LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.09.2016 - 3 U 162/14
Arbeitsunfall
Sachlicher Zusammenhang mit einer Betreuereigenschaft
Fahrradfahrt als eine einheitliche Verrichtung
Versicherungsbezogene Handlungstendenz
1. Eine Fahrradfahrt ist aus Sicht eines objektiven Betrachters eine einzige einheitliche Verrichtung, selbst wenn sie unterschiedlichen
Zwecken dient.
2. Bei der "Handlungstendenz" handelt es sich um eine sog. innere Tatsache.
3. Eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten
Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns
entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren
Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet.
4. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten
Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen.
5. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz
erkennen lässt
Vorinstanzen: SG Potsdam 17.07.2014 S 12 U 157/13
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Juli 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind fürs gesamte Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im vorliegenden Klage- und Berufungsverfahren die Feststellung eines von ihm erlittenen Unfalls als Arbeitsunfalls
im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der Kläger wurde 1962 geboren. Er wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 03. Dezember 2008 zum Betreuer für seinen
am 1990 geborenen, geistig behinderten und (damals) bei ihm lebenden Sohn P bestellt; der Aufgabenkreis umfasst die Gesundheitssorge,
Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen, Gerichten, Versicherungen und Kreditinstituten, die Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten,
Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Sozialleistungsträgern und Schul- und Werkstattangelegenheiten sowie die gerichtliche
und außergerichtliche Vertretung.
Der Kläger erlitt am 18. August 2011 in P einen Fahrradunfall, bei welchem er sich rechts eine Schultereckgelenksprengung
zuzog, vgl. Protokoll der Rettungsstelle des E-von-B-Klinikums vom 18. August 2011.
Die Krankenkasse meldete der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 28. März 2012 vorsorglich Erstattungsansprüche an bzgl.
der Behandlung der Unfallfolgen. Es war eine Unfallschilderung des Klägers beigefügt, wonach der Unfall "in meinem Urlaub"
stattgefunden habe. Einer ebenfalls beigefügten Telefongesprächsnotiz der Krankenkasse vom 30. September 2011 zufolge "passierte
[der Unfall] bei einer Radtour mit seinem pflegebedürftigen Sohn, den er rund um die Uhr pflegt". Schließlich waren Unterlagen
betreffend die Feststellung des Pflegeaufwands der Pflegeperson(en) von P beigefügt, u.a. ein Gutachten zur Feststellung der
Pflegebedürftigkeit des Medizinischen Diensts der Krankenkassen Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) vom 29. September 2008 (1.4
Umfang der pflegerischen Versorgung: "vom Vater generell Hilfe zum Aufstehen, den Wecker stellen, der Vers. sei nachts wach
und frage ob er verschlafen habe, benötige Hilfe im Bad zur Zahnpflege, Utensilien vor und nachbereit da er diese verwechselt,
warm, kalt, einstellen, schneide sich die Fingernägel z.B. nur an 1 Hand, Dusche gern, aber nur unter Aufforderung, benötigt
vorbereiten zum ankleiden, kann nicht mit Geld umgehen, würde sich weder was zu essen machen noch sich regelm. Waschen, trinke
zu wenig..."; "besucht die Schule Werkstufe", "Pflegebedürftig bei geistiger Behinderung, Taubheit re., unkoordinierte Bewegungen,
gestörter Feinmotorik, benötigt Anregung und Aufforderung bei fehlender altersgemäßer Selbständigkeit und den tgl. Verrichtungen,
pflegerelevante Bewegungseinschränkungen liegen nicht vor", "Alltagskompetenz in erhöhtem Maße eingeschränkt", "Pflegestufe
I").
Die Beklagte teilte der Krankenkasse mit Schreiben vom 24. April 2012 mit, dass kein Versicherungsfall i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 17 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs ( SGB VII) i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 3 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs ( SGB XI) vorliege, weil das Begleiten bzw. die Hilfe bei Spaziergängen oder Besuchen von kulturellen Veranstaltungen, obgleich wünschenswert,
nicht zum berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf und damit nicht zum Bereich der versicherten Tätigkeiten im Rahmen der gesetzlichen
Unfallversicherung gerechnet würden, so dass auch eine Spazierfahrt oder ein Aufenthalt an der frischen Luft nicht als relevanter
Hilfebedarf und damit nicht als versicherte Tätigkeit einzuordnen seien.
Der Kläger trug mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 28. Februar 2013 vor, leider sei ihm erst vor kurzem der Hinweis
auf eine mögliche Unfallversicherung vom Amtsgericht Potsdam übermittelt worden. Der Unfall habe sich mit dem Betreuten auf
dem Weg zur Bank (Post) ereignet. Am 30. Mai 2013 rief der Kläger bei der Beklagten an und teilte laut Gesprächsvermerk vom
selben Tag mit, dass in der Woche, in der der Unfall passiert sei, eigentlich vereinbart gewesen sei, dass seine Frau Urlaub
nehme und den Sohn betreue. Diese sei aber selbst erkrankt und habe absagen müssen. Aus diesem Grund habe er kurzfristig selbst
Urlaub für eine Woche genommen. Er stehe sonst in einem abhängigen vollschichtigen Beschäftigungsverhältnis. Am Unfalltag
habe er sich mit seinem Sohn zu Hause befunden. Da er und sein Sohn sich nicht den ganzen Tag zu Hause hätten aufhalten und
man auch an die frische Luft habe kommen wollen, habe er seinem Sohn den Vorschlag gemacht, mit dem Rad zu fahren und dies
mit der Geldabhebung bei der Postbank zu verbinden. Die Postbank befinde sich in ca. 3 bis 5 km Entfernung im S und habe bis
20.00 Uhr geöffnet. Sie hätten etwas Taschengeld vom Konto des Sohnes abheben wollen, damit er sich mal was kaufen könne,
und zwar nicht nur im Urlaub, sondern generell. Der Weg zum S führe über einen Waldweg, der hinter dem letzten Wohnblock beginne.
