Beitragspflicht zur Sozialversicherung
Rechtswidrige Befreiung von der Versicherungspflicht
Handeln der sachlich unzuständigen Behörde
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 2) aufgrund ihrer Tätigkeit für das zu 1) beigeladene
Taxi-Unternehmen. Dieses wird erst seit Oktober 2015 als Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) geführt und bestand
zuvor als Einzelunternehmen ihrer jetzigen Geschäftsführerin (zur Vereinfachung im Folgenden: die Beigeladene zu 1), der Mutter
der Beigeladenen zu 2).
Der vorliegende Rechtsstreit ist Teil eines umfangreichen Verfahrenskomplexes, in dem die klagende Deutschen Rentenversicherung
Bund Bescheide dreier Krankenkassen (u.a. der hiesigen Beklagten) mit der Begründung angefochten hat, diese hätten in mindestens
insgesamt 301 Fällen (davon die hiesige Beklagte in mindestens 195 Fällen) unter Missachtung einschlägiger Vorschriften und
Rechtsprechung Mitglieder von der Sozialversicherungspflicht befreit. Allen in diesem Zusammenhang geführten Rechtsstreiten
zwischen der Klägerin und der Beklagten liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Ausgangspunkt in 160 Fällen ist die Ende 2008 gegründete, in Stuttgart ansässige a AG, die über eine Erlaubnis als Versicherungsvermittler
nach § 34d Abs. 1 Gewerbeordnung verfügt - ausweislich des Rechtsdienstleistungsregisters (www.rechtsdienstleistungsregister.de) aber nicht über eine Befugnis
nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) - und zu deren Unternehmensgegenstand ausweislich des Handelsregisters unter anderem die "Beratung von Privat- und Geschäftskunden
im Bereich Versicherung, die Tätigkeit als Versicherungsmakler" zählt. Diese AG bzw. ihre Vorstände T W, AR und W K hatten
seit spätestens 2006 - damals noch für die ähnlich ausgerichtete und ebenfalls von ihnen geleitete f AG - ein Geschäftsmodell
entwickelt, mit dem sie über vertraglich verbundene Versicherungsvermittler/-vertreter um kleine Familienunternehmen warben
mit dem Ziel, für mit dem Firmeninhaber nahe verwandte Mitarbeiter zunächst eine "Befreiung" von der Sozialversicherungspflicht
zu erreichen und sie anschließend für den Abschluss privater Versicherungsverträge zu gewinnen. Bei der umfangreichen und
gezielten Suche nach "geeigneten" Krankenkassen stießen sie unter anderem auf die Beklagte und nahmen Kontakt mit verantwortlichen
Krankenkassenmitarbeitern auf, im Falle der Beklagten mit dem Zeugen W, der bei der Beklagten seit ca. 2005 allein für versicherungsrechtliche
Beurteilungen zuständig ist. Im Einzelnen gestaltete sich das von der a AG gesteuerte Verfahren wie folgt:
Nachdem die a AG bzw. ihre Mitarbeiter Kunden für ihr Geschäftsmodell gewonnen hatten, kündigten die bisher versicherungspflichtig
beschäftigten Angehörigen die Mitgliedschaft bei ihrer bisherigen Krankenkasse. Sodann beantragte die a AG für diese Angehörigen
- unter Vorlage je einer Vollmacht für sie und ihren Aufsichtsratsvorsitzenden, Rechtsanwalt F - die Aufnahme als Mitglied
bei der Beklagten. Zugleich baten sie in einem gesonderten, stets an den Zeugen W gerichteten Schreiben um eine - zeitlich
in keiner Weise eingeschränkte - versicherungsrechtliche Beurteilung. In allen diesen, stets von der a Mitarbeiterin H unterzeichneten
Anschreiben heißt es, dass der Angehörige nicht sozialversicherungspflichtig sei, weil er "absolut nicht weisungsgebunden"
sei, die umfangreiche Tätigkeit "völlig frei" bestimme, für seinen Aufgabenbereich seit vielen Jahren eigenständig verantwortlich
sei; der Angehörige sei "absolut gleichwertiger Partner im Betrieb und [setze] sich ganz und gar für das Wohl des Unternehmens
ein".
Beigefügt war der von Angehörigen und Firmeninhaber unterzeichnete Vordruck "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen
Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV". Mit Ausnahme weniger individueller Daten, wie Name, Verwandtschaftsverhältnis, erlernter Beruf und regelmäßiges monatliches
Arbeitsentgelt, enthalten sämtliche über die a AG eingereichte Feststellungsbögen weitestgehend identische, stets von der
Mitarbeiterin H vorgenommene Eintragungen. So findet sich z.B. als Ort der Tätigkeit stets die Eintragung "Betrieb, Kunde,
Lieferant", bei der Frage nach einer Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit der handschriftliche Zusatz "wird
von Fall zu Fall entschieden" und bei der Frage, ob das Arbeitsentgelt dem tariflichen bzw. ortsüblichen Lohn/Gehalt entspreche,
der handschriftliche Zusatz "Zum Wohl des Unternehmens wird auf ein hohes Gehalt verzichtet". Zu sämtlichen Feststellungsbögen
existiert eine beigefügte Anlage, mit näheren Angaben zu einzelnen Fragen. Folgende Passagen finden sich in sämtlichen Anlagen:
"2.4. Tätigkeit [Namen des Angehörigen]übt die Tätigkeit tatsächlich aus, ist aber nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert,
sondern hat einen weitaus höheren Stand im Unternehmen. Seine [Ihre] Aufgaben sind weitaus umfassender und verantwortungsvoller
als die einer fremden Arbeitskraft.
2.5. Mitarbeit [Namen des Angehörigen] ist im Unternehmen nicht ersetzbar. Des Weitern könnte man einer anderen Arbeitskraft
nie diese Verantwortung übertragen.
2.8. Besondere Fachkenntnisse Auf Grund der Tatsache, dass [Namen des Angehörigen] seit [individuelles Datum] das Unternehmen
begleitet, sind alle Entscheidungen von ihm [ihr] mit getroffen worden, d.h., die gesamte gravierende Umstrukturierung im
Betrieb ist gemeinschaftlich [oder: gemeinsam mit ihm/ihr] getroffen und auch ausgeführt worden."
Fast immer findet sich darüber hinaus die Passage
"2.14 Bezüge [Namen des Angehörigen] nimmt im Durchschnitt 10 [oder 15] Tage im Jahr. Den Rest lässt er [oder: sie] sich zum
Wohle des Unternehmens nicht ausbezahlen."
Die a AG legte hierbei Wert darauf, dass den Kunden nur die letzte Seite des Feststellungsbogens - zur Unterschriftsleistung
- vorgelegt wurde und weder sie noch die Versicherungsvermittler Kenntnis vom sonstigen Inhalt des Feststellungsbogens erhielten.
Regelmäßig wenige Tage nach dem Eingang dieser Unterlagen teilte der Zeuge W den Angehörigen mit, dass sie ab dem beantragten
Zeitpunkt Mitglied der Beklagten seien und "vorbehaltlich einer abschließenden versicherungsrechtlichen Beurteilung [ ...]
nach den [ ...] vorliegenden Unterlagen und Informationen davon ausgegangen werden" könne, dass es sich bei ihrer Tätigkeit
ab Beginn des zweiten Monats der Mitgliedschaft um eine sozialversicherungsfreie Tätigkeit handeln würde. Die abschließende
sozialversicherungsrechtliche Beurteilung - so das Schreiben weiter - erfolge in einem gesonderten Bescheid. Ohne dass sich
eine entsprechende Anforderung in den Verwaltungsakten der Beklagten findet, wurde in der Folgezeit stets ein im Wesentlichen
vom Zeugen W entworfener Arbeitsvertrag bei der Beklagten eingereicht. Sämtliche Arbeitsverträge weisen denselben Schrifttyp,
dasselbe Druckbild und folgenden identischen Inhalt auf:
§ 1 Aufgabenbereich
[Namen des Angehörigen] übernimmt ab dem [Beginn des zweiten Monats der Mitgliedschaft] im Unternehmen die Zuständigkeit im
kaufmännischen und praktischen Bereich, Kundenverkehr, usw. und stellt dem Unternehmen seine volle Arbeitskraft sowie sein
[oder: ihr] ganzes Wissen und Können zur Verfügung. Aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme zwischen den Vertragsparteien
und der Berücksichtigung des Betriebswohles werden [Namen des Angehörigen] ausdrücklich keine Weisungen zur Ausführung der
Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Weise der Tätigkeit erteilt.
§ 2 Arbeitszeit
[Namen des Angehörigen] unterliegt keinen festen Arbeitszeiten und kann sich unter Berücksichtigung der Unternehmensbelange
die Arbeitszeit selbst einteilen.
§ 3 Gehalt
(1) [Namen des Angehörigen] erhält als Gehalt einen monatlichen Betrag in Höhe von [individuell] Euro. Die Auszahlung des
monatlichen Gehalts erfolgt zum Monatsende bargeldlos.
(2) Für etwaig geleistete Überstunden erfolgt im Hinblick auf die Unterstützung des Familienbetriebes keine gesonderte Vergütung;
Überstunden gelten mit der unter Absatz (1) dieses Paragraphen vereinbarten Vergütung als abgegolten.
(3) Im Fall des Wegfalls der Arbeitsleistung in Folge von Krankheit besteht der Anspruch auf Weitergewährung der Gehaltszuzahlung.
§ 4 Sonderzuwendungen
Gratifikationen und sonstige Sonderzahlungen sind streng von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abhängig und sind
daher als freiwillige und widerrufliche Leistungen des Unternehmens anzusehen.
§ 5 Urlaub
Die Anzahl der Urlaubstage werden anhand der wirtschaftlichen Unternehmenslage jährlich neu geregelt und nach Absprache durchgeführt.
§ 6 Vertragsdauer und Kündigung
Dieser Vertrag tritt mit Wirkung zum [Beginn des zweiten Monats der Mitgliedschaft] in Kraft und ist auf unbestimmte Dauer
gültig.
§ 7 Vertragsänderungen
(1) Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dieses Erfordernis bezieht sich auch auf die Änderung/Aufhebung
der Schriftformklausel.
(2) Sollte eine der Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein, bleiben die übrigen Bestimmungen wirksam. Die Vertragsparteien
verpflichten sich, in diesem Fall eine der unwirksamen Bestimmungen nahekommende Regelung zu treffen, die ihre beiderseitigen
Interessen angemessen berücksichtigt.
Jeweils wenige Tage nach Eingang der Arbeitsverträge erteilte die Beklagte durch den Zeugen Wden Angehörigen die hier angefochtenen
Bescheide, in deren Begründung sie unter Verwendung identischer Textbausteine und ohne Bezug auf individuelle Umstände davon
ausging, dass ab dem jeweils im Arbeitsvertrag genannten Zeitpunkt keine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
vorliege.
Alle Sachverhalte zeichnen sich darüber hinaus dadurch aus, dass - die Angehörigen ab dem Zeitpunkt der (vermeintlichen) Versicherungsfreiheit
freiwillige Mitglieder der Beklagten wurden, - die anderen Sozialversicherungsträger weder vor Erlass des Bescheides beteiligt
wurden noch ihnen der Bescheid bekanntgegeben wurde, - in den dem Senat übermittelten Arbeitgebermeldungen für den Zeitpunkt
des Mitgliedschaftsbeginns bei der Beklagten der Abgabegrund "11 Anmeld. Kassenwechsel" angegeben wird und das Feld "Status-Kennzeichen"
leer ist.
