Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung
Tätigkeit im Bereich der Dekoration unter eigenhändiger Herstellung von Dekorationsobjekten
Abgrenzung zum experimentellen Künstler
Tatbestand
Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in der Künstlersozialversicherung.
Der Kläger ist 1973 geboren, hat den Beruf des Feinwerkzeugmachers erlernt und später als Goldschmied gearbeitet. Er machte
sich nach eigenen Angaben ab Januar 2005 selbständig. Der Kläger ist freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung
sowie der sozialen Pflegeversicherung. Er meldete sich am 1. Juni 2018 bei der Beklagten als Künstler im Bereich Maler/Zeichner,
Illustrator, Konzeptkünstler bzw. ähnliche selbständige künstlerische Tätigkeiten in Gestalt der bildenden Kunst/Design, konkret
wegen der Herstellung von Collagen, Styling, Dekoration und als Objektbauer. Er beantragte die Feststellung seiner Versicherungspflicht
nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) für seine o.g. Tätigkeit. Den Bereich Styling beschrieb er dergestalt, dass er dafür zuständig sei, Schauspieler, Komparsen
nach den vorgegebenen Themen einzukleiden und mit passenden Accessoires auszustatten, bei der Erstellung einer Collage schneide
er aus verschiedenen Modezeitschriften Teile aus und füge sie mit Papier, Stoffresten, Farbe und Kunststoff so zusammen, dass
ein komplettes Bild entstehe. Seine Objektdekoration bestehe darin, dass er Objekte wie futuristische Bäume, Tiere, Landschaften
aus verschiedenen Materialien wie Holz, Metall, Kunststoff, Seidenblumen, Moos und Glas u.s.w. für Tischdekoration, Vorhänge
und Raumgestaltung fertige.
Er erwarte ein voraussichtliches Jahreseinkommen in Höhe von 7.500,00 Euro. Konkret gab er an, sein Einkommen zu insgesamt
30 % im Bereich Collagen und Styling und zu 70 % im Bereich Objektbauer und Dekoration zu erzielen.
Die Beklagte lehnte die beantragte Feststellung mit Bescheid vom 20. August 2018 ab. Künstler im Sinne des Gesetzes sei, wer
selbstständig erwerbstätig Musik, darstellende oder bildende Kunst schaffe, ausübe oder lehre oder als Schriftsteller, Journalist
oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig sei oder Publizistik lehre. Die Tätigkeit des Klägers könne nicht als künstlerisch/publizistisch
im Sinne dieses Gesetzes gelten. Sie setze sich aus den Arbeitsbereichen Artwork, Styling, Event und Interior zusammen. Zu
80 % erziele der Kläger seine Haupteinnahmen gegenwärtig aus den Bereichen Event und Interior. Seine Tätigkeit bestehe dabei
im Objektbau und der Dekoration. Dies sei der Innenraumgestaltung/Innenarchitektur zuzuordnen. Innenarchitekten/Gestalter
von Möbeln und Räumen/öffentlichen Raum planten und fertigten Räume bzw. Raumkonzepte für den privaten, den öffentlichen und
den geschäftlichen Bereich, aber auch für Messestände oder Fassaden. Sie entwickelten gestalterische Konzepte (Interieur Design)
für den konstruktiven Innenausbau und die Außenbereiche, teilweise erstellten sie hierfür auch Objekte wie Skulpturen oder
Plastiken. Darüber hinaus übernähmen sie Dekorationsaufgaben. Das Bundessozialgericht habe im Urteil vom 12. November 2003
(B 3 KR 39/02 R) sowie im Beschluss vom 12. August 2004 (B 3 KR 12/04 B) entschieden, dass Tätigkeiten im Bereich der Innenarchitektur und der allgemeinen Raumgestaltung nicht unter den Begriff
der Künstlersozialversicherung fielen.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2019 zurück.
Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Seine Tätigkeit unterscheide sich von derjenigen des Dekorateurs,
denn er könne auf eine Vielzahl von Tätigkeiten zurückgreifen, mit denen er seine künstlerische Tätigkeit begründe. Neben
der Arbeit mit Blumen und der Objektgestaltung habe er auch Objekte gebaut und Collagen erstellt.
Er übersandte eine Auflistung sämtlicher Aufträge aus dem Jahr 2018:
Aufträge/Inhalt Vergütung (Euro) Datum Dekorationsschale 2 Lampen 456,00 + 379,50 30.1.2018 Objekt Neon aus Magnolienästen
mit Neonpapier 165,00 7.2.2018 Horizontaler Wandgarten 6.000,00 26.2.2018 Objekt Berlinale 1.278,00 27.2.2018 Holzkästen mit
Blattgold 560,00 (Dekorationen ITB Berlin Messebau) 12.3.2018 Anfertigung eines Betonsessels 379,50 28.3.2018 Metallskulpturen
für Motorenwerk Dekoration Halloween Äste- und Blumen für Sitzgruppe (Ball des Weines) 1.312,50 7.5.2018 Objekte und Dekorationskasten
vergoldet für DFB Pokalspiel 397,50 22.5.2018 Kakteenanfertigung Lampe und Bilder 594,00 28.5.2018 Tischdekoration 148,50
4.6.2018 4 Collagen 900,00 16.6.2018 Objekt und Dekoration Wiesbaden/Kraftwerk (Moos-Sofa) 1.257,00 13.6.2018 Objekte und
Dekoration, Lampenschirm 214,50 18.6.2018 Beleuchtete Wandtafel aus Moosflechten 846,00 2.7.2018 Gestaltung von Bartischen
und –tresen aus Holz (Wald) 2.614,30 24.7.2018 Anfertigung kegelförmiger Objekte (Moos/Draht) + Trennwände 1.295,00 + 740,00
21.9.2018 Objekt u.a. aus Wurzelholz zu Deko-Zwecken 810,00 29.9.2018 Herstellung einer Lampe 1.155 2.10.2018 Bau eines Vogels
in Marrakesch aus Metall, Federn, Blüten etc. 1.833,00 21.10.2018 Lampe mit Sitzgelegenheit (Möbel) 1.147,50 25.11.2018 Trennwände
mit Moos und Gewächs verziert 1.855,00 26.11.2018 Dekorationselemente für Geburtstag (Tische) 1.050,00 3.12.2018 2 Collagen
250,00 5.12.2018 PREMIE Decembrie 1.000,00 9.12.2018 Collage 200,00 20.12.2018
Die Rechnungen wiesen überwiegend als Leistungsgegenstand „Objekte und Dekorationen“ aus, als Auftraggeber erscheinen vor
allem Unternehmen der „modernen Floristik und Eventgestaltung „(F“), „Florist und Blumenkünstler“ bzw. solche, deren Gegenstand
„florale Gestaltungen“ sind („C“) .
