LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2012 - 7 KA 54/10
Vergütung von Notfallleistungen in der vertragsärztlichen Versorgung; Beiladung der an der Normsetzung des EBM Beteiligten
im sozialgerichtlichen Verfahren
1. Der normative Gestaltungsspielraum einer KV im Zusammenhang mit Änderungen des EBM (hier: Erhöhung der Punktzahlen für
Leistungen im Notfalldienst) ist dann überschritten, wenn eine in Reaktion hierauf vorgenommene Änderung der Honorarverteilung
(hier: Reduzierung des Punktwerts für Leistungen im Notfalldienst) einzig darauf gerichtet ist, die Änderung des EBM ins Leere
laufen zu lassen.
2. Notfallleistungen müssen für Vertragsärzte und Krankenhäuser grundsätzlich gleich - sowohl hinsichtlich Punktzahl als auch
Punktwert - vergütet werden.
Normenkette: EBM-Ä (2005) ,
,
,
,
Vorinstanzen: SG Berlin 07.07.2010 S 83 KA 153/08
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung im (fahrenden) Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) für das Quartal II/06.
Der Kläger nimmt als praktischer Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung im Land Berlin (hausärztlicher Bereich) und am
ÄBD der Beklagten teil. Nach dem bis zum 31. März 2005 geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) wurde die Notfallordinationsgebühr
(Gebührenordnungsnummer - GO-Nr. - 1) mit 220 Punkten bewertet. Sie wurde mit Einführung des ab dem 1. April 2005 geltenden EBM 2000plus ersetzt durch
die GO-Nr. 01210 ("Ordinationskomplex im organisierten Not(fall)dienst"), welche mit 500 Punkten bewertet wurde.
Bis zum Quartal II/05 wurden die von den Haus- bzw. Fachärzten im Rahmen des ÄBD erbrachten Leistungen mit dem durchschnittlichen
haus- bzw. fachärztlichen Mischpunktwert des Jahres 2002 vergütet und unterlagen keinerlei Kontingentierung (§ 8a Abs. 1 bzw.
§ 8b Abs. 1 des Honorarverteilungsmaßstabs [HVM>HH] der Beklagten in der Fassung vom 1. Oktober 2004 bzw. Präambel des Honorarverteilungsvertrags
[HVV] vom 20. Juni 2005 [neue Fassung - nF]). Ab dem Quartal III/05 wurde für die Vergütung dieser Leistungen zunächst ein
Honorartopf gebildet, indem von dem haus- bzw. fachärztlichen Verteilungsbetrag die Vergütungsmenge in Abzug gebracht wurde,
die im Jahre 2002 durchschnittlich je Quartal für die Vergütung dieser Leistungen zur Verfügung stand. Die Vergütung der Leistungen
im ÄBD erfolgte dann mit dem Punktwert, der sich aus der Division des zur Verfügung stehenden Verteilungsbetrages durch die
im ÄBD erbrachte Leistungsmenge ergab (§ 8a Abs. 1 bzw. § 8b Abs. 1 HVV nF). Demgegenüber war nach § 8 Abs. 4 HVV nF die Vergütung
von Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen noch vor der Trennung in den haus- und den fachärztlichen Vergütungsanteil aus dem
vorhandenen Verteilungsbetrag wie folgt abzuziehen:
"Dazu ist die mitgliederbereinigte und um die vertraglich vereinbarte prozentuale Veränderung der pauschalierten Gesamtvergütung
dynamisierte Geldmenge zur Verfügung zu stellen, die im entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres zur Verfügung gestanden
hat. Der Auszahlungspunktwert ergibt sich durch Division der o. g. Geldmenge durch die Anzahl der von den Erste-Hilfe-Stellen
angeforderten Punkte. Als oberer Interventionspunktwert wird der in § 9 Abs. 1 genannte Individualbudgetpunktwert festgelegt.
Der gegebenenfalls verbleibende Betrag wird der pauschalierten Gesamtvergütung zugeführt."
