Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Rechtmäßigkeit eines Verordnungskostenregresses auf der Grundlage von Richtgrößen;
Darlegungs- und Beweislast
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Verordnungskostenregresses auf der Grundlage von Richtgrößen für das Jahr 2005.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin in L... an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im Jahr 2005 rechnete
er insgesamt 4.417 Fälle, darunter 3.276 Fälle von Mitgliedern/Familienversicherten und 1.141 Fälle von Rentnern, ab. Die
Bruttokosten für die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln einschließlich Sprechstundenbedarf betrugen 515.472,90 € und
überstiegen das Richtgrößenvolumen von 255.259,34 € um 101,94 %.
Der Prüfungsausschuss Ärzte D... beschloss die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung auf der Grundlage von Richtgrößen
und teilte dem Kläger dies sowie den Richtgrößenjahresvergleich mit. Der Kläger gab keine Stellungnahme ab und unterzeichnete
auch nicht die angebotene Vereinbarung über eine Verminderung des berechneten Regresses um ein Fünftel (gemäß § 106 Abs. 5a
Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]). Daraufhin setzte der Prüfungsausschuss mit Prüfbescheid vom 12.12.2007 einen
Regress in Höhe von 36.930,90 € fest. Bei Überprüfung der vorliegenden Verordnungs- und Behandlungsdaten würden Mehraufwendungen
in Höhe von insgesamt 152.494,33 € als berechtigt anerkannt (davon 57.953,68 € für Indikationsgebiete nach der Anlage 7.1
zur Prüfungsvereinbarung und 94.540,65 € weitere Kosten darunter 8.174,68 € für Schmerztherapie mit Analgetika/Opiaden, 23.242,08
€ für Thrombozytenaggregationshemmer, 5.918,08 € für Arzneimittel bei gastroösophagaler Refluxkrankheit, 8.213,08 € Osteoporosemittel/Bisphosphonate,
10.259,01 € für Broncholytika/Antiasthmatika bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung [COPD], 20.358,22 € für Verordnungen
mit Nettowert Null). Nach Anerkennung dieser Besonderheiten verbleibe eine Restüberschreitung von 42,20 %. Unter Zugrundelegung
der Nettoquote (Verhältnis Netto-/Bruttokosten) der Fachgruppe von 0,8478 und Abzug von Rabatten ergebe sich der festgesetzte
Regress.
Der Kläger legte Widerspruch ein sowie Patientenlisten mit Diagnosen und Arzneimitteln bzw. Gesamtverordnungskosten vor. Der
Prüfungsausschuss habe einen Schwerpunkt bei der Behandlung von Asthma und COPD gesehen und diesbezüglich die Kosten für das
Arzneimittel Symbicort anerkannt. Gleiches müsse für das Medikament Viani gelten, das zur Langzeittherapie bei Asthma eingesetzt
werde. Bei diesen Patienten bestehe auch ein Mehrbedarf an Antibiotika. 143 Patienten mit COPD hätten Gesamtverordnungskosten
einschließlich Begleitmedikation von 40.717,00 € verursacht. Darüber hinaus sei aus der Abrechnung der Nr. 603 des Einheitlichen
Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) ersichtlich, dass seine Praxis einen überdurchschnittlichen Anteil
von Patienten mit Herzkrankheiten aufweise. Zudem handele es sich um die erste Prüfmaßnahme, weshalb eine Beratung ausreichend
sei. Schließlich werde hilfsweise der Abschluss einer individuellen Richtgrößenvereinbarung (nach §
106 Abs.
5d SGB V) beantragt. Hier sei die Angelegenheit an die Prüfungsstelle zurückzuverweisen.
Mit Bescheid vom 04.07.2008 wies der beklagte Beschwerdeausschuss den Widerspruch zurück. Weitere Praxisbesonderheiten seien
nicht zu erkennen. Im Gegenteil sei die Anerkennung von Refluxösophagitis, Schmerztherapie, Osteoporose und Thromboseerkrankungen
kritisch zu betrachten, da diese Krankheitsbilder regelmäßig auch in anderen Praxen vorkämen. Die Behandlung von Patienten
mit Asthma und COPD sei mit der vollständigen Anerkennung des umsatzstärksten Arzneimittels Symbicort ausreichend gewürdigt
worden, zumal anhand der Häufigkeitsstatistik ein Praxisschwerpunkt im Bereich der Pneumologie nicht erkennbar sei. Die stichprobenartige
Überprüfung der Behandlungsscheine habe den geltend gemachten Mehrbedarf an Antibiotika bei akuten bakteriellen Exazerbationen
der COPD nicht bestätigt. Für die Begleitmedikation bei COPD sei die vorgelegte Liste nicht aufschlussreich. Die häufigere
Abrechnung von EKG-Leistungen sage nichts über die Häufigkeit von Herzerkrankungen aus; das entsprechende Verordnungsverhalten
sei eher unauffällig. Als Verordnungen mit Netto-Nullwert hätten nur Verordnungen anerkannt werden dürfen, bei denen die Zuzahlung
des Versicherten höher als der Preis des Medikaments sei. Im vorliegenden Fall seien aber darunter zu Unrecht Bruttoverordnungskosten
einer Krankenkasse subsumiert worden, die entsprechende Nettowerte nicht angegeben habe. Eine individuelle Richtgrößenvereinbarung
erfordere eine Einigung vor Festsetzung des Regresses. Eine solche Einigung sei nicht erzielt worden, da während des Verfahrens
vor dem Prüfungsausschuss kein Antrag gestellt worden sei. Nach Erlass des Prüfbescheides sei eine Vereinbarung ausgeschlossen.