Mit Urteil vom 24. Oktober 2019 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten auf und stellte fest, dass der Kläger seit
dem 1. Juni 2018 der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliege. Er übe seine Tätigkeit als Objektgestalter unstreitig erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend und auch selbstständig
aus. Zur Überzeugung der Kammer übe er eine künstlerische Tätigkeit aus. Aus den Materialien zum KSVG ergebe sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfassen
solle, mit denen sich der Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe
(Künstler) aus dem Jahre 1975 beschäftige (Künstlersozialbericht). Der Gesetzgeber habe damit einen an der Typologie von Ausführungsformen
orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt sei, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen
eines bestimmten Kunsttyps entspreche. Diesen Berufsfeldern sei das soziale Schutzbedürfnis der Betroffenen zu unterstellen,
ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankomme. Dabei habe die Kammer berücksichtigt, dass handwerkliche
Berufe nicht die Voraussetzung für die Eigenschaft als Künstler hätten und auch Tätigkeiten mit wesentlichen gestalterischen
Elementen nicht überwiegend künstlerisch seien, wenn die handwerkliche Leistung oder der Dienstleistungscharakter prägend
seien (Kunsthandwerker und Innenarchitekten). Die Kammer habe zudem berücksichtigt, dass Tätigkeiten trotz handwerklicher
Prägung als künstlerisch zu bewerten seien, wenn der eigenschöpferische Anteil überwiege (Objektmacher, Textil- und Holzgestalter,
auf Entwürfe beschränktes Produktdesign und Industriedesign, BSG, Urteil vom 30. Januar 2001, B 3 KR 1/00 R). Tätigkeiten mit weit überwiegend eigenschöpferischen Anteil seien insoweit ohne Zweifel künstlerisch (Maler, Bildhauer).
In Abgrenzung zu den vorstehend genannten Tätigkeiten habe sich die Kammer davon leiten lassen, ob der Kläger Gebrauchsgegenstände
fertige oder „schöne Formen“ entwerfe und herstelle. Anhand dieser Maßstäbe habe die Kammer keinen Zweifel an dem weit überwiegenden
Anteil der eigenschöpferischen Leistung der Tätigkeit des Klägers. Seine Werke zeichneten sich dadurch aus, dass sie weit
über die moderne Gestaltung von Innenräumen oder Messeständen hinausgingen. Sie lösten sich von der Objekteigenschaft als
Raumtrennung, Lampe oder Wandgestaltung und beflügelten die Fantasie des Betrachters, erweckten Erstaunen über die Ablösung
der Gestaltungsvariante von der reinen Gebrauchslösung und berührten die Gefühle des Betrachters. Es handele sich nicht um
bloße Planung und Gestaltung von Räumen, sondern um die Erschaffung „schöner Formen“ im Raum. Ihre Wirkung auf den Betrachter
ziehe in den Bann und erhebe das Werk vom räumlichen Gestaltungselement zum raumunabhängigen Kunstwerk. Ersichtlich verharre
der Kläger nicht im Tätigkeitsfeld des Innenarchitekten, sondern schaffe im Rahmen des erteilten Auftrags schöpferisch Objekte
mit eigenem Geltungsanspruch. Die Beklagte habe sich hingegen von einer bloßen Einordnung in Berufe leiten lassen, die der
Tätigkeit des Klägers nicht gerecht werde. Diese sei gerade nicht überwiegend darauf gerichtet, im Rahmen einer Dienstleistung
Räume funktionell zu gestalten und Beratungs- und Planungsleistungen anzubieten, er werde nicht als Innenraumgestalter tätig.
Vielmehr sei seine Tätigkeit darauf gerichtet, Kunst zu erschaffen. Sofern eine Einordnung in Berufe erforderlich sei, sei
zwingend diejenige des Objektmachers, Textil- und Holzgestalter zu wählen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. November 2019 zugestellte Urteil am 28. November 2019 Berufung eingelegt. Nach den vorgelegten
Rechnungen sei der Kläger im Bereich der Dekoration von Räumen tätig, er werde zu 80 % von entsprechenden Floristikunternehmen
beauftragt. Gemäß deren Internetauftritt werteten diese „jede Veranstaltung auf“ und schafften das „richtige Flair“ („F“).
Sie entwickelten in Zusammenarbeit mit Innendesignern und Eventagenturen Gestaltungskonzepte für Gesellschafts- und Kulturevents
jeder Größenordnung, von privaten Feierlichkeiten, von exklusiven Firmenevents bis zu internationalen Großveranstaltungen.
Zudem habe das ihn beauftragende Unternehmen C (= Sommeraster) eine mit dem Kläger identische Geschäftsadresse (gehabt). Auch
der Auftraggeber P sei unter dem Begriff Eventlogistik registriert. Auch er bewerbe seine Geschäftstätigkeit mit der „Ausstattung
von Veranstaltungen mit der passenden Blumendekoration“. Diese könne, so sein Internetauftritt, „zu einem speziellen Thema,
passend zur Jahreszeit oder schlicht oder pompös“ sein. Die Beauftragung des Klägers durch das Unternehmen „B“ spreche für
sich. Die Einschätzung werde durch die eingereichten Fotos der Werke sowie die Abrechnungsweise gestützt, die tages- oder
stundenweise erfolge. Zur vergüteten Tätigkeit zählten auch Zeiten für den Auf- und Abbau der Dekorationen. Der Tätigkeitsschwerpunkt
des Klägers entspreche gemäß den Berufsinformationen der entsprechenden Datenbank „berufenet“ der Bundesagentur für Arbeit
dem Beruf des Floristen. Zu diesem Beruf heiße es dort unter anderen, diese (die Floristen) kreierten für alle denkbaren Anlässe
passende Blumen- und Pflanzenarrangements, vom gebundenen Strauß über Brautschmuck und Raumdekorationen bis hin zur Trauer-Floristik.