Außerdem schloss die a AG - die seit September 2017 aufgrund einer formwechselnden Umwandlung als B GmbH (unter der bisherigen
Anschrift) firmiert - schon zum Zeitpunkt ihres nicht gesondert vergüteten Auftrags, eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht
zu erwirken, mit den Angehörigen eine "Honorarvereinbarung" mit im wesentlichen folgenden Inhalt:
"Die nachfolgende Vereinbarung tritt in Kraft, wenn durch Vorlage einer schriftlichen Vorabinformation der Krankenkasse festgestellt
wird, dass kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt.
Dies vorab, schließen die Parteien folgende
Vereinbarung:
1. Der Auftraggeber beauftragt die a AG, ein Konzept zur privaten Vorsorge im Rahmen der bisherigen Beitragszahlung zu erarbeiten.
Das Konzept beinhaltet folgende Leistungen der a AG:
- Erstellung eines Rentenversicherungsangebots auf Basis der bisherigen Arbeitgeber Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen.
- Erstellung eines Rentenversicherungsangebots auf Basis der bisherigen Arbeitnehmer Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen.
- Erstellung einer Steuerberatermappe mit Hinweisen zur Erfassung der Rentenversicherungsbeiträge in der Lohnabrechnung.
2. Die a AG erhält für die Erstellung des Konzepts gemäß Ziffer 1.) ein Honorar in Höhe von Euro 6.890.- zzgl. der jeweils
gesetzlichen Umsatzsteuer. Der Rechnungsbetrag wird mit Übergabe des Konzepts zur Zahlung fällig.
Die a AG verzichtet auf das Honorar, wenn der Auftraggeber innerhalb von einem Monat berechnet ab Angebotsübergabe Folgendes
erfüllt:
1. Das unter Ziffer 1.) genannte Rentenversicherungsangebot abschließt, dieses nicht widerruft oder innerhalb von 60 Monaten
ab Vertragsschluss reduziert, beitragsfrei stellt oder kündigt. 2. Drei Empfehlungen (angestellte Familienmitglieder) ausspricht.
Der Auftraggeber nimmt den Verzicht an."
Nachdem der Klägerin im Rahmen von Betriebsprüfungen im Raum Baden-Württemberg, Schwaben und Rheinland-Pfalz aufgefallen war,
dass in erheblicher Anzahl Familienangehörige von Arbeitgebern und mitarbeitende Gesellschafter-Geschäftsführer von Familien-GmbH
nach einem Krankenkassenwechsel zur Beklagten von der gesetzlichen Sozialversicherung abgemeldet worden waren, veranlasste
sie eine Einzugsstellen-Sonderprüfung bei der Beklagten und focht in der Folgezeit eine Vielzahl der ihr hierbei in der Regel
erstmals bekannt gewordenen Bescheide der Beklagten an. Das für Klagen dieser Art bundesweit allein zuständige Sozialgericht
Berlin hat über ca. 70 Klagen entschieden und die übrigen Verfahren zum Ruhen gebracht. Zahlreiche weitere Verfahren hat das
Landessozialgericht (LSG) zum Ruhen gebracht. Unabhängig hiervon leitete die Staatsanwaltschaft Stuttgart aufgrund der Strafanzeige
eines Kunden der a AG ein umfangreiches Ermittlungsverfahren ein. Dieses richtet sich nicht nur gegen zahlreiche leitende
Mitarbeiter der a AG, wie z.B. die o.g. Vorstände und den Aufsichtsratsvorsitzenden (Rechtsanwalt F), sondern auch gegen verantwortliche
Mitarbeiter der drei betroffenen Krankenkassen, unter anderem die beiden Vorstände der Beklagten (Herr Sch und Herr Ke) und
den Zeugen W. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens, das u.a. zu Durchsuchungen in den Geschäftsräumen der a AG, geführt
hat, erstattete auch eine weitere der betroffenen Krankenkassen (mhplus Betriebskrankenkasse)Strafanzeige durch ihren Vorstand,
dem eine Zusammenarbeit von ihm unterstellten Mitarbeitern mit der a AG offenkundig nicht bekannt war. Die Staatsanwaltschaft
Stuttgart hat, nachdem sie den Verteidigern aller Beschuldigten Gelegenheit zur Akteneinsicht eingeräumt hatte, dem Senat
weite Teile ihrer Akten, insgesamt mehrere tausend Seiten, elektronisch zur Verfügung gestellt. Das Bundesversicherungsamt
hat der von der Klägerin Mitte 2014 geäußerten Bitte, aufsichtsrechtliche Schritte gegen die Beklagte einzuleiten, bislang
im Hinblick auf die laufenden Gerichtsverfahren nicht entsprochen.
Für das vorgerichtliche Geschehen im vorliegenden Fall sind folgende Daten maßgeblich:
Beginn der Tätigkeit d. Beigeladenen zu 2) bei d. Beigeladenen zu 1)
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1. September 2009
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Eingang des Antrags auf Kassenwechsel bei Beklagter
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25. Oktober 2013
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Beginn der Mitgliedschaft d. Beigeladenen zu 2) bei der Beklagten
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1. Dezember 2013
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Schreiben der Beklagten an d. Beigeladenen zu 2) wegen des Beginns der Mitgliedschaft und der voraussichtlichen Versicherungsfreiheit
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29. Oktober 2013
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Arbeitsvertrag vom 2. Januar 2014 Eingang des Arbeitsvertrags bei der Beklagten
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27. Dezember 2013
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Bescheid der Beklagten
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13. März 2014
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Zeitpunkt, ab dem Versicherungsfreiheit bestehen soll
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1. Januar 2014
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Kenntnis der Klägerin vom Bescheid der Beklagten
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24./25. März 2014
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Erhebung der Klage
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24. April 2014
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Am 24. April 2014 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2014 aufzuheben und
die Rentenversicherungspflicht die Beigeladenen zu 2) seit dem 1. Januar 2014 festzustellen. Nachdem das Sozialgericht sie
in einem Parallelverfahren darauf hinwies, dass sie als nicht kontoführende Rentenversicherungsträgerin durch den angefochtenen
Bescheid nicht beschwert sein dürfte, hat sich die Klägerin auf ihre Rechte aus § 28q und §
7a SGB IV berufen und lediglich die Aufhebung des Bescheids der Beklagten begehrt. Mit Urteil vom 6. März 2015 hat das Sozialgericht
der Klage stattgegeben, weil die Beklagte für die Entscheidung vom 13. März 2014 nicht zuständig gewesen sei. Die Klagefrist
sei gewahrt, weil die Klägerin innerhalb eines Monats seit der am 24./25. März 2014 erfolgten Kenntnis des Bescheids Klage
erhoben habe. Dass die Beigeladene zu 2) ein Abkömmling der Beigeladenen zu 1) sei, habe sich vorliegend auch aus der Arbeitgebermeldung
ergeben. Weil nur bei einer Anmeldung nach §
28a Abs.
3 Satz 1
SGB IV die Angabe, ob eine Beziehung als Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling bestehe (§
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 lit. d
SGB IV), nicht aber bei einer Meldung wegen Wechsels der Einzugsstelle (§
28a Abs.
1 Nr.
6 SGB IV), könne lediglich eine Arbeitgebermeldung "Anmeldung" die Verpflichtung nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV auslösen. Die von der Beigeladenen zu 1) wegen des Wechsels der Einzugsstelle computergestützt abgegebene Meldung enthalte
im Feld "Statuskennzeichen" nicht den durch Angabe der Ziffer 1 zu setzenden Hinweis darauf, dass die Beigeladene zu 2) ihr
Abkömmling sei. Tatsächlich handele es sich bei der zum 1. Januar 2014 erfolgten Meldung der Beigeladenen zu 1) als Arbeitgeberin
der Beigeladenen zu 2) um eine als "Anmeldung" im Sinne von §
28a Abs.
3 Satz 2
SGB IV zu sehende Meldung und nicht um eine Meldung nach §
28a Abs.
1 Nr.
6 SGB IV. Sie hätte daher nach §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 lit. d
SGB IV den Hinweis auf das Abkömmlingsverhältnis enthalten müssen. Der Antrag der Beigeladenen zu 2) auf Überprüfung der versicherungsrechtlichen
Beurteilung habe keine konkreten Angaben darüber enthalten, welches Beschäftigungsverhältnis, basierend auf welchen vertraglichen
Grundlagen oder Abreden, zur Überprüfung gestellt werden sollte. Erst durch die seitens der Beklagten im Schreiben vom 29.
Oktober 2013 erfolgte Bestimmung eines in der Zukunft liegenden Datums (1. Januar 2014) habe sich ergeben, welches Arbeitsverhältnis
zu überprüfen gewesen sei. Es sei jedoch bereits im Schreiben der Beklagten vom 29. Oktober 2013 der Erlass einer Feststellung
der Versicherungsfreiheit für dieses neu zu begründende Arbeitsverhältnis in Aussicht gestellt worden. Die Überprüfung des
bestehenden Arbeitsverhältnisses sei von der a AG und der Beklagten und auch den Beigeladenen zu 1) und 2) nicht gewollt gewesen.
Andernfalls wäre nach Maßgabe des Besprechungsergebnisses der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung
Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzuges vom 5./6. Juli 2005 (und erneut vom 21./22.
November 2006) die Beklagte verpflichtet gewesen, sich mit dem zuständigen Rentenversicherungsträger abzustimmen, weil die
Entscheidung auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit gerichtet gewesen und damit auf eine Beitragserstattung hinausgelaufen
wäre. De facto habe es sich aufgrund des zukünftigen Beginns des Arbeitsverhältnisses um ein neues zur Prüfung gestelltes
Arbeitsverhältnis und somit um eine (Neu-)Anmeldung gehandelt, welche nach Maßgabe von §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 lit. d
SGB IV die Angabe zum Abkömmlingsverhältnis hätte enthalten und die Verpflichtung der Einzugsstellen nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV auslösen müssen. Die sich aufgrund der Vielzahl der Verfahren für das Gericht offenkundig ergebende Zusammenarbeit zwischen
der a AG und der Beklagten zeige, dass die Beteiligten ein neues Arbeitsverhältnis zur Überprüfung hätten stellen wollen.
Die Beurteilung dieser im Schnittfeld familiärer Mitarbeit liegenden so genannten prekären Arbeitsverhältnisse habe nach dem
Willen des Gesetzgebers in der Zuständigkeit der Klägerin liegen sollen. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen,
dass in dem Fall, in dem sich das Abkömmlingsverhältnis (fehlerhaft) nicht aus der (computergestützten) Arbeitgebermeldung
ergebe, keine Verpflichtung nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV bestünde. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass das Gesetz von einer vollständigen und korrekten Meldung gemäß §
28a SGB IV ausgehe. Wenn sich der Einzugsstelle Anhaltspunkte dafür aufdrängen müssten, dass eine Anmeldung nicht den tatsächlichen
Gegebenheiten entspreche, sei sie nach §
28b Abs.
1 Satz 3
SGB IV verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass eine solche Meldung abgegeben werde. Dementsprechend komme es bei der Beurteilung
der Voraussetzungen von §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV jedenfalls dann nicht auf die tatsächliche Meldung, sondern auf eine im Sinne von §
28 a SGB IV korrekte und vollständige Meldung an, wenn die Einzugsstelle Anhaltspunkte dafür habe, dass die Meldung nicht vollständig
bzw. korrekt sei. Diese Kenntnis sei bei der Beklagten eindeutig gegeben gewesen. Nach dem Eindruck der Kammer aus der Gesamtschau
der Verfahren habe die Beklagte eine vollständige Meldung - gezielt - nicht herbeigeführt. Daher greife deren Einwand, dass
sich das Abkömmlingsverhältnis aus der Meldung selbst nicht ergeben habe, nicht durch. Nach Ansicht der Kammer könne in dem
Antrag der Beigeladenen zu 2) vom 25. Oktober 2013 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung gesehen werden. Denn
die Beklagte sei zu diesem Zeitpunkt nicht die gemäß § 28i
SGB IV zuständige Einzugsstelle gewesen. Eine Rechtsgrundlage, nach der die Beklagte bereits vor Beginn der Mitgliedschaft der Beigeladenen
zu 2) berechtigt gewesen wäre, ein Feststellungsverfahren durchzuführen, sei nicht ersichtlich. Durch die Erweiterung von
§
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV auch auf Abkömmlinge des Arbeitgebers mit Wirkung zum 1. Januar 2008 sei eine Bündelung der Kompetenzen bei einer zentralen
Stelle bezweckt gewesen. Diesem Ziel widerspreche es, wenn die Beteiligten ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern
hätten.