Die Abrechnungssituation der klägerischen Praxis, insbesondere im Hinblick auf die Leistungen des ÄBD, stellte sich in den
Quartalen III/03 bis IV/06 wie folgt dar:
|
Fälle
|
Fälle im ÄBD
|
Honorar
|
Punktzahl ÄBD
|
Honorar ÄBD
|
Honorar je ÄBD-Fall
|
Punktwert in Ct
Ersatzkassen
Primärkassen
|
III/03
|
731
|
190
|
28.892,92 €
|
156.948
|
6.473,19 €
|
34,07 €
|
4,7702
3,6226
|
IV/03
|
757
|
205
|
31.804,54 €
|
165.572
|
6.564,12 €
|
32,02 €
|
4,7702
3,6226
|
I/04
|
700
|
178
|
30.328,25 €
|
143.508
|
5.717,00 €
|
32,11 €
|
4,7702
3,6226
|
II/04
|
679
|
176
|
29.933,72 €
|
156.655
|
6.280,99 €
|
35,86 €
|
4,7702
3,6226
|
III/04
|
640
|
156
|
27.304,60 €
|
135.007
|
5.424,50 €
|
34,77 €
|
4,7702
3,6226
|
IV/04
|
748
|
206
|
32.309,78 €
|
175.673
|
7.097,30 €
|
34,45 €
|
4,7702
3,6226
|
I/05
|
770
|
208
|
31.841,96 €
|
182.583
|
7.285,37 €
|
35,03 €
|
4,7702
3,6226
|
II/05
|
703
|
179
|
36.064,88 €
|
308.212
|
12.333,77 €
|
68,90 €
|
4,7702
3,6226
|
III/05
|
667
|
150
|
34.860,31 €
|
217.224
|
10.752,84 €
|
71,68 €
|
4,7702
3,6226
|
IV/05
|
751
|
204
|
38.831,84 €
|
349.826
|
13.602,23 €
|
66,68 €
|
4,7702
3,6226
|
I/06
|
749
|
202
|
37.111,22 €
|
352.092
|
14.068,73 €
|
69,65 €
|
4,7702
3,6226
|
II/06
|
691
|
185
|
30.485,31 €
|
310.037
|
7.492,36 €
|
40,50 €
|
2,6793
2,2203
|
III/06
|
670
|
171
|
29.640,68 €
|
295.280
|
7.624,92 €
|
44,60 €
|
2,9266
2,4100
|
IV/06
|
726
|
212
|
34.429,88 €
|
377.095
|
8.748,94 €
|
41,27 €
|
2,5485
2,2157
|
Seit dem Quartal III/05 lag der Punktwert im Individualbudget bei 4,15 Ct (§ 9 Abs. 1 Satz 3 HVV nF) und für Leistungen, die
das Individualbudget überschritten, bei maximal 0,3 Ct (§ 9 Abs. 6 Satz 4 HVV nF).
Gegen den Honorarfestsetzungsbescheid für das Quartal II/2006 vom 1. November 2006 legte der Kläger Widerspruch ein mit der
Begründung, dass der Punktwert im ÄBD zu niedrig angesetzt sei. Der Punktwert liege deutlich unter den Punktwerten für andere
Leistungen außerhalb und innerhalb des Individualbudgets und entspreche nicht den Grundintentionen des EBM 2000plus und den
hierzu ergangenen Beschlüssen des Bewertungsausschusses. Der Honorartopf für den ÄBD hätte infolge der Erhöhung der Punktwerte
für den ÄBD im EBM 2000plus entsprechend angepasst werden müssen. Die niedrigen Punktwerte widersprächen zudem dem Grundsatz
der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Während des Widerspruchsverfahrens (Schreiben vom 27. Oktober 2007) wies die Beklagte
darauf hin, dass die Punktwerte im ÄBD für die Quartale III/05 bis I/06 fälschlicherweise zum festen hausärztlichen Mischpunktwert
des Jahres 2002 vergütet worden seien, eine Rückforderung wegen des Vertrauensschutzes der betroffenen Ärzte aber rechtwidrig
wäre.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte
sie insbesondere aus, § 8a HVV nF verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Der Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung
sei nicht verletzt, da mit der beabsichtigten Mengensteuerung ein sachlicher Grund für die Bildung eines gesonderten Honorartopfes
für den ÄBD bestehe und die am ÄBD teilnehmenden Ärzte als einheitliche Gruppe anzusehen seien. Ein Anspruch auf ein höheres
Honorar ergebe sich auch nicht aus dem Gebot der Angemessenheit der Vergütung, da hieraus ein subjektives Recht zugunsten
der Ärzte nur dann hergeleitet werden könne, wenn durch das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes auch die berufliche
Existenz der Vertragsärzte gefährdet wäre. Auch widersprächen die Regelungen in §§ 8a Abs. 1, 8b Abs. 1 HVV nF nicht den höherrangigen
Vorgaben des EBM. Maßgebend für die Einführung eines Honorartopfes für den ÄBD ab dem 1. Juli 2005 sei gerade, dass ab dem
Quartal II/2005 mit der Einführung des EBM 2000plus die Zahl der in diesen Quartalen angeforderten Punkte gestiegen sei, da
mit dem neuen EBM eine Höherbewertung der Notfall-Leistungen erfolgt sei. So werde z.B. der Ordinationskomplex im organisierten
Notfalldienst jetzt mit 500 Punkten bewertet statt wie bisher mit 220 Punkten (für die Notfallordinationsgebühr). Unter dem
Gesichtspunkt, dass die zu verteilende Gesamtvergütung nur in einem begrenzten Umfang zur Verfügung stehe, müsse diese nach
