Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Verfahrens
Prozesskostenhilfevergütungsverfahren und anschließendes Erinnerungsverfahren als ein Gerichtsverfahren
Vorbereitungszeit und Bedenkzeit für ein Vergütungsverfahren
Kompensation von Verzögerungszeiten
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht B (SG) unter dem Aktenzeichen S 133 SF 597/18 E geführten Verfahrens.
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, vertrat in dem vor dem SG unter dem Aktenzeichen S 124 AS 4089/16 gegen das Jobcenter Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf geführten Verfahren den Kläger K E. In dem Verfahren wurde dem dortigen
Kläger mit Beschluss des SG vom 11. Mai 2017 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Klägers bewilligt. Das Verfahren endete durch übereinstimmende
Erledigungserklärung der Beteiligten am 26. Januar 2018, nachdem der dortige Beklagte sich u.a. bereit erklärt hatte, die
notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens dem Grunde nach zur Hälfte zu übernehmen.
Am 09. März 2018 beantragte der Kläger u.a. die Kosten des Klageverfahrens gegen die Landeskasse i.H.v. 892,50 € festzusetzen.
Unter dem 13. März 2018 erteilte die Urkundsbeamtin dem Kläger einen Hinweis und fragte an, ob im Hinblick auf diesen der
Vergütungsfestsetzungsantrag reduziert werde. Nachdem der Kläger innerhalb der gesetzten Frist von vier Wochen nicht geantwortet
hatte, wurde er am 18. April 2018 unter Setzung einer Frist von drei Wochen erinnert. Nachdem der Kläger auch auf eine weitere
Erinnerung vom 30. Mai 2018 nicht reagiert hatte, setzte das SG mit Beschluss vom 15. Juni 2018 – dem Kläger zugestellt am 20. Juni 2018 – die Vergütung auf 654,50 € fest und wies den Antrag
im Übrigen zurück.
Hiergegen legte der Kläger am 19. Juli 2018 Erinnerung ein und begehrte die Festsetzung der Vergütung auf 892,50 €. Nachdem
die Urkundsbeamtin der Erinnerung nicht abgeholfen hatte (Entscheidung vom 26. Juli 2018), wurde die Erinnerung unter dem
Aktenzeichen S 133 SF 597/18 E registriert. Unter dem 31. Juli 2018 (abgesandt am 02. August 2018) bestätigte das SG den Eingang der Erinnerung und leitete die Erinnerung dem Bezirksrevisor zur Stellungnahme binnen eines Monats zu. Dieser
verzichtete am 03. August 2018 auf eine Stellungnahme. Die Akte gelangte wenige Tage später zurück an die 133. Kammer. Im
August und September 2018 befanden sich die Akten des Ursprungsverfahrens S 124 AS 4089/16 jeweils kurzzeitig bei der 124. Kammer. Am 06. Dezember 2019 ging die Verzögerungsrüge des Klägers vom selben Tag beim SG ein. Mit Beschluss vom 10. Februar 2020 – dem Kläger zugestellt am 17. Februar 2020 – wies das SG die Erinnerung des Klägers zurück.
Am 04. März 2020 hat der Kläger die vorliegende Entschädigungsklage erhoben, nachdem der Präsident des SG mit Schreiben vom Vortag auf einen vorprozessual an ihn herangetragenen Entschädigungsanspruch des Klägers hin zwar eine
überlange Dauer des Erinnerungsverfahrens anerkannt und hierüber im eigenen Namen sowie dem des Beklagten sein Bedauern zum
Ausdruck gebracht, jedoch die Gewährung einer Entschädigung abgelehnt hatte.
Mit dieser Klage begehrt er zum einen die Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer des unter dem Aktenzeichen S
133 SF 597/18 E geführten Verfahrens i.H.v. nicht unter 1.200,00 € sowie zum anderen einer Summe von 201,71 € zum Ausgleich
seines Vermögensnachteils nebst Zinsen. Zur Begründung macht er geltend, das Erinnerungsverfahren sei ein Verfahren i.S.d.
§
198 Abs.
6 Nr.
1 Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG). Das Verfahren weise auch eine unangemessene Dauer auf. Vorliegend sei es zu Phasen gerichtlicher Inaktivität im Umfang
von insgesamt 18 Kalendermonaten (August 2018 bis einschließlich Januar 2020) gekommen. Hiervon seien Vorbereitungs- und Bedenkzeiten
im Umfang sechs Monaten abzuziehen, sodass eine entschädigungspflichtige Verzögerung von zwölf Monaten verbleibe. Entgegen
der Auffassung des Beklagten sei die Feststellung der Überlänge nicht ausreichend zur Wiedergutmachung. Beteiligter des Erinnerungsverfahrens
sei nicht sein Mandant, sondern er selbst gewesen. Das Verfahren habe seine eigenen unmittelbaren finanziellen Interessen
betroffen. Er sei Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Bereich des Sozialrechts und unterhalte eine Kanzlei mit zwei angestellten
Rechtsanwältinnen, einer Rechtsanwältin als freier Mitarbeiterin und mehreren teils in Vollzeit, teils in Teilzeit angestellten
Mitarbeitern im Büro-/Organisationsbereich. Er vertrete eine Vielzahl von Mandanten, insbesondere im Bereich der Existenzsicherung.
