Genehmigung zur Teilnahme an der Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten in der vertragsärztlichen
Versorgung für ein Medizinisches Versorgungszentrum; Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen; Unrichtige Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die Kassenärztliche
Vereinigung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Genehmigung zur Teilnahme an der Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung
krebskranker Patienten ("Onkologie-Vereinbarung", Anlage 7 zu den Bundesmantelverträgen, in Kraft getreten am 1. Oktober 2009).
Die Klägerin betreibt das V MVZ S, das seit dem 1. Juli 2007 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. Mit Wirkung vom
1. Februar 2010 ist der Arzt Dr. K-MK, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie, bei der Klägerin
für eine Tätigkeit im MVZ S angestellt, anfangs in einem Umfang "von in der Regel bis zu 10 Stunden pro Woche", seit dem 1.
April 2012 im Umfang von mindestens 20 Stunden wöchentlich. Mit seiner Tätigkeit in der "Praxis für Innere Medizin/Onkologie,
Tumorambulanz" für das V MVZ S nimmt Dr. K an der hausärztlichen Versorgung teil. Daneben fungiert Dr. K im V Klinikum S,
Abteilung Innere Medizin, als Oberarzt im Bereich Hämatologie und Onkologie.
Im Dezember 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten für die Tätigkeit von Dr. K im V MVZ S eine Abrechnungsgenehmigung
für Leistungen im Rahmen der qualifizierten ambulanten Versorgung krebskranker Patienten auf Grundlage der Onkologie-Vereinbarung.
Die fachliche Befähigung von Dr. K sah die Beklagte als gegeben an. Gleichwohl lehnte die Beklagte den Antrag auf Teilnahme
an der Onkologie-Vereinbarung mit Bescheid vom 10. Februar 2010, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 28. September 2010,
ab. Bei einer Anstellung im Umfange einer Viertelstelle bleibe nicht genügend Zeit, um die ambulante Behandlung der Patienten
nach den Erfordernissen der Onkologie-Vereinbarungentsprechend einem einheitlichen Therapieplan zu leiten und die Tätigkeit
mit durch Überweisung zugezogenen Ärzten zu koordinieren. Die besonderen Anforderungen an die ambulante Behandlung krebskranker
Patienten seien für den onkologisch qualifizierten Arzt auch mit einer erhöhten zeitlichen Belastung verbunden. Ein nur im
Umfange einer Viertelstelle tätiger Arzt könne die in der Onkologie-Vereinbarung geforderte Verantwortung, Koordination und
Leitung der ambulanten Behandlung nicht hinreichend wahrnehmen.
Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt: Die erforderlichen ärztlichen
Tätigkeiten seien patienten- und damit fallbezogen. Ein teilzeitbeschäftigter Arzt werde entsprechend weniger Patientenbehandeln,
für diese könne er aber alle nach der Onkologie-Vereinbarung erforderlichen Leistungen erbringen. Insofern stehe die Tätigkeit
am MVZ nicht der Teilnahme an der Onkologie-Vereinbarung entgegen, sondern limitiere lediglich die Anzahl behandelbarer Patienten.
