LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.01.2009 - 31 U 398/08
Vorinstanzen: SG Berlin 08.06.2007 S 68 U 434/03
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Juni 2007 aufgehoben, soweit die Beklagte
in diesem verurteilt wird, an die Klägerin einen Betrag von mehr als 20.095,77 € zu zahlen; im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 3/5; die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 2/5. Die Beigeladene
hat keine Kosten zu tragen. Ihre außergerichtlichen Kosten sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Klägerin als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung begehrt von der Beklagten als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
die Erstattung einer Forderung in Höhe von 50.000,00 € für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis 31. Oktober 2002.
Die Klägerin gewährte der hinterbliebenen Ehefrau (im folgenden Beigeladene) ihres 1933 geborenen und 1996 verstorbenen Versicherten
H F Witwenrente ab 1. Juni 1996.
Die Beklagte gewährte der Beigeladenen mit Bescheid vom 23. Juli 2002, nachdem sie diesen Anspruch zunächst mit Bescheid vom
11. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 1999 abgelehnt hatte, eine Hinterbliebenenrente ab
2. Mai 1996 und errechnete einen Nachzahlungsbetrag (inklusive Sterbegeld) in Höhe von 67.327,57 €, wovon sie einen Betrag
in Höhe von 50.000,00 € vorerst für mögliche Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger einbehielt.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2002 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Mehrausfertigung des Bescheides vom selben Tag und
forderte sie auf, unverzüglich mitzuteilen, ob und in welcher Höhe sie einen Erstattungsanspruch nach § 104 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend mache. Weiter führte die Beklagte aus, sollte durch die Klägerin kein bezifferter Erstattungsanspruch bekannt gegeben
werde, werde der einbehaltene Betrag in entsprechender Anwendung von § 87 Abs. 2 SGB X mit befreiender Wirkung an die Berechtigte ausgezahlt. Mit Schreiben vom 11. September 2002 teilte die Klägerin der Beklagten
mit, es bestehe ein Erstattungsanspruch. Dieser werde in etwa 3 Wochen bekannt gegeben. Nachdem die Beklagte am 3. Dezember
2002 telefonisch bei der Klägerin nachgefragt hatte, wann die Bekanntgabe des Erstattungsanspruches erfolgen werde und die
Auskunft erhalten hatte, dass dies jedenfalls nicht innerhalb der nächsten 14 Tage sein werde, zahlte sie den einbehaltenen
Nachzahlungsbetrag an die Beigeladene aus, teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom selben Tag mit und empfahl der Klägerin
sich hinsichtlich eines Erstattungsanspruches an die Beigeladene zu wenden. Mit Schreiben vom selben Tag übersandte die Beklagte
der Beigeladenen eine Durchschrift des Schreibens an die Klägerin, wies die Beigeladene darauf hin, dass die Klägerin einen
Erstattungsanspruch geltend gemacht habe und empfahl der Beigeladenen, in nächster Zeit nicht über den Rentennachzahlungsbetrag
zu verfügen.
Mit Schreiben vom 4. März 2003 (bei der Beklagten eingegangen am 7. März 2003) machte die Klägerin einen Erstattungsanspruch
nach § 103 SGB X i. V. m. § 93 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ( SGB VI) in Höhe von 50.000,00 € geltend. Zur Begründung führte sie u.a. aus, sie habe mit Schreiben vom 11. September 2002 ihren
Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X angemeldet. Am 3. Dezember 2002 habe die Beklagte ihr mitgeteilt, dass sie den einbehaltenen Nachzahlungsbetrag in Höhe von
50.000,00 € an die Beigeladene ausgezahlt habe und sich die Klägerin hinsichtlich eines Erstattungsanspruches an die Beigeladene
wenden solle. Im Anhörungsverfahren habe die Beigeladene eine Erstattung des überzahlten Betrages mit der Begründung, die
Leistung sei verbraucht worden, abgelehnt. Da die Beklagte die Nachzahlung nicht mit befreiender Wirkung an die Beigeladene
ausgezahlt habe, werde sie aufgefordert, den Erstattungsanspruch nachträglich in Höhe von 50.000,00 € zu erfüllen. Nach §
111 S. 1 SGB X beginne die Ausschlussfrist für den Erstattungsanspruch 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht
worden sei. In Fällen einer ununterbrochenen Leistungsgewährung für einen längeren Zeitraum sei diese Leistungsgewährung als
einheitliche "Leistung im Sinne des § 111 SGB X zu werten". Letzter Tag, für den die Leistung erbracht wurde, sei für den Fall einer rückwirkenden Anrechnung einer Unfallrente
auf eine laufend gezahlte Rente der Rentenversicherung der letzte Tag der ungekürzten Rentenzahlung des Rentenversicherungsträgers;
dieser sei wiederum identisch mit dem Ablauf des letzten Tages der Nachzahlung der Unfallrente. Nach § 111 S. 2 SGB X beginne die Ausschlussfrist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung
des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt habe. Der Bescheid vom 23. Juli 2002
sei bei ihr am 26. Juli 2002 eingegangen. Die Ausschlussfrist dass § 111 SGB X sei daher noch nicht abgelaufen.
Mit Bescheid vom 27. März 2003 stellte die Klägerin die Witwenrente der Beigeladenen ab 1. Juni 1996 neu fest und teilte der
Beigeladenen mit, für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis 28. Februar 2003 ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 57.318,15 €.
Die entstandene Überzahlung sei zu erstatten. In Anlage 10 des Bescheides führte die Klägerin aus, der Rentenbescheid vom
30. Juli 1996 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. Juni 1996 nach § 45 SGB X zurückgenommen. Aufgrund der mit Bescheid vom 23. Juli 2002 festgestellten Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung
sei die Rente gemäß § 93 SGB VI, der das Zusammentreffen von Leistungen aus der Renten- und Unfallversicherung regle, ab dem oben genannten Zeitpunkt neu
zu berechnen. Durch die rückwirkende Anwendung dieser Vorschrift sei eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis 28.
Februar 2003 in Höhe von 57.318,75 € entstanden. Soweit es um die Überzahlung für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis 31. Oktober
2002 in Höhe von 54.441,90 € gehe, werde von ihr (der Klägerin) gegenüber der Beklagten ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X geltend gemacht; dieser Erstattungsanspruch sei durch den genannten Bescheid der Unfallversicherung kraft Gesetzes entstanden.
Insoweit seien die für den genannten Zeitraum überzahlten Rentenbeträge nicht von ihr (der Beigeladenen) zurückzuzahlen. Lediglich
die verbleibende Überzahlung für die Zeit vom 1. November 2002 bis 28. Februar 2003 in Höhe von 2846,76 € sei von ihr (der
Beigeladenen) nach § 50 SGB X zu erstatten. Die Rücknahme des Rentenbescheides sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft sei zulässig, weil
sie sich zum einen auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides nicht berufen könne (§ 45 Abs. 2 S. 3 SGB X) und zum anderen die Fristen des § 45 Abs. 3 S. 3 bzw. 4 SGB X nicht abgelaufen seien. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Beklagte die einbehaltene Nachzahlung in Höhe von
50.000,00 € nicht an sie hätte auszahlen dürfen, da ihr bekannt gewesen sei, dass sie (...) einen Erstattungsanspruch nach
§ 103 SGB X habe und die Ausschlussfrist des § 111 SGB X für die Geltendmachung dieses Anspruches noch nicht abgelaufen gewesen sei. Sie müsse gegebenenfalls mit weitergehenden Forderungen
der Beklagten rechnen.
