Krankenversicherung
Vergütung einer Krankenhausbehandlung
Entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB auf die Aufrechnung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer in der Zeit vom 17. bis 19. Juni 2008 durchgeführten Krankenhausbehandlung.
Die klagende GmbH ist Trägerin eines in den Krankenhausplan des Landes Berlin aufgenommenen Krankenhauses, in dem der bei
der Beklagten krankenversicherte, 1965 geborene Patient T H (im Folgenden: der Versicherte) während des o.g. Zeitraums stationär
behandelt wurde. Ausgangspunkt war die für den Versicherten am 15. April 2008 ausgestellte Verordnung von Krankenhausbehandlung
des Facharztes für Chirurgie Dr. B, in der als Diagnose "Hämorrhoidalleiden II - III° zur Op." und als Untersuchungsergebnisse
"I 84.9" (= Hämorrhoiden ohne Komplikation, nicht näher bezeichnet) genannt wurden. Ausweislich des Operationsberichts vom
17. Juni 2008 wurde aufgrund der Diagnose "Rektoanaler Prolaps mit zirkulären Hämorrhoiden III°" als Therapie eine "transanale
Prolapsresektion und Anopexie nach Longo" durchgeführt. In dem Bericht heißt es u.a., die Inspektion zeige einen deutlichen
Analprolaps, gut reponibel; nach Fixierung des Analspekulum werde ein großer Mukosaprolaps sowie eine ausgeprägte Intussuszeption
etwas oberhalb der Basis des Hämorrhoidalansatzes sichtbar. Weiter heißt es darin, mittels eines sog. Staplers sei eine vollständige
Resektion des Mukosaprolapses inklusive Aufhebung der Intussuszeption erfolgt. In ihrer Rechnung vom 27. Juni 2008 legte die
Klägerin die DRG G21B ("Adhäsiolyse am Peritoneum, Alter > 3 Jahre und ohne äußerst schwere oder schwere CC oder andere Eingriffe
an Darm oder Enterostoma ohne äußerst schwere CC, Alter > 15 Jahre") zugrunde und machte einen Betrag von 2.184,06 Euro geltend.
Nach den von der Klägerin an die Beklagte elektronisch übermittelten Daten wurde als Hauptdiagnose ein Analprolaps (K62.2
der Internationalen Klassifikation der Krankheiten [ICD 10]) und als Nebendiagnose "innere Hämorrhoiden mit sonstigen Komplikationen
(I84.1 ICD-10) bzw. "nicht näher bezeichnete Hämorrhoiden mit sonstigen Komplikationen" (I84.8 ICD-10) bezeichnet sowie als
durchgeführte Prozedur der Schlüssel 5-482.10 ("Peranale lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Rektums:
submuköse Exzision, transanal") des Operationen- und Prozedurenschlüssels [OPS] nach § 301 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch
/ Fünftes Buch [SGB V]).
Die Beklagte beglich diese Rechnung zunächst, veranlasste jedoch zugleich eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst
der Krankenversicherung (MDK). Dessen Mitarbeiter Dr. M gelangte in seinen Stellungnahmen vom 1. April und 29. Juni 2009 u.a.
zu folgenden Feststellungen: Die der DRG G21B zugeordnete OPS 5-482.10 entspreche nicht der im Operationsbericht beschriebenen
transanalen Hämorrhoiden- und Prolapsresektion mittels Stapler. Hierfür gebe es eine eigenständige Prozedur 5-493.5 (Operative
Behandlung von Hämorrhoiden, mit Stapler), die bei Kodierung zur DRG G26Z führe. Im Operationsbericht werde eine vollständige
Resektion des Mukosaprolapses inklusive Aufhebung der Intussuszeption beschrieben. Hier bestünden Widersprüchlichkeiten. Die
Entfernung eines Mukosaprolapses (Darmschleimhaut) finde bei der LONGO-Methode statt. Die histologische Untersuchung beschreibe
eine Rektumwandresektion, dies entspreche einer STARR-Operation. Die Aufhebung der Intussuszeption gelinge nur durch eine
Darmwandresektion. Definitionsgemäß wird unter einer Intussuszeption ein innerer Darmwandvorfall verstanden, der nur durch
eine Entfernung der vorgefallenen Darmwand behandelt werden könne. Welcher Stapler verwendet worden sei, könne nicht festgestellt
werden. Auch könne aus der Gewebsgröße von 45 x 12 mm Vollwandresektat (Histologie mit 20% Schrumpfung durch die Fixierung)
- das entspreche einer Entnahmegröße vor Fixation von 54 x 14,4 mm - nicht auf einen zirkulär abgetragenen inneren Rektumwandvorfall
geschlussfolgert werden. Würden die 54 mm als Umfang betrachtet werden, wäre das Rektum an dieser Stelle nur 17mm im Durchmesser.