Nach den Veröffentlichungen der Beklagten zum Regelleistungsvolumen für das Quartal 1/2009 behandle ein fachärztlicher Internist
mit dem Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie pro Quartal durchschnittlich 405 Fälle. Voraussetzung für die Teilnahme an der Onkologie-Vereinbarung
sei, dass ein Facharzt für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Hämatologie und internistische Onkologie durchschnittlich
120 Patienten pro Quartal mit soliden oder hämatologischen Neoplasien behandele. Dies entspreche nahezu einem Viertel der
durchschnittlichen Fallzahl der Berliner Hämato-Onkologen. Diese Fallzahl könne auch im Rahmen einer 10-Stunden-Stelle erreicht
werden. Ein in Vollzeit tätiger niedergelassener Vertragsarzt könne bei ca. 500 Fällen pro Quartal für jeden Patienten im
Rahmen der Onkologie-Vereinbarung auch nur ca. eine Stunde pro Quartal aufwenden.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 28. September 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Ein mit lediglich zehn Wochenstunden an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender angestellter Arzt könne
nicht als onkologisch qualifizierter Arzt tätig werden. Die in § 3 der Onkologie-Vereinbarung geforderten fachlichen Voraussetzungen
seien im Rahmen einer lediglich zehnstündigen Anstellung nicht erbringbar. In § 3 Abs. 4 fordere die Onkologie-Vereinbarung
eine Leistungserbringung in ganz bestimmtem Umfange, nämlich die Behandlung von 120 Patienten pro Quartal und Arzt mit soliden
oder hämatologischen Neoplasien. Diese Voraussetzung sei jährlich nachzuweisen. Auch angesichts der durchschnittlichen Fallzahlen
der Fachgruppe der Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie (rund 500 pro Quartal) erscheine es als ausgeschlossen,
dass einem nur zehn Stunden wöchentlich tätigen Arzt der Nachweis der geforderten Patientenzahlen gelingen könne; Dr. K müsse
praktisch ausschließlich Patienten mit soliden oder hämatologischen Neoplasien behandeln, um die notwendige Patientenzahl
im Sinne von § 3 Abs. 4 der Onkologie-Vereinbarung zu erreichen. Damit müsse seine gesamte Tätigkeit im MVZ - unter Abweisung
anderer Patienten - darauf ausgerichtet sein, die Anforderungen der Onkologie-Vereinbarung zu erfüllen. Dies erscheine unmöglich.
Zudem nehme Dr. K eine Vollzeitstelle zusammen mit einem anderen Arzt wahr, der 30 Stunden wöchentlich arbeite. Es sei unvorstellbar,
dass Dr. K dann bei seiner Anwesenheit auch nur "seine" Patienten betreue. Dass ein nur zehnstündig tätiger Arzt nicht dem
in § 3 Abs. 4 der Onkologie-Vereinbarung formulierten Leitbild entspreche, ergebe sich auch daraus, dass nicht einmal die
im Bezirk der Beklagten in Vollzeit tätigen niedergelassenen Fachärzte für Hämatologie und internistische Onkologie durchweg
die in § 3 Abs. 4 der Onkologie-Vereinbarung geforderten Patientenzahlen erreichten. Dass die Beklagte mit den Verbänden der
Krankenkassen am 22. Februar 2011 vereinbart habe, aus Sicherstellungsgründen bis Ende 2011 von den erforderlichen Mindestfallzahlen
nach § 3 Abs. 4 der Onkologie-Vereinbarung abzusehen, ändere hieran nichts.
Gegen das ihr am 7. Oktober 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 7. November 2011. Zu Unrecht
habe das Sozialgericht auf die zu erbringenden Fallzahlen abgestellt. Nach § 3 Abs. 6 der Onkologie-Vereinbarung seien neu
zugelassene Vertragsärzte nicht an die Mindestfallzahl aus § 3 Abs. 4 gebunden. Wenn schon bis Ende 2011 aufgrund der Vereinbarung
der Beklagten mit den Verbänden der Krankenkassen gar keine Mindestfallzahlen gegolten hätten, dürften solche auch nicht für
Dr. K verlangt werden. Ein im Umfange von 30 Wochenstunden an einem anderen MVZ der Klägerin tätiger Facharzt für Innere Medizin,
Hämatologie und Internistische Onkologie etwa habe im Quartal I/11 443 Patienten im Rahmen der Onkologie-Vereinbarung behandelt.
