Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des SG Cottbus vom 26. Februar 2019, mit welchem die Antragsgegnerin
vorläufig verpflichtet wurde für die Zeit vom 26. Februar 2019 bis zum 26. August 2019 die Kosten für eine Versorgung des
Antragstellers mit Cannabisblüten nach Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Versorgung zu übernehmen, ist gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG Cottbus den Antragsgegner vorläufig zur Übernahme der Kosten für eine Versorgung
des Antragstellers mit Cannabisblüten verpflichtet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß
§
86b Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund, also einer schweren existentiellen Notlage, die ein weiteres
Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lässt. Für die Zeit ab dem 26. April 2019 ergibt sich
dies bereits aus dem Schriftsatz der Bevollmächtigten des Antragstellers selbst, in welchem sie mitteilt: " reichten diese
bis zum 25. April 2019. Seitdem hat der Antragsteller "mit allem" aufgehört, dass heißt er nimmt weder Psychopharmaka ein,
noch inhaliert er Cannabis und hat seitdem weder Depressionen noch Entzugserscheinungen. Im Moment fühlt sich der Antragsteller
gut, hat wieder Lust am Leben, ist lebensfroh, hat wieder Kontakt zur Familie. Er empfindet sein Leben wieder als lebenswert
und schön, heult nicht mehr, hat keine suizidalen Gedanken. Der Antragsteller fühlt sich jetzt gut, ist auf Arbeitssuche und
hofft, demnächst eine Arbeitsstelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden." Hiermit verdeutlicht die Bevollmächtigte selbst,
dass ein eiliges Regelungsbedürfnis aktuell nicht besteht. Schwere und unzumutbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren
nicht mehr zu beseitigen wären, drohen angesichts dessen derzeit nicht. Das Eilverfahren dient entgegen der Annahme des Antragstellers
nicht dazu, ihm eine Genehmigung der Verordnung der Cannabisblüten auf "Vorrat" für etwaig in Zukunft erneut auftretende Bedarfe
an der Einnahme von Cannabis zu sichern. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass nach Angaben der behandelnden Ärztin im Befundbericht
vom 17. April 2019 zuletzt keine Therapie mittels der im Eilverfahren zugesprochenen Cannabisblüten mehr stattfand, sondern
eine Umstellung auf Sativex-Spray erfolgte. Dies ist vom bisherigen Begehren und dem Beschluss des SG Cottbus nicht umfasst,
da im Eilverfahren keine vorläufige Genehmigung der Verordnung von Cannabisprodukten zu Lasten der GKV erfolgen kann, sondern
lediglich eine vorläufige Verpflichtung zur Übernahme eines bestimmten Cannabisproduktes. Auch insoweit ist ein eiliges Regelungsbedürfnis
im Hinblick auf die Verordnung von Cannabisblüten nicht mehr zu erkennen. Überdies ist auch ein Anordnungsanspruch nach Ansicht
des Senates nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Nach §
31 Abs.
6 Sozialgesetzbuch/ Fünftes Buch (
SGB V) haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten
oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon,
wenn 1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung a) nicht zur Verfügung steht oder b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter
Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht
zur Anwendung kommen kann und 2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den
Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. Zwar leidet der Antragsteller unter einer schwerwiegenden Erkrankung,
so hat die behandelnde Ärztin neben einer mittelgradigen depressiven Episode aufgrund der ihr vom Antragsteller benannten
Vordiagnosen anderer Therapeuten ebenfalls eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sowie eine Polytoxikomanie diagnostiziert,
jedoch stehen bezüglich dieser Erkrankungen nach den maßgeblichen S3 Leitlinien (Depression und PTBS) sowie der Leitlinie
der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung (Polytoxikomanie) anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen
zur Verfügung, so dass die Voraussetzungen des §
31 Abs.
6 Nr.
1a SGB V nicht gegeben sind. Aber auch die Voraussetzungen des §
31 Abs.
6 Nr.
1b SGB V liegen nicht vor. Insbesondere lassen sich weder der Begründung zur Notwendigkeit der Verordnung vom 12. Juli 2018, noch
dem Schreiben der behandelnden Ärztin vom 21. Dezember 2018 die erforderliche begründete Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin
entnehmen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm hat die behandelnde Vertragsärztin unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen
und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten begründet darzulegen, warum eine allgemein anerkannte,
dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Anwendung kommen kann. Zwar kommt der behandelnden Vertragsärztin
insoweit nach der Intention des Gesetzes eine Einschätzungsprärogative zu. Jedoch setzt diese voraus, dass eine im Einzelfall
begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. So legt die Ärztin im Antrag
von 12. Juli 2018 bei gestellter Diagnose "Polytoxikomanie mit jahrelanger Abhängigkeit bei posttraumatischer Belastungsstörung"
nur dar, dass der Patient ohne die Inhalation von Cannabisblüten seinen Alltag nicht bewältigen könne. Eine Begründung welche
alternativen Therapien warum nicht angewandt werden können, findet sich nicht. Auch dem Schreiben vom 21. Dezember 2018 lässt
sich eine solche nicht entnehmen. Die Ärztin stellt lediglich fest "Therapiealternativen sind ausgereizt." ohne aufzuzeigen
welche Therapien wann und warum ergebnislos waren. Schließlich kann die behandelnde Vertragsärztin auch in dem vom Gericht
angeforderten Befundbericht hierzu nichts weiter darlegen. Gerade im Hinblick auf die von ihr weiterhin diagnostizierte jahrelange
Drogenabhängigkeit fehlen Ausführungen dazu, warum angesichts dieser Diagnose zur Behandlung der Depression und der PTBS Cannabisblüten
eingesetzt werden sollen. Eine Abwägung von Risiken und Nebenwirkungen mit den zu erwartenden Vorteilen findet sich nicht.
Allein der Hinweis, dass es dem Antragsteller mit Cannabis besser geht, reicht angesichts der diagnostizierten Suchterkrankung
nicht aus, da es jedem Suchtpatienten aus seiner subjektiven Sicht mit der suchtauslösenden Substanz besser geht und er den
Alltag besser meistern kann, als ohne diese. Vielmehr scheint die Begründung der Ärztin getragen von dem Versuch, den Antragsteller
durch die Verordnung von Cannabis und die Ausgabe von medizinischem Cannabis über die Apotheke aus dem Zwang der illegalen
Beschaffung des Suchtmittels befreien zu wollen. Dies ergibt sich unter anderem aus der Darlegung der Ärztin, dass sie die
Sorte der verschriebenen Cannabisblüten allein nach der Verfügbarkeit in der Apotheke ausgesucht hat. Es zeigt zudem, dass
sich die Ärztin nicht hinreichend mit den verschiedenen Wirkstoffen von Cannabis, die je nach Sorte in unterschiedlichen Mengen
in den Blüten enthalten sind, und deren Wirkungen auf die Krankheitsbilder des Antragstellers auseinandergesetzt hat. So überrascht
die Verordnung von Bedrocan-Blüten, welche den höchsten THC-Gehalt aller Medizinalcannabisblüten aufweisen, bei sehr geringem
Gehalt von CBD, da eine etwaige Wirksamkeit von Cannabis bei Depressionen und PTBS allein dem Wirkstoff CBD und nicht dem
THC zugeschrieben wird (vgl. Grotenhermen, Götsche, Cannabissorten und ihre Inhaltsstoffe, www.cannabis-med.org). Auch beruft
sie sich im Hinblick auf die Darreichungsform allein auf die langjährige Erfahrung des Antragstellers mit der Cannabisinhalation
ohne darauf einzugehen, welche Wirkstoffe wie durch die Inhalation aufgenommen werden und was dies bewirkt. Ebenso kann dem
Befundbericht nicht entnommen werden, welche anderen medizinisch anerkannten Therapien beim Antragsteller erfolglos geblieben
sind. Gerade im Hinblick darauf, dass der Antragsteller nach Angaben der behandelnden Ärztin jahrelang nicht in Behandlung
war, kann die Wiederaufnahme einer Behandlung auch unter Berücksichtigung des §
31 Abs.
6 SGB V nicht sofort in der Verschreibung von Cannabis liegen. Etwas anderes folgt angesichts dessen auch nicht aus Art.
2 Abs.
2 GG. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§
177 SGG).