Demgemäß wählten Floristen Blumen, Gräser und zum Teil künstliches Beiwerk aus und fertigten daraus geschickt florale Arrangements.
Bei aller Kreativität und der Berücksichtigung der neuesten Markttrends achteten sie auch darauf, dass die unterschiedlichen
Pflanzen in ihren Pflegeansprüchen zueinander passten. Ausgehend von dieser Beschreibung handele es sich um eine handwerkliche
Tätigkeit, die grundsätzlich nicht § 2 KSVG unterfalle. Gemäß der Rechtsprechung des BSG könne zwar auch auf kunsthandwerklicher Basis Kunst geschaffen werden, es handele sich dabei aber regelmäßig um für das Handwerk
atypische Ausnahmen. Die Abgrenzung zwischen Handwerk und Kunst sei nach materiellen Kriterien vorzunehmen. So könne für die
Zuordnung zur Kunst allein die Tatsache, dass Erzeugnisse eine gestalterische Leistung enthielten, nicht ausreichen. Gestalterische
Elemente seien bei zahlreichen Arbeiten unabdingbar, die unzweifelhaft zum Bereich des Handwerks zählten. So sei auch gerade
dem Kunsthandwerk ein gestalterischer Freiraum immanent. Eine Zuordnung zum Begriff der Kunst sei möglich, wenn sich die Tätigkeit
nicht auf die Herstellung des Endproduktes erstrecke, wie bei einem Designer, der Entwürfe fertige. Ob Handwerk oder schon
Kunst vorliege, lasse sich nach dem Kriterium der eigenschöpferischen Leistung beurteilen. Nicht maßgebend sei die Sicht des
Betrachters, die das Sozialgericht aber zugrunde lege. Maßgebend für die Abgrenzung sei vielmehr, ob der Schaffende mit seinen
Werken zumindest in fachkundigen Kreisen als Künstler anerkannt oder behandelt werde. Als eine solche Anerkennung könnte gelten,
wenn der Kläger an Kunstausstellungen teilnehme, Mitglied von Künstlervereinen sei, im Künstlerlexika aufgeführt sei, Auszeichnungen
erhalten habe oder sonstige Indizien vorlägen, die auf eine Anerkennung schließen ließen. Nicht ausreichend sei dagegen die
einzelne Teilnahme an einer Ausstellung oder Ausstellungen, die privat unter der eigenen Adresse durchgeführt würden. Aus
den Rechnungen ergebe sich, dass der Kläger Räume allgemein und auch Gebrauchsgegenstände gestalte. Eine Tätigkeit als Szenograf
sei deshalb ausgeschlossen, denn es fehle an einer Tätigkeit in einem sozialen oder gesellschaftlichen Umfeld, in der allgemein
Kunst stattfinde wie Theater oder Film. Soweit der Kläger sporadisch auch Einkünfte aus Collagen erziele, könne dies die Versicherungspflicht
nicht stützen, denn diese setzte voraus, dass die künstlerische Tätigkeit überwiegend ausgeübt werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Oktober 2019 aufzuheben Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ausweislich der eingereichten Fotodokumentation handele es sich nicht um bloße Dekoration von Räumen mit Blumen. Es handele
sich um Collagen, Lampen, Möbel und Dekorationsobjekte. Es sei nicht von Relevanz, wie sich die den Kläger beauftragenden
Unternehmen im Internet darstellten, sondern wie sich der Kläger als Künstler darstelle.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs
der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
war.
Entscheidungsgründe
A. Der Senat durfte in der Besetzung allein durch die Berichterstatterin als konsentierte Einzelrichterin entscheiden. Die
Beteiligten haben dazu zuvor schriftlich ihr Einverständnis erteilt (§
155 Abs.
4 i.V.m. Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz –
SGG).
B. Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger im Hinblick auf seine
selbständige Tätigkeit zu dem vom Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) erfassten Kreis der selbständigen Künstler gehört.
1. Streitgegenständlich ist der Antrag des Klägers vom 23. Mai 2018, der bei der Beklagten am 8. Juni 2018 eingegangen ist.
2. Rechtsgrundlage für die Feststellung der Versicherungspflicht ist § 1 KSVG (in der Fassung vom 9.12.2004, BGBl. I, 3242). Hiernach werden selbstständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen
Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie die
künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben (§ 1 Nr. 1 KSVG) und im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen,
es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig i.S. des §
8 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (
SGB IV).
3. Der Kläger übt die Tätigkeit als Objektbauer, im Bereich der Dekoration, des Stylings und der Collagenerstellung seit 2005
nicht nur vorübergehend aus, ohne dass er dabei weitere Arbeitnehmer*innen beschäftigt. Erwerbsmäßigkeit liegt vor, wenn die
Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts und nicht nur aus Liebhaberei ausgeübt wird, mithin die Absicht verfolgt wird,
ein über der Geringfügigkeitsgrenze (von 3.900 Euro, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG i.d.F. vom 5.12.2006) liegendes Arbeitseinkommen zu erzielen. Der Kläger erzielt, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt
hat, aus seiner selbständigen Tätigkeit ein Einkommen von mehr als 7.500 Euro im Jahr. Das belegen für 2018 die von ihm eingereichten
Rechnungen. Der dadurch in diesem Jahr erzielte Gesamtbetrag von rund 28.800 Euro liegt weit über der Geringfügigkeitsgrenze.