Gegen dieses ihr am 26. März 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 24. April 2015, zu deren
Begründung sie vorträgt: Das Sozialgericht habe schon den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zutreffend erfasst. Bevor es
in seinen tatbestandlichen Ausführungen zum beurteilenden Einzelfall komme, habe es sich in sechs Absätzen über Vorgehen in
anderen Fällen ausgelassen. Dies habe aber im vorliegenden Einzelfall tatsächlich wie rechtlich keine Relevanz, sei teilweise
schlicht falsch und führe zu verkehrten Rückschlüssen der ersten Instanz. Tatsächlich seien diese Angaben irrelevant, weil
es Parallelen zu anderen Fällen nur insoweit gebe, als dass regelmäßig die a AG bevollmächtigt gewesen sei, die selbstverständlich
in einer bestimmten Weise vorgegangen sei, und dass die Beklagte wiederum eine einheitliche Sachbearbeitung vorgenommen habe.
Falsch sei insbesondere die Feststellung im angefochtenen Urteil, dass regelmäßig erst nach Eingang des Antrags auf Überprüfung
der Mitgliedsantrag eingegangen sei. Obwohl das Gericht keine Ermittlung dazu angestellt habe, halte es eine Zusammenarbeit
zwischen ihr - der Beklagten - und der aAG für offenkundig. Dies sei falsch. Zu keinem Zeitpunkt habe es Abstimmungen mit
ihr - der Beklagten - gegeben. Über die Verfahren hinaus, in denen Bevollmächtigte eingeschaltet gewesen seien, habe es keine
Geschäfts- oder sonstige Kontakte ihrerseits mit der aAG oder sonstigen Bevollmächtigten der Beigeladenen gegeben. Die Klage
sei mangels Klagebefugnis der Klägerin unzulässig. Die Verfolgung von Interessen anderer Versicherungsträger sei eine Form
der Popularklage, die mit der Prüfung der Klagebefugnis gerade ausgeschlossen werden solle. Eine solche ergebe sich nur, wenn
der Verwaltungsakt rechtlich geschützte subjektive Rechte verletze. Die Zuständigkeitsregelung des §
7a Abs.
1 SGB IV verleihe der Klägerin gerade keine subjektive Rechtsposition. Sinn und Zweck des Statusfeststellungsverfahrens sei vielmehr
die Verbesserung der Rechtssicherheit für die Betroffenen und die Sozialversicherungsträger. Im vorliegenden Fall sei die
Klägerin aber nicht als Sozialversicherungsträgerin, sondern nur in ihrer Funktion als Clearingstelle aufgetreten. Weder aus
wirtschaftlichen noch verwaltungspraktischen Gründen könne die Klägerin ein Interesse daran haben, Verfahren in ihre Zuständigkeit
zu ziehen. Vielmehr zeige die Verwaltungspraxis der Klägerin eine Tendenz, Zuständigkeit für Verfahren auch in zweifelhafter
Weise abzulehnen. Im Übrigen habe auch eine Zuständigkeit der Klägerin im vorliegenden Fall nicht bestanden. Die in der Arbeitgebermeldung
fehlende Angabe zu einem Familienverhältnis zum Arbeitgeber sei nicht geboten gewesen. Die Konstruktion der ersten Instanz,
es handele sich tatsächlich um eine (Neu-)Anmeldung, trage nicht, weil nach § 6 Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV) der Beginn einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit der ersten folgenden Lohn- und Gehaltsabrechnung, spätestens
innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Beginn, zu melden sei. Wegen der fehlenden Klagebefugnis und wegen bereits eingeleiteter
Statusfeststellungen durch sie - die Beklagte - könne die Frage letztlich unentschieden bleiben, ob die Einzugsstelle wegen
des Wortlauts von §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV das Verfahren auch dann zwingend abgeben müsse, wenn sie aus anderer Quelle Erkenntnisse gewinne. Mit Blick auf Rechtsprechung
des LSG Baden-Württemberg sowie des hier befassten Senats sei diese Frage jedoch abzulehnen. Selbstverständlich sei die Übersendung
von Unterlagen zur Überprüfung der versicherungsrechtlichen Beurteilung vor Begründung einer Mitgliedschaft kein zulässiger
Antrag auf Statusfeststellung zu einem Zeitpunkt gewesen, in dem sie - die Beklagte - sachlich noch nicht zuständig gewesen
sei. Entsprechend habe sie die Übersendung auch nicht so aufgefasst und keinen Bescheid erlassen, sondern dazu ausdrücklich
nur eine Information vorbehaltlich einer abschließenden versicherungsrechtlichen Beurteilung abgegeben. Durch die formlose
Vorabanfrage sei sie allerdings veranlasst gewesen, von Amts wegen bei Begründung der Mitgliedschaft eine Statusprüfung durchzuführen.
Der Vorbehalt einer abschließenden versicherungsrechtlichen Beurteilung in der Information auf die eingegangenen Unterlagen
und die Bezugnahme des entsprechenden, hier streitgegenständlichen Bescheides auf diese Unterlagen machten deutlich, dass
das Prüfverfahren bei ihr - der Beklagten - zum Zeitpunkt des Eingangs der Meldung bereits eingeleitet und eine Weiterleitung
an die Klägerin auch wegen §
7a Abs.
1, 2. Halbsatz
SGB IV ausgeschlossen gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Sächsischen LSG sowie des hiesigen Senats komme es auch auf die Antragstellung der Beigeladenen an. Hierzu setze
sich das Sozialgericht in Widerspruch, in dem es dieses Wahlrecht für zweckwidrig halte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor: §
28a Abs.
3 Satz 1 und
2 SGB IV ermächtige die Einzugsstelle nur zu Erhebung der dort genannten Angaben, verpflichte sie aber nicht hierzu. Daher seien bei
einem Wechsel der Einzugsstelle keine Daten zum familienrechtlichen Status zu melden. Ein Statusfeststellungsverfahren nach
§
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV solle nur bei tatsächlichen Neufällen durchgeführt werden. Andernfalls würde bei jedem Kassenwechsel ein obligatorisches
Statusfeststellungsverfahren durchgeführt, was Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung widerspräche. Zu bedenken sei auch,
dass bei der Vielzahl der täglichen Meldungen ein störungsfreier Ablauf nur gewährleistet sei, wenn der Meldevorgang auf die
relevanten Änderungen beschränkt bleibe.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Die Beigeladene zu 1) bringt vor, sie habe das Taxiunternehmen in den letzten 20 Jahren aufgebaut und sei Inhaberin sämtlicher
Taxi-Konzessionen. 2014 habe das Unternehmen ca. zehn feste Mitarbeiter gehabt. Seit zirka fünf bis sechs Jahren habe sie
sich die Aufgaben mit der Beigeladenen zu 2) mehr und mehr geteilt, weil sie in den Betrieb hineinwachsen und ihn irgendwann
übernehmen solle. Sie selbst kümmere sich in den letzten Jahren nur noch um die Lohnabrechnung und die Buchhaltung; die Arbeitsverträge
schließe die Beigeladene zu 2) ab. Sie hätten zwar darüber nachgedacht, eine Gesellschaft zu gründen, dies aber nicht umgesetzt.
Zum Jahreswechsel 2014 habe sich in ihrer Tätigkeit und in ihrem Betrieb nichts geändert. Auch das Gehalt der Beigeladenen
zu 2) habe sich in den letzten Jahren im Wesentlichen nicht geändert. Sie habe allerdings im Zusammenhang mit der Befreiung
von der Versicherungspflicht einen schriftlich vereinbart Lohnverzicht erklärt. Daraus resultiere die Differenz der Beträge
zwischen Arbeitsvertrag einerseits und Fragebogen andererseits. Bis zum Jahre 2013 habe sie mit der Beigeladenen zu 2) keinen
schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen. Der Arbeitsvertrag vom 2. Januar 2014 sei im Nachhinein vom Steuerbüro verlangt
worden, weil die Krankenkasse das so wolle. Die Arbeitsverträge mit den sonstigen Mitarbeitern sähen anders aus. Über die
Versicherungsagentur M A wickelten sie seit vielen Jahren die gesamten Kfz Versicherungen ab. Herr A arbeite wohl auch für
die a AG. Er habe damals Änderungen im Sinne einer Befreiung von der Versicherungspflicht vorgeschlagen und ihnen zusammen
mit einem Herrn F, der wohl ebenfalls für die a AG arbeitet, ein Konzept vorgestellt. Um dieses Konzept umsetzen zu können,
habe die Beigeladene zu 2) die Krankenkasse wechseln müssen, weil die bisherige Krankenkasse dieses Konzept nicht mitmachte.
Die einzelnen Punkte des am 10. September 2013 unterschriebenen Fragebogens seien sie nicht mit Herrn F durchgegangen, er
habe jedoch viele Fragen gestellt und hierbei mitgeschrieben. Sie könne heute nicht mehr sagen, ob der Fragebogen bei der
Unterschrift schon ausgefüllt war; eigentlich unterschreibe sie nichts blanko. Herr F habe ihnen damals viele Dokumente zum
Unterschreiben vorgelegt. Sie könnten heute nicht mehr sagen, warum sie zwei Vollmachten unterschrieben hätten. Mit der N
Versicherung hätten sie dann eine betriebliche Altersvorsorge abgeschlossen. Die N habe sich die ganzen letzten Jahre über
nicht mehr gemeldet, aber überraschenderweise letzte Woche ein Schreiben geschickt, dass sie sich einen Fachanwalt nehmen
sollten, falls ihnen die Deutsche Rentenversicherung die Versicherung abspreche. Am Verfahren vor dem Sozialgericht hätten
sie sich nicht beteiligt und auch kein Rechtsmittel eingelegt, weil Herr A mitgeteilt habe, sie hätten damit nichts zu tun,
darum würde sich Herr F kümmern.
Der Senat hat im Erörterungstermin vom 20. Oktober 2017 die Beigeladenen zu 1) und 2) angehört und am 12. September 2017 im
Parallelverfahren L 9 KR 165/15 den Zeugen W vernommen.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens
der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten (einschließlich der als Beiakten geführten Auszüge aus den o.g. Ermittlungsakten)
sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid
der Beklagten war rechtswidrig.
A. Die Klage ist zulässig.
I. Die Klägerin ist klagebefugt. Sie kann geltend machen, durch den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2014 sei ihr Alleinentscheidungsrecht
nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV verletzt.
1. Die Anfechtung eines Verwaltungsakts durch einen Dritten ist zulässig, wenn dieser die Verletzung eigener Rechte durch
den Verwaltungsakt behauptet (§
54 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Die Anfechtung durch einen Dritten ist somit nur dann unzulässig, wenn dessen Rechte offensichtlich und eindeutig nach
keiner Betrachtungsweise verletzt sein könnten (BSG, Urteil vom 17. August 2011 - B 6 KA 26/10 R -, juris; BSGE 98, 98; E 99, 145; E 105, 10).
