Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit welchem sie vorschussweise gezahltes Verletztengeld teilweise
zurückfordert.
Der 1967 geborene und selbständig als Kfz-Mechaniker tätige Kläger erlitt am 22. Februar 2006 einen späterhin von der Beklagten
anerkannten Arbeitsunfall auf der Autofahrt zu einer Vorstandssitzung des SC T e.V., in welchem er Vizepräsident war. Der
Kläger zog sich eine Stirnprellung mit multiplen oberflächlichen Schnittverletzungen mit Glasfremdkörperinkorporation sowie
eine Prellung der rechten Schulter und des rechten Kniegelenks zu, vgl. Durchgangsarztbericht vom 23. Februar 2006. Die Beklagte
gewährte dem Kläger mit Bescheiden vom 02. Mai, 18. Juli und 14. August 2006 aufgrund ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit
wegen der Folgen des o.g. Arbeitsunfalls für die Zeit vom 23. Februar bis zum 19. Juli 2006 für insgesamt 145 Tage Verletztengeld
als vorläufige Leistung unter dem Vorbehalt der Rückzahlung in Höhe von 134,24 € kalendertäglich. Dabei ging die Beklagte
- auch laut der Bescheidbegründung - von einer vom Steuerberater des Klägers unter dem 18. April 2006 vorgenommenen Schätzung
des Arbeitseinkommens für das Jahr 2005 in Höhe von 60.407,05 € (Rohgewinn) aus.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 08. Januar 2008 eine korrigierte Gewinnermittlung seines Steuerberaters, aus welcher sich
für das Jahr 2005 ein Gewinn von 50.634,00 € ergibt, und den Steuerbescheid des Finanzamts L vom 09. Juli 2007 vor, welcher
für das Jahr 2005 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb 23.505,00 € ausweist.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 08. Februar 2008 zur beabsichtigten Rückforderung von zu viel gezahltem Verletztengeld
an. Nach dem Steuerbescheid für 2005 sei lediglich von einem Arbeitseinkommen von 23.505,00 € auszugehen, so dass sich der
Verletztengeldanspruch auf lediglich 52,23 € kalendertäglich belaufe. Ferner sei eine Überzahlung für die Zeit vom 14. Juni
2006 bis zum 19. Juli 2006 eingetreten, weil der Kläger während dieser Zeit des Verletztengeldbezugs wieder Arbeitseinkommen
erzielt habe. Mit Schreiben vom 28. Februar 2008 nahm der Kläger auf das Anhörungsschreiben dahingehend Stellung, dass hier
die auf §
4 Abs.
3 des Einkommenssteuergesetzes (
EStG) beruhende Gewinnermittlung durch Einbeziehung von Forderungen, Verbindlichkeiten und Warenvorräten an die Gewinnermittlung
nach §
4 Abs.
1 EStG angeglichen worden sei.
Die Beklagte forderte mit Bescheid vom 12. März 2008 vom Kläger 12.883,82 € an überzahltem Verletztengeld zurück. Sie ging
von einem im Jahr 2005 erzielten Arbeitseinkommen von 23.505,00 € und des Weiteren von einem während des Verletztengeldbezugs
erzielten, anzurechnenden Arbeitseinkommen im Juli 2006 aus.
Der Kläger erhob unter dem 25. März 2008 Widerspruch.
Die Beklagte gab mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2008 dem Widerspruch im Hinblick auf die vom Kläger gerügte Anrechnung
des im Zeitraum des Verletztengeldbezugs im Juli 2006 erzielten Arbeitseinkommens statt, sah insofern von der Geltendmachung
einer Rückforderung ab und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Da der Verletztengeldanspruch des Klägers
nach dem laut Steuerbescheid für das Jahr 2005 zugrunde zu legenden Gewinn nur 52,23 € kalendertäglich betrage, habe sich
eine Überzahlung von 82,01 € kalendertäglich ergeben und seien deswegen insgesamt 11.891,45 € zurückzuzahlen.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 11. August 2008 zum Sozialgericht Potsdam (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Er hat zur Begründung ausgeführt, das Arbeitseinkommen werde nach §
15 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB IV) inhaltlich durch Bezugnahme auf das
EStG definiert. Was jedoch unter den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften im Sinne der Vorschrift zu verstehen sei, werde
im Gesetz nicht erläutert. Der steuerliche Gewinn könne nach unterschiedlichen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ermittelt
werden. Der Grundgedanke des ESt-Rechts werde jedoch von der Gewinnermittlung durch den Vergleich des Betriebsvermögens gemäß