Der Kläger hat beim Sozialgericht Dresden (SG) am 28.07.2008 Klage erhoben. Der Bescheid des Beklagten sei bereits deshalb rechtswidrig, weil ihm entgegen §
106 Abs.
5d SGB V keine Vereinbarung einer individuellen Richtgröße angeboten worden sei. Auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung habe
er einen Anspruch. Darüber hinaus seien Praxisbesonderheiten unzureichend berücksichtigt worden. Dies gelte nicht nur für
das Arzneimittel Viani. Vielmehr hätte sich der Beklagte hinsichtlich des Mehrbedarfs für Antibiotika bei COPD mit Exazerbationen
nicht mit einer stichprobenartigen Überprüfung begnügen dürfen, sondern alle Behandlungsscheine durchsehen müssen.
Der Beklagte hat erwidert, das Gesetz sehe die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße nach Bekanntgabe des Prüfbescheides
nicht vor. Dann könne der Zweck einer solchen Vereinbarung, den berechneten Regress nicht festzusetzen, nicht mehr erreicht
werden. Er - der Beklagte - könne allenfalls dann für den Abschluss einer solchen Vereinbarung zuständig sein, wenn erstmals
er einen Regress festsetze.
Mit Urteil vom 02.02.2011 hat das SG der Klage stattgegeben und den Beklagten zur Neubescheidung verurteilt. In der Sache sei der vom Beklagten festgesetzte Regress
rechtmäßig. Der Beklagte habe das elektronisch ermittelte Verordnungsvolumen des Klägers von 515.472,90 € heranziehen dürfen.
Der bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um 101,94 % in Höhe von 36.930,90 € ermittelte Regress erweise sich ebenfalls
als rechtmäßig. Der Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, einen über 152.494,33 € hinausgehenden Mehraufwand anzuerkennen.
Es seien keine weiteren Praxisbesonderheiten anzuerkennen. Die vom Kläger vorgelegte Liste von Patienten mit Asthma/COPD und
einem Gesamtverordnungsvolumen einschließlich Begleitmedikation in Höhe von 40.717,00 € reiche nicht aus. Für die Darlegung
von Praxisbesonderheiten hätte der Kläger spezielle Strukturen aufzeigen müssen; hierfür wäre es notwendig gewesen, seine
Patientenschaft und deren Erkrankungen so zu systematisieren, dass sich signifikante Abweichungen vom Vergleichsgruppendurchschnitt
erkennen ließen. Auch der pauschale Hinweis des Klägers auf die vermehrte Behandlung von Herzerkrankungen sei unsubstantiiert,
zumal der Beklagte nach Durchsicht der Behandlungsscheine ein entsprechendes Klientel nicht habe feststellen können. Höhere
Mehraufwendungen wären selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn die Kosten für das Arzneimittel Viani und für Antibiotika berücksichtigt
würden, weil der Prüfungsausschuss zu Unrecht 20.358,22 € für Verordnungen mit Netto-Nullwert abgezogen habe. Der Bescheid
des Beklagten sei aber wegen Verstoßes gegen §
106 Abs.
5d SGB V rechtswidrig, weil das Verwaltungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Zwar sei §
106 Abs.
5d SGB V anders als §
106 Abs.
5a Satz 3
SGB V nicht als Soll-Vorschrift formuliert. Doch bestehe eine entsprechende Verpflichtung, wenn der Arzt - wie hier - den Abschluss
einer individuellen Richtgrößenvereinbarung beantrage. Wie in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck komme, habe der Gesetzgeber
der Einhaltung der Richtgrößen in der Zukunft gegenüber einem auf die Vergangenheit bezogenen Regress höhere Bedeutung eingeräumt.
Der Zweck einer individuellen Richtgrößenvereinbarung sei nicht schon wegen Zeitablaufs verfehlt. Die Begrenzung des Verordnungsvolumens
sei auch bei einem späteren Abschluss der Vereinbarung erreichbar. Die davon ausgehende Steuerungsfunktion sei unabhängig
davon gegeben, zu welchem Zeitpunkt die Vereinbarung abgeschlossen werde. Der Kläger sei mit seinem Begehren auch nicht deshalb
präkludiert, weil vom Prüfungsausschuss bereits ein Regress festgesetzt worden sei. Weder dem Wortlaut des §
106 Abs.
5d SGB V noch den Gesetzesmaterialien lasse sich entnehmen, dass nur der Prüfungsausschuss eine solche Vereinbarung abschließen könne.