Ein Drittel hiervon sei 147, mithin die von Dr. K im Rahmen einer Viertelstelle erbringbare Zahl. Im Übrigen sei Dr. K nun
im Umfange von 20 Stunden wöchentlich im MVZ tätig; in vergleichbaren Fällen habe die Beklagte die begehrte Abrechnungsgenehmigung
erteilt. Maßgeblich sei im Übrigen die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Die im Jahre
2011 eingetretene Rechtsänderung, die eine Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erfordere, sei daher unerheblich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Abrechnungsgenehmigung
für Leistungen im Rahmen der Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten (Onkologie-Vereinbarung)
für Dr. K-M K zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Mit einer Arbeitszeit von nur zehn Stunden pro Woche habe nicht
genügend Zeit bestanden, um die ambulante Behandlung von onkologischen Patienten zu leiten und zu koordinieren. Davon abgesehen
fordere die Onkologie-Vereinbarung in der seit 1. Juli 2011 geltenden Fassung in § 3 Abs. 6, dass nur Ärzte neu zugelassen
werden könnten, die - anders als Dr. K - dem fachärztlichen Versorgungsbereich angehörten. Damit sei die Erteilung der Abrechnungsgenehmigung
zwingend ausgeschlossen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs
des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung für durch
ihren Angestellten Dr. K-M K erbrachte Leistungen im Rahmen der Onkologievereinbarung.
1. Die in § 3 der Onkologie-Vereinbarung definierten Voraussetzungen zur Teilnahme an dieser Vereinbarung liegen vor; das
wird - abgesehen von den Aspekten des fachärztlichen Versorgungsbereichs und der Teilzeitbeschäftigung von Dr. K - auch von
der Beklagten nicht bestritten. Insbesondere verfügt dieser Arzt unstreitig über die erforderliche fachärztliche Qualifikation
bzw. Weiterbildung. Die Vorschrift lautet in der gegenwärtigen Fassung:
§ 3 Voraussetzungen zur Teilnahme
(1) Die fachliche Befähigung für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen nach dieser Vereinbarung gilt als nachgewiesen,
wenn die in den Absätzen 2 bis 8 genannten Voraussetzungen erfüllt und durch Zeugnisse und Bescheinigungen nachgewiesen werden.
(2) Der onkologisch qualifizierte Arzt hat seine fachliche Qualifikation durch eine abgeschlossene Weiterbildung mit dem Schwerpunkt
Hämatologische und internistische Onkologie (Weiterbildung Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie) oder
eine Facharztweiterbildung mit der Zusatzbezeichnung Medikamentöse Tumortherapie oder eine Facharzt - bzw. Gebietsbezeichnung,
die diese Inhalte erfüllt, nachzuweisen.
(3) Der Vertragsarzt hat seine Teilnahme an der Kooperationsgemeinschaft gemäß § 6 dieser Vereinbarung nachzuweisen.
(4) Je nach Fachgruppe ist die Betreuung nachfolgender Patientenzahlen nachzuweisen:
- Fachärzte für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Hämatologie und internistische Onkologie: Betreuung von durchschnittlich
120 Patienten/Quartal und Arzt (in den letzten 12 Monaten vor Antragsstellung) mit soliden oder hämatologischen Neoplasien,
darunter 70 Patienten, die mit medikamentöser Tumortherapie behandelt werden, davon 30 mit intravenöser und/oder intrakavitärer
und/oder intraläsionaler Behandlung
- Andere Fachgruppen Betreuung von durchschnittlich 80 Patienten/Quartal und Arzt (in den letzten 12 Monaten vor Antragsstellung)
mit soliden Neoplasien, darunter 60 Patienten, die mit antineoplastischer Therapie behandelt werden, davon 20 mit intravenöser
und/oder intrakavitärer antineoplastischer und/oder intraläsionaler Behandlung
(5) Bei Durchführung von Hämotherapie sind die Voraussetzungen gemäß den Richtlinien des Transfusionsgesetzes sind zu erfüllen.