Solch ein dünnes Rektum sei dem Gutachter nicht bekannt. Das gleichzeitige Vorliegen eines Mukosaprolapses in Kombination
mit einer Intussuszeption, die mit einer Resektion von so geringem Ausmaß habe ausreichend behandelt werden können, sei unverständlich.
Eine vorausgehende Diagnostik mit Defäkographie zum Nachweis des Rektumprolapses und zur lndikationsbegründung für dieses
operative Vorgehen sei nicht erfolgt. Die beschriebene geringe Größe des Resektates lasse Zweifel über die Notwendigkeit der
Resektion der beschriebenen lntussuszeption aufkommen. Aus der Dokumentation der Beschwerdeanamnese des Versicherten und der
Einweisungsdiagnose sei kein Rektumprolaps abzuleiten. Aus dem Operationsbericht sei ein Hämorrhoidalleiden III (es handelt
sich um vor den Anus vorgefallene Hämorrhoiden, die reponiert werden können) mit Analprolaps (vor dem After liegende Hämorrhoiden)
zu entnehmen. Die operative Behandlung sei mit einer transanalen Prolapsresektion und Anopexie (chirurgische Fixierung eines
Organs an andere Strukturen) unter Therapie ausgewiesen worden. Im Operationsbericht werde von einem großen Mukosaprolaps
(Schleimhautvorfall) mit Intussuszeption berichtet, der mit einer Tabaksbeutelnaht submukös (unterhalb der Schleimbaut) gefasst
und durch Zusammenziehen und Verknüpfung der Naht an den Schaft des Staplerkopfes fixiert worden sei. Dieses Vorgehen entspreche
dem Vorgehen der LONGO-Methode. Gleichzeitig sei eine teilweise Vollwandresektion der Rektumwand erfolgt, was der STARR-Operation
entspreche. Definitionsgemäß handele es sich bei einem Hämorrhoidalleiden dritten Grades um einen Analprolaps (die vorgefallenen
Hämorrhoiden sind von Rektumschleimhaut bedeckt). Bei einem Rektumprolaps falle die gesamte Rektumwand nach unten und trete
aus dem Anus hervor. Bei dem hier gegebenen Hämorrhoidalleiden würden entsprechend dem allgemein anerkannten medizinischen
Wissen für diese Erkrankung mehrere operative Verfahren (Operation nach Milligan Morgen, Operation nach Parks und die transanale
apparative Methode mit dem Staplernahtapparat in Form der Operation nach LONGO) angewendet. Diese Verfahren hätten als Ziel,
den arteriovenösen Schwellkörper, der in Form von Hämorrhoiden krankhaft vergrößert ist, zu entfernen bzw. zu reduzieren.
Erreicht werde dieses Ziel in den offenen Verfahren nach Milligan Morgan und Parks durch gezieltes Aufsuchen der den Knoten
versorgenden Arterie mit anschließendem Verschluss mittels einer Durchstichligatur (eine geknüpfte Fadenschlinge verschließt
das Gefäß) und anschließendem Herausschneiden des Knotens. Bei der LONGO-Methode werde durch das Ausschneiden und gleichzeitige
Zusammennähen der Schleimhaut eine Straffung der Schleimhaut der Analregion erreicht. Dadurch würden die Blutgefäßpolster,
die die Hämorrhoiden bilden, wieder an die ursprüngliche Stelle gebracht. Aus den lll°igen Hämorrhoiden würden l°ige. Im vorliegenden
Fall sei eine STARR-Operation für die Behandlung eines Hämorrhoidalleidens dritten Grades mit Analprolaps angewandt worden.