Damit korrespondiere eine Vielzahl von Verfahren vor den Sozialgerichten, vorwiegend dem SG Berlin, und auch vor den Landessozialgerichten,
insbesondere dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. In einer nahezu ebenso großen Anzahl von Verfahren beantrage er aufgrund
der finanziellen Situation seiner Mandanten die Gewährung von PKH. Eine in Vollzeit angestellte Bürokraft sei nahezu ausschließlich
mit der Organisation der hierfür notwendigen Unterlagen beschäftigt. Soweit der Beklagte meine, er sei als Organ der Rechtspflege
einer geringeren psychischen Belastung ausgesetzt gewesen, erschließe sich dies nicht. Streitigkeiten im Bereich der Prozesskostenhilfevergütung
träfen den betroffenen Rechtsanwalt im Kernbereich seiner beruflichen Existenz. Dies gelte insbesondere für Rechtsanwälte,
die wie er im Gebiet des Sozialrechts tätig seien, da die Mandanten in der überwiegenden Zahl nicht solvent seien. Die Gewissheit
alleine, dass der Staat als potenter Schuldner irgendwann zahle, verhindere nicht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des
Gläubigers.
Die Klage ist dem Beklagten am 03. April 2020 zugestellt worden.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht B unter dem Aktenzeichen S 133 SF 597/18
E geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von mindestens 1.200,00 € sowie
2. ihm darüber hinaus zum Ausgleich seines Vermögensnachteils eine Entschädigung in Höhe von 201,71 € zzgl. Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 03. April 2020 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, das Verfahren habe zwar überlang gedauert. Eine materielle Entschädigung scheide jedoch unter Berücksichtigung der
im Allgemeinen untergeordneten Bedeutung des Kostenfestsetzungsverfahrens sowie der Tatsache, dass ein Rechtsanwalt als Organ
der Rechtspflege nicht in gleichem Maße wie Laien durch eine lange Verfahrensdauer psychisch belastet werde, aus. Die Angelegenheit
sei für den Kläger auch deshalb von untergeordneter Bedeutung gewesen, weil das Ausgangsgericht den Vergütungsfestsetzungsantrag
nicht insgesamt abgelehnt habe. Der Kläger habe im Wege des Erinnerungsverfahrens nur noch einen Mehrbetrag i.H.v. 238,00
€ geltend gemacht. Darüber hinaus wisse der Rechtsanwalt im PKH-Vergütungsverfahren, dass ihm bei Anerkennung des Vergütungsanspruchs
ein potenter Schuldner gegenüberstehe. Werde ein Rechtsanspruch durch richterliche Festsetzung bejaht, brauche ein Rechtsanwalt
nicht zu fürchten, dass die Vergütung aus der Staatskasse nicht gezahlt werde. Auch insoweit unterscheide sich ein Rechtsanwalt
von anderen Prozessbeteiligten, die gegebenenfalls damit rechnen müssten, dass ein zunächst zahlungsfähiger Schuldner insolvent
werde.
Die Beteiligten haben unter dem 18. November und 09. Dezember 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne
mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen
haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der nach §
201 Abs.
1 des
GVG sowie §
202 Satz 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
(GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer
gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554) für die Entscheidung über die Entschädigungsklage zuständige Senat konnte über diese nach §
201 Abs.
2 Satz 1
GVG i.V.m. §§
202 Satz 2,
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu unter dem 18. November bzw. 09. Dezember 2020 ihr
Einverständnis erteilt hatten.
Die auf Gewährung einer Entschädigung für die überlange Dauer des beim Sozialgericht B unter dem Aktenzeichen S 133 SF 597/18
E geführten Erinnerungsverfahrens gerichtete, als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage kann keinen Erfolg haben.
A. Zwar ist die Entschädigungsklage zulässig. Insbesondere bestehen weder an der Wahrung der gemäß §
90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform noch an der Einhaltung der nach §
198 Abs.
5 Satz 2
GVG zu wahrenden Klagefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder
einer anderen Erledigung des Verfahrens Zweifel. Auch ist es hier unschädlich, dass die Klage bereits am 04. März 2020 und
damit – entgegen §
198 Abs.
5 Satz 1
GVG – vor Ablauf von sechs Monaten ab Erhebung der Verzögerungsrüge am 06. Dezember 2019 erhoben wurde. Denn zwar handelt es
sich bei der Einhaltung der Wartefrist um eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts
wegen zu prüfen ist, und wird eine vor Fristablauf erhobene Klage auch nicht nach Ablauf der Frist zulässig (Bundessozialgericht
<BSG>, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/14 R – juris, Rn. 18 ff.). Allerdings ist mit Blick auf den Sinn der Wartefrist,
dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden
zu vermeiden, anerkannt, dass eine Klage ausnahmsweise vor Fristablauf erhoben werden kann, wenn nämlich das betroffene Verfahren
schon vor Fristablauf beendet wurde (vgl. Bundesgerichtshof <BGH>, Urteil vom 21.05.2014 – III ZR 355/13 – Rn. 17 und Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 26.02.2015 – 5 C 5/14 D – Rn. 18 ff., zitiert jeweils nach juris). So aber liegt der Fall hier.