Mit Schreiben vom 14. April 2003 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und begehrte die Zahlung von 50.000,00 €.
Da die Beklagte den Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 30. April 2003 weiterhin ablehnte, erhob die Klägerin am 23. Mai
2003 Klage. Zur Begründung hat sie u.a. vorgetragen, die Beklagte habe sie mit Schreiben vom 23. Juli 2002 aufgefordert auf
die Rentennachzahlung aus der Unfallversicherung einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X geltend zu machen. Die zur Bezifferung des Erstattungsanspruches erforderlichen Ermittlungen hätten ergeben, dass ein Ersatzanspruch
in Höhe von 50.000,00 € bestehe. Dieser Ersatzanspruch sei mit Schreiben vom 4. März 2003 gegenüber der Beklagten geltend
gemacht worden. Die Beklagte verweigere die Erstattung, da die Nachzahlung der Unfallhinterbliebenenrente mit befreiender
Wirkung im Sinne des § 87 Abs. 2 SGB X bereits an die Beigeladene ausgezahlt worden sei. Ersatzansprüche nach den §§ 102 bis 105 SGB X würden jedoch nicht von § 87 Abs. 2 SGB X erfasst, da es sich dabei weder um Anspruchsübergänge noch um Geldleistungsansprüche in diesem Sinne, sondern um eigenständige
Ausgleichsansprüche unter Sozialleistungsträgern handele. Die §§ 102 ff. SGB X enthielten keine Fristen, innerhalb derer eine Forderung zu beziffern sei. Allein § 111 SGB X sehe für die Anmeldung des Erstattungsanspruchs - nicht für die Bezifferung - eine Frist von 12 Monaten vor. Durch diese
eigenständige Fristenregelung könne § 87 Abs. 2 SGB X ebenfalls nicht einschlägig sein. Außerdem könne sich die Beklagte auch nicht auf eine Zahlung mit schuldbefreiender Wirkung
ihr gegenüber berufen, da hierbei die besonderen Regelungen der §§ 103, 104 SGB X einschlägig seien, die auch nicht durch § 87 Abs. 2 SGB X beseitigt werden könnten. Gemäß den §§ 103, 104 SGB X sei die Nachzahlung von der Beklagten nicht mit befreiender Wirkung an die Berechtigte ausgezahlt worden, da die Beklagte
im Zeitpunkt der Leistungserfüllung Kenntnis von ihrer Leistungspflicht gehabt habe. Für die Richtigkeit ihrer Auffassung
spreche weiterhin auch die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X, wonach der Anspruch des Berechtigten gegenüber dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gelte, soweit
ein Ersatzanspruch bestehe. Aus alledem folge, dass sie Anspruch auf Erstattung des Betrages in Höhe von 50.000,00 € habe.
Die Beklagte hat erstinstanzlich unter anderem ausgeführt, zwar habe die Klägerin sie am 11. September 2002 darüber informiert,
dass sie einen Erstattungsanspruch habe. Die Klägerin habe diesen jedoch bis zum 3. Dezember 2002 nicht beziffert, sondern
mitgeteilt, dass es ihr auch innerhalb einer weiteren Frist von 14 Tagen nicht möglich sei, diesen zu beziffern. Es sei daher
zwischen der Klägerin und der Beklagten vereinbart worden, dass der einbehaltene Rentenbetrag in Höhe von 50.000,00 € mit
befreiender Wirkung an die Witwe ausgezahlt werde. Über diesen Sachverhalt seien die Beteiligten schriftlich informiert worden.
Sie vertrete die Auffassung, dass auf Erstattungsansprüche nach den §§ 102 bis 105 SGB X die Vorschrift des § 87 Abs. 2 SGB X entsprechend angewandt werden könne. Im Hinblick auf diese Rechtsproblematik habe das Bundesversicherungsamt mit Rundschreiben
an die bundesunmittelbaren Berufsgenossenschaften empfohlen, § 87 Abs. 2 SGB X auf Erstattungsansprüche nach den §§ 102 bis 105 SGB X entsprechend anzuwenden. Da es der Klägerin nicht möglich gewesen sei, nach einer mehr als ausreichenden Frist von 5 Monaten
ihren Erstattungsanspruch der Höhe nach zu beziffern, habe sie zu Recht den einbehaltenen Rentenbetrag in Höhe von 50.000,00
€ an die Witwe ausgezahlt. Sie weise darauf hin, dass sie aufgrund des Schreibens des Bundesversicherungsamtes vom 18. Dezember
1989 verpflichtet gewesen sei, gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I darauf hinzuwirken, dass die Berechtigte die ihr zustehenden Leistungen, zu denen auch Rentennachzahlungsbeträge gehörten,
schnell erhalte. Das Bundesversicherungsamt habe sich in der Mitteilung seiner Rechtsauffassung auf Aufsichtsprüfungen und
Hilfeersuchen von Rentenberechtigten bezogen und habe damit den Berufsgenossenschaften eine (Rechtsfolgen auslösende) Grundlage
zur Verfahrensbeschleunigung verpflichtend in die Hand gegeben. Die Beklagte habe den Hinweis als Aufsichtsberatung im Rahmen
der vom Bundesversicherungsamt durchgeführten Rechtsaufsicht gemäß § 89 Abs. 1 SGB IV verstanden. Sie habe sich daher gezwungen gesehen, entsprechend zu verfahren, da auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
diese Beratung Ausdruck des Bemühens um partnerschaftliche Kooperation sei und entsprechende Anordnungen vermeiden helfen
solle. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung hätten sich anhaltend um eine Klärung der rechtlichen Problematik bemüht.
Sie seien jedoch mit Schreiben vom 12. Januar 1995 nochmals darauf hingewiesen worden, der Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes
zu folgen. Aus Kenntnis der Gepflogenheiten im Umgang miteinander, hätte die Beklagte mit einer Aufsichtsanordnung rechnen
müssen, wenn sie die Leistungen nicht zügig ausgezahlt hätte. Eine aufsichtsbehördliche Anordnung habe unbedingt vermieden
werden müssen. Da das Bundesversicherungsamt auch die Rechtsaufsicht über die Klägerin ausübe, dürfte dieser das Procedere
bei verspäteter Bezifferung von Erstattungsansprüchen bekannt gewesen sein.
Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte mit Urteil vom 8. Juni 2007 verurteilt der Klägerin 50.000,00 € zu zahlen. Zur Begründung
hat es u.a. ausgeführt, die Entscheidung habe ohne mündliche Verhandlung ergehen können, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden
erklärt hätten. Die Beklagte habe ihr Einverständnis nicht widerrufen können, da zu diesem Zeitpunkt die Einverständniserklärung
der Klägerin bereits vorgelegen habe. Auch habe sich die Sach- und Rechtslage oder die Verfahrenslage seit dem Eingang der
übereinstimmenden Einverständniserklärungen nicht derart wesentlich geändert, dass das Einverständnis als verbraucht anzusehen
gewesen sei. Eine solche wesentliche Änderung ergebe sich weder aus dem eingetretenen Zeitablauf noch aus dem Schriftsatz
der Beklagten vom 1. Juni 2007, da sie hierin ihre bislang vertretene Rechtsansicht lediglich bekräftigt habe. Das Gericht
habe auch von der Beiladung der Witwe absehen können. Im Streit seien hier originäre Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern.