Diese Operation führe in gleicher Weise wie die LONGO-Methode zu einer Verkleinerung der Schwellkörper mit Unterbindung der
zuführenden Arterien und Reposition der vorgefallenen Knoten in den AnalkanaI. Bei der LONGO-Methode werde dieses Ziel durch
Resektion der Schwellkörper plus Schleimhaut erreicht, die Darmwand als solche bleibt unberührt. Bei der STARR-Methode werde
die gesamte Darmwand in allen Schichten entfernt. Bei Komplikationen, wie z.B. Aufgehen der Klammernaht, gelange Stuhl in
die benachbarten Strukturen des Darmes und könne schwerwiegende ausgedehnte Abszesse (Eiteransammlungen) mit septischen Krankheitsfolgen
(infektionsbedingtes Multiorgan- und Kreislaufversagen) verursachen. Diese schwerwiegenden Folgen einer Nahtinsuffizienz können
bei der LONGO-Methode nicht auftreten, da die Darmwand in die Resektion nicht einbezogen wird. Daher sei es allgemein anerkannter
medizinischer Standard, Hämorrhoiden lII° mit Analprolaps nach der LONGO-Methode und nicht nach der STARR-Methode operativ
zu versorgen. Als Intussuszeption (Synonym: Invagination) des Darmes werde die in Längsachse erfolgende Einstülpung eines
Darmabschnittes in einen anderen bezeichnet. Der im Operationsbericht als ausgeprägte lntussuszeption etwas oberhalb der Basis
des Hämorrhoidalansatzes beschriebene innere Darmwandvorfall werde in seiner Ausdehnung weder qualitativ noch quantitativ
beschrieben. Auch seien keine Angaben des Versicherten bezüglich Stuhlentleerungsstörungen dokumentiert, die das Vorliegen
einer inneren lnvagination mit entsprechendem Beschwerdebild vermuten bzw. bestätigen würden. Die geringe o.g. Größe des Darmwandresektates
ließen keine krankheitsrelevante Stuhlentleerungsstörung vermuten. Ohne präoperative adäquate Diagnostik und Anamnese einer
Stuhlentleerungsstörung durch einen inneren Darmwandvorfall bedeute die grundlose Resektion einer kleinen funktionellen Intussuszeption
eine Übertherapie und werde durch keine dem Gutachter bekannte Leitlinie bzw. dem aktuell geltendem medizinisch anerkannten
Standard der Behandlung von Rektumvorfällen gestützt.
In der Folgezeit tauschten sich die Beteiligten über ihre unterschiedlichen medizinischen Einschätzungen aus. Schließlich
zog die Beklagte am 1. September 2009 den aus ihrer Sicht überzahlten Rechnungsbetrag i.H.v. 1.429,08 Euro bei einer Sammelüberweisung,
die u.a. die Rechnung der Klägerin für die Behandlung des Versicherten M R in der Zeit vom 10. bis 12. August 2009 i.H.v 2.455,93
Euro enthielt, ab.
Mit ihrer am 2. Juli 2010 erhobenen Klage hat die Klägerin den streitigen Differenzbetrag geltend gemacht.
Das Sozialgericht hat das medizinische Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. G vom 5. Oktober 2012 veranlasst.
Aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens zeigte sich die Beklagte bereit, zwei weitere Belegungstage zu akzeptieren und überwies
im Jahre 2013 wegen der streitigen Behandlung 543,47 Euro an die Klägerin. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2015 hat das Sozialgericht den die fragliche Operation durchführenden Arzt Dr.
K als Zeugen vernommen und mit Urteil vom selben Tag die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 885,61 Euro zuzüglich Zinsen
i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2009 auf einen Betrag von 1.429,08 Euro bis zum 30.
April 2013 und auf den Betrag von 885,61 Euro ab dem 1. Mai 2013 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt,
dass die Klägerin die Behandlung des Versicherten zu Recht mit dem OPS 5-482.10 codiert habe, was zur Abrechenbarkeit der
DRG G21B geführt habe. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen G stehe fest, dass für die Operation dieser
OPS zu codieren gewesen sei. Die Kammer sei auch davon überzeugt, dass sich während der durchgeführten OP die medizinische
Notwendigkeit ergeben habe, neben der ursprünglich geplanten reinen Behandlung des Analprolapses und der damit verbundenen
Resektion von Analschleimhaut auch die intraoperativ festgestellte Intussuszeption mit zu behandeln. Der Zeuge habe überzeugend
und nachvollziehbar dargelegt, dass er bei Operationsbeginn beim Einsatz des Spekulums umgehend die Intussuszeption diagnostiziert
habe. Bei dessen Einsatz habe sich gezeigt, dass es beim Einführen in den oberen Teil des Afters durch den Rektumprolaps vollständig
verschlossen werde. Dass sich in diesem Fall eine Behandlungsbedürftigkeit zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Analkanals
ergebe, erschließe sich der Kammer. Dass der Rektumprolaps beim Versicherten nicht bereits präoperativ bei der Rektusskopie
festgestellt worden sei, möge verwundern, lasse sich aber auch mit der besonderen schambehafteten Empfindlichkeit in diesem
Bereich erklären. Dass proktologische Untersuchungen im (lokal) sedierten Zustand - während der operativen Maßnahme - eindeutigere
Aussagen zuließen, sehe die Kammer als Ergebnis der Zeugenaussage als nachvollziehbar an. Statistische Aussagen über die Häufung
intraoperativer Feststellungen von Intussuszeptionen bei der Klägerin könnten dem vorliegenden Einzelfall nicht entgegen gehalten
werden.