B. Die Entschädigungsklage ist jedoch unbegründet.
Nach §
198 Abs.
1 Satz 1
GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil
erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung indes nur beansprucht werden, soweit nicht
nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß §
198 Abs.
4 GVG ausreichend ist (§
198 Abs.
2 S. 2
GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer
des Verfahrens gerügt hat (§
198 Abs.
3 Satz 1
GVG).
Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Gewährung einer finanziellen Entschädigung wegen eines immateriellen Nachteils (hierzu
im Folgenden zu I.) noch auf gerichtliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer des streitgegenständlichen
Erinnerungsverfahrens (hierzu unter II.) oder auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines materiellen Nachteils zu (hierzu
unter III.).
I. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer finanziellen Entschädigung für einen immateriellen Nachteil sind nicht gegeben,
da vorliegend das negative Tatbestandsmerkmal des §
198 Abs.
2 Satz 2
GVG – das Ausreichen einer Wiedergutmachung auf andere Weise – eingreift.
Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass das Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach §
197 SGG ein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne des §
198 Abs.
6 Nr.
1 GVG darstellt, mithin Gegenstand eines Entschädigungsanspruchs sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.07.2014 – B 10 ÜG 8/13 R – juris, Rn. 16 ff.). Nichts anderes kann zur Überzeugung des Senats für das PKH-Vergütungsverfahren
nach § 55 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und ein sich an dieses anschließendes Erinnerungsverfahren gelten.
Auch ist der Kläger aktivlegitimiert in Bezug auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch, denn er ist Verfahrensbeteiligter
des Ausgangsverfahrens im Sinne des §
198 Abs.
1 Satz 1, Abs.
6 Nr.
2 GVG. Im Vergütungsfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG ist der beigeordnete Rechtsanwalt selbst antrags- bzw. erinnerungsberechtigt (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, § 55 Rn. 4 und § 56 Rn. 7). Dementsprechend wurde der Kläger vom Sozialgericht auch als Antragsteller bzw. Erinnerungsführer geführt.
Zu Recht gehen weiter sowohl der Kläger, der am 06. Dezember 2019 eine ordnungsgemäße Verzögerungsrüge erhoben hat, als auch
der Beklagte davon aus, dass das Verfahren eine unangemessene Dauer aufweist (hierzu zu 1.). Allerdings bedarf es vorliegend
nicht der Gewährung einer Entschädigung (hierzu zu 2.).
1. Zur Überzeugung des Senats ist das streitgegenständliche Erinnerungsverfahren als im Umfang von fünf Kalendermonaten überlang
anzusehen.
a) Ob die Verfahrensdauer angemessen ist oder nicht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der
Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§
198 Abs.
1 Satz 2
GVG). Über die in §
198 GVG ausdrücklich genannten Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hinaus hängt die Unangemessenheit
der Verfahrensdauer wesentlich davon ab, ob dem Staat zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens
geführt haben. Maßgeblich sind Verzögerungen, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund
von Untätigkeit des Gerichts (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 34 und – B 10 ÜG 12/13 R –Rn. 41, vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R – Rn. 35
sowie vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 38, alle zitiert nach juris). Für die Entscheidung, ob eine überlange Verfahrensdauer
vorliegt, sind daher aktive und inaktive Zeiten der Bearbeitung gegenüberzustellen (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 40 ff., 50), wobei kleinste relevante Zeiteinheit stets der Kalendermonat
ist (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – 2. Leitsatz und Rn. 34, vgl. auch Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R –,
Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 25, - B 10 ÜG 2/13 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).
Vorliegend begann das Erinnerungsverfahren – auf das der Kläger seine Entschädigungsklage zulässigerweise beschränkt hat (vgl.
BSG, Urteil vom 27.03.2020 – B 10 ÜG 4/19 R, juris, Rn. 11) – mit Eingang des Rechtsbehelfs am 19. Juli 2018 und fand mit dem
Beschluss vom 10. Februar 2020 – dem Kläger zugestellt am 17. Februar 2020 - seinen Abschluss. Innerhalb dieser Zeit wurde
es von September 2018 bis einschließlich Januar 2020, mithin in 17 Kalendermonaten, nicht gefördert. Soweit der Kläger davon
ausgeht, dass bereits der August 2018 als Monat der gerichtlichen Inaktivität zu bewerten ist, folgt der Senat ihm nicht.