Vielmehr müsse auch insoweit gelten, dass der Beschwerdeausschuss mit Einlegung des Widerspruchs ausschließlich funktionell
zuständig geworden sei.
Hiergegen richtet sich der Beklagte mit seiner am 06.04.2011 eingelegten Berufung. Bereits aus dem Wortlaut des §
106 Abs.
5d SGB V ergebe sich, dass eine individuelle Richtgröße nach Festsetzung eines Regresses nicht mehr vereinbart werden könne. Dann
könne der Zweck einer solchen Vereinbarung, der darin bestehe, den berechneten Regress nicht festzusetzen, sondern durch eine
individuelle Richtgröße abzulösen, auch nicht mehr erreicht werden. Aus dem Gesetzestext lasse sich - anders als bei §
106 Abs.
5a Satz 4
SGB V - nicht ableiten, dass der Prüfungsausschuss verpflichtet gewesen wäre, dem Kläger ein Angebot zu unterbreiten. Vielmehr
müsse der Arzt insoweit an den Prüfungsausschuss herantreten. Die ausweislich der Gesetzesmaterialien bezweckte Vereinfachung
und Verschlankung der Wirtschaftlichkeitsprüfung sprächen gegen den Abschluss einer Vereinbarung nach der Festsetzung eines
Regresses. Aus Gleichbehandlungsgründen dürften die Prüfgremien individuelle Richtgrößenvereinbarungen nur im gleichen Verfahrensstadium
anbieten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 2. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Prüfgremien seien sehr wohl verpflichtet, dem Arzt eine individuelle Richtgrößenvereinbarung anzubieten. Dies folge nicht
allein daraus, dass die Prüfgremien nur hinsichtlich des "Wie", nicht aber hinsichtlich des "Ob" einer solchen Vereinbarung
einen Entscheidungsspielraum hätten. Vielmehr ergebe sich eine Pflicht der Prüfungsgremien auch aus Sinn und Zweck des §
106 Abs.
5d SGB V. Dieser bestehe darin, das Wirtschaftlichkeitsgebot vorrangig durch für die Zukunft wirksame Begrenzungen des Verordnungsvolumens
umzusetzen. Daher sei zumindest dem Vertragsarzt, der seinen Willen zum Abschluss einer solchen Vereinbarung durch einen entsprechenden
Antrag dokumentiert habe, seitens der Prüfgremien ein angemessenes Angebot zu machen. Die Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses
scheide nicht deshalb aus, weil im ersten Prüfzug ein Regress festgesetzt worden sei, ohne auf ein Angebot zur individuellen
Richtgrößenvereinbarung einzugehen. Der Sinn einer solchen Vereinbarung könne auch bei einem nachträglichen Abschluss noch
erreicht werden.
Die Beigeladene zu 2 und der Beigeladene zu 5 schließen sich dem Beklagten an. Die übrigen Beigeladenen haben sich in der
Sache nicht geäußert.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die
in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben und den Beklagten zur Neubescheidung verurteilt. Dessen Bescheid vom 04.07.2008 ist nicht deshalb
rechtswidrig, weil der Beklagte es abgelehnt hat, mit dem Kläger eine Vereinbarung über eine individuelle Richtgröße zu schließen
(dazu 1.). Auch im Übrigen ist der festgesetzte Regress nicht zu beanstanden (dazu 2.).
1. Rechtsgrundlage für Verordnungskostenregresse wegen Überschreitung von Richtgrößen ist §
106 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina
nach §
84 SGB V beurteilt. Gemäß §
84 Abs.
6 Satz 1
SGB V in der hier anzuwendenden Fassung des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetzes (ABAG) vom 19.12.2001 (BGBl. I S. 3773) vereinbaren die Gesamtvertragsparteien zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr
bezogene Volumen der je Arzt verordneten Arznei- und Verbandmittel (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifische fallbezogene
Richtgrößen als Durchschnittswerte. Die Überschreitung des Richtgrößenvolumens löst gemäß §
84 Abs.
6 Satz 4
SGB V eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach §
106 Abs.
5a SGB V aus. Überschreitet der Vertragsarzt das Richtgrößenvolumen um mehr als 25 %, hat er den sich daraus ergebenden Mehraufwand
den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist (§
106 Abs.
5a Satz 3
SGB V in der Fassung des GMG). Hierzu bestimmt §
106 Abs.
5a Satz 4
SGB V, dass der Prüfungsausschuss vor seinen Entscheidungen und Festsetzungen auf eine Vereinbarung mit dem Vertragsarzt hinwirken
soll, die eine Minderung des Erstattungsbetrages um bis zu einem Fünftel zum Inhalt haben kann. Ferner bestimmt §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V, dass ein vom Vertragsarzt zu erstattender Mehraufwand abweichend von §