sachlichen Gesichtspunkten auf die ärztlichen Leistungserbringer zum Zwecke der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages aufgeteilt
werden. Unter Berücksichtigung der Verpflichtung, die Gesamtvergütung in hausärztliche und fachärztliche Versorgungsbereiche
zu trennen, sei die Vergütung der Leistungen des Bereitschaftsdienstes nach den Vorgaben des §§ 8a Abs. 1, 8b Abs. 1 HVV nF
durchaus geeignet, den notärztlichen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst sei nach der
Bereitschaftsdienstordnung eine Ergänzungstätigkeit zur Praxisarbeit und dürfe nicht zum Schwerpunkt der vertragsärztlichen
Tätigkeit werden. Die Haupterwerbsquelle müsse nach wie vor die Praxistätigkeit sein. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die
für den ÄBD erforderlichen sächlichen Mitteln von der Beklagten zur Verfügung gestellt würden. Nach alledem sei festzustellen,
dass ein "nach unten offen fallender" (floatender), nicht gestützter und von den im Rahmen der Praxistätigkeit geltenden Punktwerten
abweichender Punktwert für die Leistungen im ÄBD nicht zu beanstanden sei. Dass durch die Höhe des Auszahlungspunktwertes
für die im ÄBD erbrachten Leistungen die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung und infolgedessen auch das vertragsärztliche
Versorgungssystem als Ganzes gefährdet sei, sei nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen.
Der hiergegen gerichteten Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 7. Juli 2010 stattgegeben und die Beklagte zur Neubescheidung
verpflichtet, weil die der Vergütung im ÄBD zu Grunde liegende Regelung des § 8a Abs. 1 HVV in der Fassung vom 10. April 2006
gegen die Vorgaben des EBM verstoße und daher unwirksam sei. Nicht zu beanstanden sei, Honorartöpfe für einzelne Arztgruppen
oder - wie hier - für einzelne Leistungsbereiche zu bilden. Im Rahmen der Bildung von Honorartöpfen dürfe grundsätzlich auch
- wie hier geschehen - an die in einem früheren Jahr ausbezahlten Abrechnungsvolumina angeknüpft werden. Die Beklagte sei
jedoch im Rahmen der ihr nach § 85 Abs 4 Satz 1 SGB V obliegenden Honorarverteilung an höherrangiges Recht und damit auch an die Bestimmungen des EBM gebunden. Dasselbe gelte
für die Vertragspartner des HVV. Dieser dürfe sich nicht in Widerspruch zu verbindlichen Vorgaben des EBM setzen. Ein solcher
Verstoß bei der Bildung von Honorartöpfe liege nur vor, wenn diese auf eine Korrektur der Vorgaben des EBM gerichtet sei,
statt - an diese anknüpfend - aus Gründen der Honorarverteilung bestimmte Vorgaben für den sich ergebenden Auszahlungspunktwert
zu machen. Die Regelungen des EBM seien der Ausgestaltung des HVV/HVM nicht in der Weise vorgelagert, dass dieser sich an
den Vorgaben des EBM orientieren müsse. Höherbewertungen im EBM verpflichteten nicht dazu, im HVV Korrekturen bei den Honorarkontingenten
vorzunehmen. Unter Beachtung dieser Grundsätze erweise sich die Regelung in § 8a Abs. 1 (ebenso diejenige in § 8b Abs. 1)
HVV nF als unwirksam, weil sie gegen die Vorgaben des EBM verstoße und weil die Bildung des Honorartopfes für den ÄBD nicht
auf sachlich gerechtfertigten Gründen beruhe. Zwar sei nach den vorgenannten Grundsätzen gegen die Bildung eines Honorartopfes
für Leistungen im ÄBD zur Mengenbegrenzung in diesem Bereich grundsätzlich nichts einzuwenden, auch wenn diese Leistungen
wegen der Bindung an die über die Notrufzentrale eingehenden Notrufe einer Mengenausweitung nur in begrenztem Umfang zugänglich
seien. Auch sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass im Rahmen der Bildung des Honorartopfes an die in einem früheren
Jahr (2002) ausbezahlten Abrechnungsvolumina angeknüpft worden sei. Zudem hätte für den Fall, dass der Honorartopf bereits
vor Einführung des EBM 2000plus gebildet worden wäre, durch die darin erfolgte Höherbewertung der Leistungen im Notfalldienst
nicht zwingend der Honorartopf an die Höherbewertung angepasst werden müssen. Indes gehe es vorliegend nicht um die Frage
der Anpassung eines bestehenden Honorartopfes an die Änderung des EBM, sondern um die Neubildung des Honorartopfes, nachdem
die Leistungen im ÄBD bis zum Quartal I/2005 mit festen Punktwerten (bezogen auf das Jahr 2002) vergütet worden seien. Wie