Denn in diesem Monat hat das Sozialgericht dem Erinnerungsgegner den Schriftsatz des Klägers vom 19. Juli 2018 nach Registrierung
des Erinnerungsverfahrens Anfang August zur Stellungnahme zugeleitet, auf welche dieser dann kurz darauf ausdrücklich verzichtet
hat. Soweit die Akte des Ursprungsverfahrens im September 2018 (wie schon zuvor im August 2018) der 124. Kammer auf deren
Anforderung zur Verfügung gestellt wurde, resultiert hieraus keine gerichtliche Aktivität im September 2018, denn die Akte
befand sich lediglich für 3 Tage bei der 124. Kammer.
b) Dies heißt jedoch nicht, dass von einer Unangemessenheit der Verfahrensdauer im Umfang von 17 Kalendermonaten auszugehen
wäre. Denn erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände ergibt, ob die Verfahrensdauer die äußerste
Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 33). Dabei ist zu beachten, dass den Gerichten – über die Phasen der
aktiven Verfahrensförderung hinaus - Vorbereitungs- und Bedenkzeiten von in der Regel zwölf Monaten je Instanz als angemessen
zuzugestehen sind, falls sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem
mit Blick auf die Kriterien des §
198 Abs.
1 Satz 2
GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 48, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 49 und - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 56, jeweils zitiert
nach juris). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten
in davor oder danach liegenden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden können (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 - Rn. 43, - B 10 ÜG 9/13 R - Rn. 43, - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 51, - B 10 ÜG 2/14 R-
Rn. 44, zitiert jeweils nach juris). Da Anknüpfungspunkt für die Angemessenheitsprüfung nach §
198 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
6 Nr.
1 GVG das Verfahren von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss insgesamt ist, geht der Senat in ständiger Rechtsprechung
(vgl. z.B. Urteil vom 25.02.2016 – L 37 SF 128/14 EK AL -, juris, Rn. 58) davon aus, dass insoweit eine instanzübergreifende Betrachtung zu erfolgen hat und in einem erstinstanzlichen
Verfahren aufgetretene Verzögerungen noch durch die zügige Bearbeitung im Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren zu kompensieren
sind sowie umgekehrt im Falle einer sehr zügigen Bearbeitung einer Sache vor dem Sozialgericht das zweitinstanzliche Verfahren
entsprechend länger dauern kann. Dabei können die dem jeweiligen Gericht für seinen Verfahrensabschnitt zur Verfügung stehenden
Vorbereitungs- und Bedenkzeiten zur Überzeugung des Senats vollumfänglich auf das Verfahren der jeweils anderen Instanz übertragen
werden, soweit sie nicht "aufgebraucht" sind. Übertragen auf das hier streitgegenständliche Erinnerungsverfahren bedeutet
dies:
aa) Kriterien, die es rechtfertigen würden, für ein von einer Richterin/einem Richter zu bearbeitendes Erinnerungsverfahren
von einer geringeren als der den Gerichten regelmäßig zustehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit im Umfang von zwölf Monaten
auszugehen, vermag der Senat unter Berücksichtigung der Bedeutung des Streitgegenstandes, die eine bevorzugte Erledigung dieser
Verfahren nicht geboten erscheinen lässt, nicht zu erkennen. Bei einem Erinnerungsverfahren handelt es sich vielmehr – anders
als z.B. bei einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - um ein dem Hauptsacheverfahren nachfolgendes Kostenverfahren mit einem
in der Regel eher geringen Streitwert, dem im Vergleich zu den sonstigen richterlich zu bearbeitenden Fällen eine eher untergeordnete
Bedeutung beizumessen ist. Dies gilt auch für das streitgegenständliche Verfahren, in dem der Kläger als Rechtsanwalt eine
Vergütung in Höhe weiterer 238,00 € begehrt hat. Allerdings können durchaus auch diese Verfahren für die bearbeitenden Richterinnen
und Richter schwierigere Rechtsfragen aufwerfen. Umgekehrt weisen Erinnerungsverfahren im Vergleich zu typischen sozialgerichtlichen
Hauptsacheverfahren eine eher geringe Komplexität auf, sind jedenfalls nicht von Ermittlungen oder üblicherweise – und so
auch vorliegend - dem intensiven Austausch von Schriftsätzen geprägt. Der Senat sieht daher auch keine Gründe, die es rechtfertigen
würden, zum Nachteil eines Erinnerungsführers von einer längeren als zwölfmonatigen Bearbeitungs- und Bedenkzeit auszugehen.
Er geht vielmehr davon aus, dass den Gerichten für Erinnerungsverfahren in der Regel – und so auch vorliegend – eine Vorbereitungs-
und Bedenkzeit im Umfang von zwölf Monaten zusteht (so auch: Sächsisches LSG, Urteil vom 22.01.2018 – L 1 SF 45/16 EK – Rn. 67 und Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteile vom 30.11.2018 – L 12 SF 71/17 EK - Rn. 40 sowie – L 12 SF 67/17 EK - Rn. 34, a.A.– nur sechs Monate -: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11.11.2015 – L 12 SF 23/14 EK AS –, Rn. 19, vgl. auch: Hessisches LSG, Urteil vom 01.08.2018 – L 6 SF 2/18 EK SB - Rn. 47: Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren zusammen zwölf Monate, alle zitiert nach juris).