(6) Ab dem 1. Juli 2011 können nur Ärzte zur Teilnahme an dieser Vereinbarung neu zugelassen werden, die dem fachärztlichen
Versorgungsbereich angehören. Neu- und Jungpraxen bzw. neu und kürzer als zwei Jahre zugelassene Ärzte sind bei gegebener
Qualifikation nach Abs. 1 auch dann zur Teilnahme an dieser Vereinbarung zuzulassen, wenn die entsprechenden Patientenzahlen
nach Abs. 4 vor dem Beginn der Teilnahme an dieser Vereinbarung sowie innerhalb der darauf folgenden 24 Monate noch unterschritten
werden.
(7) Aus Gründen der Sicherstellung einer flächendeckenden qualifizierten ambulanten Behandlung krebskranker Patienten nach
dieser Vereinbarung können die Patientenzahlen nach Abs. 4 durch die Partner der Gesamtverträge mit gemeinsamen und einheitlichen
Beschluss modifiziert werden. Soweit dies nicht zur Sicherstellung ausreicht, können an bisherigen Onkologie-Vereinbarungen
teilnehmende Ärzte, deren Facharztweiterbildung die Inhalte der Zusatzweiterbildung Medikamentöse Tumortherapie nicht vollständig
umfasst oder die die Patientenzahlen nach Abs. 4 noch nicht erfüllen - soweit sie die Voraussetzungen nach Anhang 3 erfüllen
- durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung zur Teilnahme an dieser Vereinbarung zugelassen werden. Bis zum 31. Dezember
2014 gilt dies auch für Ärzte, die sich neu niederlassen. Die Teilnahme der Ärzte nach den Sätzen 2 und 3 ab dem 01. Januar
2015 setzt die Erfüllung der Anforderungen nach den Absätzen 4 und 6 voraus. Für Ärzte, die ab dem 1. Januar 2011 nach Abs.
6 zur Teilnahme zugelassen werden und deren Facharztweiterbildung die Inhalte der Zusatzweiterbildung "Medikamentöse Tumortherapie"
nicht vollständig umfasst, sind durch die Partner der Gesamtverträge Abschläge von der Vergütung nach § 9 und Anhang 2 A und
B vorzunehmen.
(8) Bestehen trotz der vorgelegten Zeugnisse, Bescheinigungen und Dokumentationen Zweifel an der fachlichen Befähigung, hat
sich die Onkologie-Kommission in einem fachonkologischen Kolloquium gemäß den Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
für Verfahren zur Qualitätssicherung nach §
135 Abs.
3 SGB V von der Fachkunde des Antragstellers zu überzeugen.
(9) Die Partner dieser Vereinbarung werden die Voraussetzungen zur Teilnahme an dieser Vereinbarung im Hinblick auf die Sicherstellung
einer flächendeckenden qualifizierten ambulanten Behandlung krebskranker Patienten nach dieser Vereinbarung jährlich überprüfen
und ggf. anpassen. Hierbei wird insbesondere geprüft, inwieweit durch eine Anhebung der Patientenzahlen nach Abs. 4 eine weitere
Verbesserung der Versorgungsqualität ermöglicht werden kann.
Dass Dr. K dem hausärztlichen und nicht dem fachärztlichen Versorgungsbereich angehört (§ 3 Abs. 6 Satz 1), ist angesichts
des für den Senat maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts unerheblich (unten 2.). Die Teilzeitbeschäftigung von Dr. K steht der
Erteilung der Abrechnungsgenehmigung nicht entgegen(unten 3.).
2. Dass Dr. K nicht dem fachärztlichen Versorgungsbereich angehört, wie von § 3 Abs. 6 der Onkologie-Vereinbarung gefordert,
ist rechtlich unerheblich, denn maßgeblich ist zur Überzeugung des Senats die Sach- und Rechtslage bei Beantragung der Abrechnungsgenehmigung
im Dezember 2009; seinerzeit gab es aber keine Zulassungsbeschränkung für dem hausärztlichen Versorgungsbereich angehörende
Ärzte.