die Beklagte selbst in ihrem Schreiben an die Klägerseite vom 25. Oktober 2007 eingestehe, sollte die Bildung des Honorartopfes
allein oder zumindest in erster Linie dazu dienen, der im Quartal I/2005 bereits eingetretenen Leistungsmengenausweitung im
ÄBD entgegenzuwirken, die darauf beruhte, dass die Leistungen im Notfalldienst im EBM 2000plus deutlich aufgewertet worden
seien. Der alleinige oder zumindest vorrangige Zweck, eine möglicherweise als nicht gerechtfertigt empfundene Höherbewertung
einzelner Leistungen durch den EBM zu korrigieren, in dem man die Leistungen auf Basis eines vor der Höherbewertung liegenden
Jahres kontingentiere, könne aber kein sachlich gerechtfertigter Grund für die Bildung eines Honorartopfes sein. Der Kläger
weise insofern zutreffend darauf hin, dass Gegenstand der Bewertung einzelner Leistungen im EBM grundsätzlich auch die Wertigkeit
der einzelnen Leistungen untereinander sei. Auch wenn gleiche Leistungen nicht zwingend gleich zu vergüten und gewisse Abweichungen
hinsichtlich der Bewertung einzelner Leistungen durch die Einführung von Honorartöpfen zulässig seien, sei die Grenze des
den Vertragspartnern des HVV zustehenden Gestaltungsspielraums überschritten, wenn die Bildung eines Honorartopfes allein
oder zumindest in erster Linie dazu diene, als nicht gerechtfertigt empfundene Änderungen des EBM zu korrigieren. Wegen der
(beabsichtigten) Umgehung der Regelungen des EBM 2000plus sei die Bildung des Honorartopfes für den ÄBD unter Rückgriff auf
das Vergütungsvolumen des ÄBD des Jahres 2002 daher unzulässig gewesen.
Gegen dieses ihr am 13. Juli 2010 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 5. August 2010, zu deren
Begründung sie vorträgt: Das Urteil des Sozialgerichts leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil die Krankenkassen
nicht beigeladen worden seien. Deren Beiladung sei notwendig, da die Entscheidung des Sozialgerichts unmittelbare Auswirkungen
auf den zwischen ihr und den Krankenkassenverbänden abgeschlossenen HVV habe. Denn der nach Auffassung des Sozialgerichts
zu zahlende höhere Punktwert für Leistungen im ÄBD müsse zu Nachvergütungen der Krankenkassenverbände führen.
Der HVV nF verstoße weder gegen den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung noch gegen den der Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Sie - die Beklagte - habe auch keine Obliegenheit verletzt, auf eine angemessene Vergütung ärztlicher Leistungen hinzuwirken.
Dass der EBM 2000plus für Leistungen des ÄBD eine höhere Bewertung vorsehe, könne nicht dazu führen, dass im Ergebnis diese
Aufwertung zu Lasten anderer vertragsärztlicher Leistungen und Facharztgruppen führe. Die von den Krankenkassenverbänden gezahlte
und von der Beklagten zu verteilende Gesamtvergütung sei nämlich nicht gestiegen. Nachforderungen der Beklagten an die Krankenkassen
seien grundsätzlich nicht möglich. Zu berücksichtigen sei auch, dass mit der Einführung des EBM 2000plus auch andere Leistungen
aufgewertet worden seien. Zum Beispiel sei der operative Eingriff an Knochen und Gelenken der Kategorie D3 von 1800 auf 6570
Punkten und der Einbau, der Wechsel oder die Entfernung eines Schrittmachersystems der Kategorie L2 von 1000 auf 4860 Punkte
aufgewertet worden. Nach der Auffassung des Sozialgerichts müssten konsequenterweise sämtliche Aufwertungen des EBM 2000plus
letztendlich zu einem höheren Punktwert auch bei den anderen Leistungserbringern führen. Das Sozialgericht habe zudem übersehen,
dass die Anpassung und Bildung von Honorartöpfen auch dann rechtmäßig bleibe, wenn in der Zwischenzeit eine Höherbewertung
der in Frage stehenden Leistungen im EBM erfolgt sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits geklärt, das Höherbewertungen im EBM nicht dazu verpflichteten, im HVV Korrekturen bei den Honorarkontingenten
vorzunehmen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei es durchaus sachlich gerechtfertigt, auf das Vergütungsvolumen des
ÄBD des Jahres 2002 zurückzugreifen. Ein Rückgriff auf länger zurückliegende Jahre sei nämlich dann zulässig, wenn es Gründe
für die Annahme gebe, dass das Leistungs- und Abrechnungsverhalten damals mehr als später den tatsächlichen medizinischen