bb) Da ein Erinnerungsverfahren weiter nicht isoliert steht, sondern sich regelmäßig an eine Kostenfestsetzung wie z.B. hier
im PKH-Vergütungsverfahren anschließt, es sich mithin auch insoweit um ein – vergleichbar z.B. dem Klage- und Berufungsverfahren
- zweistufiges Verfahren handelt, sieht der Senat schließlich keine Veranlassung, von der – wie oben ausgeführt – von ihm
regelmäßig angenommenen Kompensationsmöglichkeit abzuweichen. Denn auch wenn in einem PKH-Vergütungs-/Kostenfestsetzungs-
und Erinnerungsverfahren Angehörige eines einzigen Gerichts tätig werden, ändert dies nichts daran, dass zunächst durch eine
Urkundsbeamtin/einen Urkundsbeamten eine Entscheidung über die Höhe der Vergütung/zu erstattenden Kosten getroffen und sodann
– auf den Rechtsbehelf hin – deren/dessen Entscheidung durch eine Richterin/einen Richter überprüft wird.
cc) Allerdings hält der Senat es mit Blick auf das PKH-Vergütungs-/Kostenfestsetzungsverfahren nicht für angemessen, von einer
Vorbereitungs- und Bedenkzeit von mehr als in der Regel drei Monaten auszugehen (so auch: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil
vom 11.11.2015 – L 12 SF 23/14 EK AS – Rn. 18, LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08.06.2016 – L 12 SF 9/14 EK AS – Rn. 14 ff., LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.02.2017 – L 12 SF 39/15 EK AS – Rn. 13 ff., 16, Sächsisches LSG, Urteil vom 22.01.2018 – L 11 SF 45/16 EK – Rn. 66, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.07.2019 – L 2 SF 1441/19 EK AS – Rn. 29, alle zitiert nach juris). Die personelle Ausstattung der Gerichte muss vielmehr im nichtrichterlichen Bereich
zu seiner Überzeugung so gestaltet sein, dass es den Urkundsbeamten grundsätzlich möglich ist, dem verständlichen Wunsch ehemaliger
Beteiligter eines gerichtlichen Klage- oder Antragsverfahrens auf zügige Erstattung der ihnen im Laufe dieses Verfahrens entstandenen
Kosten zügig zu entsprechen. Hierzu gehört es, dass es nicht erforderlich sein darf, einen Vergütungs-/Kostenfestsetzungsantrag
um mehr als drei Monate zurückzustellen.
dd) Vorliegend bedeutet dies, dass von den aufgetretenen 17 Kalendermonaten der gerichtlichen Inaktivität letztlich nur zwei
als entschädigungsrelevant anzusehen sind. Denn im Laufe des mit dem Antrag vom 09. März 2018 eingeleiteten und durch fünf
Tage später zugestellten Beschluss der Urkundsbeamtin vom 15. Juni 2018 abgeschlossenen PKH-Vergütungsverfahrens sind keine
dem Beklagten anzulastenden Verzögerungen aufgetreten. Im Gegenteil wurde in diesem Verfahren wenige Tage nach Antragseingang
im März 2018 ein rechtlicher Hinweis erteilt und beim Kläger angefragt, ob im Hinblick auf diesen Hinweis der Vergütungsfestsetzungsantrag
reduziert werde, worauf der Kläger jedoch trotz Erinnerungen vom April und Mai 2018 nicht reagierte. Diese Verzögerungen in
den Monaten April und Mai 2018 sind daher allein dem Verhalten des Klägers geschuldet. Daraufhin erfolgte im Juni 2018 die
Festsetzung der Vergütung. Von den für diesen Verfahrensabschnitt zur Verfügung stehenden drei Monaten Vorbereitungs- und
Bedenkzeit wurde mithin kein einziger Monat in Anspruch genommen, sodass diese Zeit vollumfänglich zur Kompensation zur Verfügung
steht.
2. Dies heißt jedoch nicht, dass dem Kläger eine finanzielle Entschädigung für zwei Kalendermonate zusteht. Denn zwar nimmt
der Senat nicht an, dass die gesetzliche Vermutung des Eintritts eines Nachteils (vgl. §
198 Abs.
2 Satz 1
GVG) widerlegt ist. Wohl aber geht er mit Blick auf die geltend gemachte Entschädigung für den erlittenen immateriellen Nachteil
davon aus, dass eine Entschädigung insoweit nicht erforderlich ist, vielmehr eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß
§
198 Abs.
4, Abs.
2 Satz 2
GVG ausreichend ist.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 und Art. 41 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) kommt eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens zwar nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich dann, wenn das
zu beurteilende Verfahren sich durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante Besonderheiten in tatsächlicher oder rechtlicher
Hinsicht von vergleichbaren Fällen abhebt (vgl. BSG Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R -, juris, Rn. 36). Vom Vorliegen derartiger Besonderheiten ist der Senat vorliegend
jedoch überzeugt. Mit dem Bundessozialgericht geht er davon aus, dass ein Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach
Erledigung des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens für die Beteiligten im Allgemeinen von nur noch untergeordneter Bedeutung
ist (vgl. BSG, Urteile vom 10.07.2014 – B 10 ÜG 8/13 R – Rn. 31 und vom 12.12.2019 – B 10 ÜG 3/19 R – Rn. 40, zitiert jeweils nach juris).
