Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Die 55-jährige Klägerin wurde in Italien geboren, hielt sich bis 1974 in Deutschland auf, wo sie im Zeitraum von 1970 bis
1974 eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigte in der Produktion (Maschinenführerin) ausübte, und wanderte alsdann nach Kanada
aus. Sie erlangte die Staatsangehörigkeit des Landes, die sie auch heute noch besitzt, und ging bis zum 15. Dezember 1979
einer Beschäftigung als Reinigungskraft im K. General Hospital, K., Ontario nach. Sie hat zwei in Kanada, und zwar am XX.XXXXX
1979 und am 3. 1984 geborene Kinder. Seit Juni 1993 bezieht sie eine kanadische Behindertenrente (Canada Pension Plan Disability
benefit), deren monatliche Höhe im Jahre 2003 535,53 kanadische Dollar betrug.
Bereits in einem früheren Rentenverfahren hatte die Beklagte ihr vorgelegte ärztliche Unterlagen (Bl. 4 bis 21 der Gutachtenakte)
durch ihren ärztlichen Dienst auswerten lassen. Der Internist Dr. B. war in seiner Stellungnahme vom 19. Februar 1990 aufgrund
der vorgelegten Befundberichte zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin an einer Hiatushernie mit Refluxösophagitis,
einer Nephrolitiasis sowie rezidivierenden Lumbalgien und einem Zervikalsyndrom leide, jedoch vor dem Hintergrund dieser Befunde
noch leichte Frauenarbeiten vollschichtig verrichten könne. Daraufhin hatte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Februar 1990
die Gewährung einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung abgelehnt.
Mit am 10. Juni 2003 bei dem kanadischen Rentenversicherungsträger eingegangenen Antrag begehrte die Klägerin erneut eine
Versichertenrente. Hinsichtlich einer vorliegenden Erwerbsminderung wies sie auf eine Rückenverletzung infolge eines Unfalls
im häuslichen Bereich, Fibromyalgie, ein Nieren- und Harnsteinleiden, Refluxösophagitis und Migräne hin. Diese Leiden bestünden
seit dem 15. Dezember 1978, dem Tag eines Sturzes im häuslichen Bereich. Sie sei in ärztlicher Behandlung wegen eines degenerativen
Wirbelsäulenleidens, Fibromyalgie, Bluthochdruck, Schwindelanfällen, Migräne, Refluxösophagitis und eines Nieren- und Harnsteinleidens.
Dem Antrag beigefügt waren ärztliche Befundunterlagen aus den Jahren 1994 und 1995 sowie der Fragebogen für die kanadische
Behindertenrente. Die Beklagte ließ diese Unterlagen durch ihren Sozialmedizinischen Dienst auswerten. Der Internist und Arzt
für Sozialmedizin Dr. E. gelangte aufgrund dieser und der bereits zuvor vorgelegten Unterlagen zu der Einschätzung, dass die
Erwerbsfähigkeit der Versicherten im Hinblick auf die Diagnosen anhaltende Nacken- und Rückenschmerzen, welche durch klinische
oder röntgenologische Befunde an der Wirbelsäule bei gleichzeitig freier Beweglichkeit ohne Nervenwurzelreizerscheinungen
nicht erklärbar, am ehesten als sogenanntes Fibromyalgiesyndrom mit zeitweiliger depressiver Verstimmung ohne Anhalt für eine
höhergradige Vitalitätsstörung oder Störung der sozialen Kompetenzen zu bezeichnen seien, zweifellos gemindert, aber nicht
aufgehoben sei. Körperlich mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken oder Heben und ohne Tragen von Lasten, ohne ununterbrochenes
Stehen und ohne Zwangshaltungen sowie ohne besonderes Stressaufkommen seien ihr trotz dieser Erkrankung arbeitstäglich sechs
Stunden und mehr zumutbar. Mit einer wesentlichen Besserung sei allerdings angesichts des langjährigen Krankheitsverlaufs
nicht mehr zu rechnen.
Mit Bescheid vom 15. September 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die begehrte Rente nach §
43 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI) könne nicht gewährt werden, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit
vorliege. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfange von noch mindestens
sechs Stunden täglich verrichtet werden. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und wies zur Begründung daraufhin,
dass sie den ganzen Tag über Schmerzen habe und oft ins Krankenhaus fahre. Beigefügt war ein Bericht des Dr. P. vom 22. Oktober
2003, in dem dieser die bei ihr vorliegenden Diagnosen und die verordneten Medikamente mitteilte. Nach Einholung einer weiteren
Stellungsnahme von Dr. E. wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2004 den Widerspruch auf der Grundlage
der zum Ausgangsbescheid hinsichtlich der vorliegenden Gesundheitsstörungen getroffenen Feststellungen zurück.
Die Klägerin hat am 8. Oktober 2004 Klage erhoben, mit der sie ihr Rentenbegehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen,
nicht sechs Stunden täglich arbeiten zu können. Vielmehr leide sie seit zwanzig Jahren Qualen. Sie habe bereits Schwierigkeiten,
die notwendigen Dinge zu erledigen. In ihrer Wohnung benötige sie stets eine Hilfe, auch um sich anzukleiden. Auch beim Einkaufen
werde sie immer begleitet. Sie bitte darum, eine Untersuchung in Kanada durchzuführen.