Hieran sei ein Leistungsempfänger nicht derart beteiligt, dass auch ihm gegenüber die Entscheidung nur einheitlich ergehen
könne, so dass kein Fall der notwendigen Beiladung vorliege. Auch habe das Gericht davon absehen können, die Witwe im Rahmen
der einfachen Beiladung beizuladen. Die Klage sei als Leistungsklage zulässig und begründet. Der Erstattungsanspruch folge
aus § 104 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 SGB X. Diese Regelung finde nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei Erstattungsansprüchen des Rentenversicherungsträgers gegen
den Unfallversicherungsträger bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art Anwendung. Hiernach sei, wenn ein nachrangig verpflichteter
Leistungsträger Sozialleistungen erbracht habe, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorlägen, der vorrangig verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst
geleistet habe, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt habe. Nachrangig verpflichtet sei
ein Leistungsträger, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers nicht
zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Anknüpfend an den Tod des Versicherten hätten die Beteiligten der Witwe Hinterbliebenenrenten
gewährt, und zwar ab dem 1. Juni 1996 für denselben Zeitraum, die Klägerin durch Bescheid vom 30. Juli 1996 in Form der großen
Witwenrente nach dem SGB VI und die Beklagte durch Bescheid vom 23. Juli 2002 in Form der Witwenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VII). Beide Renten beruhten auf dem Tod des Versicherten. Beide Versicherungsfälle seien demzufolge gleichzeitig eingetreten.
Vorrangig leistungsverpflichtet sei die Beklagte gemäß § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Hiernach werde, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente wie die große Witwenrente und eine entsprechende
Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung bestehe, die Witwenrente insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden
Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteige. Dies sei entsprechend der Berechnung der Klägerin
im Schreiben vom 4. März 2003 in dem im Schreiben genannten Umfang der Fall gewesen. Gegenteiliges werde auch von der Beklagten
nicht vorgetragen. Auf die Berechnung im genannten Schreiben werde Bezug genommen. Auch seien die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X nicht gegeben. Hiernach sei dann, wenn ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht habe und der Anspruch auf diese nachträglich
ganz oder teilweise entfallen sei, der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig. Der
Anspruch der Witwe auf die große Witwenrente sei nicht nachträglich entfallen. Der Witwe habe gemäß § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI von vornherein nur ein Anspruch auf Auszahlung der großen Witwenrente unter Anrechnung des Anspruchs auf die Hinterbliebenenrente
aus der gesetzlichen Unfallversicherung zugestanden und nicht ein ursprünglich unbeschränkter Anspruch, der nachträglich durch
die Bewilligung jener Rente durch Bescheid vom 21. Juli 2002 teilweise entfallen sei. Desweiteren habe die Klägerin die zwölfmonatige
Ausschlussfrist nach § 111 SGB X eingehalten, indem sie, nachdem sie durch Schreiben vom 23. Juli 2002 von der Entscheidung über die Leistungspflicht Kenntnis
erlangt habe, ihren Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten mit Mitteilung vom 11. September 2002 geltend gemacht habe,
spätestens aber, als sie durch Schreiben vom 4. März 2003 den Erstattungsanspruch beziffert habe. Auch habe die Auszahlung
des zunächst zurückbehaltenen Nachzahlungsbetrages an die Witwe durch die Beklagte gegenüber der Klägerin keine befreiende
Wirkung. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf § 87 Abs. 2 SGB X. Hiernach habe, wenn ein Anspruch auf eine Geldleistung auf einen anderen Leistungsträger übergegangen sei und der Anspruchsübergang
sowohl diesem als auch dem verpflichteten Leistungsträger bekannt gewesen sei, der verpflichtete Leistungsträger die Geldleistung
nach Ablauf von 2 Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem die Auszahlung frühestens möglich sei, einem Berechtigten auszuzahlen,
soweit ihm bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt sei, in welcher Höhe der Anspruch dem anderen Leistungsträger zustehe; die
Auszahlung habe gegenüber dem anderen Leistungsträger befreiende Wirkung. Unmittelbar finde diese Vorschrift auf Erstattungsansprüche
nach den §§ 102 ff. SGB X schon deswegen keine Anwendung, weil sie entsprechend ihrem Wortlaut einzig übergegangene Ansprüche erfasse. Bei den Ansprüchen
nach den §§ 102 ff. SGB X handele es sich jedoch um eigenständige Erstattungsansprüche. Außerdem stehe die Zwei-Monats-Frist des § 87 Abs. 2 S. 1 SGB X im Widerspruch zur 12-Monats-Frist des § 111 SGB X. Über dies solle durch § 87 Abs. 2 SGB X die Leistungserbringung zu Gunsten des leistungsberechtigten Bürgers beschleunigt werden. Die ratio komme hier wegen der
Erfüllungsfiktion, die gem. § 107 Abs. 1 SGB X mit der Leistungserbringung durch den nachrangig verpflichteten Träger und dem Bestehen des Erstattungsanspruchs zu Gunsten
des vorrangig verpflichteten Trägers gegenüber dem leistungsberechtigten Bürger eintrete, nicht zum tragen. Zu kurz greife
wegen der Erfüllungsfiktion nach § 107 Abs. 1 SGB X auch der Hinweis der Beklagten auf die in § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I normierte Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass der Berechtigte die ihm zustehende Sozialleistung zügig erhalte; insoweit
habe der Witwe die Leistung nicht mehr zugestanden. Zudem sei die Witwe des Versicherten als Leistungsempfängerin durch den
Bezug der großen Witwenrente von Seiten der erstattungsberechtigten Klägerin sozial abgesichert gewesen, so dass für die rasche
Auskehrung des einbehaltenen Nachzahlungsbetrages durch die Beklagte keine Notwendigkeit bestanden habe. Auch die analoge
Anwendung des § 87 Abs. 2 SGB X komme mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Aus den Gesetzesmaterialien sei zu schließen, dass dem Gesetzgeber
bewusst gewesen sein müsse, dass § 87 Abs. 2 SGB X Erstattungsansprüche im Sinne der §§ 102 ff. SGB X nicht erfasse. Im Entwurf habe die Vorschrift weitgehend der Gesetz gewordenen Fassung entsprochen. Im Gesetzgebungsverfahren
habe der Bundesrat darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Vorschrift nicht auf die hier infrage stehenden Erstattungsansprüche
beziehe. In ihrer Gegenäußerung habe sich die Bundesregierung hierzu zwar nicht verhalten. Der Umstand aber, dass der Gesetzgeber
trotz des Hinweises des Bundesrates den Anwendungsbereich des § 87 Abs. 2 SGB X nicht auf Erstattungsansprüche erweitert habe, erlaube einzig den Schluss, dass dies nicht beabsichtigt gewesen sei. Vor
diesem Hintergrund scheide die Anwendung des § 87 Abs. 2 SGB X auf Ansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X im Wege der Analogie aus. Entgegen ihrem Dafürhalten könne sich die Beklagte auch nicht auf das Schreiben des Bundesversicherungsamtes
vom 18. Dezember 1989 berufen. In diesem Schreiben werde ein Vorgehen, das der Anwendung des § 87 Abs. 2 SGB X entspreche, lediglich empfohlen. Im Schreiben vom 12. Januar 1995 werde das empfohlene Vorgehen als Verfahrenshinweis bezeichnet.
