Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten einer Liposuktion (Fettabsaugung).
Die 1967 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, beantragte im Juli 2003 die Übernahme der Kosten
für eine Liposuktion. Sie legte ein Attest des Facharztes für Chirurgie, Unfallarzt, H-Arzt, Dr. med. B, vom 18. April 2003
vor, nach dem bei ihr ein Lipödem der unteren Extremitäten vorliege. Es bestehe eine erhebliche Disproportion zwischen Ober-
und Unterkörper, die sich in einer Differenz mehrerer Kleidergrößen zeige. Die Liposuktion der lokalen Fettdepots sei die
einzige Möglichkeit den Befund zu beheben. Die Klägerin stehe unter enormem psychischen Druck, der seines Erachtens aufgrund
der Befunde nachvollziehbar sei. Bei dem Lipödem handele es sich um eine Erkrankung, die kein rein kosmetisches Problem darstelle.
Die Beklagte holte sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Berlin-Brandenburg
e. V. vom 11. September 2003 und 10. Oktober 2003 ein und lehnte anschließend mit Bescheid vom 20. Oktober 2003 die Kostenübernahme
ab. Nach den Gutachten des MDK hätte zum Untersuchungszeitpunkt am 9. September 2003 ein mäßiggrades Lipödem beider Beine
vorgelegen, bei dem nur eine bedingte Indikation zur Durchführung einer bilateralen Liposuktion gegeben sei. Es sei zwar eine
Verschlankung der Beine möglich, eine Besserung der Gelenkfunktion könne jedoch bei fehlenden lokalen Funktionsbeeinträchtigungen
nicht erwartet werden. Es sei davon auszugehen, dass das Risiko einer psychischen Dekompensation bei Misslingen des Operationsergebnisses
nicht auszuschließen sei und nicht im Verhältnis zum vorliegenden Befund stehe. Aus diesen Gründen falle die beantragte Kostenübernahme
nicht in das Leistungspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch begründete die Klägerin durch Vorlage eines Attestes der Fachärztin für Psychiatrie
Hillemann vom 13. Dezember 2003, nach der aus psychiatrischer Sicht der Wunsch nach operativer Behandlung des Lipödems sehr
gut nachzuvollziehen und hinsichtlich der weiteren psychischen Stabilisierung sogar sinnvoll sei. Eine Aktualisierung der
vormals bestehenden Angstsymptomatik und eine sonstige psychische Dekompensation seien durch den geplanten Eingriff aus psychiatrischer
Sicht nicht zu erwarten. Nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des MDK vom 8. März 2004 wies der Widerspruchsausschuss
der Beklagten unter dem 22. April 2004 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Liposuktion
sei eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet
werden könne, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkasse eine entsprechende Empfehlung abgegeben habe. Da eine solche
Empfehlung fehle, dürfe sie daher die entsprechenden Kosten nicht übernehmen. Darüber hinaus sei der Eingriff weder aus neurologischer
noch aus chirurgischer Sicht indiziert. Nach der ergänzenden Stellungnahme des MDK führe das Lipödem zu keiner Funktionsbeeinträchtigung.
Das regelmäßige Tragen von Kompressionsstrümpfen und die Durchführung von Bewegungsbehandlungen seien ausreichend.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgebracht: Zwar sei die Liposuktion als neue Behandlungsmethode noch
nicht vom Gemeinsamen Bundessausschuss (GBA) empfohlen worden, jedoch handele es sich hier um ein "Systemversagen", da der
Ausschuss aus sachfremden Erwägungen oder aus Verschleppungsabsicht über eine Empfehlung noch nicht entschieden habe. Weiterhin
läge auch ein so genannter "Seltenheitsfall" vor, bei dem ausnahmsweise trotz fehlender Empfehlung eine Kostenübernahme erfolgen
könne. Die Behandlung sei chirurgisch notwendig, da der Befund krankheitswertig sei. Auch sei nicht zu befürchten, dass bei
einem Misslingen der Operation sie psychisch dekompensiere.
Zwischenzeitlich hat die Klägerin die Liposuktion durch Dr. B ambulant durchführen lassen. Dieser hat eine undatierte Rechnung
über 4.084,03 € vorgelegt.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt und zwar von dem praktischen Arzt
Dr. J J vom 16. Dezember 2004, dem Facharzt für Chirurgie Dr. B vom 14. Februar 2005 und der Fachärztin für Psychiatrie H
vom 20. Juli 2005 sowie anschließend ein Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin/Diplompsychologen T B vom 23. November
2005 einschließlich einer ergänzenden Stellungnahme desselben vom 20. Februar 2006. Es hat die Klage mit Urteil vom 16. November
2007 abgewiesen und ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Liposuktion eine neue Behandlungsmethode oder aber eine kosmetische
Operation sei. Jedenfalls komme eine Kostenübernahme zu Lasten der Krankenversicherung nicht in Betracht, da nach dem schlüssigen
und nachvollziehbaren Gutachten des Arztes B eine medizinische Indikation für die Durchführung einer Liposuktion nicht erkennbar
sei. Darüber hinaus bestehe auch deshalb keine Pflicht der Beklagten zur Übernahme der Kosten, da die vorgelegte Behandlungsrechnung
des Dr. B nicht der Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) entspreche. Weil sie keine ordnungsgemäße Honorarabrechnung erhalten habe, sei sie keinen durchsetzbaren Vergütungsforderungen
des Arztes ausgesetzt, so dass ein Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs.
3 des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) auch dann ausscheide, wenn die erteilte Rechnung inzwischen bezahlt sein sollte.