Bedarf widerspiegele. Ebenso wie in dem bis zum Quartal II/05 gültigen HVV sei auch in dem ab dem Folgequartal gültigen HVV
das Jahr 2002 als Bezugszeitraum herangezogen worden, um auf dieser Grundlage eine vergleichbare und zudem verlässliche Berechnungsgröße
zu erhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Juli 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und bringt ergänzend vor: Durch die Deckelung allein der Leistungen im
ÄBD, welche auch noch besonderen, vom einzelnen Arzt kaum zu beeinflussenden Regeln bezüglich des Umfanges ausgesetzt seien,
würde die beabsichtigte Höherbewertung der ÄBD-Leistungen im Verhältnis zu anderen Leistungen tatsächlich und zielgerichtet
verhindert. Die Leistungen des ÄBD im Land Berlin seien durch den teilnehmenden Arzt nur in geringem Umfang zu steuern, da
die gesamte Organisation und die Verteilung der Notfälle allein durch die Beklagte und die Vergütung im ÄBD weitgehend über
Pauschalen und nicht über Einzelleistungen erfolge. Die Beklagte wolle auch gar keine Leistungs-, sondern eine Vergütungssteuerung
vornehmen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die
Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die angegriffenen Bescheide
der Beklagten sind rechtswidrig, da die Punktwerte für Leistungen im ÄBD nicht im Zusammenhang mit der Einführung des EBM
2000plus hätten abgesenkt werden dürfen.
I) Verfahrensrechtliche Fehler sind der Entscheidung des Sozialgerichts nicht vorzuhalten. Insbesondere mussten die Krankenkassen(-verbände)
nicht notwendig beigeladen werden. Bei der Beiladung der Krankenkassen(-verbände) als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung
handelt es sich um einen Fall der einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG), die im Ermessen des Gerichts steht. Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung
oder die Wirksamkeit einer (Honorarverteilungs-)Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an
der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig
wird. Die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch Art. 1 Nr. 64 Buchst. h des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) beabsichtigte Einbindung der Verbände der Krankenkassen
in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung (BT-Drucks 15/1525 S. 101) ändert nichts daran, dass
im Honorarstreitverfahren primär über den Anspruch eines Leistungserbringers auf vertragsärztliches Honorar und nur inzident
(auch) über die Geltung von Vorschriften des HVV gestritten wird. Das Unterlassen auch einer sachgerechten und naheliegenden
einfachen Beiladung ist kein sachentscheidungshindernder Verfahrensmangel (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011, Az.: B 6 KA 17/10 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
II) Zu Recht hat das Sozialgericht die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 1. November 2006 und 19. Februar
2008 geändert. Die Regelungen des im Quartal II/06 geltenden HVV, die die Vergütung von Leistungen im ÄBD betrafen, d.h. §
8a Abs. 1 und § 8b Abs. 1 HVV nF, sind nichtig, weil sie gegen höherrangiges Recht verstoßen. Zur Begründung verweist der
Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts und macht sich diese zu Eigen. Die im Berufungsverfahren vorgetragenen
Einwände der Beklagten führen zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unter 1. und 2.). Darüber hinaus verstoßen die o.g. HVV-Regelungen
auch gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz ( GG), weil sie dazu führen, dass Leistungen, die von Vertragsärzten im ambulanten Notfalldienst erbracht werden, hinsichtlich
des Punktwerts schlechter vergütet werden als ambulante Notfallbehandlungen durch Krankenhäuser (hierzu unter 3.).
1) Soweit die Berufungsbegründung allgemeine Ausführungen zur Zulässigkeit von Honorartöpfen im Rahmen der Honorarverteilung,
zur Honorarverteilungsgerechtigkeit und zum Anspruch auf angemessene Vergütung vertragsärztlicher Leistungen enthält, widerspricht
der Senat der Beklagten nicht. Diese Ausführungen sind in ihrer allgemeinen Natur zutreffend, tangieren jedoch die Rechtmäßigkeit
der umstrittenen Änderung des HVV zum Quartal II/05 nicht. Auch das Sozialgericht hat seine Entscheidung hierauf nicht gestützt.