Einer Empfehlung könne eine Verbindlichkeit aber nicht beigemessen werden. Dass ein lediglich empfohlenes Vorgehen im Wege
der aufsichtsbehördlichen Anordnung erzwungen werden könne, wie dies von der Beklagten vorgetragen werde, erschließe sich
nicht. Im übrigen habe der Erlass aufsichtsbehördlicher Maßnahmen gemäß § 89 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ( SGB IV) eine Rechtsverletzung durch die Versicherungsträger zur Voraussetzung. Es entspreche aber - wie dargetan - gerade der Rechtslage,
§ 87 Abs. 2 SGB X auf Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X nicht anzuwenden. Zum Umfang des nach § 104 Abs. 3 SGB X zu bestimmenden Erstattungsanspruchs werde auf das Schreiben der Klägerin vom 4. März 2003 verwiesen. Der mit der Klage geltend
gemachte Zahlungsanspruch bleibe dahinter zurück.
Gegen dieses ihr am 14. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Juni 2007 Berufung bei dem Landessozialgericht
eingelegt. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, sie sei aufgrund der Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes
verpflichtet gewesen, den einbehaltenen Nachzahlungsbetrag an die Beigeladene auszuzahlen. Folglich müsse die Leistung mit
befreiender Wirkung erbracht worden sein. Das Bundesversicherungsamt habe die seiner Rechtsaufsicht unterstehenden Unfallversicherungsträger
angewiesen, künftig Renten an die Berechtigten nach einer Frist von circa acht Wochen auszuzahlen, wenn der Rentenversicherungsträger
seinen Erstattungsanspruch nicht innerhalb dieser Frist beziffert habe. Der rechtsverbindliche Charakter für die Beteiligten
ergebe sich aus dem Hinweis des Bundesversicherungsamtes auf vorherige Aufsichtsprüfungen und der Bitte um künftige Beachtung.
Eine spätere Bezeichnung als Verfahrenshinweis sei entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts nicht geeignet, den
rechtsverbindlichen Charakter aufzuheben. Sie habe hierzu bereits auf die partnerschaftliche Kooperation der Beteiligten hingewiesen.
Sie habe deshalb der Rechtsauffassung ihrer Aufsichtsbehörde folgen müssen, um der Ausübung konkreter Aufsichtsanordnungen
zu entgehen. Als Rechtsfolge ergebe sich zwingend, dass sie die Leistung mit befreiender Wirkung an die Leistungsempfängerin
ausgezahlt habe, da sie sonst aufgrund dieser Weisung Erstattungsforderungen der Klägerin ausgesetzt sei und das Risiko des
Rückzahlungsausfalles seitens der Leistungsempfängerin tragen müsse. Ihre Inanspruchnahme durch die Klägerin sei rechtsmissbräuchlich.
Der Klägerin sei die Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes, dessen Rechtsaufsicht sie ebenfalls unterliege, bekannt
gewesen. Sie sei von ihr zudem darauf hingewiesen worden. Die Klägerin habe sich auch nicht, wie es bei gegenteiliger Rechtsauffassung
zu erwarten gewesen wäre, an das Bundesversicherungsamt als ihre Aufsichtsbehörde gewandt, sondern habe die Leistung von der
Witwe zurückgefordert. Doch statt die Erstattungsforderungen per Bescheid geltend zu machen, habe sie sich mit dem Hinweis
der Witwe im Anhörungsverfahren begnügt, die Leistung sei verbraucht, dies obwohl sie von ihr auf die Bösgläubigkeit der Leistungsempfängerin
hingewiesen worden sei. Damit habe sich die Klägerin zu ihrem vorherigen Verhalten in Widerspruch gesetzt, mit der Folge der
Verwirkung etwaiger Ansprüche. Selbst wenn man mit dem Sozialgericht Berlin von der Nichtanwendbarkeit des § 87 Abs. 2 SGB X wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X ausgehen würde, handele es sich dann um einen Fall der notwendigen Beiladung der Leistungsempfängerin gemäß § 75 Abs. 2 1. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz ( SGG). Sie habe gemäß § 2 Abs. 2, § 17 SGB I im Interesse der Leistungsempfängerin die Leistung ausgezahlt. Um Doppelleistungen zu vermeiden, ergebe sich jedoch ein Rückforderungsanspruch,
auf den sie die Leistungsempfängerin bereits hingewiesen habe. Die Beigeladene habe die Leistungen, die im Dezember 2002 zur
Auszahlung gelangt seien, bereits im Januar 2003 zur Tilgung eines Immobiliendarlehens eingesetzt, obwohl sie von ihr auf
die Rückforderungsgefahr hingewiesen worden sei. Weiter habe die Beigeladene gegenüber der Klägerin im Anhörungsverfahren
wider besseren Wissens erklärt, die Leistung sei gutgläubig verbraucht worden. Sie mache daher wegen der unterlassenen Beiladung
einen Verfahrensmangel geltend. Sie habe ihr Einverständnis auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung frei widerrufen können,
da sich die Prozesslage aufgrund der langen Verfahrensdauer wesentlich geändert habe. Eigene Rückforderungsansprüche ihrerseits
gegen die Leistungsempfängerin seien wegen Zeitablaufs gefährdet, so dass es mit der erstinstanzlichen Entscheidung gegebenenfalls
zu erheblichen Doppelleistungen an die Empfängerin kommen werde. Insofern habe sie die Beiladung beantragt. Gleichwohl werde
sie nunmehr vorsorglich die Leistungen von der Empfängerin zur Sicherung ihrer Ansprüche zurückfordern. Ergänzend hat die
Berufungsklägerin den Bescheid vom 8. November 2007 sowie den Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008, mit welchem sie von der
Beigeladenen den an sie ausgezahlten Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von 50.000,00 € zurückgefordert hat, übersandt.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung zunächst auf das erstinstanzliche Urteil, das sie für zutreffend hält und führt darüber hinaus
aus, die Beklagte sei weder aus materiell-rechtlicher Sicht noch aus Verfahrensgründen berechtigt gewesen, die Nachzahlung
an die Beigeladene ohne Beachtung des Erstattungsanspruchs auszahlen. Soweit es um die materiell-rechtliche Würdigung des
Falles gehe, bleibe sie bei ihrem bisherigen Standpunkt. Die Beklagte habe die Unfallrentennachzahlung nicht mit schuldbefreiender
Wirkung nach § 103 SGB X gegenüber der Klägerin ausgezahlt, weil die Frist des § 87 SGB X im Erstattungsrecht keine Anwendung finde. Dies scheine im vorliegenden Fall jedoch auch nicht der strittige Punkt zu sein.