Gegen dieses ihr am 9. März 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 9. April 2015, zu deren Begründung
sie auch auf die o.g. Stellungnahmen des MDK verweist und ergänzend vorträgt: Das Sachverständigengutachten belege lediglich,
dass eine STARR-OP durchgeführt worden sei. Diese Methode werde bei einem Rektumprolaps mit höherem Schweregrad (Intussuszeption)
angewandt. Es sei nach dem Gutachten aber nicht erwiesen, dass ein schwererer Darmvorfall, also eine Indikation für diese
Art von OP, vorgelegen habe. Die Notwendigkeit der durchgeführten OP-Methode habe sich daher für den Sachverständigen nicht
abschließend beurteilen lassen. Die beschriebene (geringe) Größe, die Dokumentation der Beschwerdeanamnese und die Einweisungsdiagnose
ließen eher nicht darauf schließen, dass eine Intussuszeption vorgelegen habe. Das Gutachten bestätige, dass eine Hämorrhoidektomie
ausgereicht hätte, welche nicht nur für sie - die Beklagte - kostengünstiger, sondern für den Patienten auch weniger belastend
und gefährlich sei. Bei einem Analprolaps bzw. Hämorrhoiden sei eine Hämorrhoidektomie (z.B. mit der LONGO-Methode) das übliche
Verfahren. Damit werde eine Resektion der Schwellkörper sowie der Schleimhaut erreicht, die Darmwand bleibe hingegen unberührt.
Im Gegensatz hierzu könne zur Behandlung eines Rektumprolapses (K62.3) die STARR-Methode (OPS 5-482.10) eine sinnvolle Behandlungsmethode
sein, weil hier anders als bei der LONGO-Methode die gesamte Darmwand in allen Schichten entfernt werde. Dieses Verfahren
berge aber ein deutlich höheres Komplikationsrisiko. Durch die Beschädigung der Darmwand erhöhe sich das Risiko einer Stuhlinkontinenz
stark. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso angesichts der Häufigkeit der auftretenden intraoperativen Feststellungen von Intussuszeptionen
bei der Klägerin nicht vorab beim Versicherten eine Defäkographie durchgeführt worden sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar,
wieso im Laufe der Operation hier eine Resektion des Mastdarms mit durchgeführt worden sei, wenn zuvor die Aufklärung über
eine Hämorrhoidenoperation erfolgt sei. Entsprechendes sei in der Dokumentation nicht nachvollziehbar. Ein Rektumprolaps,
wie er vom Zeugen K intraoperativ festgestellt worden sei, sei in den Abrechnungsunterlagen nicht codiert worden. Das Sachverständigengutachten
habe bestätigt, dass im OP-Bericht keine Angabe über das genaue Maß und die Ausdehnung der Intussuszeption enthalten gewesen
seien. Es sei auch nicht beschrieben worden, welcher Stapler und welche Staplergröße eingesetzt worden sei. Ferner sei nicht
ersichtlich, warum trotz der angeblich ausgeprägten Intussuszeption der Prolaps mit nur einem Klammernahtgerät/-magazin erfolgreich
habe aufgehoben werden können. Eine ausgeprägte (operativ behandlungsbedürftige) Intussuszeption könne nicht sicher während
der Operation von Hämorrhoiden (unter Vollnarkose) diagnostiziert werden. Insbesondere dürfe zu diesem Zeitpunkt nicht ohne
weiteres die Entscheidung zu der hier durchgeführten großen OP, bei der Teile vom Mastdarm entfernt würden, betroffen werden.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 25. Februar 2016 erörtert und hierbei den Sachverständigen
ergänzend vernommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten
und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen. Denn der Klägerin steht
für die streitige Behandlung des Versicherten keine höhere Vergütung als (754,98 Euro + 543,47 Euro =) 1.298,45 Euro zu.
I. Der Klägerin stand gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrags i.H.v. 885,61 Euro zu,
allerdings nicht aufgrund der Behandlung des Versicherten im streitigen Zeitraum. Diese Forderung wurde von der Beklagten
vorbehaltlos erfüllt, sie ist damit erloschen (§
362 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB - analog). Allein die der Krankenkasse eingeräumte Möglichkeit, auch nach sofortiger Begleichung einer Krankenhausrechnung
Beanstandungen sachlicher und rechnerischer Art geltend zu machen und Differenzbeträge ggf. zu verrechnen (§ 12 Abs. 4 Satz
4 des für das Land Berlin geltenden Vertrags über "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung [§ 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB
V]" vom 1. November 1994 incl. Einarbeitung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997), führt nicht dazu, dass jede
Zahlung einer Krankenkasse auf eine Vergütungsforderung eines Krankenhauses auch ohne ausdrückliche Erklärung mit einem Vorbehalt
versehen ist (BSG, Urteil vom 01. Juli 2014 - B 1 KR 2/13 R -, juris, m.w.N.).
Ein Zahlungsanspruch in der beantragten Höhe stand der Klägerin jedoch unstreitig aufgrund der Vergütungsforderung i.H.v 2.455,93
Euro für die Behandlung des Versicherten M R in der Zeit vom 10. bis 12. August 2009 zu.