Zwar ist grundsätzlich maßgebender Beurteilungszeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Verpflichtungs-
und Leistungsklagen die (letzte) mündliche Verhandlung vor dem Senat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Januar 1998,
B 6 KA 44/96 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17; Urteil des Senats vom 14. November 2012, L 7 KA 81/11, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24; Keller in Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 10. Aufl. 2012, Rdnr. 34 zu §
54); in der Regel ist nur bei Anfechtung eines belastenden Verwaltungsakts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung maßgebend (vgl. etwa zur Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung: Bundessozialgericht, Urteil
vom 21. März 2012, B 6 KA 22/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 54).
Diese Regel gilt jedoch nicht ausnahmslos. Materielles Recht insbesondere in Gestalt grundrechtlicher Gewährleistungen kann
eine differenzierte Sichtweise dahin gehend erfordern, dass auch bei Leistungs- bzw. Verpflichtungsbegehren auf die Sach-
und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist. So liegt es hier: Das Grundrecht der Berufsfreiheit
aus Artikel
12 Abs.
1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gebietet es, einen Anspruch der Klägerin
auf Erteilung der begehrten Abrechnungsgenehmigung auch dann anzunehmen, wenn diese zwar nach der Rechtslage zum Zeitpunkt
der letzten Tatsachenverhandlung nicht erteilt werden könnte, die Klägerin aber bei ordnungsgemäßer Handhabung des bisherigen
Rechts durch die Beklagte- wie hier - im Besitz der Abrechnungsgenehmigung hätte sein müssen(vgl. Beschluss des Senats vom
28. Dezember 2011, L 7 KA 153/11 B ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12 [Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung], sowie Urteil des 7. Senats des LSG
Berlin vom 15. November 1995, L 7 Ka 25/95, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18; jeweils im Anschluss an BVerwG, Urteil vom
10. März 1961, I C 48.57, zitiert nach juris, dort Rdnr. 8;vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 5. Mai 2010, B 6 KA 2/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20, sowie Urteil vom 23. Februar 2005, B 6 KA 81/03 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14). Nur diese Sichtweise wird der grundrechtlichen Gewährleistung aus Art.
12 Abs.
1 GG, in deren Genuss die Klägerin mit ihrem Begehren kommt, gerecht. Und nur so ist sicher gestellt, dass eine unrichtige Beurteilung
der Sach- und Rechtslage durch die Beklagte im Zusammenspiel mit nicht steuerbarem Zeitablauf und späterer Rechtsänderung
nicht zu einem Rechtsverlust bei der Klägerin führt.
Das materielle Recht steht dieser Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes auch im Übrigen nicht entgegen. Insbesondere regelt
§ 3 Abs. 6 Satz 1 der Onkologie-Vereinbarung in der ab dem 1. Juli 2011 geltenden Fassung ausdrücklich, dass "ab dem 1. Juli
2011 (...) nur Ärzte zur Teilnahme an dieser Vereinbarung neu(Hervorhebung hier) zugelassen werden (können), die dem fachärztlichen
Versorgungsbereich angehören". Die Rechtsänderung erfasst somit nur neu erteilte Abrechnungsgenehmigungen, nicht aber schon
vor dem Stichtag erteilte bzw. - wie hier - zu beanspruchende. Eine gegenteilige Regelung, die im Übrigen auch kaum mit dem
Gedanken des Bestandschutzes zu vereinbaren wäre, enthält die Onkologie-Vereinbarung nicht. Etwas anderes würde nur dann gelten,
wenn das neue Recht - anders als hier - nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfassen will
(vgl. Urteil des 7. Senats des LSG Berlin vom 15. November 1995, L 7 Ka 25/95, zitiert nach juris, Leitsatz 1).