Vielmehr lägen die Gründe der Berufung in der unzutreffenden Beurteilung der geltenden verfahrensrechtlichen Regelungen zwischen
den Parteien zur Anwendung des § 87 SGB X. Es gebe keine gemeinsame Verfahrensabsprache zu Fristen bei der Abrechnung von Erstattungsansprüchen. Zwar habe sich das
Bundesversicherungsamt mit Schreiben vom 3. April 1990 an den damaligen Verband Deutscher Rentenversicherungsträger gewandt
und diesen gebeten, sich dem vorgeschlagenen Verfahren zur Anwendung des § 87 SGB X im Erstattungsrecht anzuschließen. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger habe den Vorschlag des Bundesversicherungsamtes
jedoch abgelehnt. In der Folge hätten sich die Rentenversicherungsträger mit dem Bundesversicherungsamt darauf verständigt,
dass sie bemüht seien, die Bezifferung der Erstattungsansprüche zügig vorzunehmen. Eine Garantie für eine Bezifferung innerhalb
der gewünschten 2-Monats-Frist sei hingegen nicht abgegeben worden. Es habe bereits in der Vergangenheit und werde auch zukünftig
Fälle geben, in denen zunächst - vor der Bezifferung eines Erstattungsanspruchs - weitere Ermittlungen zur Feststellung der
Erstattungshöhe eingeleitet werden müssten. Dies sei auch im vorliegenden Fall die Ursache für die längere Bearbeitungsdauer
gewesen. Das Bundesversicherungsamt habe den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften entsprechend informiert.
Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften habe dies wiederum seinen Mitgliedern mit Schreiben vom 1. September
1994 mitgeteilt. In diesem Schreiben weise der Hauptverband seine Mitglieder ausdrücklich darauf hin, dass eine Auszahlung
der Nachzahlung nach Kenntnis eines Erstattungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers nicht mit schuldbefreiender Wirkung
erfolge. Auch gehe aus diesem Schreiben hervor, dass die in § 87 Abs. 2 SGB X geregelte 2-Monats-Frist nicht auf die Bezifferung von Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 ff. SGB X übertragbar sei. Aus welchem Grund die Beklagte hier anders verfahren sei, könne nicht beurteilt werden. Das Handeln der
Beklagten könne jedoch nicht auf eine Verfahrensabsprache mit ihr zurückgeführt werden; diese habe es in dieser Form nie gegeben.
Im übrigen würde ein solches Verfahren auch dem Sinn und Zweck des Erstattungsrecht zuwiderlaufen. Letztlich würde der Versicherte
für einen langen Zeitraum doppelt Sozialleistungen erhalten. Auch sei eine Rückforderung des geforderten Erstattungsbetrages
von der Beigeladenen für sie ausgeschlossen gewesen. Für den erstattungsberechtigten Leistungsträger bestehe kein Wahlrecht
zwischen einem Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff. SGB X und einer Rückforderung vom Berechtigten nach § 50 SGB X. Sofern ein Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X entstanden sei, könne die Forderung nicht gegenüber dem Leistungsempfänger geltend gemacht werden; der Anspruch des Berechtigten
gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger gelte insoweit als erfüllt. Nach alledem sei ihr Erstattungsanspruch
nach § 103 SGB X in Verbindung mit § 93 SGB VI von der Beklagten zu erfüllen. Die Auszahlung des Nachzahlungsbetrages sei auch nicht im Einvernehmen mit ihr erfolgt.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstandes im übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Klägerin (Versicherungsnummer 53 160233 F 006) sowie der Beklagten (Aktenzeichen 7 96 15017 3 B1)
verwiesen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Zu Recht hat das
Sozialgericht die Beklagte dazu verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 20.095,77 € für die Zeit vom 01. Januar
2000 bis zum 31. Oktober 2002 zu zahlen; für die Zeit vor dem 01. Januar 2000 und damit in Höhe von 29.904,23 € ist der Erstattungsanspruch
jedoch gemäß § 111 S. 2 SGB X alter Fassung ausgeschlossen.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 103 SGB X einen Anspruch auf Erstattung eines Betrages i. H. v. 20.095,77 € für die nach dem 31. Dezember 1999 liegenden Zeiträume
(hinsichtlich der Berechnung wird auf Blatt 480 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen).
Der auf das Kumulierungsverbot des § 93 Abs. 1 SGB VI zurückgehende Erstattungsanspruch des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
hat seine Rechtsgrundlage nicht, wie vom Sozialgericht angenommen, in § 104, sondern in § 103 Abs. 1 SGB X. Wenn der Anspruch auf eine bereits erbrachte Sozialleistung wegen des Zusammentreffens mit einer anderen, später bewilligten
Sozialleistung nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist, kann nach dieser Vorschrift der Träger, der die Leistung erbracht
hat, von dem für die entsprechende Leistung zuständigen Träger Erstattung verlangen, soweit dieser nicht vor Kenntnis von
der früheren Leistung bereits selbst geleistet hat. In den Fällen des § 104 SGB X fällt dagegen der Anspruch gegen den erstattungsberechtigten Träger nicht rückwirkend weg, sondern es stellt sich nachträglich
heraus, dass dieser Anspruch bei rechtzeitiger Bewilligung der konkurrierenden Leistung des anderen Trägers nicht bestanden
hätte. Dies ist die typische Situation, die sich beim Zusammentreffen bedarfsabhängiger Sozialleistungen wie der Sozialhilfe
oder der Arbeitslosenhilfe mit beitragsfinanzierten Leistungen wie Renten oder Arbeitslosengeld ergibt (so zuletzt: BSG Urteil
vom 11. November 2003, Aktenzeichen B 2 U 15/03 R, SozR 4-1300 § 111 Nr. 1; ausführlich zur Abgrenzung zwischen den §§ 103 und 104 SGB X: BSGE 81, 30 = SozR 3-1300 § 104 Nr. 12). Darum handelt es sich hier jedoch nicht.
Die weiteren Entscheidungen des Bundessozialgericht vom 29. April 1997 (Aktenzeichen 8 RKn 29/95, SozR 3-1300 § 107 Nr. 10) und vom 26. April 2005 (Aktenzeichen B 5 RJ 36/04 R, SozR 4-1300 § 127 Nr. 1), in denen die Rentensenate des Bundessozialgerichtes bei Zusammentreffen von Renten aus der Rentenversicherung
und aus der Unfallversicherung entschieden haben, dass Grundlage für den Erstattungsanspruch des Unfallversicherungsträgers
gegen den Rentenversicherungsträger § 104 SGB X sei, befassen sich nicht ausdrücklich mit diesem Erstattungsanspruch, seiner Entstehung und seiner Anspruchsgrundlage, sondern
vielmehr mit der Möglichkeit der Rückforderung überzahlter Rentenbeträge vom Versicherten und der Erfüllungswirkung im Sinne
des § 107 SGB X.