II. Die Hauptforderung der Klägerin ist jedoch durch Aufrechnung erloschen. Denn der Beklagten stand als Gegenforderung ein
öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch i.H.v. 885,61 Euro (hierzu unter 1.) zu, mit dem sie wirksam aufgerechnet hat (hierzu
unter 2.).
1. Das von der Beklagten durch die Aufrechnung geltend gemachte Rückforderungsbegehren basiert auf dem öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus,
dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose
Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, da auch schon für die Zeit
vor der Neufassung des §
69 SGB V zum 1. Januar 2000 die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus öffentlich-rechtlich geprägt waren. Im
Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten
Bereicherung (§§ 812ff
BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck
eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen dienen. Allerdings ist auch
im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Es lässt sich deshalb keine einheitliche
Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen. Allgemein anerkannt
ist jedoch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich
zurückgefordert werden können (BSGE 93, 137 m.w.N.).
Der Klägerin stand - dies ist unstreitig - ein Vergütungsanspruch für die Behandlung des Versicherten i.H.v. 1.298,45 Euro
auf der Grundlage der DRG G26Z zu. Eine darüber hinaus gehende Forderung i.H.v. 885,61 Euro auf der Grundlage der DRG G21B
bestand demgegenüber nicht. In Höhe dieser Überzahlung besteht der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Beklagten.
a) Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse
entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft
Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und i.S.v. §
39 Abs.
1 S 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist.
aa) Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter im Jahr 2008 bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie dem der Klägerin
nach §
109 Abs.
4 S 3
SGB V i.V.m. § 7 S. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), jeweils in der 2008 geltenden Fassung. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen
(FPV)) konkretisiert. Die Spitzenverbände der Krankenkassen (ab 1. Juli 2008: Spitzenverband Bund der Krankenkassen) und der
Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft
als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog
einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich
zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf
der Grundlage des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG.
bb) Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten
Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches
Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung. Nach § 1 Abs. 6 S. 1 FPV 2008 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls
in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von
der InEK GmbH (InEK = Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus), einer gemeinsamen Einrichtung der o.g. Vertragspartner
auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.
Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale
Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.B. die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen
im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die
Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen
Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2008) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2008). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme
folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind.
Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS
ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben
zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen
sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems
eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die
routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein
streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen
sowie Abwägungen belässt. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 S. 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie
die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 25/13 R -, juris, m.w.N.).
b. Auf dieser Grundlage war für die Klägerin nur die DRG G26Z abrechenbar. Die operative Behandlung eines Rektumprolapses
am 17. Juni 2008 war nicht erforderlich (hierzu aa). Das Krankenhaus durfte nur die Prozedur mit dem Schlüssel 5-493.5 kodieren
(hierzu bb).
aa. Nach den Feststellungen des Senats litt der Versicherte nicht an einem Rektumprolaps, der am 17. Juni 2008 hätte operativ
entfernt werden müssen.
(1) Als Rektumprolaps wird - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - ein Vorfall aller Schichten des Mastdarms (Rektums)
bezeichnet (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. (2004) und 266. (2014) Auflage, Stichtwort "Rektumprolaps"). Unter einer
Intussuszeption (Synonym: Invagination) wird - auch insoweit besteht zwischen den Beteiligten keine erkennbare Divergenz -
ein Darmwandvorfall in Form einer Einstülpung in einen anderen Darmabschnitt verstanden (a.a.O., Stichtworte "Intussuszeption"
und "Invagination"). Für den Bereich des Rektums sind daher die Begriffe "Rektumprolaps" und "Intussuszeption"- wie vom Sachverständigen
dargelegt - gleichbedeutend.
(2) Ein behandlungsbedürftiger Rektumprolaps lag aus mehreren Gründen nicht vor.
(a) Weil viele Menschen beschwerdefrei einen Rektumprolaps haben, dieser also nicht stets behandlungsbedürftig ist, sind für
die Diagnose eines behandlungsbedürftigen Rektumprolapses nicht nur konkrete Angaben zu Ausmaß und Ausdehnung erforderlich,
sondern auch ein entsprechendes Beschwerdebild des Patienten. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund der überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen. Der Versicherte hatte jedoch nach eigenen Angaben vom 17. Juni 2008 im Anamnesebogen des
Krankenhauses nur selten das Gefühl unvollständiger Darmentleerung. Angaben zu Ausmaß und Ausdehnung des angeblichen Rektumprolapses
hat das Krankenhaus nicht erhoben; sie waren auch nicht aufgrund der Feststellung, die Intussuszeption habe das Spekulum -
hierbei handelt es sich um ein medizinisches Untersuchungsinstrument, das zum Öffnen und Weiten/Entfalten in Körperöffnungen
wie Nase, Vagina oder After eingeführt wird - komplett verschlossen, entbehrlich. Der Einwand der Klägerseite, auch der Sachverständige
sei in seinem Gutachten (S. 8 und 13) von einer Intussuszeption ausgegangen, trifft nicht zu. Aus dem Gesamtzusammenhang des
Gutachtens wird hinreichend deutlich, dass der Sachverständige immer nur von einer aus Sicht des Krankenhauses bestehenden
Intussuszeption berichtet.