Das Sozialgericht hat Behandlungsunterlagen des K. General Hospital (Bl. 32 bis 46 der Gerichtsakte) beigezogen und den Facharzt
für Innere Medizin Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser ist in seinem schriftlichen
Sachverständigengutachten vom 18. Februar 2006 zu der Einschätzung gelangt, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin durch
ein chronisches Rückenschmerzleiden, einen Verdacht auf Fibromyalgie bzw. chronisches Schmerzsyndrom, ein medikamentös gut
eingestelltes Bluthochdruckleiden und ein leichtgradiges obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom beeinträchtigt werde. Daneben träten
wiederkehrend akute Leibschmerzen, ohne dass eine krankhafte Ursache hierfür habe nachgewiesen werden können, Migräneanfälle
und Harnblasenentzündungen auf. Außerdem bestehe eine Refluxkrankheit der Speiseröhre. Es könne dadurch vermehrt zu akuten
Krankheitszuständen mit Arbeitsunfähigkeit, jedoch ohne Einfluss auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben auf Dauer kommen.
Hiervon ausgehend könne die Klägerin noch leichte Arbeiten körperlicher Art und einfache Arbeiten geistiger Art mit geringer
Verantwortung in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen mit weiteren qualitativen Einschränkungen wie erhöhtem Zeitdruck
und Tätigkeiten in der Nacht, unter Witterungseinflüssen sowie unter Nässe- und Kälteeinwirkungen, auf Leitern und Gerüsten
oder an sonstigen gefährdenden Arbeitsplätzen ausführen. Dies könne regelmäßig vollschichtig geschehen und öffentliche Verkehrsmittel
könnten zweimal täglich benutzt werden. Die damit verbundenen Fußwege von viermal jeweils mehr als 500 m könnten in einer
Zeit von jeweils weniger als 20 Minuten ohne erhebliche Beschwerden und ohne übermäßige körperliche Anstrengung oder erhebliche
Gesundheitsgefährdung zurückgelegt werden. In dem Gutachten heißt es weiter, die lang dauernde Schmerzproblematik, die Verdachtsdiagnose
einer Fibromyalgie und das Versagen aller therapeutischen Maßnahmen bei einem über mehr als 25 Jahre dauernden Beschwerdebild
ließen auch an eine neurotische Fehlentwicklung denken. Mehrfach seien Psychopharmaka verordnet worden. Zu keiner Zeit habe
aber nach vorliegenden Unterlagen eine spezielle nervenfachärztliche Behandlung stattgefunden. Nach innerfachärztlicher Einschätzung
sei die Klägerin deshalb weiterhin in der Lage, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. Für diese Annahme
spreche auch, dass sie ihren Haushalt weiter versorge und dass sie den ärztlichen Anweisungen zur Ausübung vermehrter körperlicher
Aktivität zum Teil überschießend nachgekommen sei. Weitere Gutachten anderer Fachgebiete seien nicht erforderlich.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 5. Dezember 2006 hat die erschienene Versicherte beantragt, die Beklagte
zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 15. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.
August 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom selben Tage die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei nach
der Überzeugung der Kammer weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Diese Überzeugung habe sich das Gericht aufgrund der
Einschätzung des medizinischen Sachverständigen Dr. W. gebildet. Anhaltspunkte für eine derartige Häufung von Arbeitsunfähigkeitszeiten,
dass diese eine Erwerbsminderung begründen könnten, ließen sich nicht objektivieren. Hinweise für eine nachhaltige Störung
auf orthopädischem und neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet lägen aufgrund der eingereichten Befundberichte nach den die
Kammer überzeugenden Ausführungen des Dr. W. nicht vor, sodass es der Einholung insbesondere von Gutachten auf orthopädischem
oder neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet nicht bedürfe. Unterbleiben könne auch die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, weil keine sogenannte schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine sogenannte Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gegeben sei.
Mit ihrer am 1. Februar 2007 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter. Sie könne sich noch immer
nicht vorstellen, wie eine Person in ihrem Zustand sich auf leichte Arbeit konzentrieren könne. Sie lebe mit Narkotika und
anderen sehr starken Medikamenten und habe trotzdem große Schmerzen im Rücken, die sich auf Beine, Arme und Hals ausbreiteten.
Dazu kämen Kopfschmerzen und Schwindelanfälle. Drei- bis viermal pro Tag müsse sie sich hinlegen, da sie vor Schmerzen nicht
stehen könne. Die Schmerzen verursachten Müdigkeit. Sie stehe müde auf und sei erschöpft, bevor es Abend sei. Nachts könne
sie nicht schlafen. Sie bäte deshalb, alle Unterlagen erneut zu prüfen.