2) Unbestritten ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, die Höherbewertung einzelner Leistungen im EBM dergestalt nachzuvollziehen,
dass die Honorarkontingente, die die höher bewerteten Leistungen beinhalten, erweitert werden. Entsprechendes gilt selbstverständlich
auch, wenn die Punktzahl einer EBM-Leistung verringert wird. Die Beklagte verkennt allerdings, dass das Fehlen dieser Verpflichtung
nicht der Berechtigung gleichsteht, Punktzahlveränderungen im EBM durch gezielte, gegenläufig wirkende Änderungen in der Honorarverteilung
leer laufen zu lassen.
a) Es liegt auf der Hand, dass eine Kassenärztliche Vereinigung (KV) überfordert wäre, müsste sie jede Punktzahlveränderung
im EBM zum Anlass nehmen, nicht nur die hiervon betroffenen Honorartöpfe entsprechend anzupassen, sondern zusätzlich - wegen
der unveränderten Gesamtvergütung - als Ausgleich Verschiebungen aus oder in andere Honorartöpfe vorzunehmen. Eine diesbezügliche
Verpflichtung hat aber auch das Sozialgericht nicht angenommen. Es hat vielmehr - und völlig zu Recht - beanstandet, dass
die Beklagte die Höherbewertung der Grundgebühr für notärztliche Leistungen zum Anlass genommen hat, den bislang nicht mit
einer Obergrenze versehenen (nicht "gedeckelten") Honorartopf nach § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVM mit einer solchen Obergrenze
("Deckel") zu versehen, was einen floatenden und im Ergebnis gravierend abgesenkten Punktwert für die betroffenen Leistungen
des ÄBD zur Folge hatte. Damit hat die Beklagte gezielt eine einzelne Entscheidung des Bewertungsausschusses zu Lasten der
am ÄBD teilnehmenden Vertragsärzte korrigiert.
Eine rechnerische Analyse der o.g. Abrechnungsdaten bestätigt dies eindrucksvoll. Hierbei erweist es sich als hilfreich, dass
die Beklagte offensichtlich zunächst für die Quartale III/05 bis I/06 die Regelungen nach § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVM versehentlich
weiter angewandt hat, indem sie - anders als nach § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVV nF vorgesehen - die Leistungen des ÄBD mit
dem durchschnittlichen hausärztlichen Mischpunktwert des Jahres 2002 (aber mit den Punktzahlen des EBM 2000plus) vergütete,
sodass den am ÄBD teilnehmenden Vertragsärzten zunächst die vom Bewertungsausschuss gewollte Besserstellung uneingeschränkt
zu Gute kam. Folgendes Bild ergibt sich: Die durchschnittliche Punktzahl der im ÄBD erbrachten Leistungen übertraf - bei in
etwa gleichbleibender Fallzahl im ÄBD - in den ersten 4 Quartalen nach Einführung des EBM 2000plus, d.h. im Zeitraum II/05
bis I/06, die entsprechende Punktzahl in den letzten 4 Quartalen unter dem alten EBM (II/04 bis I/05) um ca. 89 %, und in
den 3 Folgequartalen (II/06 bis IV/06) sogar um ca. 102 %. Diese Entwicklung spiegelt also die Höherbewertung der Ordinationsgebühr
für einen Behandlungsfall im ÄBD (Notdienst) annähernd wieder. Dies gilt auch für die Veränderung des aus den ÄBD-Leistungen
erwirtschafteten Honorars zwischen den letzten 4 Quartalen unter dem alten EBM und den ersten 4 unter dem EBM 2000plus: hier
ist ein Anstieg um ca. 95 % zu verzeichnen. Betrachtet man hingegen die Veränderung in den ersten 3 Quartalen nach Anwendung
der umstrittenen HVV-Änderung (II/06 bis IV/06) gegenüber den letzten 4 Quartalen (II/04 bis I/05), in denen sowohl der alte
EBM als auch der HVM galten, stellt man fest, dass die Höherbewertung der Notfallordinationsgebühr um ca. 130 % lediglich
zu einem Anstieg des ÄBD-Honorars um ca. 22 % geführt hat. Dies kommt einer faktischen Entwertung der durch den EBM 2000plus
erfolgten Höherbewertung gleich.
b) Einen sachlichen Grund für diese im Widerspruch zu den Vorgaben den EBM 2000plus stehende HVV-Änderung hat die Beklagte
nicht benannt.
aa) Zunächst, so im Schreiben vom 27. Oktober 2007 und im Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2008, hat die Beklagte (allein)
den Anstieg der Punktzahlen für Leistungen des ÄBD durch die Einführung des EBM 2000plus als Begründung angeführt. Dies offenbart
die wahren Motive der Beklagten für die Änderung in § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVV: Die Deckelung des Honorars war darauf gerichtet,
eine aus ihrer Sicht nicht gerechtfertigte Höherbewertung von Leistungen im ÄBD auszuhebeln.