Die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X liegen vor. Die Verpflichtung des ursprünglich eingetretenen Leistungsträgers "entfällt" im Sinne dieser Vorschrift, wenn
durch gesetzliche Regelung der Anspruch auf die Leistung für den Fall des Zusammentreffens mit einer bestimmten anderen Leistung
ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (vergleiche: Kasseler Kommentar, Kater, § 103 SGB X RN 20; Roos, in: von Wulffen, SGB X, 6. Auflage 2008, § 103 RN 7; Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB X, Berlin 2008, § 103 RN 11). § 93 Abs. 1 SGB VI ordnet insoweit an, dass die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Zusammentreffen mit einer Rente aus der gesetzlichen
Unfallversicherung für einen bestimmten Betrag "nicht geleistet" wird. Er beschränkt somit das Recht auf Auszahlung der fälligen
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 103 Abs. 1 SGB X (BSG Urteil vom 11. November 2003, Az. B 2 U 15/03 R, aaO.; Roos, in von Wulffen, aaO. RN 16; Klattenhoff, in Hauck/Noftz, aaO. RN 19).
Er ist auch nicht gemäß § 103 Abs. 1 letzter Halbsatz SGB X ausgeschlossen. Danach ist der erstattungspflichtige Leistungsträger nur erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits
selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Erstattungsanspruch
des berechtigten Trägers entsteht, sobald dieser seine Leistungen tatsächlich erbracht hat und ihm die entsprechenden Kosten
entstanden sind. Die Entscheidung des zur Erstattung verpflichteten Trägers ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Insbesondere
hat ein Bescheid eines Unfallversicherungsträgers über die Anerkennung einer Berufskrankheit materiell-rechtlich nur deklaratorische
Bedeutung und keine für die Entstehung des Erstattungsanspruchs auslösende Funktion. Zudem hängt die Entstehung des Erstattungsanspruchs
nicht davon ab, dass dem erstattungsberechtigten Träger das Bestehen des Erstattungsanspruch und/oder der erstattungspflichtige
Träger bekannt war.
Zwar hat die Beklagte bereits selbst am 03. Dezember 2002 an die Beigeladene geleistet, dies geschah jedoch erst nach Kenntniserlangung
vom Erstattungsanspruch der Klägerin, die der Beklagten am 11. September 2002 mitgeteilt hatte, dass ein Erstattungsanspruch
dem Grunde nach geltend gemacht werde. Für die "Kenntniserlangung" in diesem Sinne, das heißt, dafür, dass die Beklagte nicht
mit befreiender Wirkung an die Beigeladene leisten konnte, reichte es vorliegend aus, dass die Klägerin der Beklagten mitteilte,
dass ein Erstattungsanspruch im Hinblick auf die Nachzahlung geltend gemacht werde. Es war insoweit nicht notwendig, das die
Klägerin der Beklagten bereits die konkrete Höhe des Erstattungsanspruches mitteilt. Zwar hat das Bundessozialgericht in seinen
Urteilen vom 19. März 1992 (Az.7 RAr 26/91, SozR 3-1200 § 53 Nr. 4) und vom 20. Januar 1995 (Az. 7 Rar 42/93, SozR 3-1300 § 104 Nr. 8) entschieden, dass die positive
Kenntnis zu Leistungsart, -zeit und -höhe notwendig sei, da die Beklagte nur dann in der Lage sei, ohne weitere Nachforschungen
zu entscheiden, welche Leistungsbestandteile zur Erfüllung des Erstattungsanspruches einzubehalten und welche weiterhin an
den Beigeladenen auszubezahlen seien. In beiden Fällen handelte es sich jedoch um einen Erstattungsanspruch im Hinblick auf
laufende Leistungen, auf die der Anspruchsberechtigte teilweise auch zeitnah angewiesen war. In diesen Fällen der Erstattungsansprüche
auf laufende Leistungen ist eine unverzügliche Entscheidung über die weitere Gewährung von Leistungen, die gegebenenfalls
erst getroffen werden kann, wenn Leistungszeit und -höhe bekannt sind, unabdingbar. Anders ist es jedoch im vorliegenden Fall,
in dem es um die Frage geht, ob die Beklagte berechtigt war, eine Nachzahlung, bei der allen Beteiligten klar war, dass diese
der Beigeladenen jedenfalls nicht in voller Höhe zustehen würde, auszahlen durfte. In diesen Fällen muss es ausreichen, dass
der erstattungsberechtigte Leistungsträger dem erstattungspflichtigen Leistungsträger anzeigt, dass ein Erstattungsanspruch
dem Grunde nach besteht und er diesen alsbald beziffern werde. Hieran ändert auch das Telefongespräch vom 3. Dezember 2002,
in dem die Klägerin der Beklagten mitgeteilt hat, dass sie nicht innerhalb von 14 Tagen ihren Erstattungsanspruch werde beziffern
können, nichts. § 103 Abs. 1 SGB X enthält keine Frist zur Bezifferung des Erstattungsanspruches; aus einer Zusammenschau mit § 111 SGB X muss man schließen, dass ein solcher jedenfalls innerhalb einer Frist von 12 Monaten zu beziffern ist.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist auch nicht durch eine analoge Anwendung des § 87 Abs. 2 S. 1 SGB X auf die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X ausgeschlossen. Gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 SGB X hat, soweit ein Anspruch auf eine Geldleistung auf einen anderen Leistungsträger übergegangen und der Anspruchsübergang sowohl
diesem als auch dem verpflichteten Leistungsträger bekannt ist, der verpflichtete Leistungsträger die Geldleistung nach Ablauf
von zwei Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem die Auszahlung frühestens möglich ist, an den Berechtigten auszuzahlen, soweit
ihm bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt ist, in welcher Höhe der Anspruch dem anderen Leistungsträger zusteht. Zutreffend
hat das Sozialgericht ausgeführt, dass § 87 Abs. 2 S. 1 SGB X weder direkt noch analog auf die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X angewandt werden kann. Insoweit sieht der Senat von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
Auch soweit die Beklagte ausführt, sie habe § 87 SGB X analog anwenden müssen, denn sie sei hierzu vom Bundesversicherungsamt, ihrer Aufsichtsbehörde im Sinne der §§ 87 ff. SGB IV, durch Rundschreiben vom 18. Dezember 1989 verpflichtet worden, kann der Senat dem nicht folgen. Gemäß § 89 Abs. 1 S. 1 SGB IV soll die Aufsichtsbehörde, wenn durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt wird, zunächst
beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt. Kommt der Versicherungsträger dem innerhalb
angemessener Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben.
Die Beklagte selbst räumt ein, dass das Bundesversicherungsamt noch keinen Verpflichtungsbescheid dahin gehend erlassen hatte,
dass eine analoge Anwendung des § 87 SGB X auf die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X von der Beklagten vorgenommen werden musste. Selbst wenn ein solcher Verpflichtungsbescheid vom Bundesversicherungsamt gegen
die Beklagte erlassen worden wäre, hätte die Beklagte diesen nicht hinnehmen müssen, sondern hätte ihn mit der Anfechtungsklage
gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) anfechten können. Diese Klage hätte aufschiebende Wirkung gehabt.