Anderes kann weder für ein auf ein PKH-Vergütungsverfahren folgendes Erinnerungsverfahren im Allgemeinen noch im vorliegenden
Fall gelten.
Auch wenn der Senat durchaus nachvollziehen kann, dass es für Rechtsanwälte ein Ärgernis darstellt, wenn sie aufgrund verzögerter
Bearbeitung ihrer Kostenangelegenheiten lange auf ihre Vergütung warten müssen, vermag er nicht zu erkennen, dass hier – jedenfalls
typischerweise – Fallkonstellationen vorlägen, für die der Gesetzgeber die Gewährung einer finanziellen Entschädigung im Auge
hatte. Mit den Regelungen der §§
198 ff.
GVG strebt dieser eine Kompensation von Verstößen gegen Grund-/Menschenrechte an, und nach seinen Vorstellungen gehört zu den
zu kompensierenden immateriellen Nachteilen eines überlangen Verfahrens insbesondere die durch die Unangemessenheit der Verfahrensdauer
verursachte seelische Unbill auf Seiten des Klägers (Gesetzesentwurf BT-Drucks 17/3802, S. 19). Dass Rechtsanwälte als Organe
der Rechtspflege, deren beruflicher Alltag gerade vom Führen von Prozessen geprägt ist und die wissen, wie ein Verfahren vor
Gericht typischerweise abläuft, durch die Dauer eines gerichtlichen PKH-Vergütungs-/Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren
in auch nur annähernd vergleichbarem Maße wie juristische Laien in Hauptsacheverfahren seelisch belastet werden, dürfte in
aller Regel nicht anzunehmen sein. Jedenfalls geht der Senat im vorliegenden Fall nicht davon aus, dass der Kläger vergleichbaren
Belastungen ausgesetzt war. Hinzu kommt hier die letztlich geringe Überlänge von zwei Monaten.
Die vom Kläger behauptete erhebliche wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Kläger
hat als Rechtsanwalt im streitgegenständlichen Erinnerungsverfahren eine weitergehende Vergütung in Höhe von 238,00 € verfolgt.
Davon, dass es sich hierbei um einen für ihn erheblichen, gar seine Berufsausübungsfreiheit tangierenden Betrag handeln könnte,
vermag sich der Senat nicht zu überzeugen. Insbesondere wird dies von dem Kläger auch selbst nicht nachvollziehbar dargetan.
Nachdem er vielmehr bereits im Erinnerungsverfahren nicht auf besondere Umstände hingewiesen hatte, die die Angelegenheit
für ihn als von wesentlicher Bedeutung erscheinen ließen (vgl. zu diesem Rechtsgedanken §
198 Abs.
3 Satz 3 und
4 GVG), hat er auch im Entschädigungsverfahren nicht dargetan, warum gerade dieses einzelne Verfahren für ihn von derartiger Bedeutung
sein sollte. Ebenso wenig hat er nachvollziehbar dargelegt, warum sich womöglich aufgrund der Vielzahl von ihm geführten Kostenfestsetzungs-/PKH-Vergütungs-
und Erinnerungsverfahren diese als bedeutsam darstellen könnten. Allein die Tatsache, dass er eine in Vollzeit angestellte
Bürokraft zur Organisation der für die Beantragung von PKH notwendigen Unterlagen seiner Mandanten beschäftigt, vermittelt
dem konkreten Ausgangsverfahren keine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung. Hierbei bleibt unbestritten, dass dem Kläger
wie ein Unternehmer laufende Kosten für den Betrieb (etwa in Gestalt von Personal- oder Raumkosten) anfallen, welche er durch
seine Einnahmen zu decken erstrebt. Schwankende Einnahmen sowie die Schwierigkeit, Honoraransprüche – sei es gegen den Beklagten,
das Land oder die Mandanten – durchzusetzen, sind jedoch zunächst schlicht Teil des unternehmerischen Risikos. Jedenfalls
vermag der Senat - unabhängig davon, ob er überhaupt weitere vom Kläger geführte Verfahren in die Bewertung einbeziehen könnte
-, nicht festzustellen, dass die Gesamtzahl der vom Kläger vor dem Senat zu diesem Themenkomplex anhängig gemachten Verfahren
einen Umfang hat, der es nahelegen würde, dass die verzögerte Bearbeitung des Erinnerungsverfahrens für ihn erhebliche nachteilige
Wirkungen gehabt haben könnte. Unabhängig davon, ob derartige Aspekte überhaupt für die Frage, ob ein immaterieller Nachteil
durch Zahlung einer Entschädigung zu kompensieren ist, von Bedeutung sein können, ist jedenfalls im hiesigen Verfahren auch
zu beachten, dass der Kläger im Erinnerungsverfahren gerade keinen Erfolg hatte, sodass dessen Dauer auf seine wirtschaftliche
Situation keinerlei Auswirkungen hatte, insbesondere nicht zu einem Zinsverlust hat führen oder gar eine nur verspätete Rückzahlung
von Krediten hat nötig machen können. Selbst wenn das streitgegenständliche Verfahren innerhalb weniger Tage zum Abschluss
gebracht worden wäre, hätte dies an der finanziellen Situation des Klägers nichts geändert. Letztlich befindet der Kläger
sich im PKH-Vergütungs-/Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren in einer einem Unternehmer vergleichbaren Situation,
der versucht, eine (vermeintliche) Forderung durchzusetzen. Dabei hat der Kläger den Vorteil, dass er mit dem Staat einen
möglicherweise säumigen, aber letztlich solventen „Vertragspartner“ hat, sodass durch die verzögerte Bearbeitung der Angelegenheit
auch nicht droht, eine letztlich zwar bestehende Forderung nicht durchsetzen zu können.