2. Nach §
7a Abs.
1 Sätze 1 bis 3
SGB IV (in der vom 1. September 2009 bis 4. April 2017 geltenden, hier anzuwendenden Fassung) gilt:
Die Beteiligten können schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle
oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung
eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a)
ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter
einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Absatz 2 die Deutsche Rentenversicherung
Bund.
3. Inwieweit §
7a Abs.
1 Satz 2 i.V.m. Satz 3
SGB IV der Klägerin ein subjektives Recht vermittelt, Bescheide der Einzugsstelle nach §
28h Abs.
2 Satz 2
SGB IV allein deshalb anzufechten, weil ihre Zuständigkeit verletzt wurde, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt und in der
vorliegenden Konstellation durchaus in Betracht zu ziehen. Die Detailprüfung ist indes der Beantwortung der Frage, ob die
Klägerin in eigenen Rechten verletzt ist, im Rahmen der Begründetheit vorbehalten (BSG, Urteil vom 17. August 2011 - B 6 KA 26/10 R -, juris).
4. Hieran gemessen ist die Klägerin im vorliegenden Fall aufgrund ihrer Behauptung, die Beklagte habe mit dem angefochtenen
Bescheid - sehenden Auges - ihr Alleinentscheidungsrecht nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV verletzt, klagebefugt.
II. Die Klage wurde entsprechend den Anforderungen von § 87 Abs. 1 Satz 1, §§
66,
67,
78 Abs.
1 S 2 Nr.
3 SGG fristgemäß erhoben.
1. Ob die Klage eines von einem Verwaltungsakt betroffenen Dritten innerhalb einer bestimmten Frist erhoben werden muss, richtet
sich zunächst danach, ob ihm der Verwaltungsakt überhaupt bekannt gegeben wurde. Ist der Verwaltungsakt dem Dritten nicht
bekannt gegeben worden, so kommt auch eine analoge Anwendung der Vorschriften über die einzuhaltende Rechtsbehelfsfrist nicht
in Betracht. Der von einem Dritten eingelegte Rechtsbehelf kann in einem solchen Fall gleichwohl unzulässig sein, soweit er
seine Befugnis zur Einlegung des Rechtsbehelfs verwirkt hat. Dieselbe Rechtsfolge gilt in Bezug auf die Einhaltung einer in
Gang gesetzten gesetzlichen Rechtsbehelfs- bzw. Klagefrist (BSG, Urteil vom 03. Juli 2013 - B 12 KR 8/11 R -, juris, m.w.N.).
2. Gemäß §
87 Abs.
1 S 1
SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes
(vgl. § 37 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch - SGB X -) ist die zielgerichtete Mitteilung des Inhalts des Verwaltungsakts durch die Behörde an den Bekanntgabe-Empfänger (BSG, Urteil vom 09. April 2014 - B 14 AS 46/13 R -, juris, m.w.N.). Die Bekanntgabe setzt damit eine zielgerichtete Mitteilung des Verwaltungsaktes durch die Behörde voraus
(Engelmann, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A., § 37 Rn. 3a). Hieran könnten im vorliegenden Fall Zweifel bestehen, da die Klägerin Kenntnis vom angefochtenen Bescheid erst und
nur im Zusammenhang einer von ihr initiierten und durchgeführten Einzugsstellenprüfung nach § 28q
SGB IV erlangte, Anlass der Kenntnisnahme daher keine zielgerichtete Mitteilung durch die Beklagte war. Da bei lebensnaher Betrachtung
indes nicht davon auszugehen ist, dass die Klägerin im Rahmen dieser Prüfung die zu prüfenden Unterlagen und Vorgänge gegen
den Willen der Beklagten an sich genommen hat, sondern ihr die Unterlagen vielmehr auf entsprechende Aufforderung hin von
der Beklagten vorgelegt wurden, genügt die hierin liegende willentliche Übergabe (u.a.) des hier angefochtenen Bescheids durch
die Beklagte den Anforderungen an eine Bekanntgabe i.S.v. § 37 SGB X und §
87 Abs.
1 Satz 1
SGG (a.A. für Bescheide, von denen der Rentenversicherungsträger bei einer Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV Kenntnis erhält: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2011 - L 11 KR 658/09 -, juris). Ausgehend von einer somit frühestens am 24. März 2014 erfolgten Bekanntgabe des Bescheids vom 13. März 2014 wahrte
die am 24. April 2014 erhobene Klage die einmonatige Klagefrist.
3. Allerdings muss sich (auch) die Ausübung prozessualer Befugnisse am Gebot von Treu und Glauben messen lassen. Prozessuale
Befugnisse können daher verwirkt sein, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt,
d.h. wenn ein gewisser Zeitraum verstrichen ist (Zeitmoment) und der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter
denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung von Ansprüchen unternommen wird (Umstandsmoment); erst durch die Kombination beider
Elemente wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BSG a.a.O., m.w.N.). Weiterhin ist bei der Verwirkung prozessualer Befugnisse im öffentlichen Recht zu berücksichtigen, dass
es nicht nur ein schutzwürdiges Vertrauen des Adressaten auf das Untätigbleiben eines Anfechtungsberechtigten rechtfertigen
kann, die Anrufung eines Gerichts erst nach langer Zeit nach der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an ihn als unzulässig
anzusehen, sondern auch ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens (vgl. grundlegend BVerfGE 32, 305, 308, m.w.N.; BSG, a.a.O.).
a. Vor diesem Hintergrund hat das BSG (a.a.O.) die Verwirkung des Klagerechts eines Rentenversicherungsträgers gegen einen Bescheid der Einzugsstelle nach §
28h Abs.
2 SGB IV in einer Fallkonstellation angenommen, in der aufgrund einer entsprechenden Verwaltungspraxis dieser Bescheid dem Rentenversicherungsträger
nicht unmittelbar nach seinem Erlass, sondern wesentlich später bekannt gegeben wurde, die Klagefrist - im dortigen Fall bestimmte
sie sich aufgrund einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung nach §
66 Abs.
2 SGG - aber gewahrt wurde.
Dem lag zugrunde, dass die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger (u.a. der Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.,
der Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger sowie die Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte) in einer "Gemeinsame(n) Verlautbarung zur Behandlung von Beitragsbescheiden durch die am gemeinsamen Beitragseinzug
beteiligten Versicherungsträger" vom 29. März 2001 übereingekommen waren, Fälle der vorliegenden Art verwaltungstechnisch
in einer Art zu behandeln, die - so die Auffassung des BSG - keine uneingeschränkte Entsprechung in den gesetzlichen Vorschriften des Sozialverwaltungsverfahrensrechts findet. Die
Verlautbarung sah u.a. vor, dass Beitragsbescheide - entgegen § 12 Abs. 2, § 37 Abs. 1 SGB X - gegenüber den beteiligten Fremdversicherungsträgern nur in wenigen, abschließend aufgezählten Fallgruppen übersandt und
- entgegen § 36 SGB X - grundsätzlich ohne Rechtsbehelfsbelehrung erteilt werden sollten. Das BSG (a.a.O.) hat ferner eine Verletzung von § 86 SGB X, wonach die Leistungsträger, ihre Verbände und die im SGB genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet sind,
bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetzbuch eng zusammenzuarbeiten, bejaht, weil die Vereinbarung eine Beteiligung
anderer Träger nicht - wie vom Gesetz vorgesehen - zur Regel, sondern zur Ausnahme machte. Die dargestellte Verlautbarung
wurde durch die "Gemeinsame Verlautbarung zur Behandlung von Verwaltungsakten (Beitragsbescheiden) durch die am gemeinsamen
Beitragseinzug beteiligten Versicherungsträger" vom 21. November 2006 aktualisiert und leicht modifiziert, insbesondere der
Begriff "Beitragsbescheid" durch "Verwaltungsakt" ersetzt. Darüber hinaus wurde u.a. eine Passage eingefügt, wonach in besonders
problematischen Fällen, in denen die Einzugsstelle um Überprüfung des zum Teil langjährigen Versicherungsverhältnisses von
beschäftigten Familienangehörigen bzw. GmbH-Gesellschaftern angegangen wird und die Entscheidung möglicherweise auf das Vorliegen
einer selbstständigen Tätigkeit und damit auf eine regelmäßig durch die Rentenversicherungsträger vorzunehmende Beitragserstattung
hinauslaufen könnte, die Einzugsstelle unabhängig davon, ob ein Beitragserstattungsanspruch ganz oder teilweise verjährt war,
vor einer abschließenden Entscheidung ihre begründete Auffassung mit dem für die Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV zuständigen Rentenversicherungsträger abstimmen sollte. Abschnitt 3.2 der Verlautbarung wurde ebenfalls neu gefasst und enthielt
seither u.a. eine Bestimmung, wonach die Einzugsstelle dem Träger der Rentenversicherung eine Mehrfertigung des Verwaltungsaktes
nur dann übersendet, wenn sie nach Anhörung des Rentenversicherungsträgers eine von dessen Auffassung abweichende Entscheidung
trifft.
b. Diese Rechtsprechung, der sich der Senat grundsätzlich anschließt, ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
aa. Zum einen erging der hier streitgegenständliche Bescheid vom 13. März 2014 zu einem Zeitpunkt, als das Urteil des BSG vom 3. Juli 2013 bereits bekannt war.
(1) Diese Entscheidung erging ohne mündliche Verhandlung, wurde daher erst mit seiner Zustellung an die Beteiligten verkündet
(§
133 SGG) und vom BSG mit Tatbestand und Entscheidungsgründen am 7. Dezember 2013 auf seiner Website veröffentlicht. Da Urteile des BSG, die es auf seiner Website veröffentlicht, regelmäßig zeitgleich, allenfalls mit geringfügiger Verzögerung auch in der Juris-Datenbank
eingestellt werden, mussten spätestens ab dem 10. Dezember 2013 alle an den o.g. Vereinbarungen beteiligten Sozialversicherungsträger
ihr Verhalten daran ausrichten. Denn Rechtsprechungsänderungen sind grundsätzlich ab der Veröffentlichung der jeweiligen Entscheidung
des BSG zu beachten (BSG, Urteil vom 15. August 2012 - B 6 KA 38/11 R -, juris). Spätestens ab dem 10. Dezember 2013 war daher zu beachten, dass die bisherige Verwaltungspraxis, Statusbescheide
nur im Ausnahmefall den anderen Sozialversicherungsträgern bekannt zu geben, rechtswidrig war und nicht mehr fortgeführt werden
durfte, sondern stattdessen - entsprechend den gesetzlichen Anforderungen von § 12 Abs. 2, § 37 Abs. 1 und § 86 SGB X - stets allen betroffenen Sozialversicherungsträgern bekanntzugeben waren.
(2) Selbst dann, wenn man davon ausginge, dass eine Kenntnis des Urteils des BSG vom 3. Juli 2013 nicht schon ab der Veröffentlichung von Tatbestand und Entscheidungsgründen, d.h. spätestens ab dem 10.
Dezember 2013, verlangt werden darf, sondern auf den Zeitpunkt der vom BSG herausgegebenen Pressemitteilung hierzu, führte dies zum selben Ergebnis. Denn auch der diesbezügliche "Nachtrag zum Terminbericht
Nr. 32/13" vom 6. Februar 2014 machte deutlich, dass nach Auffassung des BSG die o.g. Gemeinsame Verlautbarung in mehrfacher Hinsicht mit gesetzlichen Vorgaben unvereinbar war.