4. Der Kläger ist nicht Künstler i.S. des KSVG. In § 2 Satz 1 KSVG werden drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit jeweils in den Spielarten des Schaffens, Ausübens und Lehrens umschrieben,
nämlich die Musik, die bildende und die darstellende Kunst. Eine weiter gehende Festlegung, was darunter im Einzelnen zu verstehen
ist, ist im Hinblick auf die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer Betätigungsfelder nicht
erfolgt. Der Gesetzgeber spricht im KSVG nur allgemein von "Künstlern" und "künstlerischen Tätigkeiten", auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs hat er hingegen
bewusst verzichtet (BT-Drucks 8/3172 S 21). Dieser Begriff ist deshalb aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen (zum Kunstbegriff
des Art.
5 Grundgesetz –
GG – vgl. BVerfGE 30, 173, 188 ff und 81, 108, 116; zur Zielrichtung des KSVG vgl. BT-Drucks 9/26, S 18 und BT-Drucks 8/3172, S. 19 ff). Aus den Materialien zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfassen
soll, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe
(Künstlerbericht)" aus dem Jahre 1975 (BT-Drucks 7/3071) beschäftigt.
Der Gesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel
dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps entspricht. Bei diesen
Berufsfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis zu unterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit
ankommt oder eine bestimmte Werk- und Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird.
a. In dem inzwischen über 40 Jahre alten Künstlerbericht der Bundesregierung wird der Beruf des Raumgestalters oder Objektbauers
nicht erwähnt. Zu Recht hat aber schon das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass die Nichtverzeichnung im Künstlerbericht
1975 nicht zwangsläufig gegen die Qualifizierung der Tätigkeit als künstlerisch spricht, denn dies würde der Vielfalt und
Dynamik in der Entwicklung künstlerischer und/oder publizistischer Berufstätigkeit widersprechen. Im Bereich "Bildende Kunst/Design"
finden sich allerdings die Berufe des Objekt e machers, des Grafik- und Produktdesigners sowie des Kunsthandwerkers und des
Kunstpädagogen (BT-Drucks 7/3071, S 7). Wer einen dieser Berufe ausübt, ist - mit Ausnahme des Kunsthandwerkers (BSGE 80,
136) - in aller Regel als Künstler anzusehen (vgl Finke/Brachmann/ Nordhausen, Künstlersozialversicherungsgesetz – KSVG – 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 5 f. und 16).
aa. Unter einem Objektemacher versteht man nach allgemeinem Sprachgebrauch einen Künstler, der Objekte gestaltet, also ein
aus verschiedenen Materialien zusammengesetztes Werk der modernen Kunst. Im "Bericht der Bundesregierung über die soziale
Lage der Künstlerinnen und Künstler in Deutschland" vom 7. Mai 2000 wird dieser Begriff schon nicht mehr erwähnt, sondern
klarstellend durch die Bezeichnung "Experimenteller Künstler" ersetzt (Tabelle 6, Seite 13). Auch Finke/Brachmann/Nordhausen
nennen den Experimentalkünstler ergänzend und zur Klarstellung dessen, was unter einem Objektemacher zu verstehen ist (aaO
§ 2 Rn. 42 - S 83 oben). Es muss dabei um die Schaffung von - häufig experimentellen - Kunstobjekten und nicht beispielsweise
um die Herstellung von Ausstellungselementen gehen, denen lediglich eine dienende Funktion z.B. bei der Vermittlung von Bildungszielen
zukommt. Allerdings kann in bestimmten Fällen auch eine Ausstellung bzw. deren Gestaltung die Kriterien der Kunst erfüllen,
wenn in der Ausstellung als solcher eine eigenschöpferische künstlerische Leistung zum Ausdruck kommt. Dies ist bei den "Land-Art"-Großprojekten
der Künstler Christo und Jeanne Claude (zB "The Gate of New York" - 2004 oder "Gestapelte Ölfässer" - Oberhausen 1999) oder
bei den Garten- und Landschaftsarrangements eines Andre Heller (zB "Kristallwelten" - Tirol 1995, "Bambusmann" - Hongkong
1992, "Versinkende Riesin" - Wien 1991) anzunehmen. In diesen und vergleichbaren Fällen wird die "Ausstellung" - also die
künstlerisch komponierte oder verfremdete Umwelt - zu einem aus sich heraus wirkenden Gesamtkunstwerk; sie steht im Fokus
des Publikumsinteresses, ohne dass es wesentlich auf die Präsentation von Einzelobjekten ankäme (vgl. BSG, Urteil vom 26. Januar 2006 – B 3 KR 1/05 R –, Rn. 18).
bb. Der ebenfalls im Künstlerbericht von 1975 genannte Beruf des Grafik- und Produktdesigners (vgl dazu http://infobub.arbeitsagentur.de/berufe/index.jsp
- Stichworte "Designer/in - Grafik" und "Designer/in - angew . Formgebung, Schmuck/Gerät") hat als Hauptzweck der Tätigkeit
die formgerechte und funktionale Gestaltung von Gegenständen unter künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkte, mit anderen Worten:
Design ist die formgerechte und funktionale Gestaltung von Gegenständen aller Art unter künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten.