§
4 Abs.
1 EStG getragen. Dieses werde noch dadurch verdeutlicht, dass bei Betriebsaufgabe/-veräußerung eine Schlussbilanz zu erstellen sei,
auch wenn der Steuerpflichtige vorher seinen Gewinn gemäß §
4 Abs.
3 EStG im Wege der vereinfachten Berechnung des Gewinns durch die Ermittlung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben
festgestellt habe. Im Fall des Klägers sei lediglich im Rahmen einer vom Steuerberater vorgenommenen Korrekturrechnung der
bisher nach §
4 Abs.
3 EStG ermittelte Gewinn auf die Gewinnermittlung nach §
4 Abs.
1 EStG angeglichen worden. Insoweit ergebe sich ein tägliches Verletztengeld von nunmehr 112,52 €. Hieraus resultiere lediglich
eine Überzahlung von insgesamt 3.149,40 €. Der Rückforderungsbescheid sei dementsprechend zu ändern und die Rückforderung
auf eben diesen Betrag festzusetzen. Auch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergebe sich, dass für §
15 SGB IV auf die Gewinnermittlung nach §
4 Abs.
1 EStG abzustellen sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17. November 2011 abgewiesen. Der Erstattungsanspruch folge dem Grunde nach aus §
42 Abs.
2 S. 2 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB I) und sei auch der Höhe nach unter Anrechnung des dem Kläger nach §§
45 f. des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB VII) tatsächlich zustehenden Verletztengelds gerechtfertigt, welches gemäß §
47 Abs.
1 SGB VII unter Zugrundelegung des 360. Teils des im Kalenderjahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit, also im Jahr 2005 erzielten Arbeitseinkommens
zu errechnen gewesen sei. Hiervon ausgehend habe die Beklagte insgesamt 19.464,80 € an Vorschüssen gezahlt, denen lediglich
ein Verletztengeldanspruch in Höhe von insgesamt 7.575,35 € gegenüber gestanden habe, was den von der Beklagten geltend gemachten
- rechnerisch zutreffenden - Erstattungsbetrag von insgesamt 11.891,45 € ergebe. Die Beklagte habe das Arbeitseinkommen des
Klägers gemäß §
15 SGB IV zu Recht anhand des Steuerbescheids für das Jahr 2005 ermittelt. Laut der Gesetzesbegründung zur Neufassung von §
15 SGB IV habe eine volle Parallelität von ESt-Recht und Sozialversicherungsrecht herbeigeführt werden sollen. Dies habe zu einer Verwaltungsvereinfachung
bei den Sozialversicherungsträgern führen sollen, so dass eigene Nachprüfungen dieser Träger in diesem Bereich entfielen.
Die Sozialleistungsträger hätten daher den steuerrechtlichen Gewinn unverändert aus dem Einkommenssteuerbescheid zu übernehmen.
Aus der ober- und höchstrichterlichen sozialgerichtlichen Rechtsprechung ergebe sich im Grundsatz nichts anderes. Hieran gemessen
unterliege die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des dem Kläger tatsächlich zustehenden Verletztengelds keinen rechtlichen
Bedenken, indem die Beklagte aus dem Steuerbescheid für das Jahr 2005 den nach der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschrift
des §
4 Abs.
3 EStG ermittelten Gewinn der Berechnung des Verletztengeldanspruchs zugrunde gelegt habe.
Der Kläger hat gegen das ihm am 06. Januar 2012 zugestellte Urteil am 31. Januar 2012 Berufung eingelegt. Er vertieft sein
bisheriges Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. November 2011 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2008 in
der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2008 insoweit teilweise aufzuheben, als der Rückforderungsbetrag 3.149,40
€ übersteigt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen
Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 12. März 2008 ist in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid
vom 14. Juli 2008 gefunden hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat gegen den Kläger den von ihr im angefochtenen
Bescheid geltend gemachten Erstattungsanspruch in Höhe von 11.891,45 €.
Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen
der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen ist, §
153 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Richtig zu stellen ist lediglich, dass es sich beim in den Gründen der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen Urteil
vom 22. September 2011 - L 31 R 241/11 -, zitiert nach juris, nicht um ein solches des BSG, sondern des 31. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg handelt, in welchem das LSG indes zutreffend auf
den in §
15 SGB IV liegenden Zweck der Verwaltungserleichterung und auf die daraus folgende Konsequenz hingewiesen hat, dass für die Ermittlung
des Arbeitseinkommens im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren die Angaben aus dem einschlägigen Einkommenssteuerbescheid
zu übernehmen sind (LSG, aaO., Rn. 21).
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger zur Untermauerung seines Vorbringens ins Feld geführte höchstrichterliche
Rechtsprechung sein Begehren letztendlich nicht stützt, sondern vielmehr die bereits vom SG in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung bestätigt. So hat das BSG etwa in seinem Urteil vom 16. Mai 2001 - B 5 RJ 46/00 R -, zitiert nach juris, die für die dortige Klägerin im konkreten Fall vorgeschriebene steuerrechtliche Gewinnermittlung
in §
4 Abs.
1 EStG gesehen (BSG, aaO., Rn. 17) und für die sozialversicherungsrechtliche Gewinnermittlung auf die in den vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden
eben nach §
4 Abs.
1 EStG ausgewiesenen Gewinne aus Gewerbebetrieb abgestellt (BSG, aaO., Rn. 19). Das BSG geht ferner auch in seiner Entscheidung vom 21. Juni 2011 - B 4 AS 21/10 R -, zitiert nach juris Rn. 20, vom Grundsatz aus, dass das Arbeitseinkommen i.S.v. §
15 SGB IV aus dem Steuerbescheid übernommen werden soll, und fordert lediglich unter Zugrundelegung der Eigengesetzlichkeiten (Zuflussprinzip)
im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) bzw. der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) eine modifizierende Betrachtung dahingehend, dass der Steuerbescheid keine Tatbestandswirkung in dem Sinne entfaltet, dass
dessen Feststellungen ohne Berücksichtigung des Umstandes, ob es sich bei dem ausgewiesenen Gewinn um bereite Mittel handelt,
zur Berechnung des Alg II herangezogen werden können (BSG, aaO., Rn. 26). Demnach bewendet es jedenfalls auch im vorliegenden Fall dabei, für die Ermittlung des Arbeitseinkommens
unverändert den im Steuerbescheid ausgewiesenen Gewinn zu übernehmen (vgl. so auch im Grundsatz etwa Nehls, in: Hauck/Noftz,
SGB VII, Stand 3/13, K §
47 Rn. 18). Zwar kann einer steuerrechtlichen Qualifizierung bestimmter Einkünfte und ihrer Zuordnung zum Gewinn nicht entnommen
werden, dass damit in jedem Fall auch Arbeitseinkommen vorliegen muss; dieses ist vielmehr nicht stets identisch mit dem vom
Finanzamt ermittelten Gewinn. Diese Diskrepanz tritt indes nur im - praktisch wohl eher seltenen und hier offensichtlich nicht
gegebenen - Fall auf, in welchem das Steuerrecht eine Einnahme als Gewinn bewertet, obwohl sich diese Einnahme nicht auf die
Verwertung und den Einsatz der Arbeit zurückführen lässt (Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 79.
Erg.-Lfg. 2013, §
15 SGB IV Rn. 4 f.). Arbeitseinkommen i.S.v. §
15 SGB IV als der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelte Gewinn ist jedoch jedenfalls dann als Arbeitseinkommen
zugrunde zu legen, wenn es aus eigener selbständiger Tätigkeit des Einkommensempfängers selbst herrührt; in diesem Fall sind
dem Träger der Sozialversicherung eigene Wertungen über die Höhe des Gewinns nach §
15 Abs.
1 Satz 2
SGB IV nicht erlaubt, und es bewendet dann bei der unveränderten Übernahme des steuerrechtlichen Gewinns aus dem Steuerbescheid
des Selbständigen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 17/98 R -, zitiert nach juris Rn. 16 und 19).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrundes i.S.v. §
160 Abs.
2 SGG nicht zuzulassen.