Wenn der Kläger arbeite, werde sein Sohn über eine Werkstatt für Behinderte betreut. Sein Sohn könne allein mit dem Fahrrad
fahren und tue dies wie am Unfalltag auch. Am 27. Juni 2013 fand ein Gespräch der Beklagten und des Klägers in dessen Wohnung
statt, vgl. Vermerk vom 28. Juni 2013, anlässlich dessen der Kläger ergänzend vortrug, dass das am Unfalltag abzuhebende Geld
zum Wirtschaften im gemeinsamen Haushalt (Einkauf für beide) habe verwendet werden sollen und dass sich eine näher gelegene
Postbank-Filiale direkt am S-Bhf. B befinde, diese aber nicht so komfortabel wie die Filiale im Sterncenter sei; es gebe weniger
Fahrradständer, der Vorplatz sei zu klein, man müsse ein paar Stufen nach oben. Die Fahrt hätte auf jeden Fall stattgefunden,
bei schlechtem Wetter hätten sie den Bus (Haltestelle gleich um die Ecke) genommen. Sie hätten auch über die Gstraße zum S
fahren können. Da diese jedoch sehr befahren sei, habe er sich für den Waldweg entschieden. Es wurden von der Beklagten unter
Verwendung von Google Maps Skizzen des gefahrenen bzw. beabsichtigten Wegs bzw. der Umgebung erstellt. Die Beklagte nahm noch
am 27. Juni 2013 die näher gelegene Postfiliale am S-Bhf. B (K-L-Straße, P) in Augenschein, vgl. Aktenvermerk vom 15. Juli
2013, wonach der Routenplaner Google Maps eine Entfernung von 700 m bzw. neun Minuten von der klägerischen Wohnung aus angebe.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09. August 2013 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Ein Fall von §
2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII scheide aus. Soweit vorliegend zu prüfen gewesen sei, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit im Rahmen
der Pflege für seinen Sohn im Bereich der Mobilität i.S.v. § 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI nachgegangen sei, lägen die Voraussetzungen hierfür nicht vor. Im Rahmen der Mobilität sei das Begleiten der Pflegeperson
beim Verlassen und beim Wiederaufsuchen der Wohnung des zu Pflegenden nur dann eine versicherte Tätigkeit für die Pflegeperson,
wenn die Wege für die Aufrechterhaltung der Lebensführung unumgänglich seien, d.h. das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen
zwingend hierbei notwendig sei. Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung sei demnach als Pflegebedarf nur dann
gesetzlich unfallversichert, wenn diese erforderlich sei, um das Weiterleben des zu Pflegenden in der eigenen Wohnung zu ermöglichen.
Dies werde im Bereich der Pflegeversicherung aus dem Sinn und Zweck des Pflegegeldes und dem Zusammenhang der dafür maßgeblichen
Verrichtungen gefolgert, die sämtlich der Aufrechterhaltung der Existenz in der häuslichen Umgebung dienten. Dazu zählten
etwa der Weg zum Besuch einer Arztpraxis, zur Krankengymnastik etc. Vorliegend habe die Radtour mit dem Sohn nicht dem Ziel
gedient, das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen. Auch ein unter dem Gesichtspunkt des Geldabhebens unternommener
Weg begründe keinen Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift, zumal das Geld für den gemeinsamen Bedarf habe verwendet werden
sollen. Auch komme kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII in Betracht, wonach Personen versichert seien, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts
oder deren Verbänden im Auftrag ehrenamtlich tätig seien. Zwar falle der Kläger grundsätzlich in den anspruchsberechtigten
Personenkreis. Versichert seien hierunter jedoch nur Tätigkeiten, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen seien, so dass
ein innerer oder sachlicher Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit gegeben
sei. Hierzu seien nur konkrete, dem Ehrenamt objektiv zurechenbare Tätigkeiten zu zählen. Zwar gehöre zum Aufgabenkreis des
Klägers als Betreuer auch die Vermögenssorge für seinen Sohn, wozu grundsätzlich auch das Geldabheben gehöre. Jedoch habe
sich der Unfall nicht auf einem gesetzlich versicherten Weg, sondern auf einer Radtour ereignet. Angesichts der Möglichkeit,
in unmittelbarer Wohnortnähe eine Bank aufzusuchen, lägen die Gründe für das Aufsuchen einer ca. 5 km entfernten Bank ausschließlich
im privaten Lebensbereich.
Der Kläger erhob am 04. September 2013 Widerspruch. Die Beklagte führte mit dem Kläger ein weiteres Telefonat (vgl. Vermerk
vom 30. Oktober 2013). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2013 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 27. Dezember 2013 zum Sozialgericht Potsdam (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt und zur Begründung ausgeführt, im Zeitpunkt des Unfalls im Rahmen des Aufgabenkreises als
Betreuer unterwegs gewesen zu sein. Als bestellter Betreuer obliege ihm die Vermögenssorge, bei welcher der Betreute so oft
wie möglich mit einzubeziehen sei. Dazu bedürfe es seiner Bereitschaft, er müsse immer wieder motiviert werden. Hierzu gehörten
feste Abläufe und bekannte Wege, wie derjenige, auf welchem sich der Unfall ereignet habe. Bei der nächstgelegenen Postbankfiliale
habe es zudem keinen Kontoauszugsdrucker gegeben.
Das SG hat den Kläger am 17. Juli 2014 persönlich angehört, vgl. Sitzungsniederschrift. Er hat dort ergänzend vorgetragen, dass
es quasi sein erster Urlaubstag gewesen sei. Es sei ganz schwierig, seinen Sohn aus dem Haus zu bekommen. Er benötige dafür
erhebliche Motivation. Er habe also erhebliche Überredungskünste anwenden müssen, und sie hätten Pläne gemacht. Der Kühlschrank
sei leer gewesen, und sie hätten etwas zu essen gebraucht. Damit verbunden hätten sie die Radtour. Die Filiale der Postbank
in B mache gegen 18.00 Uhr zu, und dies sei damals nicht so günstig gewesen, weil sie damals am späten Nachmittag gestartet
seien. Die Kontoführung des Postbankkontos seines Sohnes mache er, wenn es irgend gehe, gemeinsam mit seinem Sohn. Er solle
einen Überblick darüber bekommen. Wenn er nicht da sei, gehe er praktisch nicht ans Konto. Sei eigenes Konto sei damals bei
der City-Bank gewesen. Mit seinem Sohn habe er gemeinsam generell Geld dort abgehoben, wo es gepasst habe, mal in der Stadt,
mal in B, mal im S. Dies habe er auch mit den Kontoauszügen so gehandhabt, aber die Postbankfiliale im S sei die kundenfreundlichste
und nicht so voll.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 17. Juli 2014 stattgegeben und festgestellt, dass das Unfallereignis vom 18. August 2011 ein
Arbeitsunfall war. Das SG hat den Tatbestand von § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII bejaht, wonach Personen versichert seien, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen
oder in der Wohlfahrtspflege tätig seien. Die allgemeinen Inhalte der Aufgaben des Betreuers seien in §§ 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs ( BGB) beschrieben, wonach der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen habe, wie es dessen Wohl entspreche. Hierunter
gehöre auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.