Künstler im Sinne des KSVG ist aber nur der Designer, der seine Tätigkeit auf das Entwerfen beschränkt und mit der Produktion / Vermarktung der entworfenen
Güter nicht befasst ist. Als Künstler anzusehen im Sinne von § 2 Satz 1 KSVG ist ein Designer ausschließlich um seiner gestaltenden Tätigkeiten wegen. Charakteristisches Merkmal speziell des Industriedesigns
ist der Entwurf der äußeren Gestalt von Gegenständen (einschließlich der Farbgebung) nach ästhetischen, den vorgesehenen Verwendungszweck
und die Funktion uneingeschränkt wahrenden Gesichtspunkten (Gestaltung der "schönen Form"). Eine eigenschöpferisch gestaltende,
der "bildenden Kunst" im Sinne des § 2 KSVG zuzurechnende Tätigkeit liegt vor, solange damit nicht die handwerkliche oder industrielle Produktion der Gegenstände durch
die den Entwurf erstellende Person verbunden ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2001, B 3 KR 1/00 R - Erstellung von Entwürfen für Tür- und Fensterbeschläge = Industriedesigner; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom
18. Juli 2019 – L 8 KR 265/16 –, Rn. 22, juris). Versicherungsschutz im Sinne des § 2 Satz 1 KSVG genießt somit nur der mit dem Entwurf betraute Designer, weil dessen Werk nach den für die Aufstellung des Künstlerberichts
maßgebenden Kriterien einem der drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit zuzurechnen ist, nicht aber der Produzent. Die Abgrenzung
ist unproblematisch bei Designern, die sich auf das Entwerfen der Produktvorlagen beschränken und ihre Einkünfte ausschließlich
oder zumindest weit überwiegend aus Lizenzen für die Überlassung der Entwürfe beziehen. In diesem Fall ist das verwertete
Arbeitsergebnis - der Produktentwurf - einer der Kunstgattungen der KSV zuzurechnen, nämlich der bildenden Kunst. Anders liegt
es indes, wenn jemand ein Produkt nach eigenen Entwürfen selbst anfertigt und anschließend sogar die Vermarktung vornimmt,
also seine Einkünfte nicht allein aus der Überlassung eines Entwurfs zur Verwertung durch Dritte erzielt, sondern vielmehr
aus der Produktion und / oder der anschließenden Veräußerung der Gegenstände. Der Verwertungserfolg im Einzelfall hängt dann
zwar auch von der Güte des eigenen Entwurfs ab, aber das vorbereitende Design ist nur ein Teilbereich des komplexen Tätigkeitsbildes.
In der Gesamtschau prägend ist in diesem Fall eine Einheit aus Entwurf, Produktion und Vermarktung. Ebenso wie beim Kunsthandwerker
steht auch bei der Herstellung/ Vermarktung selbst entworfener Produkte die Verwertung der Produktpalette im Vordergrund,
sodass wegen einer etwaigen Versicherungspflicht nach dem KSVG nicht mehr allein auf die eigenschöpferische Leistung beim Entwurf angeknüpft werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2011, B 3 KS 4/10 R, Rn. 14 – Modedesignerin, Urteil vom 21. Juni 2012, B 3 KS 1/11 R, Rn. 18 – Modedesignerin;
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Juli 2019 – L 8 KR 265/16 –, Rn. 23, juris)
cc. Grundsätzlich keine künstlerische Tätigkeit ist das Herstellen oder die Produktion von Gebrauchsgütern. Dies gilt zunächst
für deren handwerksmäßige Fertigung. Die Künstlersozialversicherung (KSV) ist nach ihrer Anlage als "Künstler"-Sozialversicherung
ausschließlich für künstlerische und nicht für handwerksmäßig ausgeübte Berufe geschaffen worden. Demzufolge begründen schöpferische
Leistungen keine Anerkennung als künstlerisch im Sinne von § 2 Satz 1 KSVG, solange sie über den Bereich des Handwerklichen nicht hinausgehen. Ein Kunsthandwerker kann, obwohl er ebenfalls im Künstlerbericht
genannt ist, erst dann als bildender Künstler im Sinne des KSVG anerkannt werden, wenn er sich auf das reine Entwerfen der äußeren Gestalt von Gegenständen (einschließlich der Farbgebung)
nach ästhetischen, den vorgesehenen Verwendungszweck und die Funktion uneingeschränkt wahrenden Gesichtspunkten beschränkt
und dabei die kommerzielle Nutzung der Entwürfe Dritten gegen Entgelt (z.B. Lizenzgebühren) überlässt. In solchen Fällen verlässt
ein Kunsthandwerker den handwerklichen Bereich und wird als Produktdesigner, Industriedesigner, Schmuckdesigner, Modedesigner,
Möbeldesigner, Keramikdesigner, Textildesigner oder Verpackungsdesigner zum professionellen künstlerischen Designer. Bei derartigen
Designertätigkeiten handelt es sich auch nach der Verkehrsanschauung um eigenständige, verselbständigte Berufsbilder mit künstlerischem
Charakter, die sich von der handwerklichen bzw. kunsthandwerklichen Berufsausübung deutlich abheben (BSG, Beschluss vom 26. März 2014 – B 3 KS 6/13 B –, Rn. 7, juris).
dd. Die Nichterwähnung einer Tätigkeit im Künstlerbericht steht einer Künstlereigenschaft schließlich nicht entgegen. Sie
kann darauf beruhen, dass es zu einer Kunstform bei Erstellung des Berichts (1975) noch keine allgemeine Verkehrsauffassung
gab, sie als künstlerisch zu betrachten. Das kann darin begründet liegen, dass es die Tätigkeit damals noch gar nicht gegeben
hat oder sich die Verkehrsauffassung zwischenzeitlich gewandelt hat. Es ist dann selbständig nachzuvollziehen, ob die zu beurteilende
Tätigkeit nach den für die Aufstellung des Künstlerberichts geltenden Kriterien einem der drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit
zuzuordnen ist und keine kunsthandwerkliche Tätigkeit darstellt (BSG, Urteil vom 15. November 2007 - B 3 KS 3/07 R Rn. 11, juris). Die Tätigkeit der Gestaltung von Räumen und Objekten u.a. mit
schwerpunktmäßig floralen Elementen und anderen natürlichen Werkstoffen (Holz) und Metall kann das Handwerk des Floristen
überspringen und dem Objektemacher/Experimentellen Künstler entsprechen, wenn Vorgegebenes oder Vorgefundenes oder Räume zum
Ausgangspunkt eigener Gestaltqualität werden, die das Ergebnis als eigenschöpferische Leistung künstlerischen Schaffens erscheinen
lassen, wenn es z.B. Gegenstand von Programmen an Kunsthochschulen ist. Dagegen liegt bei einer Tätigkeit, die Materialien
wie Holz, Metall, Stein mit kreativer Komponente bearbeitet, keine Kunstausübung vor, wenn deren Schwerpunkt auf dem Einsatz
manuell-technischer Fähigkeiten liegt. Sie ist dann handwerklicher Natur, selbst wenn es sich nicht um ein in der Handwerksordnung verzeichnetes Handwerk handelt (BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KS 2/07 R Rn. 17 ff. – Tätowierer). So gehören handwerkliche Tätigkeiten, auch wenn ihnen
ein gestalterischer Freiraum immanent ist (z.B. Steinmetze, Goldschmiede und andere Kunsthandwerker sowie Fotografen), entsprechend
der historischen Entwicklung und der allgemeinen Verkehrsauffassung grundsätzlich nicht zum Bereich der Kunst im Sinne des
KSVG (BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KS 2/07 R – Rn. 18). Die Tätigkeit wird nicht schon dadurch künstlerisch, dass im Einzelfall
nicht nach vorhandenen Mustern oder Schablonen gearbeitet, sondern das Motiv selbst gestaltet wird; denn dies ist auch für
das Kunsthandwerk typisch. Die Tätigkeit bleibt auch bei der freien Gestaltung des Motivs handwerklich geprägt. So dient z.B.