106 Abs.
5a Satz 3
SGB V nicht festgesetzt wird, soweit der Prüfungsausschuss mit dem Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart, die eine wirtschaftliche
Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten gewährleistet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nicht unter Verstoß gegen §
106 Abs.
5d SGB V zustande gekommen, weil sich der Beklagte geweigert hat, mit dem Kläger eine Vereinbarung über eine individuelle Richtgröße
zu schließen. Denn §
106 Abs.
5d SGB V setzt zum einen den Abschluss einer solchen Vereinbarung vor der Festsetzung eines Regresses voraus (a) und unterwirft zum
anderen die Prüfgremien keinem Kontrahierungszwang, sondern lediglich einer Verhandlungspflicht, die durch ein entsprechendes
Begehren des Vertragsarztes ausgelöst werden muss (b).
a) Eine Vereinbarung über eine individuelle Richtgröße kann in einem Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren nur vor der Festsetzung
eines Regresses geschlossen werden. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Denn §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V bestimmt: "Ein vom Vertragsarzt zu erstattender Mehraufwand wird abweichend von Absatz 5a Satz 3 nicht festgesetzt, soweit
der Prüfungsausschuss mit dem Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart ..." Soll aber eine Vereinbarung die Festsetzung
eines Regresses verhindern, muss sie vor der Bekanntgabe des den Regress festsetzenden Bescheides abgeschlossen sein.
Vor diesem Hintergrund ist die alleinige Erwähnung des Prüfungsausschusses in §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V beredt. Denn in aller Regel ist es dieser und nicht erst der Beschwerdeausschuss, der im Prüfverfahren einen Regress festsetzt.
Allerdings ist die alleinige Erwähnung des Prüfungsausschusses nicht im Sinne von dessen ausschließlicher Zuständigkeit zu
verstehen. Denn auch insoweit gilt, dass der Beschwerdeausschuss mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich
und endgültig zuständig wird (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11.05.2011 - B 6 KA 13/10 R - BSGE 108, 175 Rn. 16 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 32; Urteil vom 19.06.1996 - 6 RKa 40/95 - BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 37 - kritisch zur Rechtsfigur des "eigenständigen zweitinstanzlichen Verwaltungsverfahrens"
vor dem Beschwerdeausschuss: Clemens in: jurisPK-
SGB V, 2. Aufl., Rn. 368) und somit an die Stelle des Prüfungsausschusses tritt. Dies ändert indessen nichts daran, dass nach dem
klaren Wortlaut des §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V eine individuelle Richtgröße nur dann die Festsetzung eines Regresses verhindert, wenn sie vor dem festsetzenden Bescheid
abgeschlossen worden ist.
Hat der Prüfungsausschuss einen Regress festgesetzt, kommt im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss der Abschluss einer regresshindernden
individuellen Richtgrößenvereinbarung nicht mehr in Betracht. Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeausschuss nicht
nur mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig wird, sondern sein Bescheid auch
denjenigen des Prüfungsausschusses ersetzt (BSG, Urteil vom 11.05.2011 - B 6 KA 13/10 R - BSGE 108, 175 Rn. 16 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 32; Urteil vom 19.06.1996 - 6 RKa 40/95 - BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 37). Denn dies bedeutet nicht, dass mit Anrufung des Beschwerdeausschusses oder mit dessen Entscheidung
der Bescheid des Prüfungsausschusses gegenstandslos würde. Vielmehr weist auch der Beschwerdeausschuss einen unzulässigen
oder unbegründeten Widerspruch lediglich zurück und wiederholt im Verfügungssatz seines Bescheides nicht die von ihm bestätigte
Entscheidung des Prüfungsausschusses (zur vergleichbaren Situation bei den Zulassungsgremien: Wenner, Vertragsarztrecht nach
der Gesundheitsreform, 2008, § 31 Rn. 12).
Kann in einem Prüfverfahren eine individuelle Richtgröße nicht mehr nach der Festsetzung eines Regresses vereinbart werden,
kann der Vertragsarzt eine solche regresshindernde Vereinbarung auch nur dann mit dem Beschwerdeausschuss abschließen, wenn
der Prüfungsausschuss gegen ihn keinen Regress festgesetzt hat. Dies ist nur auf den Widerspruch eines anderen Beteiligten,
insbesondere einer Krankenkasse bzw. eines Krankenkassenverbandes, denkbar. Hat der Prüfungsausschuss in einem Prüfverfahren
dagegen bereits einen Regress festgesetzt, kommt eine individuelle Richtgrößenvereinbarung nur dann in Betracht, wenn der
regressfestsetzende Bescheid des Prüfungsausschuss aufgehoben worden ist. Dies kann auch durch ein Urteil geschehen. Zwar
ist Gegenstand der sozialgerichtlichen Nachprüfung von Entscheidungen im Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich
nur der das Verwaltungsverfahren abschließende Bescheid des Beschwerdeausschusses (BSG, Urteil vom 11.05.2011 - B 6 KA 13/10 R - BSGE 108, 175 Rn. 16 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 32; Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 65/03 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 7 Rn. 16; Urteil vom 09.03.1994 - 6 RKa 5/92 - BSGE 74, 59, 60 f. = SozR 3-2500 § 106 Nr. 22). Doch ist eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Prüfungsausschus in Ausnahmefällen zulässig (BSG, Urteil vom 19.06.1996 - 6 RKa 40/95 - BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 35; Urteil vom 09.03.1994 - 6 RKa 5/92 - BSGE 74, 59, 61 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 22).