Der Betreuer habe also den zu Betreuenden im Rahmen der Verwaltung der eigenen Angelegenheiten nicht gänzlich zu ersetzen,
sondern, soweit es gehe, zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund sei die gemeinsame Fahrt mit dem zu Betreuenden mit dem Fahrrad
zum S ein Weg gewesen, den der Kläger im Rahmen seiner Betreueraufgaben notwendig habe zurücklegen müssen. Es sei nach den
Angaben des Klägers damals das erklärte Ziel gewesen, den zu betreuenden Sohn durch die gemeinsame Kontoverwaltung an die
Verwaltungsabläufe so weit wie möglich heranzuführen und ihn zu beteiligen. Es sei daher erforderlich gewesen, den zu Betreuenden
zu einem gemeinsamen Besuch einer geeigneten Bankfiliale zu bewegen. Der Kläger habe darüber hinaus nachvollziehbar und schlüssig
vorgetragen, dass es notwendig gewesen sei, die weiter entfernt liegende Filiale der Postbank im S aufzusuchen, da diese günstiger
organisiert und länger geöffnet gewesen sei. Es sei zudem auch erforderlich und nachvollziehbar, dass der Kläger mit seinem
Sohn den verkehrstechnisch ruhigeren Weg zu S genutzt habe. Dem Versicherungsschutz stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger
den Tag mit seinem Sohn zur Bewegung an frischer Luft habe nutzen wollen, weil der unfallbringende Weg auch dann hätte unternommen
werden müssen, wenn dieser privat motivierte Grund des Klägers entfallen wäre. Der Schwerpunkt der Motivation des Klägers
liege in der betreuerischen Tätigkeit. Deshalb sei auch im Rahmen der Prüfung einer sog. gemischten Tätigkeit bzw. einer Tätigkeit
mit gespaltener Handlungstendenz unter Zugrundelegung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen,
dass es sich um eine versicherte Tätigkeit handele. Auch dass der Kläger den Weg gemeinsam mit dem zu Betreuenden mit dem
Rad zurückgelegt habe, sei Gegenstand der betreuerischen Tätigkeit. Der Kläger habe nachvollziehbar dargelegt, dass der zu
Betreuende zum Verlassen des Hauses wegen seiner gesundheitlichen Probleme besonders habe motiviert werden müssen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 27. August 2014 zugestellte Urteil am 24. September 2014 Berufung eingelegt. Das SG verfehle mit dem angefochtenen Urteil die höchstrichterlichen Vorgaben zum Handeln bei gemischter Motivationslage. Es liege
auch kein versicherter Weg i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII vor, da im Vergleich mit dem Weg zur einer regelmäßigen oder auch wechselnden, jedenfalls fremdbestimmten Arbeitsstätte der
vom Kläger am Unfalltag unternommene Weg zu einem Ort geführt habe, an dem nicht allein und ausschließlich ggf. versicherte
Tätigkeit der Vermögenssorge zu verrichten gewesen sei. Soweit das Bundessozialgericht mit Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 15/98 R - entschieden habe, dass auch der dem zu Betreuenden nicht verwandte Betreuer unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen
Unfallversicherung stehe, wenn er auf Wunsch des Betreuten mit diesem einen Spaziergang unternehme und hierbei einen Unfall
erleide, lasse sich dies nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn hier sei aufgrund der familiären Verbundenheit davon
auszugehen, dass die Radtour in erster Linie durch die familiären Bindungen motiviert gewesen sei. Schließlich hätte der Sachverhalt
weiter zur Frage aufgeklärt werden müssen, ob der Sohn des Klägers überhaupt befähigt sei, mit Erfolg an Geldangelegenheiten
herangeführt zu werden. Hierzu müsse die Mutter vernommen und müssten die Kontoauszüge der Postbank für den Sommer 2011 beigezogen
werden. Soweit hier überhaupt nur ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII in Betracht komme, sei hierfür ggf. die Beigeladene zuständig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Juli 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er trägt weiter vor, dass sein Sohn mittlerweile in der Lage sei, selbständig
Geld abzuheben, was zur Zeit des Unfall noch nicht der Fall gewesen sei.
Die Beigeladene trägt vor, dass ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII nicht in Betracht komme, weil der Kläger nicht für ein Wohlfahrtsunternehmen oder ein Unternehmen des Gesundheitsdiensts
aufgetreten sei.
Der Senat hat nach einer Schweigepflichtentbindungserklärung die Pflegeakten für den Sohn des Klägers beigezogen und sich
vom Kläger Kontoauszüge fürs Jahr 2011 vorlegen lassen.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 17. Dezember 2015 einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem der Kläger
weiter persönlich angehört worden ist. Ferner hat der Berichterstatter die Zeugin M, die Mutter des Sohns des Klägers uneidlich
vernommen. Diese hat u.a. angegeben, dass ihr Sohn nach wie vor nicht in der Lage sei, Geldabhebungen ohne Anwesenheit des
Klägers zu bewerkstelligen. Wegen des weiteren Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen und
inhaltlich Bezug genommen.
Der Kläger ist per Postzustellungsurkunde vom 21. Juli 2016 von der mündlichen Verhandlung des Senats am 29. September 2016
in Kenntnis gesetzt und darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden
kann. Er ist der mündlichen Verhandlung ferngeblieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten sowie wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
im Berufungsverfahren wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten und Pflegeakten von P verwiesen
und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte auch ohne den der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2016 ferngebliebenen Kläger verhandelt und entschieden
werden, nachdem er in der ihm ordnungsgemäß per Empfangsbekenntnis zugestellten Terminsmitteilung auf eben diese Möglichkeit
hingewiesen worden war, vgl. §§ 153 Abs. 1, 126, 110 Abs. 1 S. 2 SGG.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat zu Unrecht festgestellt, dass das Ereignis vom 18. August 2011 ein Arbeitsunfall war. Der Bescheid der Beklagten vom
09. August 2013 ist in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2013 rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht.
Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung des Arbeitsunfalls ist § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII, wonach Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) sind. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 S. 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall
erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer
bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes
Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden
oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die
Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte
Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises,
also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis
der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit,
nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, zitiert nach juris Rn. 16 f.).
Dies zugrunde gelegt hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Kläger am 18. August 2011 einen Unfall erlitt. Es liegt aber
kein Arbeitsunfall vor, weil er nicht infolge einer versicherten Tätigkeit geschah, m.a.W. der Kläger hierbei nicht unter
dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII scheidet von vornherein aus. Nach dieser Vorschrift sind kraft Gesetzes versichert Pflegepersonen im Sinne des § 19 des SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI; die versicherte Tätigkeit umfasst Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend
Pflegebedürftigen zugute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen
Versorgung (§ 14 Abs. 4 SGB XI).Die Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie erforderlich ist, um
das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim
zu vermeiden (LSG Berlin-Brandenburg v. 19. November 2009 - L 27 P 75/08). Berücksichtigungsfähig sind nur solche Verrichtungen außerhalb der Wohnung, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung
zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen. Anders als beim Besuch einer
Arztpraxis wird es bereits etwa bei einem Krankengymnasten oder Logopäden darauf ankommen, ob der Besuch der Praxis dazu dient,
die aktuelle Mobilität zu erhalten. Weitere Hilfen - z.B. bei Spaziergängen oder Besuchen von kulturellen Veranstaltungen
- sollen nicht durch die Pflegeversicherung finanziert werden (vgl. Koch, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
90. EL Juni 2016, § 14 Rn. 18-19 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 12/5262 S. 97). Hiervon ausgehend fällt die gemeinsame Fahrradfahrt
zum Geldabheben bzw. Einkaufen von vornherein nicht darunter, weil nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass
die persönliche Anwesenheit des Sohns des Klägers hierbei unumgänglich war.
Es kommt auch kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII in Betracht. Hiernach sind kraft Gesetzes versichert Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich
im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind. Zwar hat der hier erkennende Senat in einem die Versicherungspflicht
einer Berufsbetreuerin betreffenden Fall entschieden, dass ein freiberuflicher Betreuer eine Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege
ausübt und nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII versicherungspflichtig in der gesetzlichen Unfallversicherung ist. Der Senat führte hierzu aus, dass unter Wohlfahrtspflege
die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte vorbeugende oder abhelfende unmittelbare
Betreuung von gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdeten Menschen zu verstehen ist. Für den Versicherungsschutz
ist nicht die organisatorische Gestaltung, sondern vielmehr die Zweckbestimmung oder Tätigkeit maßgebend. Die Wohlfahrtspflege
umfasst auch und gerade die freiberuflich (selbständig) in der Wohlfahrtspflege Tätigen, soweit nicht ausdrücklich ihre Versicherungsfreiheit
bestimmt ist. Im Übrigen ist bei der Auslegung des Begriffs der Wohlfahrtspflege dem Umstand Rechnung zu tragen, dass deren
Aufgaben vor allem durch das Bundessozialhilfegesetz umschrieben worden sind. Zur Wohlfahrtspflege gehören danach alle Personen, die mit der unmittelbaren Betreuung notleidender
Menschen befasst sind, nicht jedoch diejenigen, die lediglich allgemeine Verwaltungstätigkeiten verrichten. Zur unmittelbaren
Betreuung bedarf es allerdings nicht der Betreuung in der Wohnung des Bedürftigen oder der Betreuung "an seiner Person" (im
Sinne von "an seinem Körper"), vielmehr genügt zur Erfüllung dieses Begriffs, dass eine persönliche Anhörung und Beratung
stattfindet. Die unmittelbare Betreuung ist nämlich nur als eine Form der Ausübung der Wohlfahrtspflege neben anderen Formen
anzusehen (Landessozialgericht [LSG] Berlin, Urteil vom 12. September 2002 - L 3 U 20/01 -, zitiert nach Rn. 20).
Jedoch lassen sich diese Grundsätze nicht auf den Fall eines ohne Bezahlung tätigen Einzelbetreuers übertragen. Dies ergibt
sich aus Gesetzeswortlaut, Systematik und Historie. Versicherungsschutz nach der Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII in § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO ("die im Gesundheits- oder Veterinärwesen oder in der Wohlfahrtspflege Tätigen") war nach der damaligen Rechtsprechung zwar
nicht auf Tätige in der "organisierten" Wohlfahrtspflege beschränkt, worunter die Einrichtung der öffentlichen und privaten
Wohlfahrtspflege verstanden werden kann, sondern es waren auch und gerade die freiberuflich (selbständig) in der Wohlfahrtspflege
Tätigen umfasst, soweit nicht ausdrücklich ihre Versicherungsfreiheit bestimmt ist (etwa BSG, Urteil vom 12. März 1974 - 2 RU 7/72 -, zitiert nach juris Rn. 21; so auch BSG, Urteil vom 26. Januar 1988 - 2 RU 23/87 -, zitiert nach juris Rn. 15). Für den Versicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 9 Alt. 2 SGB VII ist es bei alldem unerheblich, ob die Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege gegen Entgelt oder ehrenamtlich verrichtet wird (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 3/11 R -, zitiert nach juris Rn. 24). Jedoch wird der selbständigen Tätigkeit die unentgeltliche entgegen gestellt, also eine solche,
welche begrifflich an den Arbeitsentgeltbegriff in § 14 Abs. 1 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs ( SGB IV) anknüpft, wonach Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV sind. Hiernach ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, wobei nach §
7 Abs. 1 S. 2 SGB IV Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des
Weisungsgebers sind. Eben hiermit ist die Tätigkeit eines im Einzelfall bestellten Betreuers nicht vergleichbar, der seine
Tätigkeit faktisch weisungsungebunden und damit selbständig, aber ohne den für die Selbständigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII wesentlichen Erwerbswillen ausübt.