beim Tätowierer der kreative erste Arbeitsschritt nur als Vorarbeit zum handwerklichen zweiten Arbeitsschritt, der auch in
solchen Fällen der Schwerpunkt der Tätigkeit bleibt und aus dem in erster Linie Einkommen erzielt wird (BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KS 2/07 R – Rn. 19).
ee. Bei einem aus mehreren Tätigkeitsbereichen zusammengesetzten gemischten Beruf, für den ein einheitliches Entgelt gezahlt
wird, kann von einem Entgelt für eine künstlerische Tätigkeit nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente
das Gesamtbild der Tätigkeiten prägen. Auch notwendige Geschäftstätigkeiten, die für eine künstlerische Ausübung eines Berufs
typisch sind, wie Reisen, Organisation und Verwaltung, stehen einer Wertung als künstlerische Tätigkeit nicht entgegen, sofern
die Tätigkeit insgesamt ihren Schwerpunkt im künstlerischen Bereich aufweist (BSG, Urteil vom 16. April 1998, B 3 KR 7/97 R, Urteil des Senats vom 19. Oktober 2005 – L 9 KR 172/02 –, Rn. 16, juris).
b. Ausgehend davon ist die berufliche Betätigung des Klägers eine zusammengesetzte Tätigkeit. Er übt eine vielschichtige Tätigkeit
aus, die Elemente der bildenden Kunst (Collagen), des Kunsthandwerks und der Raumgestaltung und Dekoration, aber auch im Einzelfall
der Installation hat. Konkret ist sie – jenseits der Collagenherstellung – zur Überzeugung des Senats durch folgende Merkmale
geprägt:
-Herstellung/Fertigung von selbst entworfenen Dekorationselementen, wie z.B. künstlichen Bäumen unter Verwendung von Naturmaterialien,
-Dekoration von Räumen, insbesondere Wandgestaltung sowie Tischen sowie Dekoration und Verfremden von Gebrauchsgegenständen
wie z.B. Lampen, teilweise auf der Grundlage eines konkreten Mottos/Themas („Halloween“, „Neon“, „Berlinale“),
-Herstellung von (beleuchteten) Wandtafeln, Wandbildern oder Gegenständen und Tieren („Pfau“) aus Blüten, Pflanzen, wie z.B.
Moos sowie aus Holz und sonstigen Naturmaterialien, Metall, auch für die Nutzung im Freien,
-Herstellung und Verfremdung von Objekten und Gebrauchsgegenständen, wie z.B. Trennwänden und Lampen unter Verwendung von
Moosen und anderen Gewächsen, teilweise mit phantasievoller Verknüpfung der Materialien und/oder Änderung und Verknüpfung
der Funktion von Gegenständen („Sitzgelegenheit aus Lampe und Wurzel“) oder Herstellung von bloßen Abbildern bzw. Imitationen
von Gebrauchsgegenständen überwiegend aus Naturmaterialien („Betonsessel“, „Moos-Sofa“),
-Anfertigung von Collagen aus verschiedenen Materialien, wie Papier, Holz, Stoffresten, Farbe, Kunststoff, Seidenblumen, Moos
und Gras,
-Ausgestaltung i.S. der Auflockerung, Unterteilung und Strukturierung von Räumen unter dem Einsatz von Naturmaterialien (z.
B. einem Barbereich/Tresen).
Mit Ausnahme der Collagen ist die Tätigkeit des Klägers weit überwiegend auftrags- und projektbezogen. Das ergibt sich – für
das Jahr 2018 – aus den dem Senat vorliegenden Rechnungen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers liegt, ausgehend von
seinen eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren sowie den vorgelegten Rechnungen aus dem Jahr 2018, im Bereich der Herstellung
von Objekten und der Dekoration und Gestaltung von Räumen. Am 2. Juli 2018 hat er angegeben, 70 % seiner Einkünfte aus diesem
Bereich zu beziehen. Dem entsprechen die im Klageverfahren eingereichten Abrechnungen. Von der Gesamtsumme entspringt der
überwiegende Teil Aufträgen mit dem Betreff „Objekt und Dekoration“, das belegen auch die Fotoaufnahmen. Aus dem Bereich Collagen
erzielte er 2018 demgegenüber mit ca. 5 % nur einen kleinen Teil seiner gewerblichen Gesamteinkünfte (28.800 Euro insgesamt
und rund 1.350 Euro aus Collagenverkauf).
c. Der so ermittelte Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers ist nicht künstlerisch i.S. der bildenden Kunst.
aa. Die berufliche Betätigung des Klägers entspricht keinem der - künstlerischen – Katalogberufe (Künstlerbericht), insbesondere
ist er weder Objektemacher noch Produktdesigner.
