin in Bayern betriebenen Pflegeeinrichtungen - vermeintliche
- Pflegemängel festgestellt worden sind, ergibt sich aus den Gesamtumständen des durchgeführten Interviews in den Räumen des
Beklagten zu 1), vor dem Logo "MDK B", der Namensangabe der Beklagten zu 2) mit dem Zusatz "MDK B" und der Äußerung der Beklagten
zu 2) "Bei in B, und nur dafür kann ich das sagen, stellen wir fest, dass es durchgehend mangelhafte Pflege ist", dass die
Beklagte zu 2) bei allein maßgeblicher objektiver Betrachtung die Äußerung in Ausübung ihres öffentlichen Amtes im unmittelbaren
Zusammenhang mit den dem Beklagten zu 1)nach § 114 SGB X zugewiesenen Aufgaben getätigt hat, für deren Erfüllung auch die Beklagte zu 2) einzutreten hat. Die Verlautbarungen der
Beklagten zu 2) betreffen mithin Äußerungen und Bewertungen in Bezug auf durchgeführte Qualitätsprüfungen. Das Schwergewicht
des Rechtsstreits liegt im Bereich der hoheitlichen Aufgaben begründet. Die Art und Weise des Auftretens der Beklagten zu
2) führt dazu, dass sich der Beklagte zu 1) dieses Verhalten als eigenes zurechnen lassen muss.
Der Einwand der Beklagen, die Beklagte zu 2) habe nur gelegentlich einer Angelegenheit der sozialen Pflegeversicherung gehandelt,
sie sei als Privatperson in Erscheinung getreten, überzeugt angesichts der objektiven Gegebenheiten nicht. Unerheblich ist
auch, dass die Beklagte zu 2) möglicherweise im Innenverhältnis zu dem Beklagten zu 1) nicht befugt war, sich so zu äußern,
wie es tatsächlich geschehen ist.
Betrifft die Streitigkeit mithin eine Angelegenheit der sozialen Pflegeversicherung, ist sie zudem öffentlich-rechtlicher
Natur im Sinne des §
51 Abs.1 Nr. 2
SGG, weil der Natur der Sache nach ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch gemäß §
1004 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) geltend gemacht wird.
Der Zuweisung der Rechtsstreitigkeiten an die Sozialgerichte steht nicht der von den Beteiligten zitierte Beschluss des Bundesgerichtshofes
(BGH) vom 26. November 2002 - VI ZB 41/02 - entgegen, der im Rahmen einer Unterlassungsklage einer Kassenärztlichen Vereinigung gegen eine Krankenkasse wegen verhaltenskritischer
Presseerklärung den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für eröffnet gesehen hat. Hinsichtlich der anzuwendenden Rechtssätze
stimmt der Senat mit den Abgrenzungskriterien des BGH zur Bestimmung des Rechtsweges vielmehr überein. Die vorliegende Fallkonstellation
führt jedoch zu einer anderen Bewertung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a SGG i. V. m. §
154 Abs.
2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Die Regelung des §
17 b Abs.
2 GVG, wonach im Falle der Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht keine Kostenentscheidung zu treffen ist, findet
keine Anwendung auf das Beschwerdeverfahren bei der Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges (vgl. BSG, Beschluss vom 22. April 2008 - B 1 SF 1/08 R -).
Die Rechtsbeschwerde ist nicht gemäß §
202 SGG i. V. m. §
17 a Abs.4 Satz 4 und 5
GVG,
574 ff. der
Zivilprozessordnung (
ZPO) zuzulassen, weil die Rechtsfrage weder grundsätzliche Bedeutung hat noch der Senat von einer Entscheidung eines obersten
Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §§
1 Abs.
2 Nr.
3, 52 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 2 und 39 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist die Bedeutung der Sache für die Klägerin mit dem Auffangwert in Höhe von 5.000,-
Euro zu bestimmen. Bei einer Vorabentscheidung über den Rechtsweg erscheint es angemessen, ein Fünftel dieses Betrages anzusetzen
(so auch BSG im Beschluss vom 22. April 2008, sowie LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. November 2008 - L 17 B 972/07 R -). Der Betrag ist zu verdoppeln, da sich die Klage gegen mehrere Beklagte richtet.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar (vgl. zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde: BGH, Beschluss vom
11. Juli 2011 - IX ZB 195/11 -).