Soweit hiernach nur der - in die Zuständigkeit der Beklagten als der für die unterstützte öffentlich-rechtliche Institution
(Land Brandenburg) zuständige Unfallversicherungsträger (Riebel, a.a.O., Rn. 147; BSG, a.a.O.) fallende - Tatbestand von § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII in Betracht kommt, fallen ehrenamtliche Betreuer zwar grundsätzlich hierunter; im vorliegenden Fall stand die unfallbringende
Verrichtung jedoch nicht im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der Betreuereigenschaft des Klägers. Nach der vorgenannten
Vorschrift sind kraft Gesetzes versichert Personen, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts
oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche
Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften
ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen. Die Vorschrift übernimmt den Versicherungsschutz
des bis zum 31. Dezember 1996 gegoltenen § 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO (die für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des
öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen, wenn ihnen nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres
Lebensunterhalts gewährt wird, und die von einem Gericht, einem Staatsanwalt oder einer sonst dazu berechtigten Stelle zur
Beweiserhebung herangezogenen Zeugen) (vgl. etwa Riebel, in: Hauck, Sozialversicherung SGB VII - Kommentar, Lfg. vom 02. März 2013, K § 2 Rn. 131). Unter den Versicherungsschutz des § 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO wurde u.a. grundsätzlich ein ehrenamtlicher Betreuer gefasst (BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 15/98 R -, zitiert nach juris Rn. 12). Dementsprechend sieht auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in den Betreuerinnen
und Betreuern nach dem Betreuungsgesetz (BtG) als nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII versicherte Personengruppe an (vgl. Broschüre des BMAS "Zu Ihrer Sicherheit - Unfallversichert im freiwilligen Engagement",
Stand Juli 2016).
Fasst man hiernach den ehrenamtlich arbeitenden Betreuer und damit auch den Kläger unter den nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII grundsätzlich versicherten Personenkreis, so fehlt es indes daran, dass die unfallbringende Tätigkeit im inneren und sachlichen
Zusammenhang mit der Betreuereigenschaft stand. Nach § 1901 Abs. 1 BGB in der durch das Betreuungsänderungsgesetz (BtÄndG) vom 25. Juni 1998 geltenden Fassung umfasst die Betreuung alle Tätigkeiten,
die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der folgenden Vorschriften rechtlich zu besorgen.
Nach § 1901 Abs. 2 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht (Satz 1), wobei zum Wohl
des Betreuten auch die Möglichkeit gehört, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen
zu gestalten. Nach § 1901 Abs. 3 S. 1 BGB hat der Betreuer Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten
ist. Innerhalb seines Aufgabekreises hat der Betreuer dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder
Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
Der neu eingefügte Abs. 1 soll die Abgrenzung zwischen den dem Betreuer vom Gesetz zugewiesenen Amtsgeschäften und dessen
darüber hinausgehendem faktischem Engagement für den Betreuten verdeutlichen. Maßnahmen des Betreuers, die zur Willenserforschung
und damit zu einer persönlichen Interessenwahrnehmung durch den Betreuer nicht mehr erforderlich sind oder sogar jeglichen
Bezug zu der dem Betreuer übertragenen Rechtsfürsorge vermissen lassen, werden als Ausdruck menschlicher Zuwendung für wünschenswert
gehalten, gehören aber nach Auffassung des Gesetzgebers nicht mehr zu den dem Betreuer vom Gesetz/Gericht zugewiesenen Aufgaben
rechtlicher Interessenwahrnehmung. Da es in erster Linie um die Frage, wofür der Berufsbetreuer zu vergüten ist, ging, hat
die Abgrenzungsproblematik hauptsächlich im Bereich der entgeltlich/berufsmäßig geführten Betreuung ihre betreuungsrechtliche
Bedeutung; im Bereich ehrenamtlicher Betreuung handelt es sich bei der Frage nach den Grenzen der Betreuung, der Gefahr einer
Überbetreuung, zunächst einmal nur um ein Problem der eigenen Kräfte und Grenzen und der Würde des Betreuten (vgl. Bienwald,
in: Staudinger - Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2013, § 1901 Rn. 23). Nach dem gesetzgeberischen Willen (BT-Drucks. 13/7158 S. 33) ist bei "der Prüfung der Erforderlichkeit von faktischen
Maßnahmen zur Rechtsfürsorge... ein großzügiger Maßstab anzulegen und insbesondere auf das Postulat persönlicher Betreuung
Bedacht zu nehmen: Die hierfür gebotene Ermittlung von Willen und Wünschen des Betreuten wird dem Betreuer vielfach nur auf
der Grundlage eines Vertrauensverhältnisses zum Betreuten gelingen, das durch Maßnahmen persönlicher Zuwendung aufgebaut und
erhalten werden will. Auch solche vertrauensbildenden und -erhaltenden Maßnahmen können deshalb zur Tätigkeit des Betreuers
gehören, wenn sie zur Willenserforschung und damit zu einer persönlichen Interessenwahrnehmung durch den Betreuer 'erforderlich',
d.h. geeignet und notwendig sind und zu dem angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis stehen. Maßnahmen des Betreuers, die
diesen Rahmen überschreiten oder sogar jeglichen Bezug zu der dem Betreuer übertragenen Rechtsfürsorge vermissen lassen, sind
als Ausdruck menschlicher Zuwendung wünschenswert und für den Betreuten im Regelfall von unschätzbarem Nutzen. Sie gehören
jedoch nicht zu den dem Betreuer vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben rechtlicher Interessenwahrnehmung." Der durch das BtÄndG
mit Wirkung vom 01. Januar 1999 den bisherigen Absätzen vorangestellte Abs. 1 hat den Zweck, die auf die rechtliche Besorgung
der Angelegenheiten des Betreuten bezogene Amtsführung des Betreuers von nur faktischen Tätigkeiten klarer abzugrenzen, die
nicht zur Ausführung des Betreuerauftrags gehören und infolgedessen auch nicht (in erster Linie aus der Staatskasse) vergütet
werden sollten. Eine scharfe Trennlinie wurde damit nicht gezogen. Das Bemühen um Abgrenzung erstreckt sich, wie der Standort
des Abs. 1 zeigt, auf das Innenverhältnis der Betreuung; Maßnahmen des Betreuers, die jeglichen Bezug zu der dem Betreuer
übertragenen Rechtsfürsorge vermissen lassen, gehören schon deshalb nicht zum Auftrag des Betreuers und können deshalb auch
nicht Gegenstand des Abs. 1 sein. Es ist fraglich, ob es sich um eine "Neudefinition" der Aufgabe des Betreuers handelt (vgl.
Bienwald, a.a.O., Rn. 2 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 13/7158, S. 33).