(1) Der Kläger ist kein Objektemacher bzw. Experimenteller Künstler. Zwar erstellt und gestaltet er Objekte und damit Werke
aus verschiedenen Materialien. Die von ihm selbst hergestellten Objekte der künstlichen Bäume und Tiere sowie der entweder
hergestellten oder nur verfremdeten Gebrauchsgegenstände wie Lampen, Lampenschirme – ebenso wie diejenigen, die nur der Form
nach Gebrauchsgegenstände sind wie ein Sessel, hergestellt aus Beton, ein Sofa aus Moos – sind aus verschiedenen Materialien
(neu) zusammengesetzt. Selbiges gilt auch für die Wandbilder aus Pflanzen und die mit Blumen und Pflanzen ausgestatteten und
damit angereicherten Stellwände oder Schau- und Blumenkästen.
Die (selbst hergestellten) Objekte und Raumgestaltungen des Klägers haben aber lediglich eine dienende Funktion. Sie dienen
der Raumgestaltung und kommen auf Messen, in Hotels, Veranstaltungen (wie Hochzeiten) oder sonstigen überwiegend gewerblichen
Ereignissen zur Geltung. Diese verfolgen ihrerseits überwiegend keinen künstlerischen Zweck (mit Ausnahme: die Berlinale als
Filmfestival). Die kreative und phantasievolle Gestaltung der Räume und Interieurs ist insoweit kein Selbstzweck, sie reichert
den Raum für die jeweilige Nutzung (Verkaufs- oder Ausstellungsmesse, Hotellobby, Barbereich, Filmfestival-Location) an. Die
(Raum-) Gestaltung steht überwiegend im Dienst des jeweiligen Mottos, des Zwecks, dem die Raumnutzung dient („Halloween“,
„Neon“, „Berlinale“). Die Gestaltung hat dekorativen Charakter, sie soll damit aber nicht selbst zum Gegenstand der Betrachtung
werden. So ist zwar auch „Kunst am Bau“ Kunst i.S. des § 2 KSVG, dies aber deshalb, weil sie in der Lage ist, sich vom nicht künstlerischen Nutzungskonzept und Zweck eines Gebäudes zu emanzipieren,
ein Eigenleben zu führen. Der Entwurf und die Herstellung und Anreicherung von Ausstellungs- Schau- oder Blumenkästen, u.a.
für Messen, ist damit aber nicht vergleichbar. Gleiches gilt für die Raumgestaltung im Übrigen. Diese stehen im Dienste der
Verschönerung von Elementen und Gegenständen wie auch Räumen, die ihrerseits der Werbung, dem Kaufanreiz und der Darstellung
von Inhalten dienen. Eine kreativ-phantasievolle Dekoration oder auch Verfremdung soll dies unterstützen. Damit unterscheiden
sich solche Objekte und Raumgestaltungen z.B. von den Objekten des Künstlers Christo („verhüllter Reichstag“) oder von einem
gestalteten Garten von André Heller. Letzterer ist als „ein poetisches Zusammenspiel von Pflanzen und Skulpturen“ konzipiert,
in dem „alle Sinne angesprochen werden“, damit eine Inszenierung, die nach ihrem Ursprungskonzept „die Welt im Kleinen widerspiegelt“
(so die Beschreibung unter https://www.reise-nach-italien.de/andre-heller-garten.html). Diesen Anspruch erheben die Objekte
und Gestaltungen des Klägers nicht. Dafür spricht, dass sie von Auftraggebern bestellt werden, die ihrerseits im Bereich der
Eventorganisation und der „floralen Gestaltung“ angesiedelt sind. Sie teilen somit den Charakter des Werks, das der Auftraggeber
Dritten schuldet. Insoweit ist dem Kläger nicht zu folgen, dass seine Werke unabhängig von den ihn beauftragenden Unternehmen
zu sehen sind. Dabei sind die klägerischen Wand- und Raumgestaltungen wie auch die Wandbilder aus Pflanzen und die angereicherten
Gebrauchsgegenstände, eigenschöpferisch und phantasievoll. Sie sollen aber weder eigenständig und losgelöst von der sonstigen
Nutzung der Räume hervortreten; Noch sind sie als Installationen erkennbar, die eine eigene, für sich stehende inhaltliche
Aussage transportieren, den Raum selbst zum Kunsterlebnis machen wie es z.B. die Gärten André Hellers oder die Groß-Installationen
Christos wie die „Floating Piers“ (künstlich angelegte und begehbare Piers) beabsichtigen. Diese haben als Ziel die Assoziationen
der Betrachter*innen anzuregen, diesen (im Fall der begehbaren Gärten oder der „Floating Piers“) ein mehrere Sinne ansprechendes
Erleben zu verschaffen. Dies wird aus Sicht des Senates gestützt durch die Rechnungen, die überwiegend den Betreff „Objekt
und Dekoration“ aufweisen. Die Objekte des Klägers stehen so im Dienst der Dekoration, die Dekoration ihrerseits im Dienst
der Objekt- oder Raumnutzung, nämlich der jeweiligen Veranstaltung (wie z.B. einer Hochzeit). Die Gestaltung soll den Raum,
die Veranstaltung oder den konkreten Gegenstand in der jeweiligen Funktion unterstützen, aber nicht überwiegen oder sich quasi
davon lösen (dazu auch sogleich bb.).
(2) Der Kläger ist unter Berücksichtigung seiner Tätigkeit der Herstellung und Verfremdung von Gegenständen kein Produktdesigner.
Zwar teilt er mit diesem die formgerechte und funktionale Gestaltung von Gegenständen unter künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten,
die „Erschaffung der schönen Form“. Dazu kann die Gestaltung und Anreicherung von Lampen/Lampenschirmen wie auch die Gestaltung
eines (gewerblichen) Raumes wie eines Barbereichs mit Pflanzen und Blüten (u.a. als Raumteiler) gehören. Der Kläger stellt
die Objekte und Raumgestaltungen aber selbst her und wird dafür ausweislich der Rechnungen auch bezahlt (Auf- und Abbau).