(b) Da bei einem Rektumvorfall die gesamte Rektumwand reseziert wird, bedarf es - dies beschreibt der Sachverständige nachvollziehbar
- wegen der größeren Gewebemenge in der Regel eines mehrschrittigen Vorgehens, sei es durch den Einsatz mehrerer Klammernahtmagazine
oder mehrerer Stapler. Ein Stapler (von engl. to staple - klammern) ist ein Klammernahtgerät zur Ausführung zeitsparender
maschineller Nahtmethoden, das nach der Durchtrennung des zu entfernenden Gewebes zur Naht Stahlklammern durch das Gewebe
drückt (vgl. Pschyrembel, a.a.O. Stichworte "Nähapparate" bzw. "Klammernahtgeräte"). Nach dem OP-Bericht wurde aber nur einmal
ein Stapler ausgelöst. Soweit die Klägerseite demgegenüber behauptet, eine Vollwandresektion sei auch mit nur einem Klammergerät
durchführbar, entkräftet dies die Darstellung des Sachverständigen nicht substantiell. Denn er hat auch bei Verwendung nur
eines Staplers zumindest den Einsatz mehrerer Klammernahtmagazine für erforderlich gehalten. Im Übrigen ist der Erwiderung
der Klägerseite nicht zu entnehmen, wie die unstreitig größere Gewebemenge mit nur einem Klammernahtgerät bewältigt werden
soll.
(c) Die Befundung eines Rektumprolapses ohne bildhafte Darstellung ist unzureichend. Wegen des unstreitig höheren Risikoprofils
einer Rektumvollwandresektion - bei einem Aufgehen der Klammernaht kann eine Stuhlinkontinenz eintreten - wäre vor deren Durchführung
eine Defäkographie (radiologische Untersuchung der Stuhlentleerung) nötig gewesen, selbst wenn diese für den Versicherten
mit einer Strahlenbelastung verbunden gewesen wäre. Allenfalls schwerwiegende oder in hohem Maße wahrscheinliche gesundheitliche
Nachteile im Rahmen diagnostischer Maßnahmen können einen operativen Eingriff mit deutlich größerem Risiko rechtfertigen.
Für solche Nachteile ist hier nichts ersichtlich. Ungeachtet dessen hätte mit der peranalen Darmsonographie - wie der Sachverständige
überzeugend ausgeführt hat - auch eine weitere diagnostische Abklärung ohne Strahlenbelastung für den Versicherten erfolgen
können.
(d) Nachvollziehbar weisen der Sachverständige und der MDK-Gutachter übereinstimmend darauf hin, dass die o.g. geringe Größe
des zur pathologischen Befundung gereichten Exzisats angesichts einer vermeintlich "ausgeprägten Intussuszeption" nicht verständlich
ist. Dem hat die Klägerseite nicht einmal den Versuch einer Erklärung entgegen gesetzt.
(e) Obwohl aus Sicht der Klägerin die Intussuszeption des Versicherten intraoperative Konsequenzen hatte, wird der entsprechende
Diagnose-Schlüssel K62.3 nicht als Nebendiagnose im Zusammenhang mit der Abrechnung erwähnt.
(f) Der vorliegende Fall gibt dem Senat daher Anlass für den Hinweis, dass vergütungsrelevante intraoperative Umstände vom
Krankenhaus in der Regel so festzustellen und ggf. zu dokumentieren sind, dass sie einer Überprüfung durch die Krankenkasse
als Kostenträgerin zugänglich sind. Diesem Erfordernis ist das Krankenhaus hier nicht gerecht geworden. Weil weder Angaben
zu Ausmaß und Ausdehnung der Intussuszeption noch eine bildliche Darstellung des Rektumprolapses vorliegen und auch das Exzisat
keine plausible Größe aufweist, könnte die Feststellung einer sofort behandlungsbedürftigen Intussuszeption nur auf die Angaben
des Operateurs gestützt werden. Zwar können medizinische Feststellungen im Zusammenhang mit stationären Krankenhausbehandlungen
auch auf Zeugenaussagen der behandelnden Krankenhausmitarbeiter gestützt werden (vgl. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 3/08 KR R - und vom 10. April 2008 - B 3 KR 14/07 R, B 3 KR 20/07 R, B 3 KR 19/05 R -; alle juris). Sind diese jedoch nicht mit anderweitigen Erkenntnissen in Einklang zu bringen oder hat das Krankenhaus -
wie hier - aus implausiblen Gründen auf ergänzende diagnostische Maßnahmen verzichtet, reichen schon wegen der "Erfordernisse
wirksamen Rechtsschutzes gegen Unwirtschaftlichkeit" (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 27/13 R -, juris) zeugenschaftliche Angaben allein typischerweise nicht aus.