II. Hieraus folgt jedoch kein Anspruch des Klägers auf gerichtliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer.
Denn zur Überzeugung des Senats ist dieser so genannte kleine Entschädigungsanspruch (vgl. BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 57 und vom 15.12.2015 – B 10 ÜG 1/15 R – Rn. 15 f., zitiert jeweils nach juris)
vorliegend bereits erfüllt.
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §
198 Abs.
2 Satz 2, Abs.
4 GVG ist in den Fällen, in denen nach den Umständen des Einzelfalles die Gewährung einer Entschädigung nicht erforderlich ist,
Wiedergutmachung auf andere Weise, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer
unangemessen war, möglich. Die gerichtliche Feststellung stellt mithin nur eine Form der Wiedergutmachung auf andere Weise
dar. Sie kann in der Praxis hingegen auf vielfältige Art erfolgen. Denkbar sind dabei verschiedene Arten einer nichtfinanziellen
Genugtuung, beispielsweise der Verweis auf bereits erfolgte dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen, eine Aussprache beim Gerichtspräsidenten
mit einer Erläuterung der Belastungssituation des Gerichts oder auch eine Entschuldigung von Seiten des Beklagten (Ott in
Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, §
198 GVG Rn. 159 f. m.w.N.). Vorliegend hat der – den Beklagten im vorprozessualen Verfahren vertretende - Präsident des Sozialgerichts
Berlin auf den an ihn vor Einleitung des Klageverfahrens herangetragenen Entschädigungsanspruch hin mit Schreiben an den Kläger
vom 03. März 2020 ausdrücklich eine überlange Dauer des Kostenerinnerungsverfahrens anerkannt und hierüber im eigenen sowie
im Namen des Beklagten sein Bedauern zum Ausdruck gebracht. Zur Überzeugung des Senats ist damit der kleine Entschädigungsanspruch
erfüllt. Er vermag keinen Grund zu erkennen, der es erfordern könnte, darüber hinaus nunmehr auch noch gerichtlich festzustellen,
dass das Verfahren eine unangemessene Dauer aufwies. Dass dies für den Kläger einen im hiesigen Verfahren beachtenswerten
Mehrwert haben sollte, hat bereits der Kläger selbst nicht nachvollziehbar geltend gemacht und ist auch sonst für den Senat
nicht erkennbar.
III. Der Kläger hat darüber hinaus auch keinen Anspruch aus §
198 Abs.
1 Satz 1
GVG auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs gegenüber dem Beklagten.
Zwar können die für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs angefallenen Anwaltskosten grundsätzlich eine
Vermögenseinbuße und damit einen materiellen Nachteil im Sinne des §
198 Abs.
1 Satz 1
GVG darstellen. Dies allerdings nur, soweit sie notwendig waren (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27.02.2014 - 5 C 1/13 D - juris, Rn. 40, unter Bezugnahme auf BT-Drs. 17/3802, S. 19; BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 37/13 - juris Rn. 48, 50: zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig; siehe auch Röhl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. A. 2017, §
198 GVG, Rn. 108). Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch eines Klägers, der Mandant eines Rechtsanwaltes ist, ist gegenüber
dem beklagten Land unmittelbar §
198 Abs.
1 Satz 1
GVG (vgl. auch Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. A. 2019, Rn. 244 zu § 1), während der Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch gegen seinen Mandanten – den Kläger – aus Vertrag hat. Maßgeblich ist
für die Feststellung der Notwendigkeit die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person (vgl. BGH, Urteil
vom 17. September 2015 – IX ZR 280/14 – juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - VIII ZR 277/11 -, NZM 2012, 607 Rn. 4). Hierbei geht der BGH davon aus, dass etwa eine erste Leistungsaufforderung gegenüber einer Versicherung in einem
einfach gelagerten Schadensfall grundsätzlich vom Geschädigten ohne Einschaltung eines Anwalts zu erfolgen hat (BGH, Urteil
vom 11. Juli 2017 – VI ZR 90/17 – juris 12; Müller-Rabe a.a.O. Rn. 263, 270). Verfügt der Geschädigte über eigene Fachkenntnisse und Erfahrungen, muss er
diese in zweifelsfreien Fällen bei der erstmaligen Geltendmachung eines Schadens einsetzen (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006
– VI ZR 175/05 – juris Rn. 11).