Gegen das ihr am 10. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. Januar 2008 Berufung eingelegt. Sie bezieht sich
weiterhin darauf, dass eine Pflicht zur Kostenübernahme der Beklagten auch ohne eine entsprechende Empfehlung des Gemeinsamen
Bundesausschusses bestehe, da sowohl ein "Systemversagen" als auch "Seltenheitsfall" vorläge. Das Sozialgericht habe hierzu
keinerlei Ermittlungen angestellt, insbesondere habe es nicht ermittelt, ob und ggf. wann ein Antrag auf Anerkennung der Behandlungsmethode
gestellt worden sei. Es habe auch eine medizinische Indikation zur Durchführung der Operation gegeben. Die Begründung der
Beklagten, es bestehe ein unverhältnismäßig hohes Risiko einer psychischen Dekompensation, stehe im Widerspruch zur Aussage
der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie H. Andere Erfolg versprechende anerkannte Behandlungsmethoden hätten nicht mehr
zur Verfügung gestanden, da der Krankheitsverlauf auch durch kontinuierliche Lymphdrainagenbehandlung und Kompressionstherapie
nicht habe aufgehalten werden können. Sie legt eine neu erstellte, überarbeitete Rechnung des Dr. B vom 25. Februar 2008 über
4.592,76 € vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2003 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten der Liposuktion
zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit der Berufungsbegründung seien keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden. Sie verweise auf ihr Vorbringen in der Vorinstanz
sowie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten sind unter dem 2. Oktober 2008 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen
haben.
II. Der Senat hat die Berufung nach §
153 Abs.
4 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil sie unbegründet und eine mündlichen Verhandlung nicht erforderlich ist.
Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte Liposuktion.
Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung kommt ausschließlich §
13 Abs.
3 Satz 1, 2. Alt.
SGB V in Betracht. Danach sind dem Versicherten die für eine von ihm selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse
zu erstatten, wenn die Krankenkasse diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, die Leistung notwendig und die Ablehnung für
die Entstehung der Kosten ursächlich war. Da der Anspruch auf Kostenerstattung nicht weiter reicht als ein entsprechender
Naturalleistungsanspruch, setzt er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) voraus, dass die selbstbeschaffte
Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen
haben (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, SozR 4-2500 § 31 Nr. 9). Einen derartigen Naturalleistungsanspruch auf Durchführung
einer Liposuktion im Rahmen ambulanter ärztlicher Behandlung nach §§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1,
28 Abs.
1 SGB V hat die Klägerin nicht. Ein Anspruch auf eine ambulante ärztliche Liposuktion scheitert daran, dass der GBA diese neue Methode
der Fettabsaugung weder ärztlich empfohlen hat noch ein Ausnahmefall vorliegt, bei welchem dies entbehrlich ist (BSG, Urteil
vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 11/08 R).
Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach §§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1,
28 Abs.
1 SGB V unterliegt den sich aus den im §§
2 Abs.
1 und
12 Abs.
1 SGB V ergebenen Einschränkungen. Es können folglich nur solche Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht
werden, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen
Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß
§
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch diese Richtlinie
wird der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (ständige
Rechtsprechung, vgl. BSG, aaO., zitiert nach juris, RdNr. 14; BSGE 97, 190). Bei der Liposuktion handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode, die zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als
abrechnungsfähige ärztliche Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten
war (BSG, aaO.). Da sie auch nicht vom GBA als neue Methode empfohlen wurde, ist die ambulante Fettabsaugung grundsätzlich
kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin liegt auch kein Ausnahmefall vor, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf. Nach der
Rechtsprechung des BSG sperrt das in §
135 Abs. Satz 1
SGB V vorgeschriebene Leistungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt zwar nicht Vorgehensweisen in einem singulären Krankheitsfall, wenn
es sich um eine einzigartige Erkrankung handelt, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie
im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (BSG, Urteil vom 19. Oktober
2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 1). Bei der Liposuktion handelt es sich aber ersichtlich nicht um eine extrem seltene Erkrankung in
diesem Sinne. Auch liegt entgegen der Auffassung der Klägerin kein sog. "Systemversagen" vor. Ausnahmsweise kann eine Leistungspflicht
der Krankenkasse bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das
Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht
oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (BSG, Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 3/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 10). Hierfür ist aber weder von der Klägerin etwas vorgetragen worden, noch bestehen Anhaltspunkte,
auf Grund derer sich ein solches Systemversagen ergeben könnte. Ohne Vorbringen entsprechender tatsächlicher Umstände war
der Senat auch nicht gehalten, die von der Klägerin diesbezüglich angeregten Ermittlungen quasi "ins Blaue hinein" durchzuführen.
Im Übrigen hat auch das BSG in seinem Urteil vom 16. Dezember 2008 (aaO.) keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen
Ausnahmefalles gesehen.
Letztendlich spricht auch nichts dafür, dass sich hier aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht,
BVerfGE 115, 25) ein Anspruch ergeben könnte. Denn eine derartige verfassungskonforme Auslegung setzte voraus, dass es sich um eine lebensbedrohliche
oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung (vgl. BSG, SozR 4-2500 § 31 Nr. 4) oder zumindest wertungsmäßig um eine damit
vergleichbare Erkrankung (BSG, SozR 4-2500 § 27 Nr. 7) handelt. Dies ist bei den bei der Klägerin bestehenden Lipödemen nicht
der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil hierfür kein Grund nach §
160 Abs.
2 SGG vorlag.