Das BSG (Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 15/98 R -, zitiert nach juris Rn. 14) hat grundlegend jedenfalls zur bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Betreuungsrechtslage ausgeführt:
"Die allgemeinen Inhalte der Aufgaben des Betreuers sind den §§ 1896 bis 1908i BGB (Fassung 1992) zu entnehmen. Diese Vorschriften sind durch das BtG neu gefaßt worden; sie haben die früheren Regelungen über die Vormundschaft bei Entmündigten und die Pflegschaft bei Volljährigen
ersetzt. Nach § 1896 BGB (Fassung 1992) ist Voraussetzung für die Bestellung eines Betreuers, daß ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit
oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann
(Abs 1 Satz 1). Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist (Abs 1 Satz 2). Nach § 1897 Abs 1 BGB (Fassung 1992) bestellt das Vormundschaftsgericht zum Betreuer eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich
bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen und ihn hierbei im erforderlichen Umfang persönlich
zu betreuen.
Die Einführung der persönlichen Betreuung stellt ein Kernstück der durch das BtG herbeigeführten Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft dar. Der Gesetzgeber hatte den vor dem Jahr 1992 bestehenden
Zustand als bedrückend empfunden, wonach die Betroffenen oft nicht persönlich betreut, sondern nur durch "Berufsvormünder"
oder "Berufspfleger" anonym verwaltet wurden, denen oft weit mehr als hundert Fälle übertragen waren. Er kritisierte vor allem,
daß in diesen Fällen persönliche Kontakte, insbesondere persönliche Gespräche nicht stattfanden, daß sich ein Vertrauensverhältnis
nicht bilden und daß oft der Mündel oder der Pflegling seinen Vormund bzw Pfleger nicht kannte (Begründung des Entwurfs eines
BtG, 1. Teil, Abschnitt D, BT-Drucks 11/4528 S 50). Dies sollte mit der Reform grundlegend geändert werden. Die nunmehr vorgesehene
persönliche Betreuung, die nicht der Ausübung der Personensorge gleichgesetzt werden darf, ist nach den Vorstellungen des
Gesetzgebers in allen Aufgabenbereichen - auch bei der Vermögenssorge - anzustreben. Ihr Hauptmerkmal ist der persönliche
Kontakt, insbesondere das persönliche Gespräch. Je höher die Zahl der Angelegenheiten ist, um die sich der Betreuer zu kümmern
hat, oder je bedeutsamer diese sind, um so stärker wird eine persönliche Betreuung erforderlich sein (Abschnitt F IV aaO.
S 68). Nach § 1901 BGB (Fassung 1992) hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht (Abs 1 Satz
1). Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen
und Vorstellungen zu gestalten (Abs 1 Satz 2). Hierzu heißt es in den Gesetzesmaterialien ua: "Es ist zwar nicht zu verkennen,
daß der Begriff des "Wohles" ein sehr allgemeiner ist. Eine nähere Konkretisierung erscheint angesichts der Vielfalt der Fallgestaltungen
- von Ausnahmefällen abgesehen - nicht möglich. Es erscheint jedoch sinnvoll, im Satz 2 ergänzend klarzustellen, daß zum Wohl
des Betreuten auch die Möglichkeit gehört, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen
zu gestalten. Von den Betroffenen wird des öfteren zu Recht darüber geklagt, daß dieser Gesichtspunkt in der Praxis nicht
immer hinreichend beachtet wird. So wird bei der Vermögenssorge nicht selten die Erhaltung und Mehrung des Vermögens mit dem
Wohl des Betroffenen gleichgesetzt und sein Wunsch nach einem vertretbaren Luxus übergangen." (Begründung zu Art 1 Nr 41 § 1901 Abs 1 des Entwurfs eines BtG, BT-Drucks 11/4528 S 133).
Nach § 1901 Abs 2 Satz 1 (Fassung 1992) hat der Betreuer Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht
zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist (Satz 1). Durch diese Zumutbarkeitsregelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen,
"daß überzogene Anforderungen des Betreuten etwa an die Dauer des täglichen Betreuungsaufwandes außer Betracht bleiben. So
würde es zB mit dem Wohl des Betreuten durchaus in Einklang stehen, wenn dieser täglich mehrere Stunden mit dem Betreuer über
seine Angelegenheiten sprechen will. Solchen Wünschen sollte sich der Betreuer entziehen können" (Begründung zu Art 1 Nr 41 § 1901 Abs 2 des Entwurfs eines BtG, aaO. S 134). Ehe der Betreuer wichtige Aufgaben erledigt, bespricht er sie mit dem Betreuten, sofern dies dessen Wohl nicht
zuwiderläuft (§ 1901 Abs 2 Satz 3 BGB [Fassung 1992]). Hierzu wird in den Gesetzesmaterialien ua ausgeführt: "Eine generelle Besprechungspflicht für weniger wichtige
Angelegenheiten schlägt der Entwurf nicht vor. Eine solche Pflicht würde den Betreuer nicht selten überfordern. Auch wird
es dem Wunsch des Betreuten oft nicht entsprechen, daß der Betreuer jede Kleinigkeit mit ihm erörtert. Will der Betreute allerdings
jede Einzelheit mit dem Betreuer besprechen und läuft dies seinem Wohl nicht zuwider, so ist der Betreuer nach Satz 1 an diesen
Wunsch gebunden, soweit ihm der Umfang der gewünschten Besprechungen zuzumuten ist. Auch hierdurch wird in größtmöglichem
Umfang eine persönliche Betreuung gewährleistet" (Begründung zu Art 1 Nr 41 § 1901 Abs 2 Satz 3 des Entwurfs eines BtG, aaO. S 134). Schließlich hat der Betreuer nach § 1901 Abs 3 BGB (Fassung 1992) innerhalb seines Aufgabenkreises dazu beizutragen, daß Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behinderung
des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Hiernach soll der Betreuer
nur "dazu beitragen", daß die genannten Möglichkeiten genutzt werden; er soll keinesfalls an die Stelle des Arztes oder anderer
Fachleute treten, sondern sich deren Hilfe bedienen (Begründung zu Art 1 Nr 41 § 1901 Abs 3 des Entwurfs eines BtG, aaO. S 134)."