Ausgehend hiervon kann das Urteil des SG schon deshalb keinen Bestand haben, weil dieses davon ausgeht, dass eine regresshindernde Vereinbarung über eine individuelle
Richtgröße ohne Weiteres mit dem Beschwerdeausschuss geschlossen werden kann - und zwar auch dann, wenn durch den Prüfungsausschuss
bereits ein Regress festgesetzt worden ist und ohne dass dessen regressfestsetzender Bescheid aufgehoben werden muss. Dies
lässt sich indessen nicht mit §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V vereinbaren. Vielmehr hätte im vorliegenden Fall, wenn die Prüfgremien gegen ihre Pflichten aus §
106 Abs.
5d SGB V verstoßen hätten (dazu unter b), nicht nur der Bescheid des Beklagten, sondern auch derjenige des Prüfungsausschusses aufgehoben
werden müssen. Dem hätte die Rechtsfigur des eigenständigen zweitinstanzlichen Verwaltungsverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss
nicht entgegengestanden, da diese Figur Ausnahmen bei formalen Mängeln kennt (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.1996 - 6 RKa 40/95 - BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 35).
b) Der Bescheid vom 04.07.2008 ist nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte den Abschluss der vom Kläger erst im zweitinstanzlichen
Verwaltungsverfahren beantragten Vereinbarung über eine individuelle Richtgröße verweigert hat. §
106 Abs.
5d SGB V vermittelt dem Vertragsarzt keinen Anspruch auf Abschluss einer individuellen Richtgrößenvereinbarung, sondern lediglich
ein Recht auf Verhandlung über eine solche Vereinbarung. Dieses Recht muss allerdings vom Arzt vor Festsetzung des Regresses
geltend gemacht werden. Nur wenn ein Prüfgremium einen Regress festsetzt, obwohl es dem Vertragsarzt trotz entsprechenden
Antrags vorher kein Angebot für eine regresshindernde individuelle Richtgrößenvereinbarung gemacht hat, kommt eine Verurteilung
zur Neubescheidung in Betracht.
Der Wortlaut des §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V gibt nichts dafür her, dass der Vertragsarzt einen Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung über eine individuelle Richtgröße
hätte. Im ersten Halbsatz dieser Bestimmung ist die Rechtsfolge einer solchen Vereinbarung geregelt - nämlich dass die an
sich nach §
106 Abs.
5a Satz 3
SGB V gebotene Festsetzung eines Regresses unterbleibt. Die tatbestandliche Voraussetzung für diese Rechtsfolge ergibt sich aus
dem zweiten Halbsatz des §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V - nämlich die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße, die eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung
von Praxisbesonderheiten gewährleistet. Verknüpft wird beides durch das Wort "soweit", das darauf hinweist, dass die Vereinbarung
auch nur für einzelne abtrennbare Prüfgegenstände geschlossen werden kann, etwa nur für Arzneimittel oder nur für Heilmittel
(vgl. Engelhardt in: Hauck/Noftz,
SGB V, Stand 03/12, §
106 Rn. 228). Einem Kontrahierungszwang werden die Prüfgremien nicht unterworfen. §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V knüpft lediglich an den Abschluss einer Vereinbarung, die gewissen Anforderungen genügt, bestimmte Rechtsfolgen. §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V trifft aber keine Aussagen dazu, ob eine solche Vereinbarung zu schließen ist und, wenn ja, wie sie im Einzelnen ausgestaltet
sein muss. Vielmehr räumt §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V den Beteiligten und damit auch den Prüfgremien einen erheblichen Spielraum ein, wie zum einen in dem Wort "soweit" zum Ausdruck
kommt und zum anderen in der allgemein gehaltenen Vorgabe, mit der individuellen Richtgröße eine wirtschaftliche Verordnungsweise
zu gewährleisten. Angesichts des Spielraums, den das Gesetz den Beteiligten bei der Vereinbarung individueller Richtgrößen
belässt, besteht kein Raum für einen Kontrahierungszwang der Prüfgremien.