Auch eine Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Klägerin dahingehend, § 87 SGB X analog auf Erstattungsansprüche anzuwenden, ist für den Senat nicht ersichtlich. Zu Recht hat die Klägerin ausgeführt, dass
sich das Bundesversicherungsamt zwar mit Schreiben vom 3. April 1990 an den damaligen Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
gewandt und diesen gebeten habe, sich dem vorgeschlagenen Verfahren zur Anwendung des § 87 SGB X im Erstattungsrecht anzuschließen. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger hat den Vorschlag des Bundesversicherungsamtes
jedoch abgelehnt.
Die Beklagte hat mit der Klägerin auch nicht am 03. Dezember 2002 eine entsprechende Vereinbarung getroffen, die dazu führen
würde, dass die Klägerin nunmehr rechtsmißbräuchlich handeln würde, wenn sie ihren Erstattungsanspruch weiter verfolgt. Eine
entsprechende "Vereinbarung" lässt sich dem Telefonvermerk vom 03.Dezember 2002 jedenfalls nicht entnehmen.
Die Klägerin hat ihre Ansprüche gegen die Beklagte auch nicht dadurch verwirkt, dass sie zunächst versucht hat, eine Rückforderung
gegen die Beigeladene durchzusetzen. Ein solcher Rückforderungsanspruch der Klägerin gegen die Beigeladene besteht nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG Urteile vom 29. April 1997, Az. 8 RKN 29/95, aaO. und vom 27. August 1998, Az.
B 8 KN 20/97 R, aaO.) gerade nicht. Ob ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Beigeladene besteht, muss anlässlich dieses Verfahrens
nicht entschieden werden.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist indes für die Zeit vor dem 01. Januar 2000 ausgeschlossen. Die Beklagte kann die
Erstattung der bis zum 31. Dezember 1999 eingetretenen Überzahlung der Rente aus der Rentenversicherung aufgrund der in diesem
Zeitpunkt geltenden Fassung des § 111 Satz 2 SGB X ablehnen. Zwar hat der Gesetzgeber § 111 S. 2 SGB X durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I, S. 1983) geändert. Frühester Beginn der Ausschlussfrist ist nicht mehr der Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruches, sondern
der Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Entscheidung des erstattungsverpflichteten Leistungsträgers durch den erstattungsberechtigten
Leistungsträger. Zur Überzeugung des Senates gilt dies jedoch nicht für Erstattungsansprüche, für die die Ausschlussfrist
bereits bis zum 31. Dezember 2000, also noch während der Geltungsdauer des § 111 S. 2 SGB X alter Fassung abgelaufen war. Auf Erstattungsansprüche für diese Zeiträume ist weiterhin § 111 S. 2 SGB X alter Fassung anzuwenden. Danach begann die in ihrem Satz 1 bestimmte Zwölf-Monats-Frist nach Ablauf des letzten Leistungstages
"frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs". Der Erstattungsanspruch des berechtigten Trägers entsteht, sobald
dieser seine Leistungen tatsächlich erbracht hat und ihm die entsprechenden Kosten entstanden sind (ständige Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts vergleiche: BSG Urteil vom 14. Februar 1990, Az. 9a/9 RV 6/89, SozR 3-1300 § 111 Nr. 1, Urteil vom 06. Februar 1992, Az. 12 RK 14/90, SozR 3-1300 § 111 Nr. 3, Urteil vom 19. März 1996, Az. 2 RU 22/95, SozR 3-1300 § 111 Nr. 4, Urteil vom 23. September 1997, Az. 2 RU 37/96, SozR 3-1300 § 111 Nr. 6, Urteil vom 28. März 2000, Az. B 8 KN 3/98 RSozR 3-1300 § 111 Nr. 8 und Urteil vom 22. August 2000,
Az. B 2 U 24/99 R, SozR 3-1300 § 111 Nr. 9; Zusammenfassung bei von Wulffen, aaO., § 111 RN 3). Die Entscheidung des zur Erstattung verpflichteten
Trägers ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Insbesondere hat ein Bescheid eines Unfallversicherungsträgers über die Anerkennung
einer Berufskrankheit materiell-rechtlich nur deklaratorische Bedeutung und keine für die Entstehung des Erstattungsanspruchs
auslösende Funktion (BSG Urteil vom 22. August 2000, Az. B 2 U 24/99 R, SozR 3-1300 § 111 Nr. 9). Zudem hängt die Entstehung des Erstattungsanspruchs nicht davon ab, dass dem erstattungsberechtigten
Träger das Bestehen eines Erstattungsanspruchs und/oder der erstattungspflichtige Träger bekannt war (siehe nur: BSG Urteil
vom 06. Februar 1992, Az. 2 RU 22/95, SozR 3-1300 § 111 Nr. 3). Bei wiederkehrenden Leistungen kommt es auf den Zeitraum an, für den die einzelne Leistung erbracht
wurde (BSG Urteil vom 06. April 1989, Az. 2 RU 34/88, SozR 1300 § 111 Nr. 4); dies ist bei Verletztenrenten der jeweilige Monat, zu dessen Beginn die Leistungen in Monatsbeträgen
im Voraus gezahlt werden (Kasseler Kommentar, § 111 RN ; Klattenhoff, in Hauck/Noftz, aaO., § 111 RN 11).
Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Erstattung der monatlich gezahlten Witwenrente frühestens am 11. September 2002 spätestens
mit der endgültigen Bezifferung des Erstattungsanspruches am 04./07. März 2003 geltend gemacht, so dass der Erstattungsanspruch
für die in der Zeit vor dem 31. Dezember 1999 gezahlten Renten nach § 111 S. 2 SGB X alter Fassung am 31. Dezember 2000 bereits ausgeschlossen war (zum Begriff der Geltendmachung vergleiche: BSG Urteil vom
22. August 2000, Az. B 2 U 24/99 R SozR 3-1300 § 111 Nr. 9).
Diese Rechtslage ist zur Überzeugung des Senates für vor dem 31. Dezember 1999 liegende Zeiträume durch die Neufassung des
§ 111 Satz 2 SGB X durch das 4. Euro-Einführungsgesetz zum 1. Januar 2001 nicht verändert worden. Nach dieser Vorschrift beginnt die - unveränderte
- Zwölf-Monats-Frist des § 111 Satz 1 SGB X frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen
Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch die Klägerin war
der 23. Juli 2002. Der Erstattungsanspruch wäre damit innerhalb der nunmehr erst mit Kenntnisnahme beginnenden Zwölf-Monats-Frist
des § 111 Satz 1 SGB X nämlich im September 2002 geltend gemacht worden.