Hiervon ausgehend führt das BSG etwa als für den Versicherungsschutz sprechenden Umstand an (a.a.O. Rn. 18), dass der dortige Kläger eine nahezu umfassende
Betreuung inne und daher bei ihm der Grundsatz der persönlichen Betreuung besonders hohe Bedeutung hatte. Das BSG sieht es bei alldem als unerheblich an, ob etwa bei einem Spaziergang des Betreuers mit dem Betreuten, welcher auf dessen
Wunsch unternommen wird, in Zusammenhang mit der Betreuung stehende Fragen rechtsgeschäftlicher oder organisatorischer Art
besprochen wurden (BSG, a.a.O. Rn. 21) und führt hierzu weiters (BSG, a.a.O., Rn. 22) aus:
"Den Vorschriften des BGB (Stand 1992) über die Betreuung ist iVm den Gesetzesmaterialien (aaO. S 52, 68, 125) zu entnehmen, daß die vom Gesetzgeber
gewünschten vertrauensbildenden und -erhaltenden Kontakte zwischen dem Betreuer und dem Betreuten grundsätzlich auch dann
in den Aufgabenbereich des Betreuers fallen, wenn sie nicht unmittelbar auf rechtsgeschäftliche oder organisatorische Maßnahmen
der Betreuung abzielen. Andererseits können solchen Kontakten aber auch allein oder überwiegend karitative, freundschaftliche
oder verwandtschaftliche Motive zugrunde liegen. Dies führt aber grundsätzlich nach dem hier maßgeblichen Rechtszustand (1992
bis 1998) nicht zu dem Ergebnis, daß solche Kontakte nicht zur Amtsausübung des Betreuers gehören. Denn solches würde mit
der in § 1897 Abs 5 BGB (Stand 1992) normierten Regelung nicht in Einklang stehen, daß bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen
und sonstigen Bindungen des zu Betreuenden, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, Kindern und zum Ehegatten Rücksicht
zu nehmen ist. Da bei diesen Personen in der Regel davon ausgegangen werden kann, daß sie in erster Linie durch die familiären
oder freundschaftlichen Bindungen zu den Kontakten mit dem Betreuten motiviert sind, würden bei ihnen derartige Kontakte nicht
unter ihre Betreueraufgaben fallen. Das aber wäre mit dem Zweck des BtG, die persönliche Betreuung nach Kräften zu fördern, kaum zu vereinbaren."
Im Hinblick auf die Rechtsänderung des Betreuungsrechts zum 01. Januar 1999 hat das BSG a.a.O., Rn. 25 ff. allerdings ausgeführt:
"Diese Abgrenzung ist mit dem am 01. Januar 1999 in Kraft getretenen und daher hier nicht anwendbaren Betreuungsrechtsänderungsgesetz
(BtÄndG) vom 25. Juni 1998 (BGBl I 1580) herbeigeführt worden. Mit ihm sind die bisherigen Vorschriften ua des BGB über die Betreuung (§§ 1896 bis 1908i BGB) geändert worden. Insbesondere ist dem § 1901 BGB ein neuer Abs 1 eingefügt worden, wonach die Betreuung nur noch alle Tätigkeiten umfaßt, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des
Betreuten nach Maßgabe der folgenden Vorschriften rechtlich zu besorgen. Ob nach den neuen Rechtsvorschriften Kontakte der
vorliegenden Art zwischen Betreuer und Betreutem noch zum Aufgabenbereich des Betreuers gehören, ist hier zwar nicht erheblich.
Gleichwohl können aus den neuen Regelungen Rückschlüsse auf das bisherige Recht gezogen werden."
Das BSG verweist auf BT-Drucks. 13/7158, S. 33 und führt abschließend wiederum zur vorangegangen Rechtslage aus (Rn. 27):
"Daß sich der Aufgabenbereich Ehrenamtlicher auch nach deren subjektiven Vorstellungen vom Ausmaß ihres Ehrenamtes bestimmt,
ist dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht fremd. So hat der Senat in seinem Urteil vom 27. Juni 1991 (SozR 3-2200
§ 539 Nr 11) entschieden, daß ein Bürger, der ehrenamtlich mehr als seine Pflicht tut, deshalb nicht vom Versicherungsschutz
des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO ausgeschlossen sein kann. In seinem Urteil vom 18. März 1997 (SozR 3-2200 § 539 Nr 38 mwN) hat der Senat entschieden, daß
es für den auch bei ehrenamtlich Tätigen erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung
und der versicherten Tätigkeit darauf ankommt, daß die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignete, dazu bestimmt war,
den Zwecken des Unternehmens zu dienen. Maßgebend ist dabei die sich erkennbar ergebende Handlungstendenz. Ob eine Tätigkeit
aber dem Unternehmen zu dienen bestimmt war, beurteilt sich nicht danach, ob die Tätigkeit dem Unternehmen objektiv tatsächlich
dienlich war. Vielmehr ist es ausreichend, daß der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, daß die
Tätigkeit geeignet sei, den Interessen des Unternehmens zu dienen (BSG SozR 2200 § 550 Nr 39). Letzteres war - wie oben dargelegt - beim Kläger der Fall. Er konnte aufgrund der objektiv vorliegenden und objektiv
nachvollziehbaren Umstände davon ausgehen, seine zum Unfall führende Verrichtung, der Spaziergang mit dem Betreuten, werde
dem Unternehmen dienlich sein, dh im Rahmen seiner Aufgaben als Betreuer liegen."
All dies zugrunde gelegt, lässt sich ein Versicherungsschutz vorliegend gleichwohl nicht begründen. Zwar spricht für einen
Versicherungsschutz im vorliegenden Fall die äußerst plausible, von der Beklagten nicht bestrittene Motivationsproblematik
des Klägers mit seinem Sohn und dessen Bemühen, ihn - soweit wie möglich - am alltäglichen Leben teilhaben zu lassen, und
sei es nur im Rahmen einer Fahrradtour oder von einfachen Kontogeschäften. Dies wird um so deutlicher, wenn doch anzunehmen
ist, dass, wenn es dem Kläger am Unfalltag nur um sich selbst gegangen wäre, er die umständliche Fahrradtour zum S wohl nicht
unternommen hätte, sondern schnell Vorort einkaufen gegangen wäre. Dagegen spricht jedoch, darauf weist bereits das BSG a.a.O. hin, die ab 01. Januar 1999 geänderte Rechtslage und die gesetzgeberisch geforderte stärkere Betonung der rechtlichen
Besorgung in § 1901 Abs. 1 n.F. BGB. Gerade wenn man sich den vorliegenden Fall mit einem Berufsbetreuer vorstellt, erscheint die Fahrradfahrt als maßgebliche
tatsächliche Verrichtung als privatwirtschaftlich. Eine rechtliche, hypothetisch vergütungsfähige Geschäftsbesorgung des Klägers
im Zeitpunkt des Unfalls lässt sich nämlich nicht erkennen. Anders als im vom BSG entschiedenen Fall entsprach der Kläger zudem auch nicht dem ausdrücklichen Wunsch seines Sohns, Fahrrad zu fahren. Vielmehr
ging die Initiative hierzu von ihm selbst aus; der Sohn musste den schlüssigen Angaben des Klägers zufolge motiviert werden.