Mit dem Gesetzestext lässt sich lediglich ein Verständnis des §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V vereinbaren, wonach dem Vertragsarzt gegen die Prüfgremien ein Recht auf Verhandlung über eine individuelle Richtgrößenvereinbarung
zusteht. Denn §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V eröffnet nicht nur den Prüfgremien, sondern auch dem Vertragsarzt eine Gestaltungsmöglichkeit. Diese setzt zwar den Abschluss
eines Vertrages voraus, kann also nur im gegenseitigen Einvernehmen zum Tragen kommen. Doch darf §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V von den Prüfgremien nicht durch die Verweigerung jeglicher Verhandlungen unterlaufen werden. Räumt §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V dem Vertragsarzt ein Recht auf Vertragsverhandlungen ein, muss dieses Recht aber durch entsprechendes Begehren auch geltend
gemacht werden.
Dafür dass die Prüfgremien dem Vertragsarzt von sich aus den Abschluss einer Vereinbarung über eine individuelle Richtgröße
anbieten müssten, gibt der Wortlaut des §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V nichts her. Vielmehr spricht die Systematik des Gesetzes gegen eine Pflicht der Prüfgremien, auf den Abschluss einer solchen
Vereinbarung hinzuwirken. Denn in §
106 Abs.
5a Satz 4
SGB V ist eine solche Hinwirkungspflicht ausdrücklich geregelt ("Der Prüfungsausschuss soll vor seinen Entscheidungen und Festsetzungen
auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem Vertragsarzt hinwirken, die ..."). Eine dahingehende Regelung fehlt dagegen in
§
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V. Bei der unterschiedlichen Formulierung dieser Bestimmungen handelt es sich um keinen reinen Zufall. Denn beide Bestimmungen
hängen entstehungsgeschichtlich und systematisch eng zusammen: Die durch das GMG geschaffene Regelung in §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V ergänzt diejenige in §
106 Abs.
5a Satz 4
SGB V, die bereits durch das ABAG (damals noch als Satz 6) eingeführt worden war. Beide Bestimmungen lassen sich als Ausprägungen
des Grundsatzes "Vertrag vor Verwaltungsakt" begreifen. Jedoch hat dieser Grundsatz in §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V einen anderen Ausdruck gefunden als in §
106 Abs.
5a Satz 4
SGB V. Daher sind die Prüfgremien nach §
106 Abs.
5d Satz 1
SGB V anders als bei §
106 Abs.
5a Satz 4
SGB V nicht gesetzlich verpflichtet, auf eine entsprechende Vereinbarung hinzuwirken (Engelhardt in: Hauck/Noftz,
SGB V, §
106 Rn. 227).
Aus den Gesetzesmaterialien folgt nichts anderes. Dort heißt es zu §
106 Abs.
5d SGB V (BT-Drucks. 15/1525, S. 117):
"Der in Absatz 5d geregelte Verzicht auf die Festsetzung eines Regresses ist in den Fällen sachgerecht, in denen der Arzt
sich verpflichtet, eine mit dem Prüfungsausschuss vereinbarte praxisbezogene Richtgröße einzuhalten. Durch die Regelung soll
anstelle einer auf die Vergangenheit gerichteten Ausgleichspflicht eine für die Zukunft wirksame Begrenzung des Verordnungsvolumens
der Arztpraxis gewährleistet werden."
Daraus ergibt sich nicht allein, dass bei der Richtgrößenprüfung unter bestimmten Umständen anstelle des Vergangenheitsbezuges
ein Zukunftsbezug treten soll - wobei unklar bleibt, ob die zukunftswirksame Begrenzung des Verordnungsvolumens nur dann an
die Stelle der vergangenheitsgerichteten Ausgleichspflicht tritt, wenn mit der individuellen Richtgröße der an sich auszugleichende
Regress erwirtschaftet werden kann. Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien auch, dass tragender Grund für den Verzicht
auf die Regressfestsetzung die Verpflichtung des Vertragsarztes ist, eine individuelle Richtgröße einzuhalten. Ist aber die
Selbstbindung des Vertragsarztes tragender Grund für die Verhinderung des Regresses, dann muss der Vertragsarzt auch selbst
in dieser Richtung aktiv werden und darf nicht nur passiv abwarten, bis die Prüfgremien auf ihn zukommen.
Den Gesetzesmaterialien lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber der Einhaltung der Richtgrößen in der Zukunft
generell eine höhere Bedeutung als einem auf die Vergangenheit bezogenen Regress eingeräumt hätte. Andernfalls hätte er in
§
106 Abs.
5d SGB V nicht individuelle Richtgrößen an die Stelle gesamtvertraglich vereinbarter Richtgrößen gesetzt und nicht für die Verletzung
ersterer viel schärfere Sanktionen als bei letzteren vorgesehen - nämlich die Erstattung jeglichen (§
106 Abs.
5d Satz 2
SGB V) und nicht nur des 25 % übersteigenden Mehraufwands (§
106 Abs.
5a Satz 2
SGB V).