bb) Lag ein behandlungsbedürftiger Rektumprolaps nicht vor, war die Kodierung der Prozedur 5-482.10 ausgeschlossen. Mit der
einschlägigen Prozedur 5-493.5 wurde die klägerseitig abgerechnete DRG G21B nicht angesteuert.
(1) Mit der DRG G21B (in der Fassung des als Anlage 1 zur FPV 2008 vereinbarten Fallpauschalenkatalogs 2008) wurde die "Adhäsiolyse
am Peritoneum, Alter > 3 Jahre und ohne äußerst schwere oder schwere CC oder andere Eingriffe an Darm oder Enterostoma ohne
äußerst schwere CC, Alter > 15 Jahre" (CC = Komplikationen und Komorbiditäten, vgl. Einleitung zum Fallpauschalenkatalog 2008)
bezeichnet. Nach der DRG-Entscheidungslogik der zertifizierten - gemäß § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2008 allein maßgeblichen - Programme
(Grouper), die unstreitig und für das Gericht anhand im Internet zugänglicher Beispielseingaben überprüfbar (z.B. mit dem
Webgrouper der DRG-Research-Group, abrufbar unter http://drg.uni-muenster.de) den Darstellungen in den Definitionshandbüchern
entspricht (BSG, Urteil vom 08. November 2011 - B 1 KR 8/11 R -, juris), setzt diese DRG im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten strittige Anwendung unterschiedlicher OPS-Ziffern
die Angabe des OPS-Code 5-482.10 (Version 2008) voraus, während durch den OPS-Code 5-493.5 (Version 2008) die DRG G26Z angesteuert
wird (vgl. G-DRG German Diagnosis Related Groups, Version 2008, Definitionshandbuch, Band 2, S. 63, 67).
(2) Die Voraussetzungen der Prozedur 5-482.10 ("Peranale lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Rektums:
submuköse Exzision, transanal") waren nicht gegeben. Ohne die (zumindest am 17. Juni 2008) nicht erforderliche Behandlung
des Rektumprolapses fand ausweislich des Operationsberichts eine peranale submuköse Exzision von erkranktem Rektumgewebe nicht
statt.
(3) Außerdem spricht viel dafür, dass auch wegen der Verwendung eines Staplers die Kodierung 5-482.10 ausgeschlossen war.
Denn bei Prozeduren, die den Einsatz eines Staplers umfassen, kommt dies in der Beschreibung typischerweise zum Ausdruck,
wie die folgende Aufstellung belegt:
5-445.4 Gastroenterostomie ohne Magenresektion [Bypassverfahren], mit Staplernaht oder Transsektion (bei Adipositas), mit
Gastrojejunostomie durch Roux-Y-Anastomose
5-445.5 Gastroenterostomie ohne Magenresektion [Bypassverfahren], mit Staplernaht oder Transsektion (bei Adipositas), mit
Gastrojejunostomie analog Billroth II
5-482.b Vollwandexzision, mit Stapler, transanal
5-493.5 operative Behandlung von Hämorrhoiden, mit Stapler
(in der aktuellen Fassung auch:)
5-470.11 Appendektomie, Absetzung durch Klammern (Stapler)
5-471.11 simultane Appendektomie, Absetzung durch Klammern (Stapler)
5-484.2 tubuläre Resektion unter Belassen des Paraproktiums Inkl.: Anwendung eines Staplers
Weitere - in begrenztem Umfang zulässige (s.o.) - systematische Erwägungen belegen dieses Ergebnis. Schon die Tatsache, dass
innerhalb der Untergruppe 5-482 ("Peranale lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Rektums") nur bei der
Prozedur 5-482.b der Einsatz eines Stapler Erwähnung findet, nicht aber bei 5-482.10, belegt, dass Klammernahtgeräte im Zusammenhang
mit dieser Prozedur keine Rolle spielen; die peranale Ausschneidung erfolgt dann - wie der Sachverständige nachvollziehbar
dargelegt hat - mit einem chirurgischen Instrument (z.B. Messer). Im Übrigen wird seit der OPS-Fassung 2009 die Beschreibung
der Prozedur 5-493.5 um den Hinweis ergänzt: "Die operative Behandlung eines Prolaps von Rektummukosa und/oder Anoderm im
Rahmen einer Hämorrhoidenoperation nach Longo ist im Kode enthalten." Hierbei handelt es sich um eine konkretisierende Klarstellung
(zu einer solchen vgl. auch BSG, Urteil vom 21. April 2015 - B 1 KR 8/15 R -, juris), nicht aber um eine inhaltliche Änderung.