(3) Auf eine förmliche Änderung der Vereinbarung kommt es nicht an, weil die Sozialversicherungsträger zum Abschluss solcher
Vereinbarungen gesetzlich nicht verpflichtet sind und die Bindung an sie demnach auf freiwilliger Basis geschieht. Unabhängig
hiervon verdient ein Vertrauen auf die Beibehaltung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis im Verhältnis zwischen
Behörden regelmäßig keinen Schutz (BSG, Urteil vom 01. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R -, juris, m.w.N.; BVerwGE 23, 25, 30; Rieker, jurisPraxisreport-Sozialrecht, 16/2011, Anm. 4).
bb. Unabhängig hiervon verstößt eine Berufung der Beklagten oder der Beigeladenen zu 1) und 2) auf die o.g. Entscheidung des
BSG gegen Treu und Glauben.
Das BSG hat sein o.g. Urteil vom 3. Juli 2013 insbesondere mit Vertrauensschutzaspekten zugunsten der am Verfahren beteiligten Arbeitgeber
und (potentiell) Versicherten begründet. Vertrauensschutz können die hiesigen Beigeladenen zu 1) und 2) nicht in Anspruch
nehmen, weil sie bzw. die a AG als ihre Bevollmächtigten das Verfahren in betrügerischer Weise durch kollusives Zusammenwirken
mit der Beklagten betrieben haben.
(1) Dass die a AG als Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1) und 2) im Verwaltungsverfahren und die Beklagte in betrügerischer
Weise zum Nachteil der Klägerin zusammengewirkt haben, entnimmt der Senat folgenden Umständen:
(a) Die a AG sah sich zur Umsetzung ihres Geschäftsmodells, mit dem sie durch die Vermittlung möglichst vieler Versicherungsverträge
viele Provisionsansprüche begründen wollten, offenkundig auf die Zusammenarbeit mit Krankenkassen oder zumindest einzelnen
Kassenmitarbeitern angewiesen. Dies belegen die in den Ermittlungsakten enthaltenen Visitenkarten leitender Kassenmitarbeiter
(häufig Vorstände) und die Korrespondenz mit einer Vielzahl von Krankenkassen, bei denen die a AG offensichtlich für ihr Geschäftsmodell
geworben hat. Schon dieser Umstand belegt aus Sicht des Senats die unlauteren Absichten der a AG.
Letztere zeigen sich auch im Verhalten gegenüber ihren Kunden (hier: den Beigeladenen zu 1) und 2). Diese wurden in mehrfacher
Hinsicht getäuscht, insbesondere indem - ihnen nur die letzte Seite der Feststellungsbögen zur Unterschrift vorgelegt wurde,
- ihnen verschwiegen wurde, dass mit der Einführung des §
7a SGB IV die Gefahr, dass die Bundesagentur für Arbeit im Fall der Arbeitslosigkeit zu einer anderen versicherungsrechtlichen Einschätzung
gelangt und deshalb keine Leistungen erbringt, wegen der über §
336 SGB III angeordneten Bindungswirkung gebannt war, - behauptet wurde, ein Kassenwechsel zur Beklagten sei für die Statusprüfung erforderlich
sowie - der Eindruck erweckt wurde, für die Erlangung der "Sozialversicherungsfreiheit" bedürfe es nur einer geschickten Darstellung.
(b) Zumindest mit dem Zeugen W traf die a AG Absprachen, die darauf gerichtet waren, dass dieser keine objektive Prüfung der
ihm vorgelegten Anträge vornahm, sondern das von der a AG gewünschte Ergebnis - den Erlass eines (Gefälligkeits-) Bescheids,
in dem eine Beschäftigung und somit auch eine Versicherungspflicht verneint wird - pflichtwidrig herbeiführte. Dies ergibt
sich insbesondere aus seiner E-Mail vom 2. September 2009 an ein Vorstandsmitglied (Herrn K) der a AG, in der er u.a. schreibt:
"da wir ja künftig alle versicherungsrechtlichen Beurteilungen mit einem entsprechenden Vertrag belegen wollen, übersende
ich Ihnen in der Anlage eine detailliertere Fassung/Entwurf eines weisungsfreien Vertrages. Wir sollten die zukünftigen Verträge
vielleicht so gestalten. Falls Sie aber Änderungswünsche oder noch Anregungen haben können wir diese auch gerne umsetzen."
Dieser Nachricht ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Zeuge W den Erlass der von der a AG gewünschten Bescheide auch als
sein Anliegen ("wir") ansah und er über seine Aufgaben als Krankenkassenmitarbeiter, Antragsteller zu beraten und Anträge
zu prüfen, hinaus aktiv an der "sicheren" Gestaltung einer entsprechenden Tatsachenlage - insbesondere durch Formulierung
"geeigneter" Verträge - mitwirkte.
Dieses Verhalten des Zeugen setzte sich auch noch fort, nachdem die Beklagte im Zusammenhang mit der Einzugsstellenprüfung
Ende März 2014 von der Klägerin auf die Fragwürdigkeit ihres Vorgehens hingewiesen worden war. So machte er unter dem 25.
Juli 2014 der a AG (Herrn K) ausführlich Gestaltungsvorschläge für eine künftige "rechtssichere Beurteilung von mitarbeitenden
Ehegatten und Angehörigen in Einzelfirmen", z.B. in Gestalt von "Handlungsvollmachten oder- Generalvollmachten mit weitreichenden
unternehmerischen Befugnissen, insbesondere Zustimmungsbefugnisse und/oder Vetorechte", die "Übernahme von Bürgschaften oder
die Gewährung von Darlehen für den Betrieb", die "durchaus auch rückwirkend schriftlich dokumentiert werden könnten". Dass
er in zwei E-Mails vom 20. Juni 2014 an Herrn K darum bat, er müsse die Unterlagen "nochmal als Kopie mit einem Anschreiben
datiert aus dem April zu [seinen] Händen persönlich bekommen" bzw. die Unterschriften unter den Arbeitsverträgen müssten "mit
einem Datum aus März oder spätestens April 2014 versehen sein [ ]. Passt sonst nicht wegen der Bescheiddaten", belegt außerdem,
dass entweder der Bescheid schon vor "Kenntnis" des Arbeitsvertrages fertiggestellt war oder der Bescheid zurückdatiert wurde
(etwa in der Absicht, ihn hierdurch einer fristgemäßen Anfechtung durch die Klägerin zu entziehen).
Der Senat geht aufgrund dieses Verhaltens des Zeugen W davon aus, dass die gesamten Verfahrensabläufe seitens der a AG (zumindest)
mit ihm abgestimmt waren, um nach außen den Eindruck eines ordnungsgemäßen Verfahrens zu erwecken.
(c) Auch wenn die Stellungnahmen von (z.T. ehemaligen) Mitarbeitern der mhplus Betriebskrankenkasse sowie Gespräche der Strafverfolgungsbehörden
mit diesen es möglich erscheinen lassen, dass das Geschäftsmodell der a AG auch ohne Wissen des Vorstands einer Krankenkasse
bei dieser "installiert" werden konnte, belegen die beigezogenen Ermittlungsakten darüber hinaus, dass auch der Vorstand der
Beklagten in das betrügerische Handeln der a AG und des Zeugen W involviert war. So wandte sich ein Vorstand der a AG (Herr
K) per Mail unmittelbar an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten (Herrn Sch), weil "Briefpost, aus dem Zeitrahmen ca. 14.
April bis ca. 30. April [ ] nicht angekommen" sei. Ferner finden sich handschriftliche Aufzeichnungen von leitenden Mitarbeitern
der a AG über eine "Besprechung" mit den beiden Vorständen der Beklagten, die stichworthafte Formulierungen wie "Vertrauen
gegenseitig" oder "In guten wie in schwierigen Zeiten hielt man zueinander" beinhalten. Anlässlich eines Gesprächs am 16.
Juni 2014 mit den beiden Vorständen der Beklagten (Herrn Sch, Herrn Ke) sowie deren Mitarbeiterin Frau Hö - sie war als Leiterin
des "Profitcenter Versicherungen" damalige Vorgesetzte des Zeugen W - sagte Herr Ke ("hat sein Wort gegeben") den Erlass weiterer
Bescheide "persönlich" zu. Darüber hinaus fand ein Termin mit Herrn Sch am 10. Juli 2014 statt. "In den beiden Wochen 28.7.
bis 8.8." sollte "mit Anwalt und H. Ke Einigung" erzielt werden.
Der Senat ist sich bewusst, dass er diese Feststellungen ausschließlich Vermerken von Mitarbeitern der a AG entnimmt und daher
deren ggf. interessengeleitete Sichtweise nicht außer Acht gelassen werden darf. Denn die Vermerke stammen aus einer Zeit,
als die Beklagte infolge der Einzugsstellenprüfung durch die Klägerin im März 2014 und der zahlreichen Klageerhebungen ab
April 2014 ihre bisherige Praxis offensichtlich nicht mehr uneingeschränkt fortsetzen wollte, hiervon die a AG unterrichtet
hatte und diese - wie sich aus weiteren Vermerken ergibt - die Beklagte mit Hinweisen auf das Bundesversicherungsamt und mögliche
Amtshaftungsansprüche von Arbeitgebern und Beschäftigten unter Druck zu setzen versuchte. Auf der anderen Seite ist aber auch
zu berücksichtigen, dass die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter weder im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren noch im hiesigen
Rechtsstreit dieser Darstellung durch die a AG entgegen getreten sind, obwohl ihnen die Vermerke aus beiden Verfahren - im
Ermittlungsverfahren war den Verteidigern aller Beschuldigten Akteneinsicht gewährt worden - bekannt waren. Die Einschätzung
des Senats, dass auch der Vorstand der Beklagten von der unlauteren Vorgehensweise der a AG und dem Zeugen W wusste, wird
bestätigt durch eine auch Herrn Ke zugeleitete E-Mail der Beklagten-Mitarbeiterin Hö vom 15. August 2014 an zwei Vorstände
der a AG (Herrn W, Herrn K) mit Vorschlägen zu Muster-Arbeitsverträgen, damit "die Rechtsmacht / das Mit-Unternehmertum stärker
herausgestellt werden" können.
(d) Die Beklagte hat zur Umsetzung ihrer Absprachen mit der a AG bei der Durchführung der Statusprüfungsverfahren in schwerwiegender
Form gegen geltendes Recht verstoßen.
(aa) Die Beklagte hat die Bevollmächtigung der a AG hingenommen, obwohl diese nicht über eine Befugnis nach dem RDG verfügte und daher nach § 13 Abs. 5 SGB X hätte zurückgewiesen werden müssen. Denn Versicherungsvermittler dürfen in Anfrageverfahren zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen
Status eines Erwerbstätigen nicht gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund als Verfahrensbevollmächtigte auftreten
(vgl. BSG, Urteil vom 05. März 2014 - B 12 R 7/12 R -, in Bestätigung von SG Duisburg, Urteil vom 21. Oktober 2011 - S 29 R 575/10 -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 08. Oktober 2009 - 4 U 113/09 -; jeweils juris).
Dass § 13 Abs. 5 SGB X durch die Beklagte nicht nur bei der hiesigen Statusprüfung, ggf. also nur versehentlich, unbeachtet blieb, beweist die Aussage
des Zeugen W bei seiner Vernehmung durch den Senat. Danach haben die Mitarbeiter der Beklagten "damals nicht geprüft, ob ein
Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vorgelegen hat"; er "hätte auch nicht gewusst, wie [er] solch eine Prüfung vornehmen soll"; ihnen habe "gereicht, dass eine
Vollmacht vorlag."
Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass regelmäßig auch eine Vollmacht für Rechtsanwalt F
eingereicht wurde. Denn mit diesem hat sie keinerlei Korrespondenz geführt, sondern ausschließlich mit der a AG.
(bb) Die Beklagte hat im Rahmen der Statusprüfung nicht alle Umstände des Einzelfalls gewürdigt.