Auch Sinn und Zweck des §
106 Abs.
5d SGB V lässt sich nichts anderes entnehmen. Gemeinsames Ziel aller Änderungen des §
106 SGB V durch das GMG war es, die Wirtschaftlichkeitsprüfungen effizienter zu gestalten (BT-Drucks. 15/1525, S. 75). Dazu wurde in
§
106 Abs.
5d SGB V der bereits durch das ABAG in §
106 Abs.
5a Satz 6 (jetzt Satz 4)
SGB V verankerte Grundsatz "Vertrag vor Verwaltungsakt" erweitert. Die Ausprägungen dieses Grundsatzes zielen darauf ab, aufwändige
und langwierige Streitverfahren möglichst zu vermeiden (BT-Drucks. 14/6309, S. 11). Während bei §
106 Abs.
5a Satz 4
SGB V der Inhalt der Vereinbarung im Gesetz klar umrissen ist ("Minderung des Erstattungsbetrages um bis zu einem Fünftel"), ist
dies bei §
106 Abs.
5d SGB V nicht der Fall (nach Satz 1 eine "individuelle Richtgröße ..., die eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter
Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten gewährleistet", nach Satz 4 kann sich die Bemessung der individuellen Richtgröße
auch an einer Zielvereinbarung nach §
84 Abs.
1 SGB V orientieren). Angesichts dessen lässt sich bei §
106 Abs.
5d SGB V eine Verfahrensvereinfachung nur erreichen, wenn der Vertragsarzt aktiv an dem Zustandekommen einer Vereinbarung mitwirkt.
Zu keiner anderen Beurteilung führt die Verhaltensänderung, die durch die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße beim
Vertragsarzt bezweckt wird. Denn einen edukatorischen Effekt hat nicht allein die zukunftswirksame individuelle Richtgröße,
sondern auch der vergangenheitsbezogene Regress. Schon der Wirtschaftlichkeitsprüfung als solcher kommt erzieherische Wirkung
zu, weil sie dem Vertragsarzt ins Bewusstsein ruft, dass er in ein öffentlich-rechtliches Leistungssystem eingebunden ist.
Zur Erfüllung der sich daraus ergebenden Pflichten wird der Vertragsarzt erst recht angehalten, wenn die Wirtschaftlichkeitsprüfung
Mängel zutage fördert (Zuck in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 21 Rn. 4).
Insoweit ist auch der Festsetzung eines Regresses ein edukatorischer Effekt nicht abzusprechen. Zudem bewirkt eine individuelle
Richtgrößenvereinbarung eine Verhaltensänderung nicht allein über die individualvertragliche Verpflichtung des Vertragsarztes
auf ein bestimmtes Verordnungsvolumen, sondern in erster Linie über die schärferen Sanktionen, die eine Überschreitung dieses
Volumens auslöst.
c) Unterwirft also §
106 Abs.
5d SGB V die Prüfgremien keinem Kontrahierungszwang, sondern lediglich einer Verhandlungspflicht, die durch ein entsprechendes Begehren
des Vertragsarztes ausgelöst werden muss, haben dagegen im vorliegenden Fall weder der Prüfungsausschuss noch der Beschwerdeausschuss
verstoßen. Denn im Verfahren vor dem Prüfungsausschuss hatte sich der Kläger nicht geäußert - weder nachdem ihm der Prüfungsausschuss
mit Schreiben vom 25.06.2007 den Richtgrößenjahresvergleich mitgeteilt und Gelegenheit zur Stellungnahme dazu eingeräumt hatte
noch nachdem ihn dieser mit Schreiben vom 05.11.2007 über den auf seiner Sitzung vom 02.11.2007 beschlossenen Regress informiert
und den Abschluss einer regressmindernden Vereinbarung gemäß §
106 Abs.
5a Satz 4
SGB V angeboten hatte. In Ermangelung jeglicher Reaktion des Klägers gab es für den Prüfungsausschuss keinen Grund, dem Kläger
eine regresshindernde Vereinbarung gemäß §
106 Abs.
5d SGB V anzubieten. Ohne ein entsprechendes Begehren des Klägers war der Prüfungsausschuss nicht verpflichtet, von sich aus auf eine
Vereinbarung über eine individuelle Richtgröße hinzuwirken. Ein solches Begehren hat der Kläger erstmals - und zudem hilfsweise
- im Verfahren vor dem beklagten Beschwerdeausschuss geäußert. Hierauf hätte der Beklagte auch eingehen müssen, wenn nicht
bereits durch den Prüfungsausschuss ein Regress festgesetzt worden wäre und daher eine individuelle Richtgrößenvereinbarung
nicht mehr geschlossen werden durfte.