(4) Unerheblich ist, dass nach der Auffassung des Sachverständigen die tatsächlich durchgeführte, auch die Entfernung des
Rektumprolapses umfassende Prozedur mehr war als ein Verfahren nach Longo, aber weniger als eine STARR-OP - die den Einsatz
mehrerer Stapler oder zumindest mehrerer Magazine voraussetzt (beides ist dem OP-Bericht nicht zu entnehmen) - und daher innerhalb
der Untergruppe 5-482 ("Peranale lokale Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Rektums") am ehesten dem OPS-Code
5-482.b0 ("Vollwandexzision, mit Stapler, transanal, zirkulär") entsprochen hätte. Denn auch dies würde voraussetzen, dass
die operative Behandlung des Rektumprolaps erforderlich war.
cc. Es kann dahinstehen, ob ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht auch an einer fehlenden Einwilligung des Versicherten
zur operativen Behandlung des Rektumprolapses scheitert.
(1) Zu den Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses zählt auch, dass für die betroffene Behandlung eine
wirksame Einwilligung des Versicherten vorlag (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 70/12 R - juris). Versicherte und/oder deren gesetzliche Vertreter müssen der konkreten Heilbehandlung nach hinreichender, gebotener
Aufklärung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zugestimmt haben (so auch BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 7/05 R -, juris; Hauck, Die Bedeutung der Patientenautonomie für Leistungen der GKV, SGb 2014, 8). Erforderlich ist eine so umfassende Information über Eigenart, Nutzen und Risiken der geplanten Behandlung, dass sie dem
Selbstbestimmungsrecht des Versicherten in vollem Umfang Rechnung trägt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013, a.a.O.).
(2) Der wohl unstreitige Umstand, dass im Krankenhaus der Klägerin überdurchschnittlich häufig intraoperativ eine Intussuszeption
festgestellt wird, hätte möglicherweise für dieses Anlass sein müssen, im Rahmen der Aufklärung darauf hinzuweisen, dass mit
der dann aus seiner Sicht erforderlichen operativen Behandlung der Intussuszeption ein erhöhtes Risiko verbunden ist. Denn
über ernsthaft in Betracht kommende intraoperative Änderungen der geplanten Behandlung muss vor der Operation aufgeklärt werden
(BGH, Urteil vom 17. Dezember 1991 - VI ZR 40/91 -, juris).
2. Mit ihrem Rückforderungsanspruch hat die Beklagte wirksam aufgerechnet.
a) Das SGB enthält zwar keine allgemeine Regelung der Aufrechnung. Für die Rechtsverhältnisse zwischen Leistungserbringern
und Krankenkassen ordnet §
69 Abs.
1 Satz 3
SGB V in der seit dem 18. Dezember 2008 geltenden Fassung (zuvor §
69 Satz 4
SGB V) jedoch die entsprechende Anwendung der Vorschriften des
BGB, somit auch der die Aufrechnung betreffenden §§ 387ff, an, soweit sie nicht - was hier nicht der Fall ist - mit dem Regelungssystem
des
SGB V unvereinbar sind. Voraussetzung dieses einseitigen Rechtsgeschäfts, mit dem ohne weitere sozialrechtliche Ermächtigungsnorm
(BSGE 75, 283) gemäß §
389 BGB die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen zum Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage bewirkt wird, ist gemäß §
387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen.
Dies ist hier der Fall. Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung der Beklagten im September 2009 standen sich ihre o.g. fällige
Erstattungsforderung und der o.g. aus der Behandlung des Versicherten Radenkovic resultierende erfüllbare Vergütungsanspruch
der Klägerin als gleichartige Forderungen gegenüber.
b) Der Aufrechnung seitens der Beklagten steht die von ihr mit Erfüllungswirkung (§
366 BGB) vorgenommene Zahlung nicht entgegen. Denn der Krankenkasse bleiben etwaige Einwendungen gegen Grund und Höhe der geltend
gemachten Behandlungskosten trotz der Zahlung erhalten; die Rückforderung und die Möglichkeit späterer Aufrechnung gegen unbestrittene
Forderungen des Krankenhauses aus anderen Behandlungsfällen werden durch die Zahlung nicht ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 20. November 2008 - B 3 KN 4/08 KR R -, juris m.w.N.).
c) Die Beklagte hat die Aufrechnung auch wirksam gegenüber der Klägerin (§
388 BGB) erklärt.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.