Das Berufungsgericht hat die Klägerin erneut um Hergabe von Befundberichten der sie behandelnden Ärzte gebeten. Diese hat
daraufhin eine Bescheinigung des Dr. F. P. vom 3. Oktober 2007 (Bl. 127 ff. der Gerichtsakte) eingereicht, auf die Bezug genommen
wird. Das Gericht hat ferner eine Untersuchung durch den Arzt Dr. A. L. in Toronto veranlasst, der die Klägerin am 30. Mai
2008 in seiner Praxis untersucht und das Gutachten vom 16. Juni 2008 (Bl. 161 bis 165 der Gerichtsakte) erstattet hat. Dort
heißt es, die Klägerin leide an Migräne, Bluthochdruck, Darmverschluss, gastroösophagealem Reflux, chronischen Rückenschmerzen,
interstitieller Zystitis, Reizdarmsyndrom, Hämorrhoiden und Analfissuren, einem obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndrom, einem Zustand
nach Operationen wegen Abdominalhernien, Fibromyalgie, Nierensteinen und Hysterektomie mit beidseitiger Oophorektomie. Aufgrund
dieser Diagnosen beziehe sie seit Jahren eine staatliche Invalidenrente. Sie klage über allgemeine Schwäche, Schmerzen und
Steifheit im ganzen Körper, besonders im unteren Rücken, in der linken Schulter und im linken Knöchelgelenk. Ferner klage
sie über häufig auftretende Migräne-Kopfschmerzen, Darmkrämpfe, Schmerzen beim Stuhlgang und beim Wasserlassen sowie Schlafstörungen
durch häufiges Aufwachen mit Atemnot. Am 10. März 2008 habe eine Thrombose im rechten Bein mit Schwellung und Schmerzen bestanden.
Danach ließen sich die Diagnosen chronischer Spannungszustand mit depressiven und rentenneurotischen Zügen, geringfügiger
gut kontrollierter Bluthochdruck, chronischer Spannungs- und Migräne-Kopfschmerz, chronische interstitielle Zystitis, Zustand
nach Fraktur der linken Schulter mit Bewegungseinschränkung und Bewegungsschmerz, Zustand nach Bruch des linken Knöchelgelenks,
Zustand nach Darmverschlingung mit Bauchschmerzen einhergehend, auf Verwachsungen nach mehrmaliger Eröffnung der Bauchhöhle
zurückzuführen, Schlaf-Apnoe, gastroösophagialer Reflux und Fettleibigkeit stellen. Die Leistungsfähigkeit sei durch die Summe
der aufgeführten Leiden beeinträchtigt, gewinnbringende Arbeiten seien nicht mehr zumutbar. Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung
seien für die Klägerin nicht überwindbar. Es sei anzunehmen, dass sie zum Zeitpunkt der Gewährung der kanadischen Invalidenrente
bereits völlig arbeitsunfähig gewesen sei, da diese Rente nicht ohne eingehende klinische Untersuchung erteilt werde. Eine
Besserung sei unwahrscheinlich. Weitere Fachgutachten seien nicht indiziert.
Auf der Grundlage dieser gutachtlichen Einschätzung hat das Berufungsgericht den Facharzt für Innere Medizin Dr. W. um Ergänzung
seines nach Aktenlage im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens erstellten Gutachtens gebeten. Dieser ist in seiner Stellungnahme
vom 10. Oktober 2008 zu der Einschätzung gelangt, dass eine Änderung seiner ursprünglichen Leistungsbeurteilung nicht vorzunehmen
sei. Es seien keine die Leistungsfähigkeit einschränkenden neuen Gesundheitsstörungen eingetreten. Das Gutachten von Dr. L.
enthalte namentlich keine neuen Befunde und auch keine verwertbaren rentenmedizinische Argumente für die darin angenommene
Aufhebung des Leistungsvermögens.
In ihrer bei Gericht am 27. November 2008 eingegangenen Stellungnahme zu der gutachtlichen Einschätzung des Dr. W. weist die
Klägerin erneut darauf hin, dass sie sehr enttäuscht sei. Sie könne nicht verstehen, wie dieser zu den vorgenommenen Schlussfolgerungen
gelange. Demgegenüber habe Dr. L. sie bewundert für die Art, mit der sie mit ihren Problemen umgehe. Sie sei es leid und glaube,
das Problem liege darin, dass sie Deutschland verlassen habe.
Die Klägerin beantragt nach dem Inhalt der Akten, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Dezember 2006 und den Bescheid
der Beklagten vom 15. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2004 aufzuheben sowie die Beklagte
zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung seit dem 1. Juli 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf das Urteil der ersten Instanz, dessen Begründung sie sich anschließt. Demgegenüber würden neue Tatsachen
mit der Berufung nicht vorgebracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich der
Niederschrift über die öffentliche Senatssitzung am 10. Dezember 2008 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten
Akten Bezug genommen.
Weitergehende Aufklärung in der Sache durch Einholung weiterer medizinischer Sachverständigengutachten ist nicht geboten.
Dies gilt auch für das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet, denn die Klägerin ist nicht in entsprechender Behandlung. Übereinstimmend
gehen denn auch Dres. L. und W. davon aus, dass der medizinische Sachverhalt geklärt ist. Dem schließt sich der Senat an.