Kennzeichen des Designers, sei es für Möbel, Innenräume oder sonstige Gegenstände, ist demgegenüber, dass allein aus der Überlassung
eines Entwurfs zur Verwertung durch Dritte Einnahmen erzielt werden und nicht aus der Produktion und /oder der anschließenden
Veräußerung der Gegenstände selbst. Der Kläger entwirft nicht nur Gestaltungselemente für Räume oder für Gebrauchsgegenstände,
sondern er stellt diese auch her und gestaltet den Raum oder den Gegenstand eigenhändig. Er beschafft, nutzt und verarbeitet
dazu Materialien und erbringt eine Gesamt-Dienstleistung. Diese hat mindestens ebenso großes Gewicht wie die Idee, die er
verwirklicht [dazu sogleich (3)]. Die Entwurfstätigkeit für Räume/Wände und Gegenstände hat sich demgegenüber nicht dergestalt
verselbständigt, dass der Kläger seine Entwürfe vermarktet. Auch dafür spricht seine Entlohnung teilweise mit einem Stundenentgelt
bzw. Entgelt für Auf- und Abbau (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 18. Juli 2019 – L 8 KR 265/16 –, Rn. 25, juris). Diesen Aspekt übersieht das Sozialgericht, wenn es darauf abhebt, dass es bei dem Kläger um die Erschaffung
„schöner Formen“ im Raum gehe.
(3) Die Tätigkeit des Klägers ist nach alldem dem Bereich der kreativen Innen- und Außen-Raumgestaltung bzw. -verschönerung
und der -anreicherung zuzuordnen. Mit dem Innenarchitekten, der keine künstlerische Tätigkeit verrichtet (BSG, Beschluss vom 12. August 2004 - B 3 KR 12/04 B), teilt er die Elemente der Raumgestaltung nach ästhetisch-künstlerischen Belangen. Zum Vollbild fehlt – neben der Ausbildung
– die technisch-konstruktiven Aspekte der Raumgestaltung. Im Vergleich zum nicht künstlerischen Raumausstatter oder dem Ausbildungsberuf
des Dekorateurs ist zweifellos zu konstatieren, dass der Kläger einen inhaltlich breiteren Bereich abdeckt. In Anbetracht
seiner kreativen Handhabung unterschiedlicher Werkmaterialien, der eigenen handwerklichen Herstellung und kreativen Verfremdung
von (scheinbaren) Gebrauchsgegenständen ist er auch im Bereich des Kunsthandwerkes tätig. Belegt wird dies u.a. durch die
teilweise sehr filigrane Nutzung der verschiedensten Materialien, die eine handwerkliche Vorbildung, Kenntnis der Pflanzen
und ein entsprechendes Geschick bzw. Übung erfordern. Dies allein rechtfertigt aber nicht seine Einstufung als Künstler. Kommt
diese auch bei grundsätzlich handwerklicher Tätigkeit nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Betroffene mit seinen Werken
in einschlägigen fachkundigen Kreisen als "Künstler*in" anerkannt und behandelt wird und deshalb den Bereich der rein handwerksmäßigen
Berufsausübung verlassen hat, sind diese Voraussetzungen für den Kläger nicht nachgewiesen. Hierfür ist bei Vertretern der
bildenden Kunst vor allem maßgebend, ob der Betroffene an Kunstausstellungen teilnimmt, Mitglied von Künstlervereinen ist,
in Künstlerlexika aufgeführt wird, Auszeichnungen als Künstler erhalten hat oder andere Indizien auf eine derartige Anerkennung
schließen lassen. Als ein solches Indiz hat das BSG zum Beispiel die Abbildung oder Besprechung einer Arbeit in einer Kunstzeitschrift angesehen. Der Kläger hat nicht dargelegt,
dass er in Kunstkreisen über eine Anerkennung als Künstler verfügt. Es gibt auch für den Senat keine durchgreifenden Anhaltspunkte
dafür, dass die Arbeiten durch Fachkreise der bildenden Kunst (z.B. Kunstkritiker, Museumsleute, Galeristen, Kunstvereine)
anerkannt sind.
bb. Der Kläger übt schließlich keine neue/eigenständige Form der (bildenden) Kunst jenseits der klassischen Katalogberufe
i.S. des Künstlerberichts (1975) aus. Die Art der Gestaltung unter Nutzung überwiegend von Naturmaterialien, die Verfremdung
des Natürlichen oder von Bestehendem changiert zwischen den hergebrachten Kunstformen und dem Kunsthandwerk und könnte deshalb
nicht im Künstlerbericht erfasst sein. Zudem war und ist der Objektemacher bereits in dem Bericht aufgenommen [dazu oben aa.
(1)]. Dessen Arbeitsmaterialien waren damals wie heute nicht beschränkt. Die Klägerbevollmächtigte verwies in der mündlichen
Verhandlung zwar (zu Recht) auf die „Fettecke“, die Joseph Beuys ab (1958/1963) als gestalterisches Element nutzte. Dem gleichzustellen
wäre die „Joseph Beys Badewanne“, die eine Badewanne mit Materialien wie Heftpflaster und Mullbinde versah. Dabei maß dieser
Künstler aber dem Material (Fett oder Heftpflaster) und/oder der Plastik, in der er es verwendete, eine spezifische Bedeutung
bei, nämlich als „ständiges Demonstrationsobjekt“ (vgl. den Artikel „Fettecke“ in www.wikipedia). Parallel dazu stehen Installationen,
wie sie z.B. regelmäßig in der Ausstellung „documenta“ (Kassel) zu sehen sind. Im Vergleich dazu nimmt auch der Kläger teilweise
Gewachsenes oder zumindest Vorgefundenes wie auch Räume zum Ausgangspunkt seiner eigenen Gestaltqualität. Seine Dekorationen
und Objekte lassen aber keine eigene (inhaltliche) Aussage des Schöpfers und sei es in der Demonstration von Wirklichkeit
oder der Auseinandersetzung mit ihr erkennen. Die Arbeiten sind zudem nicht Gegenstand z.B. von Programmen an Kunsthochschulen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).