Hierzu war sie jedoch nicht nur nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (seit dem Urteil vom 5. April 1956 - 3 RK 65/55 -, juris), sondern auch nach der "Gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beschäftigung von
Angehörigen" vom 11. November 2004 und der sie ersetzenden, inhaltsgleichen Anlage 4 zum "Gemeinsamen Rundschreiben zur Statusfeststellung
von Erwerbstätigen" vom 13. April 2010 verpflichtet. In beiden Vereinbarungen der (damaligen) Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger
heißt es unter "1.2 Voraussetzungen der Versicherungspflicht", dass die "Frage, ob zwischen Angehörigen eine Beschäftigung
gegen Arbeitsentgelt vorliegt, [ ] sich nach den gleichen Grundsätzen [beurteilt], wie sie allgemein für die Beurteilung der
Versicherungspflicht maßgebend sind". Als Beleg wird auf das o.g. Urteil des BSG vom 5. April 1956 verwiesen.
Allein der Umstand, dass die Beklagte diese Entscheidung und die Wendung "Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls"
im angefochtenen Bescheid zitiert, belegt noch nicht, dass sie das entsprechende Prüfprogramm auch durchgeführt hat. Sie hat
vielmehr - entsprechend der offenkundig bestehenden Übereinkunft mit der a AG, in möglichst vielen Fällen eine versicherungspflichtige
Beschäftigung zu verneinen - die weitgehenden inhaltlichen und formellen Übereinstimmungen (in sämtlichen Feststellungsbogen
nahezu identische Angaben mit wörtlich weitgehend identischen Ergänzungen in derselben Handschrift, weitgehend identische
Formulierungen in den eingereichten Arbeitsverträgen u.ä.) ebenso ignoriert wie zahlreiche Ungereimtheiten und Widersprüche,
die bei unbefangener und pflichtgemäßer Herangehensweise Anlass zu weiteren Ermittlungen hätten geben müssen: Im hiesigen
Fall soll - nach den Angaben im Feststellungsbogen - die Beigeladene zu 2) in einem Taxi-Unternehmen ihre Tätigkeit an sieben
Arbeitstagen bei "Lieferant" ausüben; beim Betrieb der Beigeladenen zu 1) soll es sich um eine Personengesellschaft in der
Rechtsform der "Einzelfirma" handeln. Bei der (in der Gesamtheit der Fälle weitgehend übereinstimmenden) Beschreibung der
zu prüfenden Tätigkeit finden sich im Einzelfall offensichtlich unzutreffende Aufgaben, etwa die Zuständigkeit der Beigeladenen
zu 2) für "Dekoration" und "Lieferscheinkontrolle" im Taxi-Unternehmen der Beigeladenen zu 1).
Dass die Beklagte die Umstände des Einzelfalls außer Acht gelassen hat, setzt sich im angefochtenen Bescheid fort, der - von
sehr wenigen individuellen Anpassungen abgesehen, wie z.B. dem Datum, ab dem der neue Arbeitsvertrag gelten soll - nur aus
Textbausteinen besteht, die sich wortgleich auch in den Bescheiden der zahlreichen anderen Fälle wiederfinden.
Außerdem hat die Beklagte nur eine oberflächliche Prüfung vorgenommen und im Rahmen der Sachentscheidung gewichtige Kriterien,
die das BSG seit Jahrzehnten der Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit zugrunde legt, völlig unberücksichtigt gelassen.
So hat die Beklagte folgende Umstände nicht beachtet, die für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 2) sprechen: das Fehlen
jeglichen Unternehmerrisikos und die Zahlung gleichbleibender Bezüge (ständige Rechtsprechung des BSG spätestens seit dem Urteil vom 11. August 1966 - 3 RK 57/63 -, juris); Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (ständige Rechtsprechung des BSG spätestens seit dem Urteil vom 24. Juni 1982 - 12 RK 45/80 -, juris).
(cc) Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid gegen Denkgesetze verstoßen, indem sie ihn auf unauflösbare Widersprüche gestützt
hat. Dies gilt zum einen für die Feststellung "Weiterhin unterliegen Sie nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers und dieses
Weisungsrecht wird auch tatsächlich nicht ausgeübt": Denn ein Weisungs-/Direktionsrecht, das nicht besteht, kann auch nicht
ausgeübt werden. Zum anderen ist es unvereinbar, wenn die Beklagte einerseits feststellt, die Beigeladene zu 2) wirke an der
Führung des Betriebes mit, andererseits müsse aber ohne ihre Mitarbeit keine fremde Arbeitskraft eingestellt werden. Denn
eine Tätigkeit, die für den Betrieb so unbedeutend ist, dass sie nicht durch eine andere Person ersatzweise verrichtet werden
muss, kann nicht zugleich eine leitende Tätigkeit sein.
(dd) Die Beklagte hat gesetzliche Vorgaben so interpretiert bzw. interne Verfahrensabläufe so gestaltet, dass Anträge der
Beklagten als Einzugsstelle nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV regelmäßig ausgeschlossen waren. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge W angegeben, dass er auch in Kenntnis des Verwandtschaftsverhältnisses
keinen Anlass zu einem Antrag bei der Klägerin nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV gesehen hat, solange zwar noch keine Arbeitgebermeldung, wohl aber sonstige Unterlagen, wie z.B. ein Antrag auf Kassenwechsel
oder ein Antrag auf Statusprüfung vorlagen. Wenn die Unterlagen innerhalb der Beklagten erst einmal bis zu ihm gelangt seien,
sei er von einer Zuständigkeit der Beklagten ausgegangen. Demnach hat der Zeuge offenkundig angenommen, allein die Tatsache,
dass bei irgendeinem Mitarbeiter der Beklagten Unterlagen zur Statusprüfung vorlagen, bevor sie an ihn weitergereicht wurden,
habe im Hinblick auf §
7a Abs.
1 Satz 1, 2. Halbs.
SGB IV zur (vorrangigen) Zuständigkeit der Beklagten als Einzugsstelle geführt. Dass diese irrige Sichtweise jegliches obligatorische
Verfahren nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV ausschließt (und daher nicht gesetzeskonform sein kann), hat der Zeuge bei seiner Vernehmung eingeräumt. Die Beklagte muss
sich diese Vorgehensweise vorhalten lassen, unabhängig davon, ob sie von ihrem Vorstand bewusst gestaltet oder aus Unwissenheit
geduldet wurde.
(2) Unerheblich ist, dass den Beigeladenen zu 1) und 2) persönlich der Vorwurf unlauteren Verhaltens ggf. nicht gemacht werden
kann. Denn sie müssen sich das Verhalten der a AG als ihrer Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen.
(a) Zwar ist im Zusammenhang mit den Vertrauensschutzregelungen der § 45 SGB X nicht abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen das Verhalten und die Kenntnis Dritter dem von der Aufhebung eines
Bescheids Betroffenen zuzurechnen ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. August 2006 - 1 BvR 955/06 -, juris; Steinwedel, jurisPraxisreport-SozR 21/2017 Anm. 4). Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass Verschulden eines
Vertreters uneingeschränkt zuzurechnen sei (Heße, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht,
Stand: 1. September 2017, SGB X § 45 Rn. 23f, m.w.N.). Andere Auffassungen differenzieren, entweder danach, ob die Vertretung durch den Dritten auf gesetzlicher
oder gewillkürter (rechtsgeschäftlicher) Grundlage erfolge (Padé, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X (Stand: 1. Dezember 2017, § 45, Rd. 86, 97; Schütze, in: v. Wulffen/Schütze, 8.A., SGB X § 45 Rn. 51; Mrozynski, SGb 1993, 13; jeweils m.w.N.), oder danach, ob Wissen oder ein Verhalten zugerechnet werden sollten (Merten in: Hauck/Noftz, SGB, 08/17,
§ 45 SGB X, Rd. 79ff; Schütze, a.a.O., Rn. 59; jeweils m.w.N.). Demgegenüber ist zu § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz, der Parallelvorschrift im (allgemeinen) Verwaltungsverfahrensrecht, weitgehend einhellige Meinung, dass grundsätzlich Wissen
und Verhalten jeglicher Vertreter zuzurechnen sind (vgl. nur Stelkens/Bonk/Sachs/, 9.A., Verwaltungsverfahrensgesetz § 48 Rn. 148ff).
(b) Jedoch gilt gemäß § 49 SGB X u.a. § 45 Abs. 1 bis 4 SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder
während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder
der Klage stattgegeben wird. Diese Vorschrift ist hier anzuwenden, weil die Klägerin als Dritte einen die Beigeladenen zu
1) und 2) begünstigenden Verwaltungsakt anficht.
cc. Sind nach alledem die im Urteil des BSG vom 3. Juli 2013 aufgestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, kann der Klage nicht der Einwand der
Verwirkung entgegengehalten werden. Dies gilt umso mehr, als das für jede Verwirkung unabdingbare Zeitmoment hier angesichts
eines Zeitraums von sechs Wochen zwischen dem Erlass des Bescheids (13. März 2014) und der Klageerhebung (24. April 2014)
nicht gegeben ist.
B. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. März 2014 ist rechtswidrig (hierzu II.), weil sie für
seinen Erlass nicht zuständig war (hierzu I.). Dies verletzt die Klägerin in eigenem Recht (hierzu III.).
I. Die Beklagten hätte den Bescheid vom 13. März 2014 nicht erlassen dürfen, weil allein die Klägerin nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV zur Entscheidung befugt war. Dies ergibt sich aus dem Regelungsgefüge dieser Vorschrift i.V.m. den melderechtlichen Bestimmungen.
1. §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV wurde durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2954) mit Wirkung
zum 1. Januar 2005, in der ersten Tatbestandsalternative zunächst bezogen auf "Angehörige", eingeführt. Der Gesetzgeber reagierte
hiermit darauf die unbefriedigende Situation, dass in "der täglichen Praxis der Arbeitsverwaltung [ ] immer wieder der Fall
vor[komme], dass Unternehmen (Arbeitgeber) für im Betrieb mitarbeitende Ehegatten oder sonstige enge Familienangehörige -
ohne Prüfung des Status der Betroffenen - Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit abführen" und erst "bei Verlust der Erwerbstätigkeit
der Betroffenen [ ] sich heraus[stelle], dass Ansprüche auf Arbeitslosengeld nicht bestehen, weil die Familienangehörigen
keine abhängig Beschäftigten, sondern Mitinhaber des Familienbetriebes gewesen" seien. Das gleiche Problem trete bei Gesellschafter-Geschäftsführern
von Gesellschaften mit beschränkter Haftung auf und sei auch darauf zurückzuführen, dass von der Möglichkeit, über § 336 Sozialgesetzbuch / Drittes Buch eine Bindung der Arbeitsverwaltung an Statusentscheidungen der Einzugsstelle (nach §
28h SGB IV) oder eines Rentenversicherungsträgers (nach § 28p Abs.
1 Satz 5 oder §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV) zu erlangen, nicht von allen Personen Gebrauch gemacht werde. Diese für die Betroffenen unbefriedigende Rechtslage lasse
sich durch "die Erweiterung des Meldeverfahrens durch Ergänzung um besondere Kennziffern, nach der der Arbeitgeber einen mitarbeitenden
Familienangehörigen oder das Rechtsverhältnis als Gesellschaftsgeschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
besonders auszuweisen hat", "die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte"
sowie "die leistungsrechtliche Bindung der Bundesanstalt für Arbeit an den Verwaltungsakt der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte beheben" (Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit u.a. zu dem Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drs. 15/1749, S. 35).
Als Folgeregelung wurde zugleich §
28a Abs.