bb) Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung auf ihre Verpflichtung hinweist, mengensteuernde Regelungen aus Sicherstellungsaspekten
zu erlassen, überzeugt dies nicht. Denn dass die vertragsärztliche Versorgung in Berlin (allein) durch die Höherbewertung
der Ordinationsgebühr für Notfallleistungen gefährdet war, ist seitens der Beklagten noch nicht einmal behauptet worden. Erforderlich
wäre hierfür substantiierter Vortrag gewesen (etwa zur Entwicklung des für ÄBD-Leistungen verwendeten Teils der Gesamtvergütung
vor und nach der Punktzahlerhöhung und den Einfluss dieser Entwicklung auf die vertragsärztliche Versorgung im Land Berlin
insgesamt), der es nachvollziehbar erscheinen lässt, warum im Zusammenhang mit der Einführung des EBM 2000plus und der damit
einhergegangenen Vielzahl an Neubewertungen von Leistungen gerade die (gezielte) Beeinflussung des Punktwerts für ÄBD-Leistungen
keine Willkür darstellte, sondern einen maßgeblichen Beitrag zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin
geleistet habe.
cc) Hierbei verkennt der Senat nicht, dass es seitens der Beklagten ein berechtigtes Interesse geben kann, angesichts der
limitierten Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und einer an Honorartöpfen orientierten Honorarverteilung bislang ungedeckelte Honorartöpfe zu begrenzen. Dies lässt sich
z.B. damit begründen, dass andernfalls Teile der Gesamtvergütung aus anderen Honorarbereichen/-kontingenten zum "Auffüllen"
dieses ungedeckelten Honorartopfes dienen müssten, obwohl es keine sachliche Rechtfertigung für die Privilegierung gerade
dieses Honorartopfes bzw. der hieraus zu vergütenden Leistungen gibt. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Begrenzung des
bislang ungedeckelten Honorartopfes auf dem Niveau eines früheren Jahres (hier: 2002) erfolgt. Bei der Bildung von Honorargrenzen
darf - dies hat das Sozialgericht zutreffend erkannt - grundsätzlich an die Verhältnisse in früheren Jahren angeknüpft werden
(BSG, Beschluss vom 17. September 2008, Az.: B 6 KA 62/07 B, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
Der insofern bestehende normative Gestaltungsspielraum einer KV ist jedoch dann überschritten, wenn eine solche Deckelung
- wie im vorliegenden Fall - einzig darauf gerichtet ist, eine Höherbewertung im Rahmen des EBM zu entwerten. Dies gilt umso
mehr, wenn - wie hier - der Anstieg der Punktzahlanforderungen im bislang ungedeckelten Bereich allein auf die Anhebung der
Punktzahl im EBM zurückzuführen ist. Fallzahlsteigerungen für Leistungen im ÄBD hat die Beklagte weder behauptet noch nachgewiesen.
Sie sind angesichts der konkreten Ausgestaltung des ÄBD im Bereich der Beklagten auch nahezu auszuschließen. Denn nach § 6
Abs. 7 der Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten dürfen im fahrenden ÄBD, bei dem dem einzelnen Vertragsarzt von der Beklagten
ein Wagen mit Fahrer gestellt wird, nur von der Leitstelle vermittelte Besuchsanforderungen durchgeführt werden. Zusätzliche
Akutanforderungen und Mitbesuche sind der Leitstelle zu melden. Weitere Anforderungen, etwa für Hausbesuche eigener Patienten,
müssen über die Leitstelle erfolgen und von dieser zugeteilt werden. Hieraus wird deutlich, dass es einer Mengensteuerung
i.S.e. Fallzahlbegrenzung nicht bedarf. Eine der Beklagten grundsätzlich mögliche und zulässige Mengensteuerung könnte jedoch
über eine Limitierung der Fallpunktzahl vorgenommen werden, da hierbei die Höherbewertung der Notfallordinationsgebühr angemessen
berücksichtigt werden kann.
c) Entgegen der Darstellung der Beklagten führt die Auffassung des Sozialgerichts nicht dazu, dass "konsequenterweise sämtliche
Aufwertungen des EBM 2000plus letztlich zu einem höheren Punktwert" führen müssen. Denn das Sozialgericht hat - wie bereits
dargelegt - keine Verpflichtung der Beklagten angenommen, einer Punktzahlerhöhung im EBM eine Erhöhung des Punktwertes oder
zumindest des betroffenen Honorarkontingents folgen zu lassen. Es hat lediglich mit Recht ein Verbot gesehen, eine Punktzahlerhöhung
im EBM durch eine zeitgleiche Reduzierung des Punktwertes gezielt ins Leere laufen zu lassen.