Ferner unterscheidet den vorliegenden vom vom BSG entschiedenen, dass hier Betreuer und Betreuter ohnehin zusammenlebten und es besonderer vertrauensbildender Maßnahmen zum
Zwecke einer effektiven Erledigung der rechtlichen Angelegenheiten nicht bedurfte.
Bei alldem stellt sich der Sachverhalt vielmehr so dar, dass hier ein verantwortungsvoller, sorgender Vater seinen - offenkundig
in seinen Alltagskompetenzen beschränkten - Sohn dazu anhalten wollte, sich körperlich zu betätigen. Hinzu kam nach dem auch
insofern äußerst schlüssigen Gesamtvorbringen des Klägers, dass wegen der plötzlichen Erkrankung der Mutter der von ihr mit
dem Sohn geplante Urlaub ausfiel, so dass sich nunmehr wieder der Kläger um den Sohn kümmern musste und quasi rasch improvisieren
musste. Er musste kurzfristig Urlaub nehmen. Der Kühlschrank musste aufgefüllt werden. Hierfür mussten Einkäufe getätigt werden.
Dies sollte mit einer Abhebung vom Konto des Sohns verbunden werden. Dies sollte zum Anlass genommen werden, den Sohn zum
Fahrradfahren zu motivieren. All dies ist ein alltäglicher, familiärer Ablauf und nicht eine rechtliche Besorgung der Angelegenheiten
des Betreuten, und zwar auch eingedenk des Bemühens des Klägers, den Sohn an Geld- bzw. Bankgeschäfte heranzuführen. Jdf.
nach der Aussage der Zeugin M und unter Einbeziehung der aktenkundigen Erkenntnisse zur Pflegebedürftigkeit des Sohnes ist
es - letztlich auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen, dass der Sohn jemals wird Bank- oder Geldgeschäfte ohne Beisein
des Betreuers oder einer Aufsichts- bzw. Pflegeperson wird selbständig tätigen können. Wollte man demgegenüber eben auch die
besagte Fahrradfahrt in den Versicherungsschutz mit einbeziehen, wäre eine Grenzziehung zwischen eigenwirtschaftlichen, familiären
und versicherten Verrichtungen nicht mehr möglich.
Selbst wenn man im gemeinschaftlichen Geldabheben vom Konto des Sohnes eine unter den Aufgabenkreis des Betreuers fallende
rechtliche Besorgung erblicken wollte, kommt ein Versicherungsschutz für die unfallbringende Fahrradfahrt nicht in Betracht.
Die Fahrradfahrt als konkrete Verrichtung des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses beruhte angesichts der objektiven
Umstände nicht auf einer betrieblichen Handlungstendenz. Der Kläger verrichtete keine sog. "gemischte Tätigkeit", da eine
solche zumindest zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraussetzt, von denen (wenigstens) eine im sachlichen
Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht, während die Fahrradfahrt des Klägers eine einzige Verrichtung war. Denn
eine "Verrichtung" ist nur ein konkretes, also auch räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das seiner Art nach von Dritten
beobachtbar ist. Die Fahrradfahrt ist aus Sicht eines objektiven Betrachters eine einzige einheitliche Verrichtung, selbst
wenn sie unterschiedlichen Zwecken dient (vgl. BSG, Urteil vom 12. Mai 2009 - B 2 U 12/08 R, zitiert nach juris Rn. 22). Die Fahrradfahrt zur klägerischen Wohnung war mithin allenfalls eine Verrichtung mit gespaltener
Handlungstendenz bzw. mit gemischter Motivationslage, denn sie erfolgte sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch mit - hier
unterstellter - betrieblicher Handlungstendenz. Eine betriebliche, den sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit
begründende Handlungstendenz eines Beschäftigten liegt - in einer auf andere Versicherungstatbestände wie hier rechtsgedanklich
übertragbaren Weise - etwa vor, wenn er den Willen hat, durch die Verrichtung eine seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis
zu erfüllen oder die Erfüllung von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die das Gesetz versichert, zu ermöglichen, zu fördern
oder zu sichern. Bei der "Handlungstendenz" handelt es sich um eine sog. innere Tatsache (vgl. BSG a.a.O., Rn. 23). Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang
mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private
Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen
Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische
Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete
Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene
Handlungstendenz erkennen lässt (vgl. BSG a.a.O., Rn. 24).
Nach seinem unbestrittenen Vorbringen hatte der Kläger mehrere Ziele. Er wollte zusammen mit seinem Sohn nicht nur Geld abheben
(hier unterstellt die betriebliche Handlungstendenz), sondern auch Lebensmittel einkaufen und eben auch zusammen mit den Sohn
Fahrrad fahren (privatwirtschaftliche Handlungstendenz).Nach den objektiven Umständen lässt die tatsächlich zusammen mit seinem
Sohn unternommene Fahrradfahrt des Klägers von seiner Wohnung zum Seinen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
als Betreuer nicht deutlich werden. Der betriebliche Zweck, hier unterstellt das gemeinsame Geldabheben, vermag nach den objektiven
Umständen nicht zu erklären, dass die Fahrt zum - weiter als die Bank- und Einkaufsmöglichkeiten in der näheren Umgebung der
Wohnung des Klägers entfernten - S unternommen wurde. Vorliegend wurden Ziel und Fortbewegungsmittel nicht durch betriebliche
Erfordernisse eines Betreuers bestimmt, sondern finden ihren Grund in der privaten Motivation des Klägers, notwendige private
Erledigungen mit einer Fahrradtour zusammen mit dem Sohn zu verbinden. Anders gewendet sprach nichts dafür, dass die betriebliche
Handlungstendenz im Aufgabenwahrnehmungskreis eines Betreuers, die private Motivation weggedacht, zu der unfallbringenden
gemeinschaftlichen Fahrradfahrt des Klägers und seines Sohnes geführt hätte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist mangels eines Zulassungsgrundes nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
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