3 Satz 1
SGB IV um die Nrn. 10 und 11 ergänzt, wonach die Meldungen für jeden Beschäftigten insbesondere "die Angabe, ob er zum Arbeitgeber
in einer Beziehung als Ehegatte, Lebenspartner, Verwandter oder Verschwägerter in gerader Linie bis zum zweiten Grad steht"
und "die Angabe, ob er als geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung tätig ist", enthielten.
Mit Wirkung zum 30. März 2005 wurde diese Ergänzung gestrichen und - beschränkt auf Ehegatten und Lebenspartner, im Übrigen
wortgleich - in §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 lit. d) und e)
SGB IV eingefügt (Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März
2005, BGBl. I 818), um "die Neuordnung des Feststellungsverfahrens für mitarbeitende Ehegatten und geschäftsführende Gesellschafter
[ zu] präzisieren." Ziel war ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4228, S. 23), dass bei Anmeldung einer Beschäftigung
sofort durch das Statusfeststellungsverfahren verbindlich festgestellt [werde], ob es sich um eine versicherungspflichtige
Beschäftigung handele oder nicht. Auf die Ausdehnung des Verfahrens auf weitere Angehörige [werde] mit Blick auf vermeidbaren
Verwaltungsaufwand verzichtet, da Probleme in der Praxis in diesem Bereich nicht bekannt seien.
Durch das Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I 3024) wurde §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 lit. d)
SGB IV erneut geändert und - so die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/6540 S. 24) - "auf Wunsch aus der betrieblichen Praxis zur einfacheren
Feststellung des Versichertenstatus mitarbeitender Familienangehöriger das Merkmal 'Abkömmling' in die Anmeldung aufgenommen."
Die Regelung solle die vereinfachte Erfassung dieser Personengruppe insbesondere in kleineren handwerklichen Betrieben, in
denen eine Mitunternehmereigenschaft häufiger gegeben sei, ermöglichen. In §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV hat das Zweite Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I 2933) mit Wirkung zum 1. Januar 2009 diese Änderung als "redaktionelle
Klarstellung des Begriffs 'Angehöriger'" (BT-Drs. 16/10488 S. 15) mittels Ersetzung durch "Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling"
nachvollzogen.
2. Das BSG (Urteil vom 28. September 2011 - B 12 KR 15/10 R -, juris) hat bezüglich der bis Ende 2007 geltenden Rechtslage für die Auslegung des Begriffs "Angehöriger" in §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV auf die melderechtlichen Vorgaben in §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 lit. d) rekurriert. Diese Rechtsauffassung teilt der Senat. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass zur Auslegung von
§
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV ausschließlich §
28a SGB IV heranzuziehen und daher mit dem Begriff "Meldung des Arbeitgebers (§ 28a)" nur eine Anmeldung i.S.v. §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 SGB IV gemeint ist.
a. Den o.g. Begründungen zum Verwaltungsvereinfachungsgesetz (BT-Drs. 15/4228, S. 23) und zum Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (BT-Drs. 16/6540 S. 24) lässt sich zwar die Vorstellung des Gesetzgebers entnehmen, Angaben zum Verwandtschaftsverhältnis
seien bei der Anmeldung und somit beim Beginn einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu machen. Im Wortlaut von §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV hat diese Vorstellung indes keinen Niederschlag gefunden, wie die unverändert gebliebene Formulierung "bei der Meldung des
Arbeitgebers (§ 28a)" belegt. Nach dem Wortlaut von §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV besteht die Pflicht zur Einleitung des obligatorischen Statusfeststellungsverfahrens somit auch dann, wenn aus einer Meldung
i.S.v. §
28a SGB IV, die keine Anmeldung i.S.v. §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 SGB IV darstellt, die Eigenschaft einer nahen Verwandtschaft zum Arbeitgeber hervorgeht.
b. Aber auch dann, wenn man die Formulierung "aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a)" i.S. einer Beschränkung auf Anmeldungen
versteht, wäre die Beklagte zu einem Antrag nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV verpflichtet gewesen.
aa. Eine parlamentsgesetzliche Legaldefinition für den - i.Ü. nur noch in §
28a Abs.
3a Satz 2
SGB IV verwendeten - Begriff "Anmeldung" findet sich im
SGB IV nicht. Von der Ermächtigung in §
28c SGB IV, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über das Melde- und Beitragsnachweisverfahren zu bestimmen,
insbesondere, welche zusätzlichen, für die Verarbeitung der Meldungen und Beitragsnachweise oder die Durchführung der Versicherung
erforderlichen Angaben zu machen sind (Nr. 3 der Vorschrift), hat der Verordnungsgeber durch Erlass der zum 1. Januar 1999
in Kraft getretenen Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV) Gebrauch gemacht und in § 6 DEÜV ("Anmeldung") bestimmt, dass der Beginn einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit der ersten folgenden Lohn- und Gehaltsabrechnung,
spätestens innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Beginn, zu melden ist. Eine Anmeldung i.S. dieser Vorschrift bezieht sich
daher auf den jeweiligen Beginn einer versicherungspflichtigen Beschäftigung.
bb. Der Verordnungsgeber hat indes - in zulässiger Umsetzung der o.g. Ermächtigung - den Begriff der Anmeldung weiter gefasst.
Denn auch nach dem Beginn einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sind gemäß § 12 Abs. 1 DEÜV - insoweit seit 1999 unverändert - eine Ab- und eine Anmeldung zu erstatten, wenn die bisher gemeldete Beitragsgruppe, der
Personengruppenschlüssel oder die Krankenkasse des Beschäftigten sich ändert. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass
auch die Meldung eines Krankenkassenwechsels durch die Beigeladene zu 1) eine Anmeldung und mithin die Angaben nach §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 lit. d)
SGB IV erforderlich machte.
c. Ohne Bedeutung bleibt hierbei, dass die Meldung der Beigeladenen zu 1) solche Angaben tatsächlich nicht enthielt (hierzu
aa.) oder die von der Beklagten verwendete Software diese Angaben nicht zuließ (hierzu bb.).
aa. Zu Recht weist das Sozialgericht auf die Pflicht der Beklagten als Einzugsstelle hin, dafür zu sorgen, dass die Meldungen
rechtzeitig erstattet werden, die erforderlichen Angaben vollständig und richtig enthalten sind und die Meldungen rechtzeitig
weitergeleitet werden (§
28b Abs.
1 Satz 3
SGB IV in der bis zum 30. Juni 2015 geltenden Fassung, seither - leicht modifiziert - §
98 Abs.
1 Satz 3
SGB IV). Dem hat die Beklagte bei Eingang der Meldung der Beigeladenen zu 1) aus Anlass des Krankenkassenwechsels nicht entsprochen,
weil sie die Beigeladene zu 1) nicht auf die Erforderlichkeit einer Anmeldung, zumindest aber nicht auf die notwendigen Angaben
nach §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 lit. d)
SGB IV hingewiesen hat, obwohl sie aufgrund der bisherigen Angaben im Verfahren, insbesondere im Feststellungsbogen, wusste, dass
die Beigeladene zu 2) die Tochter der Beigeladenen zu 1) ist.
Dem kann nicht entgegen gehalten werden, die Beklagte dürfe die nahe Verwandtschaft der Beigeladenen zu 1) und 2) allein deshalb
ignorieren, weil die Kenntnis hiervon nicht aus einer "Meldung des Arbeitgebers (§ 28a)" stammt. Auf dieses auch vom Zeugen
W anlässlich seiner Vernehmung durch den Senat geäußerte Argument kann sich die Beklagte wegen Treuwidrigkeit nicht berufen.
Denn der Gesetzgeber ist im Zusammenhang mit den Regelungen des §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV - selbstverständlich - von einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Meldung des Arbeitgebers ausgegangen. Die Beklagte hat
demgegenüber - wie gezeigt - nicht nur ihre Pflicht verletzt, auf vollständige und richtige Angaben hinzuwirken, sondern auch
in kollusivem Zusammenwirken mit der a AG das gesamte Verfahren in rechtswidriger Weise durchgeführt. Unter diesen Umständen
darf eine Einzugsstelle Angaben nicht allein deshalb ignorieren, weil sie ihr nicht auf dem nach dem Gesetzeswortlaut vorgesehenen
Übermittlungsweg bekannt geworden sind, sondern auf andere - zulässige - Weise (Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl. 2016, §
7a, Rd. 107; für eine Berechtigung der Einzugsstelle, in solchen Fällen einen Antrag nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV zu stellen: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 04. Dezember 2012 - L 11 R 44/11 -, juris; a.A. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juni 2010 - L 5 KR 5179/08 -, juris; Baier in Krauskopf,
SGB IV, §
7a RdNr 5c; für einen anders gelagerten Einzelfall auch Senat, Urteil vom 15. Februar 2012 - L 9 KR 332/09 -, juris). Für ein vom Zeugen wohl postuliertes "Sich-Dumm-Stellen-Dürfen" finden sich weder im Gesetz noch in den Gesetzgebungsmaterialien
irgendwelche Hinweise.
bb. Grundsätzlich obliegt es - auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts - jeder Behörde (bzw. ihrem Träger), die für
die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderliche technische Ausstattung vorzuhalten. Dies gilt insbesondere, soweit
das Gesetz die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben mit elektronischen Hilfsmitteln vorsieht. Alle am Meldeverfahren nach dem
SGB IV beteiligten Sozialversicherungsträger müssen daher Hard- und Software vorhalten bzw. zur Verfügung stellen, die seine ordnungsgemäße
Durchführung gewährleisten. Sollte die von der Beklagten eingesetzte Software daher bei der Meldung eines Krankenkassenwechsels
entgegen § 12 Abs. 1 DEÜV i.V.m. §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 lit. d)
SGB IV die Angabe des nahen Verwandtschaftsverhältnisses nicht erlaubt haben, kann dies nicht zu Lasten anderer Sozialversicherungsträger
gehen. Auf unzureichende eigene Software kann sich eine Behörde im Verhältnis zu den Adressaten ihrer Bescheide grundsätzlich
nicht berufen.
3. Die (Allein-)Zuständigkeit der Klägerin ist im Hinblick auf §
7a Abs.
1 Satz 1, 2. Halbs
SGB IV nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte als Einzugsstelle bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung
eingeleitet hatte. §
7a Abs.
1 Satz 1, 2. Halbs.
SGB IV ist auf das obligatorische Verfahren nach §
7a Abs.
2 SGB IV nicht anzuwenden. Der Senat folgt insoweit gem. §
153 Abs.
2 SGG den überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts.
4. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Sozialversicherungsträger übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass ein
Wechsel der Krankenkasse bzw. die diesbezügliche Meldung keine Antragspflicht der Einzugsstelle nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV auslöst.
a. Nach dem Ergebnis der "Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger,
der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und der Bundesagentur für Arbeit zu Fragen des gemeinsamen Meldeverfahrens"
(dort unter Nr. 1) vom 17. November 2004 waren "ausschließlich Anmeldungen mit Meldegrund 10 (Aufnahme einer Beschäftigung)
und nicht Anmeldungen mit den Meldegründen 11 (Krankenkassenwechsel), 12 (Beitragsgruppenwechsel) oder 13 (sonstige Gründe,
Änderungen im Beschäftigungsverhältnis) zu überprüfen. Bei Anmeldungen mit den Meldegründen 11, 12 oder 13 [sei] die Versicherungspflicht
bereits aufgrund der vorausgegangenen Anmeldung überprüft" worden (inhaltlich gleichlautend: Gemeinsames Rundschreiben vom
11. November 2004 über die "Gemeinsamen Grundsätze zur leistungsrechtlichen Bindung der Bundesagentur für Arbeit an Bescheide
in Statusfeststellungsverfahren für Ehegatten/Lebenspartner und GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer", dort Nr. 3.2). Dieser
Standpunkt wurde im Gemeinsamen Rundschreiben von GKV-Spitzenverband, Deutsche Rentenversicherung Bund und Bundesagentur für
Arbeit zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen (dort Nr. 5) vom 13. April 2010 bestätigt, jedoch um die Feststellung ergänzt,
dass dann, wenn eine Anmeldung unzutreffend ohne Meldegrund "10" vorgenommen wurde, die korrekte Anmeldung nachzuholen und
das obligatorische Statusfeststellungsverfahren entsprechend einzuleiten ist.