d) Soweit das Sozialgericht allerdings die Rechtsauffassung vertreten hat, die Beklagte dürfe im Rahmen der Neuregelung nicht
auf das Vergütungsvolumen des Jahres 2002 für Leistungen im ÄBD zurückgreifen, teilt der Senat diese Ansicht in dieser allgemeinen
Form nicht. Denn eine der vom Sozialgericht für zulässig erachteten Lösungen, die Anhebung des Vergütungsanteils des Jahres
2002 für Leistungen des ÄBD um die prozentuale Punktzahlerhöhung (wohl der Notfallordinationsgebühr) im EBM 2000plus, würde
die Wirkung zeitigen, die herbeizuführen die Beklagte nach dem oben Gesagten gerade nicht verpflichtet ist, nämlich die Vergrößerung
des Honorartopfes aus Anlass einer Höherbewertung von Leistungen.
3) Die Vergütung der Leistungen im ÄBD ab dem Quartal II/06 ist ferner deshalb zu beanstanden, weil sie von der Vergütung
derselben Leistungen für die Erste-Hilfe-Stellen der Krankenhäuser abweicht.
a) Zwar sind die Leistungen im Notfalldienst für beide Gruppen von Leistungserbringern - zugelassene Vertragsärzte einerseits,
Krankenhäuser andererseits - insofern budgetiert, als sie aus zwei jeweils gedeckelten Honorartöpfen vergütet werden. Eine
erhebliche Mengenausweitung führt daher in beiden Fällen zu sinkenden Punktwerten. Während jedoch der in § 8a Abs. 1 bzw.
§ 8b Abs. 1 HVV nF genannte Honorartopf, aus dem die ÄBD-Leistungen der Vertragsärzte vergütet werden, unveränderlich auf
das Niveau des Jahres 2002 begrenzt ist, unterliegt der Honorartopf für die Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen einer dynamischen
Entwicklung. Diese knüpft zum einen an die Geldmenge an, welche im entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres zur Verfügung
stand, zum anderen an die Veränderung der Gesamtvergütung - typischerweise eine Erhöhung. Bei gleichbleibender Leistungsmenge
führt dies im letzteren Fall zu einer sukzessiven Steigerung des Punktwertes, bei den ÄBD-Leistungen hingegen zur Stagnation
und im Verhältnis beider Gruppen somit zu einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung.
b) Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG schreibt unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches
entsprechend unterschiedlich zu behandeln (BVerfG NJW 2006, 2175, BVerfGE 115, 381, jeweils m.w.N.; BSG, Urteile vom 17. September 2008, Az.: B 6 KA 46/07 R und B 6 KA 47/07 R, beide veröffentlicht in Juris). Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht
vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen
beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen
könnten (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfGE 107, 133, BVerfG SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 33, jeweils m.w.N.). Hiervon ausgehend hat das BSG in ständiger Rechtsprechung aus der im SGB V vorgenommenen Gleichstellung der bei Notfallbehandlungen Versicherter tätig werdenden Krankenhäuser (oder auch Nichtvertragsärzte)
mit den Vertragsärzten abgeleitet, dass die Leistungen im Rahmen der ambulanten Notfallbehandlung grundsätzlich sowohl hinsichtlich
der Punktzahl (BSG aaO.) als auch des Punktwertes (BSG, Urteil vom 6. September 2006, Az.: B 6 KA 31/05 R, veröffentlicht in Juris) gleich zu vergüten und auch mittelbare Schlechterstellungen nicht zu billigen sind (BSG SozR 3-2500 § 115 Nr. 1). Der Vergütungsanspruch einer Gruppe von Leistungserbringern darf für Notfallbehandlungen deshalb gegenüber dem Vergütungsniveau
der anderen Gruppe nur dann reduziert oder im Umfang eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt
ist (BSG, Urteil vom 6. September 2006, aaO.). Ein solcher sachlicher Grund existiert z.B. für eine an die gesetzliche Regelung des
§ 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V anknüpfende pauschale Honorarminderung in Höhe von 10 % für Notfallleistungen öffentlich geförderter Krankenhäuser (BSGE
75, 184; SozR 3-2500 § 120 Nr. 12). Vorliegend jedoch sind sachlich tragfähige Gründe für die aufgezeigte unterschiedliche Bewertung
der im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalte bei ambulanten Notfallbehandlungen im ÄBD einerseits und im Krankenhaus
andererseits weder vorgetragen noch anderweitig erkennbar.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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