2. Inhaltlich ist der festgesetzte Regress nicht zu beanstanden.
Denn das SG hat in dem allein vom Beklagten mit der Berufung angefochtenen Urteil festgestellt, dass der vom Beklagten festgesetzte Regress
in der Sache rechtmäßig ist. Der Kläger hat die Feststellungen und Bewertungen des SG weder mittels Einlegung einer Berufung bzw. Anschlussberufung noch mittels Erhebung von Gegenrügen im Berufungsverfahren
angegriffen, sodass diese Grundlagen im weiteren Verfahren für die Beteiligten bindend feststehen (BSG, Urteil vom 16.07.2008 - B 6 KA 57/07 R - BSGE 101, 130 Rn. 15 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19). Dies folgt daraus, dass bei einem Bescheidungsurteil die in den Entscheidungsgründen
als maßgeblich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Gerichts die Reichweite von dessen Rechtskraft bestimmt. Dabei
umfasst die Bindungswirkung eines Bescheidungsurteils nicht allein die Gründe, aus denen das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt
als rechtswidrig aufhebt. Vielmehr erstreckt sich die materielle Rechtskraft auch auf alle Rechtsauffassungen, die das Bescheidungsurteil
der Behörde bei Erlass des neuen Verwaltungsakts zur Beachtung vorschreibt. Dies geht sogar soweit, dass ein Kläger in nachfolgenden
Verwaltungs- oder Klageverfahren mit Einwendungen, die vom Gericht in die für eine Neubescheidung als maßgeblich vorgegebene
Rechtsauffassung nicht übernommen wurden, ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 27.06.2007 - B 6 KA 27/06 R - SozR 4-1500 § 141 Nr. 1 Rn. 22 f.). Ausgehend hiervon war mangels (Anschluss-) Berufung und Gegenrügen des Klägers die
materielle Rechtmäßigkeit des durch den Beklagten festgesetzten Regresses durch den Senat nicht mehr zu überprüfen.
Anschlussberufung oder Gegenrügen hätten aber auch keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Beklagte durfte das elektronisch
ermittelte Verordnungskostenvolumen des Klägers heranziehen (zu den Anforderungen daran: BSG, Urteil vom 16.07.2008 - B 6 KA 57/07 R - BSGE 101, 130 Rn. 18 ff. = SozR 4-2500 § 106 Nr. 19; Urteil vom 02.11.2005 - B 6 KA 63/04 R - BSGE 95, 199 Rn. 26 ff. = SozR 4-2500 § 106 Nr. 11; Urteil vom 27.04.2005 - B 6 KA 1/04 R - BSGE 94 Rn. 12 ff. = SozR 4-2500 § 106 Nr. 9), da der Kläger diesbezüglich keinerlei Zweifel vorgebracht hat. Auf dieser
Grundlage ermittelte der Beklagte zutreffend eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens um 101,94 % und lehnte es zu Recht
ab, einen über von ihm anerkannten Mehraufwand von 152.494,33 € hinaus weitere Praxisbesonderheiten anzuerkennen. Die Darlegungs-
und Beweislast für den Mehraufwand, der durch Praxisbesonderheiten begründet ist, trägt der Vertragsarzt. Dies ist von der
Rechtsprechung bei der statistischen Vergleichsprüfung seit jeher angenommen worden (siehe nur BSG, Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 S. 265; Urteil vom 05.11.1997 - 6 RKa 1/97 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 42 S. 233 f.). Bei der Richtgrößenprüfung kann nichts anderes gelten, zumal bei dieser die Berücksichtigung
von Praxisbesonderheiten bereits im Gesetzestext (vgl. §
106 Abs.
5a Satz 1
SGB V) als Einwendung ausgestaltet ist. Der Vertragsarzt ist verpflichtet, die Tatsachen, aus denen sich atypische Verhältnisse
seiner Praxis ergeben sollen, nicht lediglich zu behaupten, sondern substantiiert darzulegen. Deren Nachweis obliegt zwar
nicht allein ihm. Vielmehr sind die zur Amtsermittlung verpflichteten Prüfungsgremien gehalten, unter Ausschöpfung der ihnen
zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen den Nachweis zu erbringen. Gelingt der Nachweis aber nicht, so geht dies zu Lasten
des Vertragsarztes (vgl. BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 6 RKa 1/97 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 42 S. 233 f.; Urteil vom 08.04.1992 - 6 RKa 34/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 11 S. 59). Gemessen daran war der Beklagte nicht verpflichtet, einen weiteren Mehraufwand anzuerkennen.
Für die Darlegung von Praxisbesonderheiten genügte die vom Kläger im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss vorgelegte Liste
von Patienten mit Asthma/COPD und einem Gesamtverordnungsvolumen von 40.717,00 € nicht, da mit dieser Patientenliste spezielle
Strukturen seiner Patientenschaft nicht aufgezeigt wurden. Auch der pauschale Hinweis auf die vermehrte Behandlung von Patienten
mit Herzkrankheiten war unsubstantiiert. Insoweit hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise die vom Kläger hervorgehobene
häufigere Abrechnung der Nr. 603 EBM-Ä für nicht signifikant gehalten und demgegenüber auf das diesbezüglich unauffällige
Verordnungsverhalten hingewiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen gemäß §
162 Abs.
3 VwGO ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (vgl. BSG, Urteil vom 31.05.2006 - B 6 KA 62/04 R - BSGE 96, 257 Rn. 16 = SozR 4-1300 § 63 Nr. 3).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Er ergibt sich aus dem Regressbetrag im angefochtenen Bescheid.