Die Besprechungsergebnisse und Rundschreiben der Spitzenverbände stellen lediglich dachverbandliches, durch Vereinbarungen
der Trägerverbände erzeugtes Verwaltungsbinnenrecht zu versicherungszweigübergreifenden Fragen u.a. des Beitragseinzugs und
Melderechts, mithin bloße (dachverbandliche) Vereinbarungen über gemeinsam erarbeitete Entscheidungsmaßstäbe dar, die von
den Trägerverbänden im eigenen Bereich ohnehin erst noch umgesetzt werden müssen. Sie kommen als Anknüpfungstatbestand für
einen eine Selbstbindung auslösenden (administrativen) "Normsetzungs"-Willen schon von daher nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 - B 12 R 2/11 R -, juris). Besprechungsergebnisse und Rundschreiben der Spitzenverbände können somit gesetzliche Pflichten nicht derogieren.
Die Vereinbarung abweichender (hier: eingeschränkter) Entscheidungszuständigkeiten ist mangels gesetzlicher Öffnungsklausel
in §
7a SGB IV mit höherem Recht unvereinbar (Berchtold, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht,
SGB IV §
7 Rn.).
b. Unabhängig hiervon hätte die Beklagte - entsprechend der o.g. Ergänzung im Gemeinsamen Rundschreiben vom 13. April 2010
- im vorliegenden Fall ein obligatorisches Statusfeststellungsverfahren einleiten müssen, weil die (An-)Meldung der Beigeladenen
zu 1) unzutreffenderweise nicht den Meldegrund "10" enthielt und sie dies wusste. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen,
dass nach dem von den Beigeladenen zu 1) und 2) bzw. der a AG als ihrer Bevollmächtigten erweckten Eindruck das Vertragsverhältnis
zwischen diesen Beigeladenen ab dem 1. Februar 2014 neu strukturiert werden sollte, was einer Neubegründung des Beschäftigungsverhältnisses
gleichsteht. Auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts sei an dieser Stelle gemäß §
153 Abs.
2 SGG verwiesen. Zu ergänzen bleibt, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid ebenfalls von einem "Beginn der Tätigkeit [am]
01.01.2014" ausgeht. Anders ließe sich auch nicht erklären, dass sie, obwohl der Antrag auf Statusfeststellung zeitlich keine
Einschränkung enthielt, die Versicherungspflicht nicht schon ab dem Beginn der Mitgliedschaft der Beigeladenen zu 2) geprüft
hat.
II. Der Verstoß gegen die sachliche (Allein-)Zuständigkeit der Klägerin führt zur Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 13. März
2014. Hat die sachlich unzuständige Behörde über einen Antrag entschieden, führt allein dies schon zur Rechtswidrigkeit des
erlassenen Bescheids. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 42 Satz 1 SGB X, wonach allenfalls die Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit unbeachtlich sein kann. Da der Mangel
der sachlichen Unzuständigkeit auch nicht nach § 41 SGB X unbeachtlich ist, führt er unmittelbar zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide (BSG, Urteile vom 03. September 1998 - B 12 KR 23/97 R - und vom 11. Dezember 1987 - 12 RK 22/86 -, juris, jeweils m.w.N.; Senat, Urteil vom 15. Dezember 2015 - L 9 KR 132/13 -, juris).
III. Die aus der fehlenden Zuständigkeit der Beklagten resultierende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids verletzt
die Klägerin in eigenen Rechten.
1. (Auch) eine verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung kann der durch sie begünstigten Behörde ein subjektives öffentliches
Recht einräumen. Von solcher Qualität ist eine Verfahrensvorschrift aber nur dann, wenn sie nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs
- insbesondere einer umfassenden Information der Behörde - dient, sondern ihr in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen
Recht eine eigene, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren will, sei es im Sinne eines Anspruchs
auf die ordnungsgemäße Beteiligung an einem (anderweitig) eingeleiteten Verwaltungsverfahren, sei es im Sinne eines Anspruchs
auf die Durchführung eines bestimmten Verwaltungsverfahrens überhaupt. Die Frage, ob eine solche verfahrensrechtliche Rechtsposition
im Rahmen einer konkreten gesetzlichen Regelung anzunehmen ist, beantwortet sich dabei nicht nach der Art und Beschaffenheit
desjenigen materiellen Rechts, auf das sich das vorgeschriebene Verwaltungsverfahren bezieht, sondern allein nach der Zielrichtung
und dem Schutzzweck der Verfahrensvorschrift selbst. Aus ihrem Regelungsgehalt muss sich ergeben, dass die Regelung des Verwaltungsverfahrens
mit einer eigenen Schutzfunktion ausgestattet ist, und zwar in der Weise, dass die begünstigte Behörde allein unter Berufung
auf einen sie betreffenden Verfahrensmangel, d.h. ohne Rücksicht auf die Entscheidung in der Sache, die Aufhebung bzw. den
Erlass einer verfahrensrechtlich gebotenen behördlichen Entscheidung gerichtlich soll durchsetzen können (vgl. BVerwG, Urteile
vom 16. Dezember 1988 - 4 C 40/86 -, vom 22. Juni 1979 - 4 C 40.75 -, vom 11. Dezember 1978 - 4 C 13.78 - und vom 14. Dezember 1973 - IV C 50.71 -; SG Berlin, Urteil vom 09. Oktober 2015 - S 211 KR 692/14 -; jeweils juris).
2. Eine solche Zielrichtung lässt sich auch §
7a Abs.
1 Satz 2,
3 SGB IV entnehmen.
a. Der Gesetzgeber hat den Einzugsstellen die nach §
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV grundsätzlich bestehende Zuständigkeit für die Entscheidung über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in den Fällen des §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV bewusst entzogen und auf die Klägerin übertragen. Den o.g. Gesetzesbegründungen, die durch die Antwort der Bundesregierung
vom 13. April 2005 auf eine Kleine Anfrage bestätigt wird (BT-Drs. 15/5251, S. 5) lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber
- auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie - eine Verfahrenskonzentration bei der Klägerin für bestimmte näher eingegrenzte
Personengruppen beabsichtigte, um Entscheidungen nach einheitlichen Kriterien herbeizuführen, die auch die Arbeitsverwaltung
nach §
336 SGB III binden sollten (Knospe, in: Hauck/Noftz,
SGB IV, §
7a Rd. 22; Rittweger, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online Kommentar Sozialrecht, Stand 1. September 2017,
SGB IV §
7a Rn. 19; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 04. Dezember 2012 - L 11 R 44/11 -, juris). Damit übereinstimmend sehen auch die Spitzenverbände der Sozialversicherung (Gemeinsames Rundschreiben von GKV-Spitzenverband,
Deutsche Rentenversicherung Bund und Bundesagentur für Arbeit zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen vom 13. April 2010,
Nr. 2) in "diesem Verfahren [ ] eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage", durch das "divergierende
Entscheidungen unterschiedlicher Versicherungsträger [ ] vermieden" würden. Die gesetzliche Zuständigkeitskonzentration ist
damit einer behördlichen Verfahrensstandschaft nicht unähnlich, bei der ein Sozialversicherungsträger durch seine Entscheidungsbefugnisse
(auch) Rechte anderer Behörden wahrnimmt (zum Begriff vgl. Scheidler, VBlBw 2006, 224).
Darüber hinaus sollten mit der Überantwortung der Zuständigkeit gerade in diesen Fällen präventiv Probleme gelöst werden,
die durch eine vom Gesetzgeber angenommene gewisse Befangenheit der Einzugsstelle bei der Statusentscheidung entstehen (vgl.
Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand Juli 2017, §
7a SGB IV, Rn. 3a; SG Berlin, a.a.O.).
b. Die herausgehobene Bedeutung des Statusfeststellungsverfahrens nach §
7a SGB IV wird auch daran deutlich, dass der Gesetzgeber hierfür - abweichend etwa zu §
28h Abs.
2 SGB IV - in den Absätzen 2 bis 5 detaillierte Vorgaben zum Verwaltungsverfahren vorgesehen hat. Auch wenn diese sich im Kern nicht
wesentlich von den allgemeinen Vorschriften zur Durchführung des Verwaltungsverfahrens nach dem SGB X unterscheiden, belegen sie gleichwohl, dass der Gesetzgeber dem Verfahren nach §
7a SGB IV eine zentrale Funktion innerhalb des gegliederten Systems der Sozialversicherung zugewiesen hat. Dies rechtfertigt es, dem
damit betrauten Sozialversicherungsträger weitergehende Rechte einzuräumen als anderen Behörden.
c. Der Gesetzgeber trägt mit der beschriebenen Verfahrenskonzentration dem Gedanken der Richtigkeitsgewähr durch Verfahren
(im Wege einer bewussten Zuständigkeitsübertragung auf eine zentrale Stelle) in besonderer Weise Rechnung. Zudem wird die
Schutzbedürftigkeit der in §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV Genannten verfahrensrechtlich (im Wege der Zuständigkeitsübertragung auf eine mit Bindungsmacht für alle Sozialversicherungszweige
ausgestatteten Stelle) abgesichert. Dieser besonderen Verfahrensgestaltung entspricht es, dass der Gesetzgeber der Klägerin
auch eine eigene verfahrensrechtliche Rechtsposition einräumen wollte, mit der sie Kompetenzüberschreitungen der Einzugsstelle
selbständig angreifen und eine zentrale eigene Entscheidung durchsetzen kann (SG Berlin, a.a.O.).
d. Dieses Ziel lässt sich nur dann erreichen, wenn dem Sozialversicherungsträger, bei dem diese Kompetenzbündelung erfolgt,
durch eine eigene Klagebefugnis bei (bewussten) Kompetenzverstößen ein wirkungsvolles Instrument an die Hand gegeben wird.
Eine anderweitige, ebenso effektive Lösung zur Vermeidung von (bewussten) Kompetenzverstößen ist nicht ersichtlich. Aufsichtsrechtliche
Eingriffe könnten nur nachträglich erfolgen und die Bestandskraft von entsprechenden Bescheiden nicht verhindern.
Dass dieses Ergebnis sachgerecht ist, belegen Missbrauchsfälle der vorliegenden Art, Hier hat sich das o.g. Risiko einer befangenen
Einzugsstelle, die um der bloßen Erhöhung ihrer Mitgliederzahlen vorsätzlich Rechtsverstöße in Kauf nimmt, in besorgniserregender
Weise realisiert. Ohne ein der Klägerin eingeräumtes subjektives Recht, Bescheide der Einzugsstellen allein wegen einer Kompetenzverletzung
anfechten zu können, könnten die Zielsetzungen von §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV bei der derzeitigen Gesetzeslage nach dem von der a AG beschrittenen Weg leicht unterlaufen werden.
e. Im Übrigen ist eine nur auf einer Kompetenzverletzung beruhende Anfechtungsbefugnis dem deutschen Recht nicht fremd. So
wurde einer Gemeinde eine Klagebefugnis auch wegen Verletzung ihrer Zuständigkeit nach dem bayerischen Gesetz über Zuständigkeiten
im Straßenverkehr zugebilligt (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 13. August 2001 - 11 B 98.1058 -, juris).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG) zugelassen.