Vertritt ein Rechtsanwalt sich selbst, ist bereits fraglich, ob überhaupt eine Vermögenseinbuße bzw. Schaden des Klägers/Rechtsanwaltes
vorliegt. Denn im Gegensatz zu der Konstellation Rechtsanwalt – Kläger/Mandant – Beklagter fehlt es an einer vom Kläger gegenüber
dem Rechtsanwalt vertraglich geschuldeten Vergütung. Der Kläger/Rechtsanwalt schuldet nicht sich selbst eine Vergütung. Allenfalls
könnte ein Vermögensnachteil in dem Fall in Frage kommen, dass aufgrund der Tätigkeit in eigener Sache ein anderes Mandat
hätte abgelehnt werden müssen. Hierfür ist vorliegend allerdings nichts ersichtlich. Darüber hinaus fehlt es aber – einen
Vermögensnachteil grundsätzlich unterstellt – an der Notwendigkeit der Rechtsanwaltskosten im oben genannten Sinne. Zwar ist
umstritten, ob in dem Fall, in dem sich der Rechtsanwalt - wie hier – außergerichtlich selbst vertritt, auf dessen eigene
Sachkunde abzustellen ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06. Mai 2004 – I ZR 2/03 – juris Rn. 10ff; Bundesarbeitsgericht <BAG>, Beschluss vom 27. Juli 1994 – 7 ABR 10/93 – juris Rn. 38; zum Streitstand auch: Pankatz in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. A. 2015, Rn 178 zu §
1). Die Regelung des §
91 Abs.
2 Satz 3
Zivilprozessordnung (
ZPO) kann für die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts in eigener Sache jedenfalls nicht herangezogen werden (BGH, Urteil
vom 06. Mai 2004 a.a.O. Rn. 14). Letztlich kann hier aber dahin stehen, ob im vorliegenden Fall auf die konkrete Sachkunde
des Klägers als Rechtsanwalt oder eine vernünftige, wirtschaftlich denkende Person abzustellen ist. Denn bei dem vorliegenden
Fall – erste außergerichtliche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs für ein objektiv langes und tatsächlich auch überlanges
Gerichtsverfahren bei einem überschaubaren Sachverhalt und weitgehend geklärter obergerichtlicher Rechtsprechung zu den Voraussetzungen
eines Entschädigungsanspruchs – war auch für einen vernünftigen Laien die Heranziehung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich.
Vielmehr wäre einem vernünftigen Laien zuzumuten gewesen – wie bei einer ersten Geltendmachung eines Anspruchs gegenüber seiner
Versicherung -, sich ohne anwaltliche Hilfe direkt an das beklagte Land, ggf. über das Ausgangsgericht, zu wenden. Dies insbesondere
vor dem Hintergrund, dass die vorgerichtliche Geltendmachung zwar zur Reduktion des Kostenrisikos in einem eventuell nachfolgenden
Prozess sinnvoll sein mag (BVerwG, Urteil vom 17. August 2017 – 5 A 2/17 D – juris Rn 43), jedoch das Durchlaufen eines solchen vorprozessualen Verfahrens im Gegensatz zu dem im
SGG oder in der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) vorgeschriebenen Widerspruchsverfahren gerade keine Bedingung für die Zulässigkeit einer Entschädigungsklage ist. Zur Minimierung
des Kostenrisikos wiederum ist es ausreichend, den Anspruch unter Hinweis auf die aus Sicht des Anspruchstellers vorhandene
Überlänge zu benennen, weitergehender juristischer Ausführungen bedarf es hierfür nicht. Entscheidend für die Reduzierung
des Kostenrisikos in einem späteren Klageverfahren ist nämlich allein, dass das (später beklagte) Land sich zu dem geltend
gemachten Entschädigungsanspruch äußert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei Heranziehung des Rechtsgedankens des §
1835 Abs.
3 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] (siehe etwa § 1 Abs. 2 Satz 3 RVG). Danach kann ein Vormund Ersatz seiner Aufwendungen verlangen; als solche gelten auch Dienste, die zu seinem Gewerbe oder
Beruf gehören. §
1835 Abs.
3 BGB ist zu entnehmen, dass ein Dritter nicht davon profitieren soll, dass der Rechtsanwalt eine Tätigkeit selbst vornimmt, für
die ein juristischer Laie in gleicher Lage sich vernünftigerweise eines Rechtsanwaltes bedienen würde (vgl. Müller-Rabe a.a.O.
Rn. 278; Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – 5 W 14/20 – juris Rn. 6). Ein juristischer Laie in gleicher Lage hätte sich wiederum – wie bereits dargelegt - angesichts der geringen
Anforderungen an eine solche mit einer Geltendmachung eines Schadens bei einer Versicherung vergleichbaren Anmeldung eines
Entschädigungsanspruchs bei dem beklagten Land - auch zur Minimierung seiner Kosten – weder eines Rechtsanwaltes bedienen
müssen noch bedient.
Anlass, die Revision nach §§
160 Abs.
2,
202 Satz 2
SGG,
201 Abs.
2 Satz 3
GVG zuzulassen, bestand nicht.