Auch andere rechtliche Gründe, die die Erteilung der Abrechnungsgenehmigung vor dem 1. Juli 2011 hätten hindern können, sind
nicht ersichtlich. Die Beklagte hat dargelegt, vor diesem Stichtag auch Angehörigen des hausärztlichen Versorgungsbereichs
Abrechnungsgenehmigungen nach der Onkologie-Vereinbarung erteilt zu haben. Dazu war sie berechtigt. Insbesondere sind die
in der Onkologie-Vereinbarung getroffenen Festlegungen spezieller gegenüber sonstigen vertraglichen Regelungen etwa in Gestalt
der Hausarztverträge nach §
73 b SGB V.
3. Die Teilzeitbeschäftigung des Dr. K im Umfange von zehn Stunden pro Woche bis zum 30. März 2012 steht zur Überzeugung des
Senats dem Anspruch auf Erteilung der Abrechnungsgenehmigung grundsätzlich nicht entgegen. Zu diesem Aspekt trifft die Onkologie-Vereinbarung
keine ausdrückliche Aussage. Eine gegen Teilzeitarbeit gerichtete Regelung verstieße auch gegen den Willen des Gesetzgebers,
Teilzeitarbeit zu fördern (vgl. §§ 1 und 6 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember
2000 [BGBl. I S. 1966]).
Auch dass Dr. K als Teilzeitbeschäftigter voraussichtlich die Mindestfallzahl nach § 3 Abs. 4, erster Spiegelstrich der Onkologie-Vereinbarung(Betreuung
von durchschnittlich 120 Patienten pro Quartal) nicht erreichen kann, ist unerheblich, weil die Kassenärztliche Bundesvereinigung
und die Krankenkassenverbände sich aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten bis heute
durchgehend darauf geeinigt haben, von der Übergangsregelung nach § 3 Abs. 7 der Onkologie-Vereinbarung Gebrauch zu machen
und auch Ärzte an der Onkologie-Vereinbarung teilnehmen zu lassen, die die Mindestpatientenzahlen unterschreiten.
Die Beschränkung auf eine wöchentliche Arbeitszeit von (nur) zehn Stunden schließt es auch sonst nicht aus, die in §§ 1 und
4 bis 6 definierten Ziele und Voraussetzungen der Onkologie-Vereinbarung zu erfüllen. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass ein
in Teilzeit tätiger Arzt eine seinem Arbeitszeitanteil entsprechende geringere Anzahl von Patienten wird betreuen können,
ohne dass es dabei zu einer geringeren Versorgungsqualität kommt. Das gegenteilige Vorbringen der Beklagten beruht insoweit
nur auf unbelegten Mutmaßungen. Zu berücksichtigen ist bei Dr. K im Besonderen, dass er nicht etwa nur zehn Stunden pro Woche
als Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie im MVZ der Klägerin tätig war, sondern den Rest
seiner Wochenarbeitszeit als Oberarzt im stationären Bereich wirkte und so durchgehend in Berührung war mit onkologischen
Zusammenhängen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er etwa nicht in der Lage war, in gebotenem Maße auch an der qualifizierten
ambulanten Behandlung krebskranker Patienten mitzuwirken und dabei die in § 1 Abs. 3 der Onkologie-Vereinbarung geforderte
Koordination der onkologischen Behandlung in Gesamtverantwortung wahrzunehmen. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass
er aufgrund seiner Wochenarbeitszeit nicht in der Lage war, die in § 4 der Onkologie-Vereinbarung vorgesehene ärztliche Behandlung
von Patienten einschließlich der organisatorischen Maßnahmen nach § 5 zu gewährleisten.
Die Beklagte selbst sieht nach ihrer Verwaltungspraxis kein Hindernis darin, Abrechnungsgenehmigungen nach der Onkologie-Vereinbarung
für solche Ärzte zu erteilen, die mit der Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit ambulant tätig sind. Warum für Ärzte mit noch
weiter reduzierter Arbeitszeit etwas grundlegend anderes gelten soll, erschließt sich dem Senat nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a SGG i. V. m. §
154 Abs.
1 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, §
160 Abs.
2 SGG.