§ 111 SGB X in seiner vom 1. Januar 2001 an geltenden Fassung ist indes auf Erstattungsansprüche jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn
die Ausschlussfrist bereits unter Geltung des § 111 SGB X alte Fassung am 31. Dezember 2000 abgelaufen war. Dies gebietet das aus dem insbesondere in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ( GG) verankerten Rechtsstaatsprinzip folgende Rückwirkungsverbot, das entgegen der Ansicht der Klägerin kein (Individual-) Grundrecht,
sondern ein staatsorganisationsrechtlicher Verfassungsgrundsatz ist, der auch juristische Personen des öffentlichen Rechts
schützt, wenn diese ähnlich betroffen sein können wie natürliche Personen. Die Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung auf die nach der bis dahin geltenden Fassung maßgeblichen Ereignisse in den
Jahren 1996 bis 1999 würde zu einer echten Rückwirkung (vgl. dazu Jarass/Pieroth, GG, 9. Auflage, München 2007, Art. 20 RN 68 m. w. N., Leibholz/Rinck, GG, Stand: Oktober 2008, 49. Erg.lieferung, Art. 20 RN 1607 m. w. N) bzw. in der Diktion des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts zu einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen
führen, weil die Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingriffe. Derartige
gesetzliche Eingriffe sind wegen der rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit grundsätzlich
verboten (BSG Urteil vom 11. November 2003, Az. B 2 U 15/03 R, aaO.; vgl. Jarass/Pieroth, aaO., RN 70, 71 m. w. N.; Leibholtz/Rinck, aaO., Art. 20 RN 1621; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Stand Oktober 2008, 53. Erg.lieferung, Art. 20 VII RN 80 f.). Zwar kann dieses Verbot durchbrochen werden, wenn zwingende Gründe des gemeinen Wohls dies gebieten oder das
Vertrauen des Rechtsbetroffenen in den Fortbestand der Gesetzeslage nicht mehr schutzwürdig war, er etwa im Zeitpunkt, auf
den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz bezogen wird, mit der rückwirkenden Änderung des Gesetzes rechnen musste (Jarass/Pieroth,
aaO., RdNr 72; Leibholz/Rinck, aaO., Art. 20 RN 1631). Dem entspricht der Grundsatz des sogenannten intertemporären Rechts,
dass ein Gesetz grundsätzlich erst Wirkung auf nach seinem In-Kraft-Treten eingetretene Sachverhalte entfalten kann, es sei
denn, dass ihm ausdrücklich Rückwirkung beigelegt worden ist (zur Auslegung der Übergangsvorschriften der §§ 212 ff. SGB VII vgl. BSG Urteil vom 26. Juni 2001, B 2 U 28/00 R, SozR 3-2700 § 44 Nr. 1; vom 5. März 2002, Az. B 2 U 4/01 R zitiert nach Juris; vom 19. August 2003, Az. B 2 U 9/03 R).
Aus der Übergangsvorschrift des § 120 Abs. 2 SGB X, wonach § 111 Satz 2 und § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der vom 1. Januar 2001 an geltenden Fassung auf die Erstattungsverfahren anzuwenden sind, die zum 1. Juni 2000 "noch nicht
abschließend entschieden" waren, ergibt sich bereits, dass der Gesetzgeber die Neufassung des § 111 SGB X auf in der Vergangenheit liegende bis zum 1. Juni 2000 abgeschlossene Sachverhalte nicht anwenden will, so dass ein Wiederaufleben
bereits - durch Nichteinhalten der Ausschlussfrist - ausgeschlossener Erstattungsansprüche nicht geregelt ist (Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2003 - 5 C 18/02, zitiert nah Juris). Obwohl die Frage, was unter der Wendung "noch nicht abschließend entschieden" zu verstehen ist, zu Auslegungsproblemen
führt, braucht dies nicht abschließend erörtert zu werden, denn das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 11. November
2003 (B 2 U 15/03 R, aaO.) schon wegen dieser Auslegungsschwierigkeiten und angesichts der in Rede stehenden echten Rückwirkung die Norm verfassungskonform
dahin ausgelegt, dass jedenfalls die Erstattungsverfahren von der Anwendung der Neufassung des § 111 SGB X ausgeschlossen sind, bei denen bis zum 1. Juni 2000 die Ausschlussfrist bereits unter Geltung des § 111 SGB X alter Fassung abgelaufen war.
Dies gilt zur Überzeugung des Senates auch für die Erstattungsverfahren, bei denen die Ausschlussfrist bis zum Ende der Geltungsdauer
des § 111 SGB X alter Fassung, also bis zum 31. Dezember 2000 abgelaufen war. Zwar hat das Bundessozialgericht dies in der genannten Entscheidung
ausdrücklich offengelassen, da es für den dort zu entscheidenden Fall nicht darauf ankam. Hierfür spricht jedoch in erster
Linie, dass Erstattungsansprüche für die die Frist bis zum 31. Dezember 2000 abgelaufen war, damit am 31. Dezember 2000 ausgeschlossen
waren. (BVerwG aaO.). Dass diese bereits ausgeschlossenen Ansprüche wieder aufleben konnten und dies nach § 120 Abs. 2 SGB X auch sollten, ist für den Senat nicht ersichtlich.
Auch eine materielle Überprüfung führt zu der Annahme, dass § 111 S. 2 SGB X neuer Fassung nicht für Zeiträume bis zum 31. Dezember 2000 gelten kann. Selbst wenn man aber entgegen der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichtes § 120 Abs. 2 SGB X dahin verstünde, dass er allein aufgrund einer rein verfahrenstechnischen Betrachtung ein Wiederaufleben bereits ausgeschlossener
Ansprüche habe bewirken wollen, hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 11. November 2003 (B 2 U 15/03 R, aaO.) überzeugend dargelegt, dass die für die Rechtmäßigkeit einer derartigen Maßnahme erforderlichen zwingenden Gründe
des gemeinen Wohls fehlen. Solche sind auch nicht aus der amtlichen Begründung des Entwurfs des 4. Euro-Einführungsgesetzes
(BT-Drucks 14/4375) ersichtlich. Danach soll "die Regelung der Absätze 2 und 3 - des § 120 - hinsichtlich des Vollzugs der Änderungen der §§ 111 und 113 SGB X eine verwaltungsökonomische Abwicklung der Erstattungsverfahren gewährleisten", indem alle "noch nicht abgewickelten Fälle
nach dem neuen Recht abzuwickeln sind" (BT-Drucks 14/4375, S 61 zu § 120 SGB X). Die amtliche Begründung führt also allein Gründe der Verwaltungsökonomie an, die ihrerseits keineswegs Gründe des gemeinen
Wohls darstellen. Schließlich brauchte die Beklagte in den Jahren 1996 bis 2000 nicht mit einer echten Rückwirkung des § 111 Satz 2 SGB X zu rechnen, denn das Vertrauen des Rechtsbetroffenen in den Fortbestand einer Norm kann frühestens mit dem Gesetzesbeschluss
des Bundestages (hier am 21. Dezember 2001) zerstört werden (vgl. Jarass/Pieroth, aaO., RdNr 72; Leibholz/Rinck/Hesselberger,
aaO., RdNr 1634, jeweils mwN).
Nach alldem ist der für Zeiträume bis zum 31. Dezember 1999 geltend gemachte Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte
gemäß § 111 S. 2 SGB X alter Fassung ausgeschlossen und der Berufung der Beklagten insoweit stattzugeben; im übrigen ist sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 197 a Sozialgerichtsgesetz ( SGG), § 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung, dabei erschien es dem Senat nicht gerechtfertigt, der Klägerin oder der
Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG aus den genannten Gründen vorliegt. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab, denn er folgt
ausdrücklich die Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundessozialgerichts, die unter anderem in dem Urteil vom 11. November
2003 (Aktenzeichen B 2 U 15/03 R) dargelegt ist.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 des Gerichtskostengesetzes vom 5. Mai 2004. Hiergegen ist die Beschwerde nicht gegeben (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 197 a Rn. 5).
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